Tochter des Markgrafen Manfred II. Odelrich von Turin und der
Bertha d'Este, Tochter von Markgraf Otbert II.
Lexikon des Mittelalters: Band I Seite 147
*******************
Adelheid, Gräfin von Turin
-----------
+ 19. Dezember 1091
Sie entstammte der nach dem Stammvater benannten Familie der ARDUINEN, die von der Mitte des 10. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts einen Großteil des zentralen und südlichen Piemont unter ihrem Einfluß hatte. Vom Tode des Vaters (1034) bis zum eigenen Ableben war sie de facto Herrscherin über die Mark von Turin. Jedoch führte sie nur den Titel Gräfin (comitissa), während die offizielle Würde des marchio bei ihren 3 Ehemännern lag, die sie überlebte: Hermann von Schwaben, den ALERAMIDEN Heinrich, Otto von Maurienne. Die Heirat mit Otto steht am Beginn des Auftretens der Familie MAURIENNE-SAVOYEN in Piemont; nur aus dieser Ehe entstammten Kinder: Petrus (Markgraf seit 1060), Berta (Gemahlin HEINRICHS IV.), Amadeus, Adelheid, Otto. Adelheid gründete 1064 die Abtei S. Maria di Pinerolo und machte wohltätige Stiftungen für viele religiöse Institute im Alpenvorland. 1070 und 1091 ging sie mit Waffengewalt gegen die Stadt Asti und gegen die autonomistischen Gebietsforderungen ihres Bischofs vor. Sie stand in Verbindung mit Petrus Damiani und erfüllte eine Mittlerrolle im Kampf zwischen HEINRICH IV. und dem Papsttum. Adelheid kümmerte sich mehr um den politischen Rang ihrer Verwandtschaft als um die Konsolidierung ihres Hausbesitzes und ihrer Dynastie. Nach ihrem Tod zerfiel die Mark.
Literatur:
----------
DBI I, 249-251 - S. Hellmann, Die Gf.en v. Savoyen und das Reich bis
zum Ende der Stauf. Perioden, 1900, 13ff.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Adelheid war Haupterbin der Eltern.
Sie wurde 1060 Regentin von Savoyen-Turin und war eine ähnlich
bedeutende Frauengestalt wie ihre Cousine Mathilde von Tuszien. Sie setzte
sich energisch gegen die reformfreundlichen Städte durch und lehnte
sich an den kaiserlichen Schwiegersohn HEINRICH
IV. an, ohne daß es zum Bruch mit Papst Gregor VII. kam.
Sie vermittelte 1077 in Canossa und bekam dafür Bugey dazu.
S. Hellmann: Seite 13,18-27
**********
"Die Grafen von Savoyen" (1900)
Eine 3. Tochter, Adelheid, hatte,
wohl noch bei Lebzeiten des Vaters, dem
Schwabenherzog Hermann, einem Stiefsohn KONRADS
II., die Hand gereicht, der 1036 mit der Mark seines Schwiegervaters
belehnt wurde. Nach seinem 1038 erfolgten Tode vermählte sie sich
mit dem ALEDRAMIDEN Heinrich, mit dem sie 1042-1044 in Urkunden
erscheint, um sich Ende des 5. Jahrzehnts des 11. Jahrhunderts dem Savoyer
Otto zu verbinden, der dann auch die Belehnung mit der Mark erhalten
haben muß, da er, zum ersten Male 1051, als marchio urkundet, während
er sich nach seinen burgundischen Besitzungen nun als Graf hätte bezeichnen
können.
Da der ältere von ihnen, Peter, beim Tode des Vaters höchstens
14 Jahre gezählt haben kann, muß zunächst eine Vormundschaft
bestanden haben, über deren Ausübung wir leider nichts Genaues
wissen. Sicher ist nur, daß bis zu ihrem Tode Adelheid,
nicht ihre Söhne, als die ausschlaggebende Persönlichkeit erscheint.
Die wenigen Stellen der gleichzeitigen Quellen, welche die Savoyer
erwähnen, lassen darüber keinen Zweifel. In der Tat muß
sie eine Frau von seltener Klugheit und Tatkraft gewesen sein, die in einer
schwierigen Zeit ihre Stellung Freund und Feind gegenüber zu wahren
verstand, und männlichen Mut in der Brust einer Frau zu bergen schien.
Freilich bedurfte das savoyische Haus, dessen Hoffnung auf 2 Knaben stand,
energischer und geschickter Führung in einer Zeit, in welcher der
Widerstreit politische und kirchlicher Interessen das ganze Abendland und
namentlich das Reich in feindliche Parteien spaltete.
Auch in Adelheids Gebiet stießen
die großen kirchlichen Gegensätze mannigfach aufeinander. Im
Allgemeinen hat die kirchliche Reformpartei in Burgund zahlreiche und eifrige
Anhänger besessen. Aber gerade im Osten und Nordosten des Landes,
in den deutschen und gemischtsprachigen Gegenden, die Adeöheid
unterstanden oder ihren Besitzungen angrenzten, hat sie auch nicht zu verachtenden
Widerstand gefunden. Die Gräfin Adelheid
mag sich um so eher zum Einschreiten gegen die Pataria entschlossen haben,
als die Reformbewegung auch die großen Laiengeschlechter, welche
die in ihrem Bereiche gelegenen Bistümer mit jüngeren Söhnen
zu besetzen pflegten, in dieser Gewohnheit zu stören drohte.
