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Doch
wenn es Nacht wird über Afrika und die dumpfe Einfalt in den
Gemütern der Weißen, die sich auf dem absteigenden Ast
befinden, sich ausbreitet wie Nebelschwaden, verwischen die
Kontraste.
Den Niger
stromaufwärts
Anfängliche Schwierigkeiten
Im Bannkreis des Aberglaubens
Lehmburgen der Somba
Durch den Sahel
Niamey
Mit der Piroge auf dem Niger
Erste
Eindrücke von Mali
Aufenthalt in Gao
In den
Hombori-Bergen
Legendäres
Timbuktu
Fahrt auf dem
Niger
Bei den Dogons
Ein
Weltkulturerbe aus Lehm
Über
den Bani nach Bamako
Vom
Bakoye an den Senegal
Berg der Affen
Zu den Félou-Fällen und Steinkreisen
Dakar
Auf der
Sklaveninsel
Anfängliche
Schwierigkeiten
Es ist
bezeichnend, daß man bei Antritt beinahe jeder Reise etwas
Neues, Überraschendes weil Ungewohntes erlebt. So bin ich denn
schon oft nach Paris Charles de Gaulle geflogen, jedoch noch nie
mit einem, man könnte fast sagen, größeren Kleinflugzeug, von
dem ich noch nicht einmal den Typ angeben kann. Bereits beim
Start erleben wir Turbulenzen, daß es einem fast schwindlig
wird. Einmal in der Luft, verläuft der weitere Flug jedoch
außerordentlich ruhig. Unter uns liegt "Deutschland ein
Wintermärchen", erstarrt in sibirischer Kälte, so daß es
angenehme Vorstellungen in einem erweckt, sich bald in wärmeren
Gefilden aufzuhalten. Die nächste Überraschung, die wir
erleben, ist, daß das Essen an Bord noch um einiges schlechter
ist als das letzte Mal, als wir mit Lufthansa flogen, so daß man
es fast als "Fraß" abtun kann. So also ändern sich
die Zeiten, und ich frage mich, wie das noch weitergehen soll.
Als wir über Paris in die Platzrunde einschwenken, versinkt die
Sonne glutrot. In der Île de France liegt natürlich kein Schnee
mehr, dafür ist die Nähe des Atlantiks zu groß. Wenn man den
Flughafen Charles de Gaulle betritt, glaubt man sich bereits auf
den Schwarzen Erdteil versetzt, obwohl uns noch mindestens
tausend Kilometer Luftlinie von Westafrika trennen. Hier wimmelt
es nur so von Mauren und Negern, und zuweilen gewinnt man den
Eindruck, mehr Kopftücher anzutreffen als Barhäuptige. Man
möchte kaum glauben, sich im Herzen des alten Europa zu
befinden, und wozu, frage ich mich, fliegen wir nach Afrika, um
neue Kulturen kennenzulernen, wenn wir sie schon im eigenen Lande
so überaus reichhaltig vorfinden. Der Mann vom
Abfertigungsschalter scheint nicht zu wissen, wo Cotonou liegt,
und benimmt sich geradezu, als wären wir sein erster Fall. Auch
findet er mein Visum nicht im Paß, und ich erst muß ihm
erklären, daß ich ein Sammelvisum für verschiedene
afrikanische Staaten besitze. Da niemand von den französischen
Schalterbeamten die neuen Visabestimmungen kennt, läßt man uns
nicht an Bord, mit der Begründung, wir hätten nur ein Visum
für Togo, nicht aber für Benin. Kurz entschlossen rufe ich den
Reiseveranstalter an, der mir persönlich erklärt, das Visum
habe durchaus seine Gültigkeit, da es ein Sammelvisum sei für
alle Länder, die im Wasserzeichen sichtbar seien. Tatsächlich
sieht man dies erst bei genauerem Hinsehen, und nach langem und
breitem Erklären gelingt es uns, die Beamten davon zu
überzeugen, daß alles seine Richtigkeit habe, ohne daß diese
sich in der Lage sähen, den Wahrheitsgehalt unserer Aussagen
nachzuprüfen. Daraufhin wächst auch meine Sorge, ob unser
Gepäck wirklich eingecheckt ist, denn eine Gepäckversicherung
habe ich nicht abgeschlossen, dafür habe ich persönlich einfach
viel zu gute Erfahrungen gemacht bisher. Bei der Gepäckkontrolle
muß ich meine Phototasche öffnen. Der Beamtin hat es mein
Polarisationsfilter angetan, doch mit Hilfe meiner
Französischkenntnisse gelingt es mir, sie von der absoluten
Harmlosigkeit dieses Zubehörs zu überzeugen. Als ich die
Abfertigungshalle betrete, herrscht dort fast gähnende Leere.
Nur der Pilot ist bereits da, und an seiner Seite sitzt eine
hübsche Frau. Um so mehr bin ich verwundert, daß der Mann sich
mehr für mich zu interessieren scheint als für seine Nachbarin.
Er geht auf mich zu, und für eine Weile hatte ich geglaubt, er
wolle mir die Hand reichen. Schwarze, so stellt man immer wieder
fest, sind einfach viel unkomplizierter als Weiße, denn ein
Weißer in seiner Position würde es als Herablassung ansehen,
ein solches Ansinnen auch nur zu stellen. Zunächst frägt er
mich: "Do you fly with us?" ersichtlich verwundert,
daß einer wie ich es sich antut, einen sogenannten "Black
flight" zu buchen, d.h. einen Flug, auf dem einschließlich
der Crew nur Schwarze mitfliegen. Aus dem Gespräch entnehme ich
schnell, daß es sich um einen feinen und versierten Menschen
handelt, und unser nächstes Thema ist, wieviele Sprachen ich
spräche und woher ich käme. "Je suis Allemand,"
antworte ich, "et je fais le voyage avec vous parsque le
compagnie Sabena nexiste plus." War diese Fluglinie
doch unlängst in Konkurs gegangen! Und dies sei der Grund,
erkläre ich ihm, warum ich umbuchen mußte und jetzt mit
Cammeroon Airlines flöge. Wir wechseln noch einige Worte, wobei
es ihm hauptsächlich um deutsche Wertarbeit geht, mir hingegen
mehr darum, ihm zu erklären, daß ich bereits zum zweiten Mal
nach Kamerun käme, und daß die Deutschen im Rufe stünden, gern
und viel zu reisen, und daß der Zweck meiner Reise
ausschließlich in meinem Interesse an fernen Ländern beruhe.
Nun ist es offenbar selbst einem Piloten nicht so recht
klarzumachen, was einer wie ich in einem so armen Land wie Mali
wolle. Und weil ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wußte, daß ich
es mit dem Piloten zu tun habe, frage ich ihn unbefangen, ob er
der Stuart an Bord sei. "Non, je suis le pilote,"
antwortet er, für einen Moment nachdenklich geworden. Darauf
entschuldigt er sich, daß er nun mit dem Durchchecken seiner
Instrumente beginnen müsse. Dann
ereignet sich ein aufsehenerregender Vorfall. Eine offensichtlich
angetrunkene schwarze Lady, die sich wie eine Berserkerin
aufführt, wird in Begleitung von mehreren Polizisten
vorgeführt. Es handelt sich allem Anschein nach um eine
Zwangsabschiebung. Über dem
Lichtermeer von Paris steigen wir auf in einen wolkenlosen
Himmel. Später begleitet uns das Sternbild des Orion, das auf
der rechten Tragfläche aufzusitzen scheint, mit dem Schwert
stets nach Süden weisend. Angenehm überrascht bin ich vom
Service an Bord, der dem guten alten Air-France-Standard
entspricht. Die Stewardessen haben sich zum Essenausgeben eigens
für uns umgezogen. Das zweite Fläschchen Rotwein genießen wir
in vollen Zügen. Unsere Flugroute führt zuerst zurück nach
Brüssel, und erst von dort geht es dann nonstop nach Douala, der
Hauptstadt Kameruns. Alles in allem haben wir uns durch das
Debakel bei der Abfertigung eine mehr als einstündige
Verspätung eingehandelt, die die anderen Fluggäste aussitzen
müssen. In Brüssel sollte es nicht anders sein, so daß wir mit
einer zweistündigen Verspätung in Douala eintreffen. Das Paar
neben uns mit den zwei hübschen Kindern scheint Eheprobleme zu
haben. Überhaupt sind die Schwarzen viel impulsiver und
leidenschaftlicher im Zorn als unsereins. Mehrmals scheint die
Spannung unter den Passagieren fast bis zur tätlichen
Auseinandersetzung anzuwachsen. Nach einem etwa
7stündigen Flug, der abgesehen von gelegentlichen Turbulenzen
ruhig verläuft, landen wir in Douala, dessen Einzugsgebiet von
sattgrünen Nebelwäldern dominiert wird. Der Flughafen von
Douala macht noch immer den gleichen heruntergekommenen und
verwahrlosten Eindruck wie ehedem. Einzige Neuerung: der Airport
hat jetzt Internet-Anschluß. Dafür gibt es aber vorübergehend
kein fließendes Wasser. Da wir für Kamerun kein Visum besitzen,
dürfen wir uns die sechs Stunden bis zu unserem Anschlußflug
nur in den stickigen, von Fäkaliengerüchen geschwängerten
Aufenthaltsräumen des Transitbereichs bewegen, ohne etwas zu
trinken oder zu essen zu bekommen und ohne daß wir uns irgendwo
frisch machen könnten. Wir kühlen nordischen Seelen ertragen
dies alles mit stoischer Ruhe, unsere schwarzen Mitreisenden
hingegen begehren hinwiederum mächtig auf, so daß wir
zutreffend sagen können: "Die machen das für uns!"
