Sohn des Markgrafen
Hunfrieds I. von Istrien
Gerd Tellenbach: Seite 55
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"Der großfränkische Adel"
Graf Adalbert, der jene Rheinauischen
Güter in Italien erwarb, tat dies natürlich nicht, um irgendwelche
beliebigen Güter im Ausland an sich zu bringen, sondern weil er italienische
Interessen hatte. Wir kennen ihn als Grafen im Thurgau und in Rätien,
als Angehörigen der sogenannten HUNFRIDINGER
oder BURKARDINGER, die in seinem Enkel
den 1. wirklichen alemannischen Stammesherzog im deutschen Reich, Burkart
I., stellten.
Michael Borgolte
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"Die Grafen Alemanniens"
ADALBERT (I)
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(§ Thurgau ?836 III 28 - ?838 111 28)
Belege mit comes-Titel:
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W I Nrn. 356 (= ThUB I Nrn. 53 und 66), 370 (= ThUB I Nr. 58), III
Anh. Nr. 3 (= ThUB I Nr. 59)
Literatur:
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EICHHORN, Episcopazus Curiensis 333 - NEUGART, Episcopatus Constantiensis
I. 1 182 - MEYER VON KNONAU, Geschlechtskunde 73 f. - PUPIKOFER, Thurgau
I 145 f. - Geschichte der Stadt Lindau I. 1 22-25,II 198 f., 206f. - KNAPP,
Buchhorner Urkunde 208, 210, 222 f. - SPEIDEL, Zürichgau 22 - BAUER,
Gau und Grafschaft 96, 109, 111 - TELLENBACH, Königtum und Stämme
12, 51 Nr. 29b - MEYER-MARTHALER, Rätien 76f. 79 f. A. 201 - MAYER,
Schaffhausen 15 f. - SCHMID, Königtum, Adel und Klöster 277 A.
128 - HLAWITSCHKA, Franken in Oberitalien 206 Nr. XCV - SCHULZE, Grafschaftsverfassung
90,122f.,124f. - ZOTZ, Breisgau 76 - BILGIERI, Geschichte Vorarlbergs 169
f., 258 A. 116 - BORST, Pfalz Bodman 190 - BORGOLTE, Geschichte der Grafschaften
Alemanniens 108-110
Vom 2. Drittel des 9. bis zum Beginn des 10. Jahrhunderts reicht eine
dichte, aber nicht lückenlose Belegkette für Graf
Adalbert im Thurgau (zu
W I Nr. 227 und W II Anh. Nr. 3 s. aber Art. ADALBERT
III). Aus chronologischen Gründen kann es sich nicht um eine
und dieselbe Person handeln. Die ersten urkundlichen Nachweise stammen
aus der Zeit um den Tod LUDWIGS DES FROMMEN
und sind vom nächsten Beleg (W II Nr. 493) ca. ein Dezennium getrennt;
mit den meisten Forschern möchte ich die Unterbrechung der Zeugnisreihe
als Indiz der Personenverschiedenheit werten (zuletzt SCHULZE und SCHMID;
anders MEYER-MARTHALER 79 f. A. 201 mit den jedenfalls unrichtigen Zitaten
UB Zürich I Nr. 84 = D LdD Nr. 90 und Notkeri Balbuli Gesta Karoli
Magni 51 cap. II.2, vgl. TELLENBACH 12 A. 1).
Die 3 St. Galler cartae mit Adalberts Namen
in der Grafenformel sind im 3. (W I Nr. 356) bzw. 5. Jahr Ludwigs
des Deutschen datiert (W I Nr. 370, III Anh. Nr. 3). Da die
Zeitrechnungselemente in keinem Falle zusammenstimmen und personengeschichtliche
Argumente für die Ermittlung der zugrunde liegenden Epochen einstweilen
nicht bekannt sind, können die Belege wenige Jahre vor oder nach den
Tod LUDWIGS DES FROMMEN, je nachdem,
ob man von der Epoche von 833 oder aber von 840 ausgeht (BORGOLTE, Chronol.