Adelheid war zweifellos den Reformideen
zugetan. Mit Petrus Damiani, freilich einem der zurückhaltendsten
und konservativsten Anhänger der neuen Richtung, verband sie, vermutlich
seit seiner Reise nach Frankreich im Jahre 1062, die ihn durch ihr Gebiet
führte, brieflicher Verkehr: er war bemüht, die Bedenken zu verscheuchen,
mit welchen sie ihre wiederholten Ehen erfüllten. Ihr 2. Sohn Amadeus
hat sich einmal - wir wissen nicht genau wann - durch feierlichen Schwur
Papst Alexander II. zur Hilfeleistung verpflichtet und wurde auch von Gregor
den Getreuen des Heiligen Stuhles beigerechnet. Der letztere ist Adelheid
selbst wiederholt um Schutz für die in ihrem Bereich gelegenen Klöster
angegangen. Aber sie ist weit davon entfernt gewesen, sich mit gebundenen
Händen der kirchlichen Partei zu überliefern. Der patarenischen
Bewegung trat sie, wo nötig, mit Waffengewalt entgegen.
Adelheid scheint Anfangs noch in
nahen Beziehungen zum deutschen Hof gestanden zu haben, wie mehrere Verbindungen
beweisen, die nahe Verwandte von ihr mit Angehörigen deutscher Fürstenhäuser
eingingen. Zunächst heiratete ihre Schwester Irmgard oder Immula,
deren Gemahl Otto von Schweinfurt im September 1057 verschieden war, den
Grafen Ekbert von Braunschweig, einen nahen Verwandten des königlichen
Hauses. Etwa um dieselbe Zeit wurde Adelheids
gleichnamige Tochter RUDOLF von Rheinfelden
angetraut, den es damals mit dem Hofe enger zu verbinden galt und der somit
der Schwager HEINRICHS IV. und der
Schwiegersohn einer Fürstin wurde, deren Besitzungen (im Wallis) den
seinen benachbart lagen. Beide Ehen waren überdies wenig glücklich.
RUDOLF ließ sich 1070 von seiner Gemahlin scheiden und
es bedurfte päpstlichen Dazwischentretens, um ihn nach 2 Jahren zu
bewegen, sie wieder zu sich zu nehmen. Auch Ekbert dachte an Scheidung,
um Adela, die Witwe Ottos von Meißen zu heiraten, und nur sein Tod
(Januar 1068) behütete Irmgard vor dem Schicksal ihrer Nichte. Bekanntlich
dachte auch HEINRICH selber, der 1066
in Tribur seine Braut Bertha heimgeführt
hatte, sehr bald wieder an Trennung von seiner Gemahlin. Er hegte schon
1069 derartigen Absichten und gewann Erzbischof Siegfried von Mainz für
dieselben. Nur das Dazwischentreten Alexanders II., der Petrus Damiani,
den Freund von Berthas Mutter zur Frankfurter Synode nach Deutschland entsandte,
verhinderte ihre Ausführung. Die deutschen Großen beschworen
damals den jungen König dringend, den mächtigen Verwandten seiner
Gemahlin keinen Anlaß zu geben, Wiederherstellung ihrer gekränkten
Ehre mit den Waffen in der Hand zu suchen.
Die Vernachlässigung, deren Opfer die deutsche Königin von
Seiten ihres Gemahls war, hatte doch keine Abkehr ihrer Mutter von der
deutschen Politik zur Folge, wenigstens auf die Dauer nicht. Denn als die
Bewohner von Asti, vermutlich im Jahre 1071, ihren Bischof vertrieben und
einen anderen erwählt hatten, schritt Adelheid
ein, legte nach langem Kampfe die Stadt in Asche und zwang die Bürger,
ihren Oberhirten wieder bei sich aufzunehmen.
Indessen warf der drohende Konflikt zwischen König und Papst seine
Schatten voraus; auch in Adelheids Gebiet
machte sich sein Herannahen fühlbar; auf derselben Fatsensynode von
1075, auf welcher 5 simonistische Räte HEINRICHS
exkommuniziert wurden, suspendierte Gregor VII. Kunibert von
Turin. Als sich HEINRICH IV. im Winter
1076 entschloß, vom Papst die Absolution zu erflehen, sah er sich
genötigt, da ZÄHRINGER und WELFEN ihm die östlichen Alpenpässe
sperrten, seinen Weg durch Burgund zu nehmen; in Besancon feierte er Weihnachten,
bei Genf überschritt er die Rhone und setzte, von Adelheid
und ihrem jüngeren Sohn Amadeus ehrenvoll empfangen, seinen
Weg durch ihr Gebiet fort. Nach dem Bericht Lamberts von Hersfeld, der
allein auf den Zug HEINRICHS eingeht
und die Schwierigkeiten einer Alpenüberquerung mitten im Winter dazu
benutzt, seine schriftstellerische Begabung glänzen zu lassen, hätte
Adelheid die Erlaubnis zum Durchzug
durch ihr Gebiet an die Bedingung geknüpft, daß ihr HEINRICH
5 an ihre italienischen Besitzungen angrenzende Bistümer
ausliefere, endlich aber sich mit der Abtretung einer burgundischen Provinz
begnügt.
