Liudprands von Cremona: Seite 394,412
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"Werke" in: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Band VIII

Buch III
47. Es geht nun das Gerücht, Berta, die Mutter des Königs Hugo, habe ihrem Mann, dem Markgrafen Adelbert, keinen Sohn geboren, sie habe vielmehr Wido und Lambert heimlich von anderen Frauen bekommen und unter Vortäuschung einer Niederkunft sich untergeschoben, um nach dem Tode des Adelbert Söhne zu haben, mit deren Hilfe sie uneingeschränkt über die Macht ihres Mannes verfügen könnte. Diese Lüge aber ist wohl, wie ich glaube, zu dem Zweck erfunden, damit König Hugo seine Blutschande mit dieser Begründung verbergen und dem Schimpf der Unsittlichkeit entgehen könnte. Der Wahrheit näher dagegen scheint mir die Behauptung von der Entstehung des Gerüchtes, die ich nun erzählen will. Lambert, der nach dem Tode seines Bruders Wido die Mark Tuszien innehatte, war ein kriegerischer und zu jeder Gewalttat geneigter Mann. Ihn hatte König Hugo hinsichtlich des Königreichs Italien stark in Verdacht; er fürchtete nämlich, daß die Italiener ihn verlassen und den Lambert als König einsetzen könnten. Boso aber, der Bruder des Königs Hugo vom gleichen Vater [50 Graf Thietbald von Arles, Sohn des 864 getöteten Abts Hucbert von St. Maurice.], schmiedete Ränke gegen Lambert, da er sehnlichst wünschte, selbst Markgraf von Tuszien zu werden. Auf dessen Rat nun verlangte König Hugo von Lambert unter Drohungen, er solle es weiterhin nicht wagen, sich als seinen Bruder zu bezeichnen. Er aber, wild und unbändig von Natur, antwortete nicht maßvoll, wie es sich gehört hätte, sondern ungezügelt: "Damit der König nicht leugnen kann, daß ich sein Bruder, aus dem gleichen Körper und dem gleichen Schoß zur Welt gekommen bin, dafür will ich durch einen Zweikampf vor aller Augen den Beweis erbringen." Auf diese Antwort hin wählte der König einen Jüngling namens Teudinus, der mit Lambert den Zweikampf wegen der Streitsache ausfechten sollte. Gott aber, der gerecht ist und dessen Wort recht ist, an dem kein Unrecht ist, ließ, um der Unklarheit ein Ende und die Wahrheit allein sichtbar zu machen, den Teudinus alsbald fallen und schenkte Lambert den Sieg. Dadurch war König Hugo nicht wenig bestürzt. Doch ließ er sich beraten, bemächtigte sich des Lambert und setzte ihn gefangen. Denn er fürchtete, wenn er ihn freiließe, werde jener ihm die Herrschaft wegnehmen. Nachdem er ihn gefangen hatte, gab er seinem Bruder Boso die Mark Tuszien [52 In einer Urkunde vom 17. Oktober 931 (Forschungen zur Deutschen Geschichte 10, 300) nennt Hugo den Boso nostrum dilectissimum fratrem et gloriosissimum marchionem.]; den Lambert aber ließ er bald darauf blenden.

Buch IV
11. Zu dieser Zeit plante Boso, der Bruder des Königs Hugo, auf Betreiben seiner überaus habgierigen Frau Willa einen unerhörten, bösen Anschlag gegen den König. Hugo blieb das nicht verborgen; daher wurde Boso verhaftet und sogleich ins Gefängnis geworfen. Die Ursache seines Sturzes war nun folgende. Als Boso nach der Blendung des oben erwähnten Lambert die Mark Tuszien erhalten hatte, verfiel seine Frau Willa dem Fieber der Habgier, und zwar so sehr, daß keine der vornehmen Frauen in ganz Tuszien sich mit Geschmeide von einigem Wert zu schmücken wagte. Während ihr ein Sohn fehlte, hatte sie vier Töchter, Berta, Willa, Richild und Gisela. Unter diesen hat Willa, in ihrem Wesen die echte Gattin des jetzt lebenden Berengar, es fertiggebracht, daß ihre Mutter nicht die nichtsnutzigste unter allen Frauen war. Doch wir wollen nicht ihre Taten umständlich erzählen; es genügt, die allerschändlichsten zu beschreiben, und du wirst sehen können, wie schlimm sie im übrigen war.