Sie besitzen offenbar nicht die Kraft zur Geduld und schreien
ihren Unmut lautstark aus sich heraus. Obwohl nun unser Gepäck
durchgehend eingecheckt ist, wird es in Douala wieder ausgeladen
und muß persönlich von jedem einzelnen identifiziert werden.
Dies machen die Gepäckträger aber nicht etwa, weil es so
vorgeschrieben wäre, sondern nur, um ein Trinkgeld für die
erwiesene Ehrlichkeit einzuheimsen. Sie hätten das Gepäck ja
durchaus entwenden können, also leistet man lieber den Tribut,
anstatt am Zielort ohne Gepäck dazustehen. Der Aufenthalt am Flughafen wird zunehmend zur Qual,
die Schwüle ist schier unerträglich. Man kommt ohne größere
Mengen Wasser zu trinken nicht aus. Zuerst hieß es, wir würden
während unseres Transitaufenthaltes sowohl ein Mittagessen als
auch ein Frühstück bekommen, inklusive Freigetränk versteht
sich, dann aber heißt es plötzlich, ein zweites Essen sei für
die Fluggesellschaft zu teuer und müsse deswegen entfallen. Auf
unseren Bordkarten sind, wie das in der Luftfahrt eigentlich
üblich ist, keinerlei Sitzplatznummern ausgewiesen. Sowohl die
Angabe des Gates als auch die Boarding Time fehlen. Die
Beschriftung auf den Glastüren der Abflughallen stimmt nicht mit
den Flugzielen überein. Es hat etwas
Bedrohliches an sich, bei Eintritt der Dämmerung in einen
gewittergeschwängerten Tropenhimmel zu starten. Mächtige
Wolkenmassive rauben uns sogleich jede Sicht. In den Tropen
türmen sich die Wolken wegen der dort herrschenden größeren
Luftfeuchte höher auf als in den gemäßigten Breiten. Kaum daß
wir gestartet sind, wird schon wieder zur Landung angesetzt, noch
ehe wir die Wolkendecke durchbrochen haben, und ohne es zu
wissen, befinden wir uns plötzlich in Äquatorial-Guinea, auf
der Douala vorgelagerten Insel Malabo, einstmals Fernando Po.
Doch unser Flug geht weiter. Es muß nicht eigens erwähnt
werden, daß die ganzen hinderlichen Ein- und
Ausreiseformalitäten stets zu unerwünschten Verspätungen
führen, denn irgend jemand ist immer dabei, dessen Papiere nicht
in Ordnung sind. Als wir Fernando Po verlassen, fällt die Nacht.
Unter uns schimmern die zahlreichen Feuer der Abfackelungsanlagen
auf den Erdölplattformen vor der Küste Nigerias durch den
Nebel. Als wir in Cotonou landen, ist dies bereits das dritte
Land, in das wir an diesem Tag einreisen, und mit Togo soll noch
ein weiteres hinzukommen. Da wir keinen
Direktflug bekommen haben, sind wir gezwungen, noch gut zwei
Stunden mit einem angemieteten Fahrzeug zu unserem Quartier nach
Lomé zu fahren, immer die gut ausgebaute Küstenstraße entlang.
Am Straßenrand haben die Händler ihre Buden aufgebaut, und an
jedem Stand brennt hell eine Kerzenflamme, so daß das rege
Nachtleben richtiggehend festlich aussieht. Benin befindet sich
gerade in einer Aufbaueuphorie; dies merkt man beim Bau von
Straßen, Schulen, Krankenhäusern usw. Cotonou selbst ist ein
lärmender westafrikanischer Moloch, die größte Stadt Benins,
die durch die zahllosen Mopeds in dem Gedränge in eine blaue
Dunstwolke gehüllt ist. So leiden wir denn fast an
Vergiftungserscheinungen, als wir gegen Mitternacht in unseren
Bungalows ankommen, die direkt am Meer liegen. Die Bar öffnet
eigens für uns noch einmal den Betrieb, und wir löschen unseren
Durst reichlich mit Bier, dem hier entgegen unserem heimischen
Reinheitsgebot Mais zugesetzt wird. Vorzüglich munden uns
Ausgehungerten auch die gezuckerten Erdnüsse, die wir dazu
serviert bekommen. Beim Rauschen der Brandung versinken wir dann
alle in einen tiefen erholsamen Schlaf unter Palmen.
Im
Bannkreis des Aberglaubens
Der neue Tag
beginnt spätmorgens mit einem Stadtrundgang durch die Hauptstadt
Togos, Lomé. Leider werden, je näher wir der Stadt kommen, die
endlosen gelben Strände durch die überall in der Stadt
anzutreffenden Müllhalden erheblich beeinträchtigt. Man kann
die Menschen nämlich ganz grob einteilen in solche, denen das
Abfallproblem größtes Unbehagen bereitet - das sind die
wenigsten -, und in die überwiegende Mehrheit, die darunter kaum
oder überhaupt nicht leidet, und die letzteren sind unserer Zeit
gewiß besser angepaßt und werden zweifelsfrei länger
überleben. Die restlichen, die damit nicht zurechtkommen, werden
untergehen und müssen verschwinden von einer Welt, in der der
globale Verfall desto zügiger voranschreitet, je mehr Menschen
die Erde bevölkern. Es gibt, nebenbei bemerkt, Reisende in
Afrika, die ihren Müll auf Verdacht hinterlassen, in der
scheinbaren Gewißheit, daß ihn die Einheimischen abholen
werden, weil sie ihn "so sehr" brauchen. Wie aber kann
es jemals eine Wendung zum Besseren geben, wenn Vorschläge
ausgesprochen werden wie dieser hier, den ich soeben aus dem
Munde eines Reisefreundes höre, daß nämlich nur ja keine
Müllverbrennungsanlagen gebaut werden, da sonst noch weniger
Leute Arbeit finden könnten. Es ist schon erstaunlich, wie
manche Menschen argumentieren; genausogut könnte man auch
vorschlagen, bei uns alle Müllverbrennungsanlagen stillzulegen,
damit wir unsere hohen Arbeitslosenzahlen besser in den Griff
bekommen. In Lomé gibt es
nicht gerade viel zu besichtigen, um die Wahrheit zu sagen,
überhaupt nichts. An Kolonialbauten hat sich kaum etwas
erhalten, und falls doch, so läßt man es verfallen. Die
Kathedrale wurde in ihren alten Farben frisch gestrichen, sie ist
dem Kölner Dom nachempfunden. Das Zentrum der Stadt bildet der
sogenannte Unabhängigkeitsplatz mit dem Unabhängigkeitsdenkmal,
welches symbolisch einen Sklaven darstellt, der seine Fesseln
sprengt. Vom 35. Stock des Hotels 2ième Fevrier
genießt man einen weiten Blick über die Stadt, die Lagunen und
die kilometerlangen Sandstrände. Hochhäuser besitzt die Stadt
kaum, auch kann ich nirgends ein Villenviertel entdecken, statt
dessen um so größere Armut. Die Aufdringlichkeit der Händler,
während wir über den Markt schreiten, der mehr einem Basar
ähnelt, ist unerträglich. Wer Berührungsängste hat, der möge
tunlichst den Fleischmarkt meiden, denn der ist besonders
ekelerregend. Tausende von Fliegen bevölkern dort das Fleisch,
das die Schlächter auf herkömmliche Art mit dem Beil
kleinhacken. Das einzig Interessante ist vielleicht das
historische Nationalmuseum von Togo, das besonders kunstvoll
geartete Exponate des hiesigen Kunsthandwerks zeigt, wo u.a. auch
eine gute Dokumentation der nordtogolesischen Eisengewinnung und
-verarbeitung zu finden ist. Von herausragender Qualität, wie