HEINRICH durchzog Adelheids
Gebiet und nahm auch ihre Hilfe in Anspruch, als es sich darum handelte,
Gregor VII. zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Niemand war zur Vermittlerin
mehr geeignet als Adelheid, die dem
König durch Verwandtschaft nahe stand und sich dem Papst durch einwandfreie
kirchliche Gesinnung empfahl. Sie erschien mit Amadeus neben der Gräfin
Mathilde, dem Markgrafen Azzo von Este und dem Abte von Cluny bei Gregor
in Canossa und bestätigte das Schriftstück, durch welches sich
HEINRICH dem Papste unterwarf. Auffallend
ist, dass neben Adelheid immer gerade
der jüngere Sohn Amadeus auftritt, während der ältere, Peter,
nirgends erwähnt wird.
Die Stellung, welche Adelheid im
weiteren Verlaufe des Investiturstreites einnahm, ist nicht recht klar.
Im Jahre 1080 suchte sie, wie es scheint, Anschluß an die päpstliche
Partei zu gewinnen. Am 9. August 1078 war Peter, am 26. Januar 1080 sein
Bruder Amadeus, letzterer mit Hinterlassung eines Sohnes Humbert, gestorben.
Die Mark gelangte nun an Friedrich von Mömpelgard, den Vetter Mathildes
von Tuszien, einen eifrigen Anhänger der kirchlichen Sache.
Ob er mit Zustimmung Adelheids die
Mark usurpierte, oder ob HEINRICH,
der allen Grund hatte, Adelheid zu
schonen, sich wirklich herbeiließ, ihm die Belehnung zu erteilen,
ist zweifelhaft. Jedenfalls wird er im Mai 1080 zu Turin in einem Placitum,
das auf päpstlichen Befehl über eine Streitigkeit der Äbte
von Dijon und Fruttuaria von Kardinal Hermann, Bischof Hugo von Dic, den
Bischöfen von Sitten und Maurienne und Adelheid
und ihrer Schwiegertochter abgehalten wurde, als marchio bezeichnet. Vermutlich
ist schon damals seine Verlobung mit Agnes, der Tochter Peters, erfolgt,
die später seine Gemahlin wurde . Aber von beiden Parteien umworben
scheint sich Adelheid trotzdem Freiheit
des Handelns bewahrt zu haben.
Noch einmal nahm Adelheid die Gelegenheit
wahr, für ihren Schwiegersohn einzutreten. Als HEINRICH
im Sommer und Herbst 1082 siegreich Mathildes Gebiet durchzog,
und dabei auch vereinzelten Widerstand in der Lombardei niederschlug, bot
sie, vielleicht durch Benzo für HEINRICH
gewonnen, abermals ihre Vermittlerdienste an, wie es scheint, erfolglos.
Am 19. Dezember 1091 ist die energische Greisin, die wenige Monate
vorher aus unbekannter Ursache noch einmal Asti eingenommen und verbrannt
hatte, ins Grab gesunken, nachdem ihr Friedrich von Mömpelgard wenige
Monate vorher im Tode vorangegangen war.
Adelheids Tod war für das
savoyische Grafenhaus das Signal zu einer Katastrophe, von welcher es sich
nur schwer und langsam wieder erholt hat.
1035
1. oo Hermann IV. Herzog von Schwaben
x ca 1014-28.7.1038
um 1042
2. oo Heinrich Markgraf von Montferrat
- um 1045
1045
3. oo Oddo I. Graf von Savoyen
1021-19.2.1059
Kinder:
3. Ehe
Amadeus II.
um 1050-26.1.1080
Peter I.
um 1048-9.8.1078
Otto Bischof von Asti (1079-1088)
- um 1102
Bertha
1051-27.12.1087
13.7.1066
oo HEINRICH IV. König des Deutschen Reiches
11.11.1050-7.8.1106
Adelheid
1050/53- 1079
1066
oo 2. RUDOLF Graf von Rheinfelden
um 1030-16.8.1080
Literatur:
----------
Black-Veldtrup, Mechthild: Kaiserin Agnes (1043-1077) Quellenkritische
Studien, Böhlau Verlag Köln 1995, Seite 239,297 - Wies, Ernst
W.: Kaiser Heinrich IV. Canossa und der Kampf um die Weltherrschaft, Bechtle
Esslingen 1996, Seite 38,164, 166,208 - Golinello, Paolo: Mathilde und
der Gang nach Canossa, Artemis und Winkler Düsseldorf 1998, Seite
121,192,194, 205,224 - Hans K. Schulze: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales
Kaisertum. Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 399,432,434 -