Stud. 178). Vor 840 wird im Thurgau aber auch GEROLD (III), nach
diesem Datum UDALRICH (III) als Graf genannt. Es ist gut möglich,
aber wegen der zeitlichen Variabilität der Belege nicht nachzuweisen,
dass Adalberts Amtsführung die eines der genannten Grafen unterbrochen
oder begleitet hat (vgl. PUPIKOFER 145; SPEIDEL; BAUER 109, III; SCHULZE
90, 123). Eine räumliche Scheidung der Zuständigkeiten zwischen
Adalbert und Gerold bzw. Udalrich ist
aus den Urkunden nicht zu erschließen.
NEUGART und BAUER (96) haben Adalbert,
den Grafen im Thurgau, mit einem Klettgauer Grafen gleichgesetzt, der in
der 2. Urkunde des Rheinauer Cartulars genannt wird (UB Zürich I Nr.
57). Die Datierung dieses Stückes ins Jahr 844 hat aber SCHMID (Königtum,
Adel und Klöster 271) mit guten Gründen zurückgewiesen und
durch die auf 901/02 ersetzt (GOZBERT II, III; ADALBERT III).
Adalbert gilt in der Forschung
seit langem als der Sohn des rätischen
Grafen Hunfrid (s. NEUGARRT; zuletzt BORST, BILGIERI, ZOTZ). Von
diesem wird in der Translatio sanguinis Domini (KLÜPPEL, Reichenauer
Hagiographie 158 cap. 16), einer Reichenauer Erzählung aus der Mitte
des 10. Jahrhunderts, berichtet, er habe nach dem Tod des Vaters dessen
Heilig-Blut-Reliquie cum coteris quoque rebus, also auch die Grafschaft
in Rätien, geerbt. Tatsächlich zeigen mehrere Gedenkbucheinträge,
dass ein Sohn Hunfrids
namens Adalbert existiert und wie sein
Vater die Grafenstellung erlangt haben mag (Liber Viventium Fabariensis
pag. 24 = PIPER, Libri Confrat. 359 col. 7, 13; St. Galler Gedenkbuch pag.
6 = PIPER 15 col. 23, 3; Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau
103 A1). Es fragt sich aber, ob der rätische
Adalbert mit dem gleichnamigen Thurgauer Grafen identifiziert werden
darf. Die Belege Hunfrids von 806/08
und 823/34 sind chronologisch vom Erstbeleg Adalberts
beträchtlich entfernt. Darüber hinaus konnte in einer neuen Analyse
der Zeugnisse zur Einführung der Grafschaftsverfassung in Rätien
gezeigt werden, dass sich bisher ungeklärte Widersprüche in der
Überlieferung beheben lassen, wenn man einen älteren Hunfrid
(von 806/08) von einem jüngeren Hunfrid (von 823/24) trennt (BORGOLTE,
Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Exkurs. 219-229). Wenn demnach
der rätische Adalbert nach 808 sein Amt angetreten und - wie es den
Anschein hat - nach dem Aufstand Bernhards von
Italien um 817/18 verloren hat, entfällt die Möglichkeit
einer Identität mit Adalbert.
Nach der Translatio sanguinis Domini (KLÜPPEL, Reichenauer Hagiographie
158 cap. 17) hat Hunfrids
Sohn einen Widersacher namens Ruodpert im Kloster Lindau bestattet; Ruodpert
wird mit RUADBERT (II), dem Linz- und Argengaugrafen von 807-813/14, einem
"UDALRICHINGER", identifiziert. Entweder ihm oder dem HUNFRIDINGER
Adalbert schreibt man die Gründung
des Nonnenklosters Lindau zu (s. Geschichte der Stadt Lindau II 199, BORGOLTE,
Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Exkurs, 228). Für Adalbert
spricht die Lindauer Lokalüberlieferung. In einem gefälschten
Diplom LUDWIGS DES FROMMEN für
Lindau ist von einem Adelbertus (...) sacri palacij Comes die Rede, der
das Frauenkloster am Bodensee pro salute et remedio animarum amnium parentum
suorum et sue primo fundauit omnibusque suis allodiis augmentauit (zuletzt
nach einer Abschrift des 15. Jahrhunderts in: Geschichte der Stadt Lindau
II 201 ff. = BM² Nr. 992). Da die Urkunde, ein Machwerk des 12. Jahrhunderts,
das Datum des 21. April 839 trägt, ist der Lindauer fundator bisher
meistens mit dem Grafen von Rätien und dem um 840 belegten Grafen