fast überall in Afrika, sind die Schnitzereien, deren edelste
Stücke in Monoblock-Technik gearbeitet sind, d.h. aus einem
Stück gefertigt. Im Sousterrain befindet sich eine kurze
Chronologie der Sklaverei mit einer Liste sämtlicher Forts von
Staaten, die in den Menschenhandel verstrickt waren, darunter,
was nur den wenigsten bekannt sein dürfte, auch das kleine
Dänemark und Schweden. Schließlich zeigt die Ausstellung noch
eine Galerie mit den Portraits der ehemaligen Gouverneure und
Präsidenten seit Beginn der Unabhängigkeit. Am
Nachmittag können wir zum Abschluß unseres Lomé-Aufenthalts
letzte ungetrübte Badefreuden im Golf von Guinea genießen, ehe
wir uns dann morgen dem Landesinnern zuwenden. Niemand wird je
bestreiten, daß Afrikaner wesentlich kontaktfreudiger sind als
wir und mit gewissen Dingen auch viel natürlicher umgehen als
Mitteleuropäer. So bedarf es denn für jemanden, der nachts
nicht gern alleine bleibt, keiner großer Anstrengung, sich in
den Urlaubszentren eine Bettgenossin zuzulegen. Meist reicht es
dafür schon, die Dame seiner Wahl zum Essen einzuladen. Dafür
bekommt man dann im Anschluß allerlei Vergünstigungen umsonst,
und das gleich für die ganze Nacht. Die Liebesrituale spielen
sich ab, als wären sie eine Selbstverständlichkeit, alles nimmt
seinen gewohnten Gang, als sei es Normalität. Lediglich das
Hotel wird vielleicht um seinen guten Ruf bangen, und man wird
Belehrungen über sich ergehen lassen müssen, daß man nur ja
auf sein Geld aufpassen solle und nichts sorglos herumliegen
lasse. Eindringlich wird jeder Fremde ermahnt, sich tunlichst zu
schützen, und wenn er das befolgt, kann die Liebesnacht ruck,
zuck beginnen. Angebote für die stundenweise Nutzung eines
Zimmers sind gegen den geringen Aufpreis eines Trinkgeldes nicht
wesentlich günstiger, so daß man das Hotelbett am besten gleich
für die ganze Nacht bestellt, um hinterher nur ja nichts bereuen
zu müssen. Auch wenn das Mädchen vielleicht gar nichts kostet,
wird man nicht umhin können, den doppelten Übernachtungspreis
zu bestreiten und sich auf diese Weise erkenntlich zeigen
müssen. Ob es dann bei aller Diskretion gelingt, sein
Liebesabenteuer vor andern geheimzuhalten, wird ganz davon
abhängen, wie geschickt man sich anschließend aus der Affäre
zu ziehen versteht. Vor unserer
endgültigen Abfahrt, die sich mehrfach verzögert, dürfen wir
nicht verabsäumen, noch schnell den hiesigen Fetischmarkt
aufzusuchen. Man betritt ihn wahrhaftig als einen mystischen Ort
voll Schwarzer und Weißer Magie, taucht ein in eine Welt der
Zauberer, Medizinmänner und des Aberglaubens. Bis heute ist
unbegreiflich, warum gewisse dieser Wundermittel und Rituale
einen wissenschaftlich nicht zu erklärenden Erfolg für sich
verbuchen können, aus deren Wirksamkeit dereinst der Medizinmann
gewissermaßen seine Rechtfertigung bezog. Was hier auf dem
Fetischmarkt von Lomé, wo die Händler ausschließlich Männer
aus Benin sind, feilgeboten wird, übersteigt schon fast das
menschliche Vorstellungsvermögen: Gehörne, ja selbst ganze
Köpfe von Tieren, Affenschädel, sogar getrocknete Schlangen,
Leopardenfelle, Pferdeschwänze, Figürchen aus Schnitzwerk,
Amulette, Aphrodisiaka, die aus abgehackten Ästen von
Sträuchern gewonnen werden, heilige Steine und vieles andere,
was irgendeine heilsame Wirkung entfaltet, werden fein zermahlen
der Nahrung beigemengt und über diese aufgenommen. Da gibt es
Glücksbringer, Figürchen, in die man seine Wünsche spricht und
diese darin einschließt. Nichtsdestotrotz gehört zum Kauf
solcher Wundermittel stets das Ritual des Handelns, und oftmals
sind die Preise für deren Erstehung anfangs viel höher, als am
Schluß dann wirklich zu entrichten ist.
Lehmburgen
der Somba
Die nun
beginnende Strecke führt zunächst durch eine sowohl
landschaftlich als auch, was Kultur anbelangt, reizlose Gegend,
die von niedrigem, bereits von den Spuren der Trockenheit
gezeichneten Busch bestanden ist, wo das großblättrige
Teakholz, eine im übrigen nichtendemische Art, bestens gedeiht.
Es ist als Edelholz insbesondere deshalb gefragt, weil es
weitgehend astlos ist. Ansonsten wächst hier der sogenannte
Kapokbaum (Bombax costatum oder Ceiba pentandra). Endemischer
Urwald hat sich lediglich noch in den Hanglagen der Gebirge
erhalten. Es hat auch etwas Bedrückendes an sich, daß wir so
gut wie keine Tiere auf freier Wildbahn entdecken, mit Ausnahme
einiger Bussarde vielleicht. An Menschen, die hier offenbar die
einzige Art repräsentieren, mangelt es jedoch nicht, und die
Übervölkerung hat bereits bedrohliche Ausmaße angenommen.
Über Atakpamé, welches Bischofssitz ist, erreichen wir Sokodé,
wo wir über Nacht bleiben, ohne daß sich irgend etwas
Aufsehenerregendes ereignen würde. Man kann diesen Tag, an dem
wir durch das Gebiet der Ewe reisen, nur als verloren ansehen,
mit der einzigen Ausnahme vielleicht, daß die Ewe-Frauen dort
zur Zierde eine Art Schmiß auf der linken Wange tragen, so daß
man sie unentwegt ansehen muß. In der Nacht hat
es merklich abgekühlt. Gleich am Morgen besichtigen wir den
Markt von Sokodé, aber der bunte Trubel hält sich in Grenzen.
Auf unserer Weiterfahrt erreichen wir das nördliche Togo. Von
Tag zu Tag wird die hohe Luftfeuchtigkeit nun niedriger, je
weiter wir uns auf unserer Fahrt in den Norden von der Küste
entfernen. Den ersten landschaftlich reizvollen Eindruck erleben
wir an der Gesteinsspalte von Aledjo, zu der wir auf einem mehr
als 500 m hohen Gebirgspaß gelangen. Auf der abschüssigen
Strecke ereignen sich regelmäßig Unfälle, wenn etwa bei dem
einen oder anderen Fahrzeug die Bremsen versagen. Zahlreiche
Autowracks, darunter ganze Tanklastzüge, liegen dort als
abschreckende Beispiele im Abgrund. Kippt ein Tanklaster um, so
strömen die Bewohner der Umgegend zusammen und füllen sich den
auslaufenden Diesel in Kanister ab, ein nicht ganz
ungefährliches Unterfangen angesichts der bestehenden
Explosionsgefahr. Ganz in der Nähe befindet sich der sogenannte
Todesfelsen, von dem früher entlarvte Hexen und Zauberer
hinabgestürzt wurden. Unten warteten dann meist hungrige Löwen
oder Leoparden auf die Opfer. Über die Klippe
von Bafilo kommen wir nach Überquerung eines Hochplateaus wieder
hinab in niedrigere Gefilde. Bei Kara betreten wir das Land der
Kabyé, die für ihre charakteristischen Runddörfer bekannt
sind, die sich vielfach auch heute noch um einen heiligen Baum
gruppieren, dem außergewöhnliche Kräfte zugeschrieben werden.
