Buch III
47. Es geht nun das Gerücht, Berta,
die Mutter des Königs
Hugo, habe ihrem Mann, dem Markgrafen
Adelbert, keinen Sohn geboren, sie habe vielmehr Wido
und Lambert
heimlich von anderen Frauen bekommen und unter Vortäuschung einer
Niederkunft sich untergeschoben, um nach dem Tode des Adelbert Söhne
zu haben, mit deren Hilfe sie uneingeschränkt über die Macht
ihres Mannes verfügen könnte. Diese Lüge aber ist wohl,
wie ich glaube, zu dem Zweck erfunden, damit König
Hugo seine Blutschande mit dieser Begründung verbergen
und dem Schimpf der Unsittlichkeit entgehen könnte. Der Wahrheit näher
dagegen scheint mir die Behauptung von der Entstehung des Gerüchtes,
die ich nun erzählen will. Lambert, der nach dem Tode seines
Bruders Wido die Mark Tuszien innehatte, war ein kriegerischer und
zu jeder Gewalttat geneigter Mann. Ihn hatte König
Hugo hinsichtlich des Königreichs Italien stark in Verdacht;
er fürchtete nämlich, daß die Italiener ihn verlassen und
den Lambert als König einsetzen könnten. Boso aber,
der Bruder des Königs Hugo vom
gleichen Vater [50 Graf
Thietbald von Arles, Sohn des 864 getöteten Abts
Hucbert von St. Maurice.], schmiedete Ränke gegen Lambert,
da er sehnlichst wünschte, selbst Markgraf von Tuszien zu werden.
Auf dessen Rat nun verlangte König Hugo
von Lambert unter Drohungen, er solle es weiterhin nicht wagen,
sich als seinen Bruder zu bezeichnen. Er aber, wild und unbändig von
Natur, antwortete nicht maßvoll, wie es sich gehört hätte,
sondern ungezügelt: "Damit der König nicht leugnen kann, daß
ich sein Bruder, aus dem gleichen Körper und dem gleichen Schoß
zur Welt gekommen bin, dafür will ich durch einen Zweikampf vor aller
Augen den Beweis erbringen." Auf diese Antwort hin wählte der König
einen Jüngling namens Teudinus, der mit Lambert den Zweikampf
wegen der Streitsache ausfechten sollte. Gott aber, der gerecht ist und
dessen Wort recht ist, an dem kein Unrecht ist, ließ, um der Unklarheit
ein Ende und die Wahrheit allein sichtbar zu machen, den Teudinus alsbald
fallen und schenkte Lambert den Sieg. Dadurch war König
Hugo nicht wenig bestürzt. Doch ließ er sich beraten,
bemächtigte sich des Lambert und setzte ihn gefangen. Denn
er fürchtete, wenn er ihn freiließe, werde jener ihm die Herrschaft
wegnehmen. Nachdem er ihn gefangen hatte, gab er seinem Bruder Boso
die Mark Tuszien [52 In einer Urkunde vom 17. Oktober
931 (Forschungen zur Deutschen Geschichte 10, 300) nennt Hugo
den Boso nostrum dilectissimum fratrem et gloriosissimum
marchionem.]; den Lambert aber ließ er bald darauf
blenden.
Buch IV
11. Zu dieser Zeit plante Boso, der Bruder des
Königs
Hugo, auf Betreiben seiner überaus habgierigen Frau Willa
einen unerhörten, bösen Anschlag gegen den König.
Hugo blieb das nicht verborgen; daher
wurde Boso verhaftet und sogleich ins Gefängnis geworfen. Die
Ursache seines Sturzes war nun folgende. Als Boso nach der Blendung
des oben erwähnten Lambert die Mark Tuszien erhalten hatte,
verfiel seine Frau Willa
dem Fieber
der Habgier, und zwar so sehr, daß keine der vornehmen Frauen in
ganz Tuszien sich mit Geschmeide von einigem Wert zu schmücken wagte.
Während ihr ein Sohn fehlte, hatte sie vier Töchter, Berta,
Willa,
Richild
und Gisela. Unter diesen hat Willa,
in ihrem Wesen die echte Gattin des jetzt lebenden Berengar,
es fertiggebracht, daß ihre Mutter nicht die nichtsnutzigste unter
allen Frauen war. Doch wir wollen nicht ihre Taten umständlich erzählen;
es genügt, die allerschändlichsten zu beschreiben, und du wirst
sehen können, wie schlimm sie im übrigen war.