Buch II
48. Die schamlose Hure Theodora,
Großmutter des kürzlich verstorbenen Alberich [38
Alberich, Patricius der Römer, ist 954 gestorben.], herrschte
- es ist auch zu sagen eine Schande - nicht unmännlich über die
Stadt Rom. Sie hatte zwei Töchter [39 Töchter des Konsuls
und römischen Senators Theophylactus.
Marozia
führte gleich ihrer Mutter den Titel senatrix.], Marozia
und Theodora,
ihr nicht nur gleich, sogar noch eifriger im Venusdienst. Die eine von
ihnen, Marozia, brachte in ruchlosem
Ehebruch von oben [40
Vgl. I Anm. 51.] genannten Papst
Sergius den Johannes zur Welt, der nach dem Tode des Johannes
von Ravenna dir höchste Würde der römischen Kirche erlangte
[41 Johannes XI.
931-935.], vom Markgrafen
Alberich [42 Markgraf von Spoleto 897-c. 925.] aber den
Alberich, der später, zu unserer Zeit, die Herrschaft über
die Stadt Rom an sich riß. Zur gleichen Zeit hatte den erzbischöflichen
Sitz in Ravenna Petrus [43 Es war nicht der Erzbischof von Ravenna,
sondern Bischof Peter von Bologna, an dessen Kirche der nachmalige Papst
Johannes X. Diaconus war.] inne, der dem Range nach als der nächste
galt nach dem römischen Oberpriester. Dieser schickte im Dienst schuldigen
Gehorsam den genannten Papst Johannes, damals einen Diener seiner
Kirche, wiederholt nach Rom zum apostolischen Vater. Theodora aber,
eine, wie ich es vorhin bezeugte, recht schamlose Dirne, von der Hitze
der Venus entflammt, verliebte sich heftig in die schöne Erscheinung
des Johannes und wollte mit ihm nicht nur huren, sondern nötigte
ihn nachher immer wieder dazu. Während dieses schamlosen Treibens
starb der Bischof von Bologna, und derselbe Johannes wurde statt
seiner gewählt. Kurz darauf, vor dem Tage seiner Weihe, starb der
genannte Erzbischof von Ravenna, und derselbe Johannes verließ
auf Betreiben der Theodora die bisherige Kirche Bologna und beanspruchte
vom Ehrgeiz aufgeblasen, entegegen den Satzungen der heiligen Väter,
dessen Nachfolge. Nach seiner Ankunft in Rom wurde er alsbald als Bischof
der Kirche Ravenna eingesetzt. Nach kurzer Zeit aber verschied, von Gott
gerufen, auch der Papst, der ihn wider das Recht eingesetzt hatte. Theodora-Glycerium
[44 Glycerium ist der Name einer virgo in der Andria des Terentius.]
aber, deren verdorbenes Gemüt es nicht dulden konnte, daß ihr
Liebhaber, zweihundert Meilen, die Rom von Ravenna trennen, von ihr entfernt,
nur selten zum Beischlaf zur Verfügung stehen würde, nötigte
ihn, den - erzbischöflichen Stuhl in Ravenna zu verlassen und - es
ist unerhört - in Rom die höchste Würde als Pontifex in
Besitz zu nehmen. Nachdem er in dieser Weise zum Nachfolger des heiligen
Apostel bestellt war, verwüsteten die Punier, wie ich berichtet habe,
in jämmerlicher Weise Benevent und die römischen Städte.
Buch III
45. Am Eingang in die Stadt Rom steht ein Festungswerk,
ein Bau von wunderbarer Ausführung und wunderbarer Stärke, vor
dessen Tor eine prächtige Brücke über den Tiber errichtet
ist, der Weg für die in Rom Ankommenden und Abreisenden, und zwar
der einzige Zugang, passierbar jedoch nur mit Einwilligung der Festungswache.
Das Kastell selbst aber, um vom übrigen zu schweigen, ist von einer
solchen Höhe, daß die Kirche, die dem Erzengel Michael, dem
Fürsten der himmlischen Heerscharen, zu Ehren oben auf der Krönung
erbaut ist, den Namen "Kirche des heiligen Engels in der Himmelshöhe"
trägt. Im Vertrauen auf diese Befestigung ließ nun der König
sein Heer weit zurück und betrat Rom mit nur geringem Gefolge. Hier
wurde er von Römern geziemend empfangen und begab sich in das erwähnte
Kastell in das Gemach der Dirne Marozia.
Nachdem er das blutschänderische Beilager mit ihr gehalten hatte,
begann er, sich bereits sicher fühlend, auf die Römer herabzusehen.
Nun hatte Marozia vom Markgrafen
Alberich [47 Vgl. II 48 mit Anm. 42.] einen gleichnamigen Sohn.
Als dieser, der Aufforderung seiner Mutter folgend, den König
Hugo, seinen Stiefvater also, beim Händewaschen mit
Wasser vediente, wurde er ins Gesicht geschlagen, zur Strafe dafür,
daß er das Wasser nicht sparsam und vorsichtig hatte fließen
lassen. Um sich nun für diese ihm angetane Schmach zu rächen,
sammelte er die Röer um sich und wandte sich an sie mit folgender
Rede: "Die Würdenträger Roms sind so sehr verblödet, daß
sie sich sogar den Befehlen von Dirnen unterwerfen. Gibt es denn etwas
Verächtlicheres und Schimpflicheres, als daß durch Unzucht eines
einzigen Weibes die Stadt Rom zugrunde geht und daß die einstigen
Sklaven der Römer, die Burgunder, über die Römer herrschen?