Die Kabyé schätzen als lukullischen Genuß Hundefleisch, und
während des Initiationsfestes verschlucken einzelne Männer
sogar lebende Kröten oder durchbohren ihren Körper mit Pfeilen,
um für würdig befunden zu werden, in die Kaste der Krieger
aufgenommen zu werden. Hier, im äußersten Norden Togos, bei
Sara-Kawa, wurde seinerzeit das Attentat auf den togolesischen
Präsidenten Eyadéma verübt, das dieser als einziger Insasse
beim Absturz seines Flugzeuges wie durch ein Wunder nahezu
unverletzt überlebte. Über die Falaise
de Défalé erreichen wir das Tamberna-Tal, wo die Somba, die
sogenannten Nacktgeher, leben, die keine Ethnie im eigentlichen
Sinn darstellen, sondern der in dieser Region typischen
Architektur ihren Namen verdanken, den Speicherburgen. Diese
erfüllen zugleich die beiden wichtigen Funktionen des Schutzes
und des Speicherns. Die aus Stampferde errichteten Lehmburgen
verleihen dem Siedlungsbild einen märchenhaften Zauber. Wie
kleine Schlösser reihen sich Speicherburg an Speicherburg, und
im weichsten Abendlicht leuchten die Lehmwände angenehm rot.
Betritt man eine Sombafestung, so wird man sofort von den
skurrilen Fetischen in den Bann gezogen. Warum zieht uns
Europäer fast magisch alles an, was irgendwie mit Geheimwissen
oder Animismus zu tun hat? Vielleicht ist dies die Erklärung:
Ehe das Christentum auf uns kam, waren wir da nicht selbst
Animisten, die an Elfen, Feen und Kobolde glaubten, an die
Kräfte der Natur? In der Tat scheint diese Sinnverwandtschaft
unserer Urreligion es zu sein, von der noch allzuviel
hängengeblieben ist und welche dieses Interesse begründet und
erklärt, warum wir uns sofort davon angezogen fühlen. Am Abend erreichen
wir Natitingou, eine Stadt, in der nachts die Gehsteige
hochgeklappt werden, wie wir sagen würden. Ein wenngleich
bescheidenes Nachtleben finden wir nur an unserer Hotelbar. Die
wohl einzige Attraktion Natitingous, es sei denn, man unternimmt
von hier aus Ausflüge in die Bergwelt der nahegelegenen
Atakora-Kette, dürfte das kleine landeskundliche Museum sein,
das in einem ehemaligen Kolonialgebäude der Stadt untergebracht
ist. Hier werden vor allem Kunsthandwerk, traditionelle Waffen,
Kalebassen, die Somba-Architektur und ein kleiner Abriß der
Sklaverei gezeigt. An traditionellen Musikinstrumenten finden
Fideln, Tam-Tams, Trommeln und Flöten Verwendung. Als Waffen
waren Pfeil und Bogen, Äxte und Lanzen in Gebrauch. Die
Hutformen sind je nach Stamm verschieden. Besonderes Augenmerk
verdienen die Initiationsriten. Bei der Beschneidung wurden
sogenannte Penishüllen getragen. Unter Schmuckgegenstände
fallen Armbänder, vor allem mit Kaurimuscheln besetzte
Halsketten und allerlei Gegenstände, mit denen die durchbohrten
Lippen geschmückt waren. Eine reiche Vielfalt weisen die als
Modelle dargestellten Somba-Burgen auf, die in der Landessprache
Tata genannt werden. Da gibt es die der Otammari, der Otossu, der
Tamlaja, Berba und Otschoua, die sich hinsichtlich der Zahl der
Stockwerke und vor allem im Verhältnis von Wohn- und
Speichertürmen unterscheiden. Zum Besteigen der Dachterrassen
werden Gabelbäume verwendet, die hochgezogen werden können.
Eine Ausstellung einheimischer Künstler rundet das Ganze ab. Vor
dem Museum stehen eine Reihe Anacardium-Bäume, deren Kerne die
bekannten Cashew-Nüsse liefern. Beim Ort Bouré
heißen uns die Kinder in der Sprache der Peul mit
"Batouré" willkommen. Ansonsten bringt der Tag auch
landschaftlich keine Höhepunkte, eher umgekehrt stundenlanges
Fahren durch endlos monotonen Busch. Die erste Pflanze, die nach
dem Abbrennen der Steppe aus dem Boden sprießt, eine Verwandte
der Christrose, hat strahlend gelbe Blüten, was einen sehr
schönen Kontrast zur abgebrannten Erde darstellt. Auf dem
nächsten Markt, an dem wir vorüberkommen, ist das
Nahrungsmittelangebot schon relativ knapp, vor allem frisches
Obst und Gemüse fehlen. Die Baumwollernte hat gerade erst
begonnen, daher hält sich der Schwerverkehr, der auf der
Teerstraße von Cotonou aus in den Niger rollt, noch in Grenzen.
Mit Ndali erreichen wir ein Bariba-Dorf. Die Bariba sprechen eine
Bantu-Sprache. Neben ihnen finden wir aber auch noch andere
Völker. Die Haussa etwa
leben vom Schlachten der Rinder und besitzen eine sehr einfache
Sprache. Sie gründeten im 14. und 15. Jahrhundert die
Stadtkönigreiche von Kano, Kaduna, Katsina und Sokoto. In den
Städten bewohnen sie eigene Viertel. Im Niger stellen die Haussa
über 50 % des Bevölkerungsanteils. Ihre Dörfer sind noch
vielfach in der traditionellen Bauweise errichtet, meist
rechteckig und aus Lehm, und die Speicher ganz aus Stroh sowie
auf Pfähle gebaut. Die Tuareg
schließlich kümmern sich um die Dromedare. Das Dromedar kam
erst im dritten vorchristlichen Jahrhundert nach Afrika. Es
stammt aus Innerasien uns ist ein sogenannter
Schwielen-sohlengeher. Die Römer lernten es in Ägypten kennen.
Seine Gegenwart fehlt auf älteren ägyptischen Darstellungen. Wir übernachten
heute im Busch bei einem Dorf mit dem illustren Namen
Petit-Paris. In der mondlosen Nacht zeigt sich der Himmel von
einer überwältigenden Pracht. Obwohl wir mitten in der Wildnis
nächtigen, können wir unsere Anwesenheit nicht lange verbergen.
Sowie wir entdeckt sind, strömen immer mehr Menschen aus der
Umgebung zusammen, um uns zu mustern. Sie sind unbeschreiblich
mager, viele haben aufgetriebene Leiber, Zeichen der Fehl- und
Unterernährung.
Durch den
Sahel
Die Sahelzone -
das Wort Sahel kommt aus dem Arabischen und bedeutet Ufer bzw.
Rand - erstreckt sich zwischen dem 12. und 16. nördlichen
Breitengrad. Sie ist geprägt durch eine einzige Regenzeit pro
Jahr. Zwischen 1971 und 1975 blieb die Regenzeit völlig aus.
Dies führte damals zu den berüchtigten Dürrekatastrophen und
damit zu Hungersnöten in einem Rinderweideland. Über die Stadt
Kandi streben wir der nigerischen Grenze zu. Die Grenze zwischen
Niger und Benin bildet der gleichnamige Strom. Er trennt zwei
Großlandschaften, die Wüste und die Parksavanne; die
Parksavanne endet südlich davon. Im Jahre 95 n. Chr. dringt der römische Feldherr
Flaccus Marcellus auf der Verfolgung der Garamanten bis zum Niger
vor. Das Wort Niger hat allerdings mit dem lateinischen Begriff
für "schwarz", wie man vielleicht vermuten könnte,
nichts zu tun. Mitte des 19. Jahrhunderts kommen Heinrich Barth
und Gustav Nachtigal in diese Gegend. Auch Alexander von Humboldt
wollte ursprünglich Afrika erforschen, und nicht Südamerika.
