Begraben: Florenz, Dom
Jüngerer Sohn des Herzogs Gozelo I. von Ober-Lothringen
eigentlich Friedrich von Ober-Lothringen
Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 118
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Stephan IX., Papst seit 3. August 1057 (Weihe)
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+ 29. März 1058
Florenz
Begraben: Florenz, Dom
Zuvor Friedrich, Sohn des Herzogs Gozelo von Ober-Lothringen, Archidiakon der Domkirche zu Lüttich, gelangte 1049/50 durch Papst Leo IX. nach Rom und wurde 1051 Bibliothekar und Kanzler römischen Kirche. Zusammen mit Kardinalbischof Humbert von Silva Candida und Erzbischof Petrus von Amalfi gehörte er 1054 zu der Gesandtschaft nach Konstantinopel, die dort das Morgenländische Schisma auslöste; unklar ist, welchen Anteil er an den damals entstandenen polemischen Schriften gegen die Griechen hatte. Nach der Rückkehr wich er vor dem Konflikt zwischen Kaiser HEINRICH III. und seinem Bruder Herzog Gottfried III. dem Bärtigen ins Kloster Montecassino aus, wo er am 23. Mai 1057 zum Abt gewählt wurde. Seit dem 14. Juni auch Kardinalpresbyter von S. Grisogono, wurde er bereits wenige Tage nach dem Tod Viktors II. und ohne Rücksprache mit dem deutschen Königshof zum Papst gewählt, wohl um einer anderen Wahl durch römische Adelskreise zuvorzukommen und den Schutz Gottfrieds für die Reformer zu sichern. Kaiserin Agnes erteilte nachträglich die Zustimmung. In seinem kurzen Pontifikat wirkte Stephan IX. gegen Priesterehen und Verwandtenheirat, erhob Petrus Damiani zum Kardinal und plante mit Hilfe seines Bruders einen Feldzug gegen die Normannen.
Quellen:
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LP II, 278; III, 133 - Jaffe I, 553-556
Literatur:
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Haller II, 310-312 - Seppelt II, 34-36 - DHGE XV, 1198-1203
- J. Wollasch, Die Wahl des Papstes Nikolaus II. (Fschr. G. Tellenbach,
1968), 205-220 - H.-G. Krause, Über den Verf. der Vita Leonis IX papae,
DA 32, 1976, 54 Anm. 22 [zu den Schrr.] - G. Tellenbach, Die westl. Kirche
vom 10. bis zum frühen 12. Jh. (Die Kirche in ihrer Gesch., II F 1,
1988), 126 u.ö.
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Kühner Hans: Seite 138
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"Lexikon der Päpste"
Obgleich der Kardinal, Fürst und Abt von Monte Cassino
ein Repräsentant der Reform war, ist seine Wahl mitbestimmt worden
durch die Tatsache, dass sein Bruder Gottfried
der Bärtige von Lothringen und Markgraf von Tuszien inzwischen
auch Herrscher von Mantua, Spoleto, Ferrara und Camerino geworden war.
Auch ist wahrscheinlich, dass der in der Stille wirkende mächtige
Hildebrand die Wahl beeinflußt hat, um das Papsttum von dem bisher
unbeschränkten Einfluß der kaiserlichen Macht zu befreien.
Petrus Damiani, vom Papst zum Reformkardinal erhoben,
wandte sich scharf gegen die Laieninvestitur, die Verleihung hoher kirchlicher
Würden durch Laien. Aus der Frage sollte sich der 1. große Zusammenstoß
zwischen Papsttum und Kaisertum ergeben. Das Volk wurde für die Reform
gewonnen. In Oberitalien kam es zu einer Volksbewegung gegen den simonistischen
Klerus: die Pataria, von pattari (Lumpensammler), wie der Adel spöttelte.
Der Papst wurde auf dem Sterbebett Cluniazenser. Doch
gehörten die Päpste von ihm bis zu Alexander II. der lothringischen
Reform an.
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Mittermaier Karl: Seite 128-140
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"Die deutschen Päpste"
Friedrich entstammte
dem Hause der ARDENNERGRAFEN. Eine
Verwandtschaft mit den elsässischen Familien der Egisheim und Dagsburg
läßt sich nachweisen. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt. Nur
soviel ist sicher, dass er um das Jahr 1020 als 3. Kind zur Welt kam. Seine
Erziehung erhielt er von jungen Jahren an in Lüttich, an der Kirche
des heiligen Lambert. Die Schule dieser Stadt war zu dieser Zeit unter
den wissenschaftlichen Lehrstätten weit um ein Begriff.