im Thurgau identifiziert worden (Zuletzt BORST, BILGERI 69 f., ZOTZ; anders
MEYER VON KNONAU, Geschlechtskunde 73 A. 2). Genauer unterscheidend müßte
man sagen, dass ein Beleg von 839 eher zu den Zeugnissen über den
Thurgau-Grafen als zu den Nachweisen des Hunfrid-Sohnes
passen würde. Man scheint aber bei der Auswertung des Falsifikats
den quellenkritischen Beobachtungen der Diplomatiker nicht ganz gerecht
geworden zu sein (s. LECHNER, Urkundenfälschungen 60-63; BM²
Nr. 992; SICKEL, Acta Karolinorum II 418 f.). Demnach muß angenommen
werden, dass der Fälschung die echte Urkunde LUDWIGS
DES FROMMEN für Reichenau von 839 IV 21 (BM² Nr. 991)
als textliches und graphisches Vorbild gedient hat (vgl. auch STENGEL,
Immunitätsprivilegien 606 A. 1, mit Hinweis auf D K III Nr. 6). Der
Gedanke LECHNERS (Urkundenfälschungen 61), es könnte ein verlorenes
echtes Diplom für Lindau mit demselben Datum wie die Reichenauer Urkunde
für die Herstellung der Fälschung abgeschabt worden sein, beruhte
nur auf einem hypothetischen Schluß und wollte auch so verstanden
werden. Genauso gut kann man sich vorstellen, dass neben anderen Formularbestandteilen
auch das Eschatokoll mit dem Datum von der Reichenauer Vorlage in das Falsifikat
übernommen wurde. Wenn überhaupt eine echte Urkunde LUDWIGS
DES FROMMEN für Lindau vorauszusetzen ist, kann diese im
2. oder 3. Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts ausgestellt gewesen sein. Damit
entfällt das chronologische Argument für eine Identifikation
des Lindauer Gründers mit dem Grafen im Thurgau.
In der Urkunde wird Adelbertus als
sacri palacij Comes bezeichnet; dieser Titel, an dem in der Forschung Anstoß
genommen wurde (MEYER VON KNONAU, Das bellum diplomaticum Lindaviense 102,
BORST), kehrt in einem Eintrag des Lindauer Necrologs aus dem 13./15. Jahrhundert
zum 8.1. wieder: Ob. grave Albreth,
pfallenztgrave des Rines und stilfter dis münsters, und git, als hute
epdissin denne ist, brot, win und flaiscb (Liber anniversariorum monasterii
Lindaugiensis 180). Ohne Zweifel war in beiden Quellen dieselbe Person
gemeint; der angebliche Gründer des Damenstifts kann jedoch nicht
am 8. Januar verstorben sein. Wie sich aus Parallelbelegen aus Remiremont,
Brescia und St. Gallen ergibt, ist nämlich ADALBERT
(II) "der Erlauchte" Ende des 9. Jahrhunderts an diesem Kalendertag
verschieden. Es hat daher den Anschein, als habe man im Lindauer Kloster
während des späteren Mittelalters den als Gründer betrachteten
Adelbertus (Albreth) mit dem am
8.1. verstorbenen Magnaten identifiziert (Vgl. Geschichte des Stadt
Lindau II 206 f. - Zu frühneuzeitlicher Lindauer Quellen über
die Klostergründung s. ebd. I. 1 22-25, II 198 und BILGERI 258 A.
116).
Nach EICHHORN und NEUGART soll Adalbert
846 gestorben sein; PUPIKOFER (146) berief sich für dieselbe Aussage
auf "das Totenbuch des Frauenklosters Schännis", ohne die Quelle durch
ein Zitat zugänglich zu machen, Wahrscheinlich beruht die Nachricht
auf der nicht zuverlässigen Chronik von Schänis (vgl. GUBSER,
Geschichte der Landschaft Gaster 611).
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Kinder:
Udalrich Herr von Schämis
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Hunfried III. Graf im Zürichgau
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Adalbert II. Graf im Thurgau
- um 906
Literatur:
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Eduard Hlawitschka: Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten
Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands.
Zugleich klärende Forschungen um „Kuno von Öhningen“, Jan Thorbecke
Verlag Sigmaringen 1987, Seite 64 -