Letztendlich scheiterte sein Vorhaben daran, daß er für die
Region, die ihn interessiert hätte, nicht die notwendigen
Schutzbriefe bekam. Bei Malanville
überschreiten wir die Grenze. Der Fluß führt noch relativ viel
Wasser um diese Jahreszeit. An seinen Ufern liegen die typischen
Pinassen, auf denen die Einheimischen zum Fischfang ausziehen.
Weite Bereiche, auf denen sich Wasserrosen und Hyazinthen
ausbreiten, sind überflutet. Ein charakteristischer Baum dieser
Region, der gerade in voller Blüte steht, ist der prächtige
Bombax costatum, dessen rote Blüten aussehen wie Korallen, was
ihm letztlich seinen Namen verliehen hat. Mit Erreichen der
Stadt Dosso vollziehen wir einen Richtungswechsel nach Westen.
Dieses Gebiet wird bewohnt von den Djerma, den Songhay sowie den
Gourmantché und den Tuareg. Tuareg
und Berber gehören ethnologisch zusammen, und ein Targi - so
heißt der Mann, die Frau nennt sich Targia - kann sich mit
einiger Mühe mit einem Berber verständigen. Ihre Sprache, das
Tamaschekische, hat mit dem Arabischen nichts zu tun, auch
verwenden die Tuareg eine Tifinarschrift. Die Ureinwohner der
Zentralsahara, als die sie sich selbst gerne sehen, sind sie auf
keinen Fall. Sie sind auch keinesfalls die Nachfahren der Hyksos,
da letztere in jedem Fall die Vorfahren der Juden sind. Das Wort
Tuareg im Singular bezeichnet das ganze Volk, im Plural sind mit
den Tuaregs die verschiedenen Stämme gemeint. Es gibt insgesamt
vierzehn Tuareg-Stämme. Ein Stamm heißt in ihrer Sprache Kel.
Der größte Stamm sind die Kel Iforas, andere bedeutende Stämme
sind die Kel Azger sowie die Kel Aïr. Den Namen Tuareg erhielten
sie von den Arabern, und das bedeutet "Die von Allah
Verstoßenen." In ihrer eigenen Sprache nennen sie sich
Imazighen, was soviel bedeutet wie Herrenrasse. An der Spitze der
tamaschekischen Gesellschaft steht der Amenokal. Nobler kann
jeder sein, die Hautfarbe spielt in der Hierarchie und
Rangordnung keine Rolle, auch wenn die Schwarzen die Haratin, die
Sklaven der Tuareg, waren. Der
Grund, warum sich die Tuareg verschleiern, liegt in ihrer
Religion begründet, und vieles aus ihrer ursprünglichen
Naturreligion haben sie in den Islam hinübergerettet. Nach ihrem
Glauben dringen die Djinns, die bösen Geister also, durch die
Körperöffnungen ein, und das ist der Grund, warum sich die
Targis den Schesch umwickeln. Die Farbe des Schesch gibt Auskunft
über den Geldbeutel seines Trägers. Seine Farbe ist häufig
blau, und man spricht auch von den "Blauen Leuten",
weil das Tuch, frisch eingefärbt, auf die Haut blau abfärbt.
Die Kunst des Verschleierns nennt man Tugulmust, und der Litham
wird nur zum Essen und Rauchen abgenommen. Die Targias nehmen den
Zipfel ihres Kopftuchs vor Mund und Nase, wenn sie sich mit einem
Ungläubigen unterhalten haben. Bei den Tuaregs
herrscht eine Art Matriarchat. Die Targia hat im Vergleich zu
anderen islamischen Gesellschaften bedeutend mehr Rechte. Wenn
eine Targia erfährt, daß ihr Mann in der Öffentlichkeit
schlecht über sie gesprochen hat, reißt sie sich die Kleider
vom Leib und rennt schreiend außer Haus, und sie ist in der
Regel nur dann zu besänftigen, wenn er ihr neue Kleider kauft.
Bei einer Scheidung reicht es im allgemeinen nicht, wie in den
meisten islamischen Ländern, daß der Mann dreimal ruft:
"Ich verstoße dich!" "Die Ritter
der Wüste" haben mit unserem Verständnis von
mittelalterlichem Rittertum wenig zu tun, eher mit Raubrittertum,
zumal die Tuaregs früher Karawanen zu überfallen pflegten. Das
einzige, was noch am ehesten eine Verbindung herzustellen vermag,
ist das Takuba, das Schwert in seiner klassischen Form mit
Kreuzgriff. Tuareg tragen
keinen Goldschmuck, weil sie glauben, daß dies Unglück bringt.
Ihr gesamter Schmuck ist daher aus Silber und Zink. Unter einem
Gris-Gris versteht man ein Amulett zur Abwehr negativer magischer
Kräfte, in dem oft ein Koranspruch steckt. Das berühmte
Agadez-Kreuz schließlich ist ein Fruchtbarkeitssymbol, es stellt
das männliche und weibliche Sexualorgan dar.
Niamey
Unser
Nachtquartier, das Grand Hotel in Niamey, der Hauptstadt des
Niger, bietet einen prächtigen Ausblick auf den gemächlich
dahinziehenden Fluß, über den die neuerbaute Kennedy-Brücke
führt. An der Bar des Hotels begrüßen uns die Mädchen mit:
"Voulez des affairs?" und unser einheimischer Führer
verheißt uns die allerschönsten Mädchen, nicht weit vom Hotel
entfernt, in den verlockendsten Tönen. Doch wer würde es wagen,
angesichts der Gefahr, sich solchen Fährnissen auszusetzen? Im
Botschaftsviertel ist besonders die Botschaft Libyens
herausragend. Während etwa bei uns kaum Handwerker zu kriegen
sind, wimmelt es in der Stadt Niamey nur so davon. Das Museum der
Stadt, das für das schönste im gesamten Raum südlich der
Sahara gilt, ist in Wahrheit wenig lohnend. Einzig interessant
dürften die Dinosaurier- und die anthropologische Abteilung
sein. Der dortigen Ausführung zufolge, die die Entstehung der
menschlichen Rassen beschreibt, ist die weiße Rasse eindeutig
die älteste. Der schwarze Mensch ist entwicklungsgeschichtlich
der jüngste und erscheint zuletzt auf der Erde. Dies erscheint
einleuchtend, weil insbesondere das Aussehen des Weißen, als des
Ältesten, sich von dem anderer Primaten am meisten
unterscheidet, seine Intelligenz auch am höchsten entwickelt ist
und er für die Entwicklung seines Gehirns den härtesten
Lebensbedingungen ausgesetzt war. Wenn nun die schwarze Rasse
anthropologisch gesehen die jüngste ist, so heißt dies, daß
einstmals alle weiß waren. Noch heute zeigen Schwarze
bekanntlich weiße Innenhandflächen. Die dunkle Hautfärbung ist
erst hinzugekommen, nachdem der Mensch sein Haarkleid immer mehr
verlor, und verloren muß er es haben, als er sich zu kleiden
begann und es nicht mehr benötigte. Kleiden aber mußte er sich,
wo es kalt war, in den gemäßigten Zonen, denn dort erst hat der
Mensch gelernt, seinen Körper zum Schutz gegen Kälte mit
Tierfellen zu bedecken und seine natürliche Scheu überwunden,
sich dem wärmenden Feuer zu nähern. Die Tatsache, daß die
ältesten Skelettfunde in Afrika gemacht wurden, beweist nicht,
auch wenn es scheinbar danach aussieht, daß der Mensch vom
Schwarzen abstammt. Fast noch ein Tier, ging er aus Afrika fort,
und als Mensch kehrte er dorthin zurück. Der Rindermarkt
von Niamey ist leergefegt von Rindern; vermutlich wurden die
meisten von ihnen zum Ende des größten islamischen Festes, des
Ramadan, geschlachtet und verzehrt. Für viele Fotomotive, die
dort zu holen sind, muß man bezahlen, aber man sollte nicht
jeden Preis entrichten. Hinter Niamey
verläuft unsere Fahrt nun immer am Fluß entlang, den Niger
stromaufwärts. Es ist ein heißes Land, durch welches wir da
reisen, und dumpf brütet die Hitze unter glasigem Himmel. Nur
Dum-Palmen spenden ab und an ein wenig Schatten. Die Dum- oder
Hyphaene-Palme versorgt nach ägyptischer Vorstellung den Toten
mit Nahrung auf seiner Reise ins Jenseits. Ihr Bestand gilt als
gefährdet. Die Etappe
zwischen Niamey und Gao führt durch landschaftlich wie kulturell
vollkommen bedeutungsloses Gebiet: unendliche Weiten, kaum Spuren
einer Besiedlung, ausgebleichtes hellgelbes Gras, verbrannte Erde
und eine Landschaft, in der nur noch die langstachelige
Dornbuschakazie anzutreffen ist. Keine Tiere außer Gekkos und
gelegentlich Dromedaren erfreuen das Herz des Besuchers; und
dennoch leben hier verstreut Menschen, die ein karges Dasein
fristen und deren einziges Fortbewegungsmittel der Esel ist, in
erschütternder Armut, und dies zu Beginn des dritten
Jahrtausends nach Christus. Die Natur gibt und nimmt, und hier in
den einsamen Öden des Sahel nimmt sie ausschließlich, und so
nicht das Leben, dann doch die Freude. Doch noch in den
entlegensten Gebieten der Erde ringt die Natur dem Menschen ein
Lächeln ab, sie macht ihn glücklicher als den, der umgeben ist
von allen Annehmlichkeiten der Zivilisation. Und trotzdem möchte
wohl kaum einer von uns, nicht einmal um des Glückes willen,
zurück in die Ursprünglichkeit. Einmal ganz abgesehen davon,
wären wir dieser auch gar nicht gewachsen.