Von 1041 bis 1048 bekleideteFriedrichdas
Amt des Bischofs von Lüttich. Schon bald zeichnete er sich als treuer
Freund des Kaisers aus, wenn er auch in kirchlichen Belangen von seinen
Rechten Gebrauch zu machen wußte. Es ist bekannt, dass er als Bischof
besonderen Einsatz bei der Beschaffung einer für sein Bistum wertvollen
Reliquie bewies. Papst Leo IX. suchte anläßlich seines Deutschlandbesuchs
die Umgebung Friedrichs, dessen einsatzfreudiger,
frommer und reforminteressierter Ruf ihm vorausgeeilt war. Der Papst berief
ihn in seinen engeren Kreis. Als sittenstrenger und kirchlich überzeugter
Ratgeber erhielt er kirchliche Auszeichnungen, wobei die verwandtschaftlichen
Bande mitgespielt haben dürften. Der Papst trat sein Bistum Toul ab
und erhob 1051 Friedrich
zum Kardinaldiakon,
worauf er Kanzler und Bibliothekar des päpstlichen Stuhles wurde.
Im Herbst dieses Jahres begleitete FriedrichLeo
IX. nach Benevent, ein Jahr später nach Deutschland und dann wieder
nach Italien, dem Kampf gegen die Normannen entgegen. Bei vielen öffentlichen
Auftritten hielt sich zumeist der treue Diener
Friedrich
in der Nähe des Pontifex auf.
Unter Viktor II. blieb Friedrich
bis Ende Oktober 1055 Kanzler des päpstlichen Stuhles.
Durch die Heirat
Gottfrieds,
des Bruders Friedrichs, mit Beatrix
von Tuszien gewann der päpstliche Kanzler an Einfluß
und Macht, was wiederum den Kaiser besorgte, denn die italienische Metropole
war noch immer ein Hort der Ruhe und Sicherheit.
Noch bevor HEINRICH III.
in Italien ankam, war Gottfried
durch
einen Volksaufstand aus Italien vertrieben worden und nach Deutschland
geflüchtet. Friedrich mußte
im Frühjahr 1055 den offiziellen Begrüßungen bei der Ankunft
des Kaisers fernbleiben. Wahrscheinlich deckte ihn der Papst und hielt
ihn in einem sicheren päpstlichen Versteck. Friedrichfürchtete
den Zorn des Kaisers, weshalb er hinter den Klostermauern von Monte Cassino
Zuflucht und Schutz suchte. Um vollständig seine Frömmigkeit
und Tadellosigkeit zu beweisen, ließ er sich in diesem Kloster in
den Orden des hl. Benedikt einkleiden, worüber dem Kaiser berichtet
werden sollte. Dann ließ er sich zuerst auf eine tremitischen Insel
im Adriatischen Meer, danach in das Kloster des hl. Johannes im lancianischen
Gebiet versetzen. Als HEINRICH in Bodfeld
verstarb, kehrte Friedrich nach Monte
Cassino zurück. Sein Bruder wurde rehabilitiert, und er selbst konnte
neuen Mut fassen. Der Papst hatte bis zuletzt zu Friedrichgestanden,
der Kaiser ihm aber mißtraut. Überlieferte schriftliche Quellen
wissen zu berichten, dassFriedrich
im Zusammenhang mit seiner Klosterwahl und seiner Erhebung zum 36. Abt
von Monte Cassino nicht völlig tadellos zu betrachten sei. Der Verdacht
des Kaisers bei Friedrich kann nicht
ganz von der Hand gewiesen werden. Der Abt des Klosters mußte sein
Amt niederlegen. Bei einer Untersuchung durch Humbert von Silva Candida,
den Papst Viktor in das Kloster beordert hatte, wurden Unregelmäßigkeiten
bei der Wahl aufgedeckt, weshalb es zu einer Neuwahl am 23. Mai 1057 kam,
bei der Friedrich nun einstimmig gewählt
wurde; er habe sich durch den Adel seines Geschlechts und hohe Weisheit
ausgezeichnet, wie es hieß. Mit Humbert begab sich Friedrichzum
Papst und erbat die päpstliche Konsekration zum Abt. Der Papst stand
weiterhin zu Friedrich und bedachte
ihn mit der Würde eines Kardinals und mit einigen Vorrechten. In Zukunft
sollten die Äbte von Monte Cassino bei Versammlungen von Bischöfen
und Fürsten den vordersten Platz unter den Äbten einnehmen und
zuerst ihre Stimme abgeben dürfen.
Das Klosterleben auf Monte Cassino bedeutete Friedrich
ein echtes Anliegen. Darauf kam er später zurück, indem er gegen
den Mißstand auftrat, wonach viele Mönche persönliches
Eigentum besaßen, was den Klosterregeln widersprach.
Die Kardinalserhebung feierte Friedrich
am 27. Juli 1057 in Rom im Beisein einer jubelnden Menge, die ihn nach
altem Brauch zur Titelkirche begleitete. In der Folge verweilte er am Tiber
und besorgte sich nun die ihm angemessene Kleidung und den ihm zustehenden
Schmuck. Da ereilte ihn die unerwartete Nachricht vom Tod Viktors in Arezzo.
Als Nachfolger wurde Friedrich,
Mönch und Abt von Monte Cassino, Kardinalpriester und päpstlicher
Kanzler, bestimmt. Am 2. August erfolgte die Wahl, am 3. wurde er in St.