Wenn jener mich, seinen Stiefsohn, ins Gesicht schlug, was glaubt ihr,
wird er, zumal er jetzt noch fremd und neu ist, euch antun, wenn er sich
eingewöhnt hat? Kennt ihr nicht die Freßgier und den Übermut
der Burgunder? Seht euch doch wenigstens die Ableitung des Namens an: Burgunder
heißen sie, weil die Römer, als sie nach Unterwerfung des Erdkreises
viele Gefangene dieses Volkes ins Land brachten, sie anwiesen, sich Häuser
außerhalb der Stadt zu errichten, aus denen sie bald darauf von den
Römern wegen ihres Hochmuts vertrieben wurden; und da sie eine nicht
durch eine Mauer umschlöossene Gruppe von Häusern einen "Burgus"
nennen, wurden sie vond en Römern "Burgunder" genannt, d.i. "aus dem
Burgus Vertriebene". Übrigens heißen sie mit ihrem angeborenen
Namen gallische Allobroger. Ich aber, nachd er mir gegebenen Einsicht,
nenne diese Burgunder etwa "Gurgelmenschen", sei es, weil sie aus Stolz
aus der tiefsten Kehle sprechen, sei es, und das käme der Wahrheit
näher, weil sie sich der Freßsucht, deren Werkzeug die Gurgel
ist, allzu sehr hingeben." Sogleich nach dieser Rede fielen sie alle von
König Hugo ab, wählten den
Alberich zu ihrem Herrn und begannen, um König
Hugo keine Zeit zulassen, seine Leute in das Kastell hereinzubringen,
unverzüglich mit der Belagerung.
46. Es leuchtet ein, daß es der Ratschluß
der göttlichen Gerechtigkeit war, daß König
Hugo unter keinen Umständen das erreichen konnte, was er
durch ein so schimpfliches Verbrechen begonnen hatte. Es kam nämlich
über ihn eine solche Furcht, daer sich davonmachte, indem er sich
auf der Seite, wo das Festungswerk an die Stadtmauer anschließt,
an einem Seil herunterließ und zu den Seinen floh. König
Hugo wurde also mit der erwähnten Marozia
[49 Marozia wurde von ihrem Sohn in
Haft gehalten. König Hugo heiratete
am 12. Dezember 937 Bertha,
die Witwe des Königs
Rudolf, vgl. IV 13.] vertrieben, und Alberich bekam
die Herrschaft über die Stadt Rom, während sein Bruder Johannes
das höchste und allgemeine Bistum übernahm.
Buch V
3. Zur gleichen Zeit behauptete Alberich, nachdem
König Hugo, wie wir berichteten,
schmählich vertrieben worden war, die Herrschaft über die Stadt
Rom. König Hugo bedrängte
ihn Jahr für Jahr, verwüstete alles,w as er konnte, mit Feuer
und Schwert und entriß ihm sämtliche Städte außer
Rom, wo jener seinen Sitz hatte. Doch auch Rom hätte er ohne Zweifel
durch Ausplünderung und Bestechung der Bürger genommen, wenn
ihn daran nicht des gerechten Gottes geheimer Wille gehindert hätte.
Legatio
50. Am siebzehnten September wurde ich halb lebend, halb
tot in den Palast gerufen. Und als ich vor dem Patricius Christophorus,
den Verschnittenen, trat, empfing er mich gütig und stand mit drei
anderen Personen vor mir auf. Der Anfang der Rede war folgender: "Es zeigt
die Blässe im Antlitz, dein Verfall am ganzen Leib, den ungeschorenes
Haupthaar und der gegen deine Sitte lang gewachsene Bart, daß unendlicher
Gram dein herz erfüllt, weil sich die Zeit der Rückkehr zu deinem
Herrn verschoben hat. Doch bitten wir dich, darum weder dem heiligen Kaiser
noch uns zu zürnen. Wir geben die Gründe deiner Verspätung
an. Der römische Papst - wenn anders der Papst genannt werden kann,
der mit dem Sohne Alberichs, dem von Gott abtrünnigen Ehebrecher
und Kirchenschänder, Gemeinschaft gehabt und an seinen Handlungen
Teil genommen hat [75 Papst
Johannes XIII. hat als Bischof von Narni und Bibliothekar des Papstes
Johannes XII. an der Synode teilgenommen, die diesen Papst absetzte,
und 964 an derjenigen, welche die Wahl Leos
VIII. für ungültig erklärte.] - hat an unsern heiligsten
Kaiser einen Brief gesandt, der des Papstes wohl würdig, des Kaisers
aber nicht würdig ist, worin er ihn Kaiser der Griechen und nicht
der Römer nennt, was unbestreitbar nach dem Rat deines Herrn geschehen
ist."
62. Als aber der gottlose Alberich, dessen Seele
die Habsucht nicht tropfenweise, sondern wie ein angeschwollener Gießbach
erfüllt hat, sich der Stadt Rom bemächtigte [94 932-954.
vgl. Antap. III 45f.] und den apostolischen Herrn wie seinen leibeigenen
Knecht in seiner Wohnung eingesperrt hielt, da ernannte der Kaiser
Romanos seinen Sohn Theophyaktos,
einen Verschnittenen, zum patrairchen, und weil ihm Alberichs Habsucht
nicht verborgen war, schickte er ihm große Geschenke und erreichte
dadurch, daß im Namen des Papstes ein Screiben an den Patriarchen
Theophylaktos ausging, das ihn selbst
und seine Nachfolger ermächtigte, das Pallium ohne Erlaubnis der Päpste
anzulegen.