Mit
der Piroge auf dem Niger
Bei Ayorou
besteigen wir zwei Pirogen; das sind Einbäume, die dennoch eine
gute Stabilität besitzen. Es geht hinaus in die Auen und
Schilfgürtel des Niger, hinüber zu mehreren Inselchen, die nur
mit dem Einbaum zu erreichen sind. Dort finden wir reizvolle
Anwesen der Songhay, und vom Grill zum Speicher bis in das
Schlafzimmer wird uns alles bereitwillig erklärt und gezeigt.
Auf jeden von uns stürzen sich ungefähr fünf ungebetene
Helfer, was die Suche nach Fotomotiven unglaublich erschwert. Die
gegenseitige Verständigung beschränkt sich auf meine
Französischkenntnisse aus der Schule, wobei die Einheimischen
noch den Heimvorteil genießen. Zunächst müssen wir gegen die
zum Teil erhebliche Strömung ankämpfen, was durch Rudern allein
fast nicht zu machen ist, und nur durch zusätzliches Staken im
Kehrwasser des Flusses, ganz dicht am Ufer, ist ein zähes
Vorankommen möglich. Da uns die französischen Namen von
Vogelwelt, Fauna und Flora nicht geläufig sind, beschränken
sich die Eindrücke auf ein lediglich bildhaftes Verarbeiten des
Gesehenen. Überaus reizvoll nehmen sich die zahlreichen Felsen
aus, die aus dem Wasser ragen. Sie geben Anlaß zu mancherlei
Phantasiegebilden, und als die Sonne im letzten Abendlicht nur
mehr flach einfällt, verwandelt sich die ganze Wasseroberfläche
in einen glitzernden Spiegel. Und nun tauchen unerwartet mehrere
Pirogen auf, und die bunten Kleider der Frauen leuchten schrill
in voller Farbenpracht. Wie von einer Neonröhre angestrahlt,
heben sich im Gegenlicht die fluoreszierenden Zähne der
Sonrhay-Frauen von ihrer dunklen Gesichtsfarbe ab, und da ist
kein Mund, der noch geschlossen wäre, kein Gesicht, das nicht
ein freudiges Lächeln zeigte. Soeben hat das Wasser noch still
geplätschert, und plötzlich ist alles wieder vorbei wie nach
einem kurzen Traum. Drinnen im Ort ist der schreiend-laute
Tuareg-Markt in dichte Staubwolken gehüllt, doch schade, denn
wir müssen weiter. Hätten wir doch nur etwas mehr Zeit! Doch
wir können Gao nicht auf uns warten lassen. Da die Strecke
für einen Tag zu weit ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als
eine Wüstenübernachtung einzulegen. Der Mücken wegen meiden
wir die Nähe zum Fluß. Schnell fällt die Dunkelheit ein, und
als wir unser Lager aufschlagen, herrscht stockdunkle Nacht. In
Ermangelung frischen Gemüses, das nirgendwo zu bekommen ist,
haben wir uns einige Yamswurzeln gekauft, die ähnlich zubereitet
werden wie Salzkartoffeln. Bei etwas mehr Würze in den Speisen -
insbesondere Salz fehlt - hätte sich ein ganz geschmackvolles
Essen ergeben. Ohnehin läßt der Appetit, der großen Hitze
wegen, zunehmend nach. Einige Hirten, die uns bemerkt haben,
kommen herbei und sehen uns still dabei zu, was wir da
veranstalten. Es bleiben gewaltige Mengen an Essen übrig, und
diese werden an die Einheimischen verteilt, die das Angebot
dankend annehmen. Als diese sich ausgehungert über die Speisen
hermachen, haben wir alle das Gefühl, ein gutes Werk verrichtet
zu haben. So schnell wie sie gekommen sind, verschwinden unsere
Gäste wieder. Nachts breitet
sich ein klarer Sternenhimmel über uns aus; ca. 7000 Sterne sind
es, die der Mensch mit bloßem Auge ausmachen kann,
vorausgesetzt, daß störende Hintergrundlichter fehlen. In der
Nacht kühlt es so sehr ab, daß ich vor Schüttelfrost zittere,
als ich einmal heraus muß. Ein kühler Wind treibt mich rasch
wieder unter die wärmende Bettdecke zurück. Morgens sitze ich
appetitlos am Frühstückstisch. Lediglich der süße Tee weckt
langsam die Lebensgeister. Dann geht die Sonne auf. In Kürze
sieht der ganze Horizont aus wie in Brand gesteckt.
Schäfchenwolken im Morgenrot gelten bei uns in Europa als
Vorboten schlechteren Wetters, nicht so in den Tropen.