Peter geweiht und gekrönt. Der neue Papst, der sich Stephan
IX. nannte, kam ohne Einvernehmen mit der Reichsregierung auf
den Stuhl Petri. Die Römer - Volk und Klerus - hatten somit wieder
die erste freie Papstwahl ausgeübt.
Die Reformer in Rom suchten nach einem Gleichgesinnten,
dabei spielte auch eine Rolle, das Papsttum vor einer erneuten Bevormundung
durch die TUSKULANER zu bewahren. In Gottfried
dem Bärtigen, dessen finanzielle Möglichkeiten auch von
Bedeutung waren, fanden sie einen Verbündeten, also erhoben sie dessen
Bruder zum Papst. Die Reichsregentin und Kaiserin-Witwe
Agnes erteilte erst Monate später die formelle Anerkennung
zur Wahl Stephans nach freiem kanonischem
Recht. Die Abordnung mit Hildebrand und Bischof Anselm von Lucca war freilich
zu dieser Zeit bei der Regentin vorstellig geworden, um die Zustimmung
einzuholen.
Stephan selbst war
ein Anhänger der Reformbewegung, geistig rege und gebildet, mit reichlich
Erfahrung in weltlichen wie in kirchlichen Belangen, und die mächtige
Stütze des Bruders im Hintergrund, dessen überzeugender Ruf machtpolitische
Erwägungen zuließ; Stephan
kannte Italien und Deutschland bestens und war als Gesandter Leos IX. nach
Konstantinopel gereist. Vor allem betrachtete er es als eine seiner vorrangigen
Aufgaben, gegen Normannen und Griechen in S-Italien aufzutreten und die
Würde des Papsttums, die Rechte der römischen Kirche noch weiter
anzuheben und zu betonen. Mit ihm nahm die unter Viktor II. angezeigte
Wende ihren Lauf, der gezwungen zum Konflikt führen mußte. Denn
zusehends mehr Kleriker und jetzt auch der Papst begründeten das Übel
der Simonie durch die Vorherrschaft der weltlichen Macht.
Auch als Papst blieb Stephan
Abt
von Monte Cassino. Es mag ihm schwergefallen sein, auf dessen Einkünfte
zu verzichten. Erst als er im Dezember 1057 erkrankte - er hatte schon
mehrmals am römischen Fieber gelitten -, wählten die Prioren
Desiderius, einen persönlichen Freund Stephans.
Das Amt sollte er erst nach dem Tode des Papstes antreten, weil Stephan,
solange er lebte, das Kloster an niemanden abgeben wollte. Er gedachte
mit den Geldmitteln aus dem Klosterschatz, den er sich nach Rom hatte bringen
lassen, einen Feldzug gegen die Normannen zu finanzieren.
Zu den Verdiensten dieses Papstes ist zu sagen, dass
er mehrere Synoden abhielt und Simonie und Priesterehe verurteilte; alle
Kleriker Roms, die sich vermählt hatten, sollten ihrer Ämter
enthoben werden. Auf Veranlassung Hildebrands erhob der Papst Petrus Damiani,
Abt von Fonte Avellana, zum Kardinalbischof von Ostia. Die Vertreibung
der Normannen sah er als seine primäre Aufgabe an. An der vernichtenden
Niederlage Leos IX. trug Friedrich von Lothringen
einen Teil der Verantwortung. Er war es nämlich gewesen, der im päpstlichen
Auftrag Unterhandlungen mit den Normannen hatte führen sollen. Seine
Abneigung gegen sie erlaubte keinen Weg zur Konfliktlösung. Vielmehr
drohte er schroff mit der Vernichtung, sollten sie nicht freiwillig das
Land verlassen.
Papst Stephan IX.,
der gewissermaßen durch eine Notlage, bedingt durch den Druck aus
seiner Umgebung, auf den päpstlichen Stuhl gelangt war, kränkelte
mehrmals während seines Pontifikats. Als er den Tod fühlte, sprach
er das Verbot aus und ließ Volk und Klerus von Rom schwören,
es dürfe vor der Rückkehr Hildebrands keine Papstwahl vorgenommen
werden. Mit letzter Kraft brach der Papst nochmals von Rom zu seinem Bruder
auf. Auf dem Weg wollte er den weithin bekannten und geschätzten Abt
Johann Gualbert von Vallumbrosa treffen. In Florenz warf das Fieber Stephan
auf das Sterbebett; er verstarb im Beisein Hugos von Cluny am 29. März
1058. In der Florentiner Kirche der heiligen Reparata fand er seine
letzte Ruhestätte.
Literatur:
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Goez Elke: Beatrix von Canossa und Tuszien. Eine
Untersuchung zur Geschichte des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1995, Seite 21,22,24,46,70,88,100,131,146,149-154,165,184,193
- Golinello, Paolo: Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis
und Winkler Düsseldorf 1998, Seite 118,124,138,161 - Wies,
Ernst W.: Kaiser Heinrich IV. Canossa und der Kampf um die Weltherrschaft,
Bechtle Esslingen 1996, Seite 24,36,40,42,44 -