Erste
Eindrücke von Mali
Die Ausreise
aus dem Niger verläuft reibungslos, ohne besondere Vorkommnisse,
würde man sagen. Im Niemandsland zwischen den Grenzen stoßen
wir auf einen arabischen Friedhof. Den Männern werden zwei
Steine gesetzt, den Frauen ein dritter dazu. Die gesamte Aura
kündet von der Unbedeutsamkeit des Menschen. Sie erinnert uns zugleich, daß wir uns in
einem islamischen Land befinden. Anläßlich des größten Festes
im Islam, dem sogenannten Hammelfest el-Kebir, womit das Ende des
Ramadan eingeleitet wird, ist es der Brauch, daß selbst der
ärmste Schlucker sich dazu ein neues Gewand anzieht und somit
jedermann bestens gekleidet ist. Das Gewand der Männer nennt
sich Bubu. Auch richten sich die Frauen ihre Haare zu diesem
Anlaß. Nun ist es in einem islamischen Land wie Mali durchaus
nicht einfach, Menschen zu portraitieren, da die meisten Frauen
sich just in dem Moment, wo man sie ablichten will, das Gesicht
verschleiern. Je weiter wir
Richtung Mali vordringen, einen desto schrecklicheren Eindruck
erwecken die Menschen. Es scheint sie überhaupt nicht zu
stören, daß die Nase läuft, die Körperflüssigkeiten aus den
Körperöffnungen treten, Haut und Haare von Schmutz bedeckt,
Kleider und Schuhe verschlissen sind. Obwohl die Wassermassen des
Niger ganz in der Nähe sind und ich Menschen dieses Wasser habe
trinken sehen, fehlt es ihnen an Reinlichkeitsbedürfnis. Zur
Reinigung des Körpers braucht man aber weder Seife noch
Taschentücher. Auf unserer Fahrt,
den Niger stromaufwärts, immer auf dem orographisch linken Ufer,
kommen wir in das Gebiet der Peul, der nomadisierenden
Rinderhirten. In Afrika ist nämlich ein Mann um so angesehener,
je mehr Rinder er besitzt, gleich welcher Beschaffenheit diese
sind. Die Peul oder Fulani (zu deutsch Fulbe) sind Semi-Bantus,
und als Nomaden geben sie sich ganz der Rinderzucht hin. Ihr Chef
nennt sich Lamido, was bei den Arabern etwa dem Sultan
entspricht. Die nomadische Abteilung der Fulbe nennt man auch
Bororo. Ihre Sprache ist das Fulfulde. Der Niger besitzt
eine ganz eigenartige Flußlandschaft, sie gleicht zuweilen einem
Überschwem-mungsgebiet, auch fernab des Binnendeltas. Da der
Fluß sich praktisch nicht eingegraben hat, steht ihm die ganze
weite Ebene als Bett zur Verfügung. Dennoch weiß er, im
Gegensatz etwa zum Nil, von periodischen Überschwemmungen
nichts. Stellenweise ist der Niger fast zugewachsen. Seine
breiten Schilfgürtel muten an wie Oasen in der Wüste. Das
geologische Untergrundmaterial besteht aus Granit, der an wenigen
Stellen anliegt. Kleinere Felsaufbauten künden von den
äußersten Resten eines abgetragenen Gebirges. Hier hat die
Natur selbst phantasievolle Gebilde geschaffen. Der Bewuchs ist
gekennzeichnet von einer typischen Wüstenrandvegetation. Das
hervorstechende Gewächs ist der Besenginster (Sarothamnus
scoparius), der so heißt, weil aus ihm tatsächlich Besen
gemacht wurden. Das Drin-Gras ist perfekt an die Trockenheit
angepaßt, es kann seine Blätter zum Schutz gegen Verdunstung
seitlich einrollen und bildet als weitere Abschreckung gegen
hungrige Pflanzenfresser spitze Stacheln aus. Die Sudanklette,
auch Cram-Cram-Gras genannt, ist die typischste Pflanze des
Sahel. Besonders prächtige Anblicke auf dem Fluß wird man wohl
kaum jemals erhaschen, dazu sind die Niveauunterschiede zu flach,
die Perspektive zu gering. Der Niger, in der
Berbersprache Ghir-n-igheren, "Fluß der Flüsse",
genannt, ist mit 4.200 km einer der längsten Flüsse der Welt.
Er entspringt im Bergland Guineas, nahe den sogenannten Loma
Mounts, zwischen Kurubonla und Kissidougou, an der Grenze zu
Sierra Leone. Zunächst fließt er nach Norden und erreicht als
ersten größeren Ort die Stadt Faranah. Beim Ort Bèlèya nimmt
er einen Richtungswechsel nach Nordosten vor, nimmt vor Kouroussa
zunächst den Mafou auf und dann den Niandan. Bei Niandakoro
strömt der Milo hinzu und kurz vor Siguiri der Tinkisso.
Zwischen Kangara und Kourouba mündet der Sankarani in ihn. Über
Bamako und Ségou tritt der Niger seinen Weg ins Binnendelta an,
das am Staudamm von Sansanding beginnt. Bei Mopti vereinigt er
seine Wasser mit denen seines wasserreichsten Zulaufs, des Bani,
was soviel heißt wie "Weißer Fluß". Ab Timbuktu
fließt er wieder als einzelner geschlossener Strom, ohne
Regulierung und Begradigung, auf großen Abschnitten so träge,
daß man ihn mit einem See verwechseln könnte. Seinen
spektakulärsten Verlauf nimmt er im Binnendelta, wo er sich in
zahlreichen Verästelungen über eine Fläche von 30.000 km2 ergießt, die auch in der Trockenzeit nie unter
10.000 km2 zurückgeht. In diesem Delta finden sich
mehrere große Seen, deren größter der Debosee ist, der noch im
Quartär ein Binnenmeer war. Im Songhay-Land, bei Timbuktu,
ändert der Niger erneut seine Richtung, wobei er Mali quer von
West nach Ost durchfließt, bei den Tosaye-Schluchten seine
engste Stelle erreicht, ehe er bei Bourem nach Südsüdost
abbiegt. Dort, wo Gao liegt, trifft das heute trockene Tal von
Tilemsi mit dem Flußbett des Niger zusammen. Durch dieses Tal
floß der Niger einst, bevor er sich seinen heutigen Lauf bahnte.
Nachdem er Niamey, die Hauptstadt der nach ihm benannten
Republik, passiert hat, erreicht er beim Ort Pékinga die
Landesgrenzen und wird etwa ab dort, wo der Dallol Bosso mündet,
ein Stück weit Grenzfluß zu Benin. Bei Yelwa, am Ende des
Kainji-Stausees, bereits auf nigerianischem Gebiet, wendet er
sich vorübergehend südwärts, um dann bei Jebba die Strecke bis
Lokoya wieder südöstlich zu fließen. Dabei hat er inzwischen
bei Pategi den Kaduna aufgenommen und bei Lokoya, als seinen im
Unterlauf wichtigsten Zufluß, den Benue. Ab da strebt der Niger
schließlich in südlicher Richtung seinem Mündungsdelta
entgegen, wo er sich in zahlreichen Armen in den Golf von Guinea
ergießt. Die Farbgebung des Nigerbeckens ist
folgende: die Erde ist rötlich-braun bis orange; darauf wächst
Gras, das von der Sonne bis ins Hellgelbe ausgebleicht ist; ein
aufgelockerter Bestand an Akazien bildet nahezu die einzige über
die Gräser hinauswachsende Flora. Das gelbe Gras geht ziemlich
abrupt in die giftgrünen Schilfgürtel des Niger über, dessen
blaues Band sich unendlich ausgedehnt über weite Strecken
hinzieht. Direkt am Ufer findet sich auch regelmäßiger Bestand
anderer Laubhölzer. Über der ausgebrannten Erde wölbt sich ein
zart- bis milchig blauer Himmel, sofern nicht verschmierte
Wolkenfelder den Himmel gänzlich zu überziehen drohen. Jenseits des
Flusses ragen beim gleichnamigen Dorf die markanten Felsen von
Ansongo aus dem Wasser. Vor
Gao nimmt der feinsandige Anteil der Bodenkrume deutlich zu, und
die Pistenverhältnisse ermöglichen nur mehr ein schleppendes
Vorankommen. Tiefrote Dünen und olivfarbenes Grün wetteifern
mit dem blauen Himmel im weichen Abendlicht. Wie zu riesigen
Schneebällen aufgerollt, liegen hier kugelförmige
Termitenbauten über den Boden verteilt, aus karminrotem Laterit
gebacken. Unaufhaltsam nähern
wir uns dem Nullmeridian, denn genau dort liegt Gao. Auch die
Stadt Tours in Frankreich liegt auf demselben Längengrad. Für
ein Photo von der Tageszeit her bereits zu spät, eröffnet sich
kurz vor Gao ein phantastischer Blick auf die Nigerschleife unter
uns. Ab hier führt die Piste dann ständig am Ufer des Flusses
entlang. Für eine Etappe, die auf einer Teerstraße in wenigen
Stunden zurückzulegen wäre, haben wir einen ganzen Tag
benötigt, so daß wir schweißgebadet und erschöpft in Gao
ankommen.
Aufenthalt
in Gao
Gao liegt im
Schnittpunkt dreier wichtiger Pisten: der Bidon-5-Piste, der
Hoggar-Piste, die von Tripolis über Murzuk, Bornu und Kanem
(Zinder) verläuft, sowie der Mauretanien-Piste. Die Kolonialzeit
haben nur wenige Bauten überlebt, während die Stadt heute recht
großzügig angelegt ist. In Afrika war zudem nie die
Notwendigkeit gegeben, die Städte zu Verteidigungszwecken mit
einer Mauer zu umgeben. Die Gebäude sind in der Regel
eingeschossig und aus Stampflehm errichtet, der allerdings die
Härte von Gestein erreicht und damit die Zeiten zu überdauern
durchaus imstande ist. Im Hafen von Gao
liegen eine Unzahl Pirogen und Pinassen am Kai, und wie zu allen
Zeiten herrscht auch heute geschäftiges Treiben, denn seit
alters war er Umschlagplatz für Waren aus dem Norden gegen die
Erzeugnisse des Südens. Die Handelsrouten waren die hier sich
kreuzenden Karawanenwege; der weitere Warenverkehr fand ab dort
auf dem Wasserwege statt. Zugleich war Gao
Schmelztiegel der Kulturen. Die Araber brachten den Islam, die
Songhay-Könige nahmen ihn bereitwillig auf. Vom höchsten Punkt
Gaos, dem Minarett der Askia-Moschee, genießt man einen
herrlichen Blick auf die Dünen am Niger-Bogen. Das Minarett ist
dem Grabmal des ersten Mekka-Pilgers nachempfunden, der dort auf
den roten Dünen begraben liegt. Der Mensch, der in der Wüste
lebt, ständig von Einöde umgeben, in der als einzige
Abwechslung nachts ein prächtiger Sternenhimmel sich über ihm
ausbreitet, ist eher geneigt, an einen einzigen Gott zu glauben,
als der, der im Urwald wohnt und den ständig wechselnden Lauten
und Unbilden der Natur ausgesetzt ist. Wo sonst hätten die fünf
Säulen des Islam besseren Nährboden finden können als hier? In Gao gibt es
nicht eine Brücke, obwohl sie seit langem im Gespräch ist. Was
es jedoch gibt, ist eine Fähre, mit der auch wir übersetzen.
Die Überfahrt verläuft glatt und reibungslos. Die Fähren über
den Niger tragen allesamt Namen; die unsrige heißt Heinrich
Barth, obwohl es nicht die erste ihres Namens ist. Die originale
Heinrich Barth ist gesunken und liegt kopfüber auf dem Grund des
Flusses. Auf der gegenüberliegenden Seite erwartet uns leichtes
Steilufer, und wir dürfen von jetzt an wieder mit einer
Asphaltpiste vorliebnehmen. Wie Vogelschwärme so dicht schwirren
hier die Insekten durch die Luft, und wenn sie sich hinsetzen, so
wählen sie alle den gleichen Baum.
In
den Hombori-Bergen
Die Strecke von
Gao nach Mopti durchzieht, von kaum erkennbaren Erhebungen
abgesehen, unendlich ebene Wüstensavanne, von der ständigen
Auszehrung durch die Sonne ausgebleichtes, in der Hitze
schmachtendes Land, in dem selbst der Mensch selten geworden ist.
Dazu ist der Himmel von einer unerbittlichen, gnadenlosen
Klarheit, und das Zentralgestirn straft die Erde Sünden. Für
mich sind die Tage anfänglichen Elends vorüber, und von Tag zu
Tag fühle ich mich besser. Das liegt vielleicht und nicht
zuletzt an dem täglichen Quantum Whiskey, ohne das man in den
Tropen nicht auskommt. Unerwartet tauchen
in der Ferne aus dem heißen Dunst die geheimnisvollen Ausläufer
der Hombori-Berge auf, einzelne Tafelberge, die als Rest einer
abgetragenen Hochfläche stehengeblieben sind und die mit ihren
natürlichen Zinnen und Türmchen aussehen wie mittelalterliche
Schlösser. In diesem Gebirge finden wir zugleich den höchsten
Berg Malis, den 1155 m hohen Hombori Tondo. Er sieht aus wie ein
riesiger, im Boden versunkener Zylinder. Diese Formationen
erinnern an das Monument Valley in Arizona. Als nächste
Überraschung wartet die "Hand der Fathma" auf, benannt
nach der Tochter des Propheten Mohammed. Fingern gleich, wie zum
Schwur erhoben, ragen diese Felsnadeln, endlos lang, in den
strahlend blauen Himmel. Es ist eine einzigartige Landschaft mit
senkrecht stehenden Felswänden, die dem Kletterer höchste
Schwierigkeitgrade abverlangen, und das Faszinierende daran ist
der abrupte Übergang, mit der diese Erhebungen monolithengleich
aus der Ebene emporsteigen. Geologisch gesehen handelt sich um
Urgestein, mit dem wir es hier zu tun haben, gewachsenen roten
Trachyt, und die Szenerie ringsherum ist spektakulär genug, um
eine Kulisse für jeden guten Science-Fiction-Film abgeben zu
können. Die Wildheit dieser Landschaft ist ins Diabolische,
Fratzenhafte gesteigert. Man könnte gut und gern einen
vierwöchigen Aufenthalt in Hombori einlegen, und selbst dann
würde man längst nicht alle Felstürme, die immer wieder mit
den vielfältigsten Überraschungen aufwarten, bestiegen haben.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts kam der große deutsche
Afrikaforscher Heinrich Barth auf seiner Durchreise hier vorbei
und hat einige der Berggestalten auf seinen Holzschnitten
festgehalten. Der größte Bildhauer aber ist die Natur selbst,
es gibt sicher keinen größeren. Sie hat Formen hervorgebracht,
an die keine menschliche Hand jemals heranreicht. Hinzu kommt,
daß keine menschliche Behausung, kein liegengebliebener Unrat
die Idylle stört - bis jetzt jedenfalls. Daher sollte dieses
Gebiet, falls noch nicht geschehen, schnellstens unter
Naturschutz gestellt werden. In der Nacht
erkrankt der erste aus unserer Gruppe an der Ruhr. Diese
Krankheit äußerst sich in galoppierendem blutigen Durchfall.
Dazu kommen Fieber und Schüttelfrost. Er sagt, er möchte am
liebsten sterben. Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob wir
die Reise mit ihm fortsetzen können.
Legendäres
Timbuktu
Am Morgen
treffen unsere lokalen Führer ein, die uns nach Timbuktu
begleiten werden. Als wir noch in der Dämmerung aufbrechen,
zeigen sich die Hombori-Berge in gespenstisch-düsterem Licht.
Die "Klippen von Gourma" stehen wie furchteinflößende
Zyklopen über uns. Zu ihren Füßen liegt, im Halbdunkel noch
kaum erkennbar, ein idyllisches Dorf. Wir steigen mit staunenden,
senkrecht nach oben gerichteten Blicken aus und stehen
ehrfurchtsvoll vor einem wie von einem großen Meister
geschaffenen Werk, als rötlich-violett die Sonne aufgeht und der
morgende Tag die funkelnden Sterne vertreibt. In der fühlbaren
Kühle ist die Fahrt noch angenehm, doch je höher die Sonne
steigt, desto spürbarer wächst auch die Belastung für Kopf und
Kreislauf. Neben der immer höher wandernden Sonne empfinden wir
jede Rüttelbewegung zunehmend unangenehm im Gehirn, als unser
Viererkonvoj in rasender Fahrt mit 80 Sachen über die ständig
staubiger werdende Piste donnert. Irgendwann müssen wir dann auf
Allradantrieb umschalten. Ausgebleicht und lichtüberflutet liegt
die ausgedörrte Graslandschaft darnieder, und nur der alles
verblasende Fahrtwind läßt die roten Staubwolken der hinter uns
herkommenden Fahrzeuge sich lichten. Zahlreiche Salzkarawanen,
die ihre Lasten wie seit undenklichen Zeiten noch immer auf Eseln
transportieren, kommen uns entgegen. In umgekehrter Richtung
transportieren sie Säcke voll Hirse und Reis, all ihre
Geschäfte noch immer im gleichen Naturalientauschhandel
abwickelnd. Die Händler sind aber keine Negriden, sondern
Berberstämmige bzw. Araber. Sie benutzen ihre Tiere auch nicht
zum Reiten, sondern laufen zu Fuß neben ihnen her, denn alle bis
auf das letzte sind mit Waren vollbepackt. Nach etwa
siebenstündiger Fahrt, die nur durch kürzere Pausen
unterbrochen ist, stehen wir ohne jede Vorankündigung plötzlich
am Niger, der hier sein sogenanntes Binnendelta bildet. An
landschaftlichen Reizen haben wir auf diesem ganzen Abstecher
keine sonderlichen Eindrücke gesammelt, so daß das Unternehmen,
zu dem sich eigentlich nur halbverrückte Europäer entschließen
können, zur Farce wird. Doch wer möchte Westafrika bereist
haben, ohne in Timbuktu gewesen zu sein? Man kann den Ort, über
dessen legendären Ruf wir bereits im Schulunterricht vernommen,
nicht allen Ernstes aussparen wollen. Zudem befahren wir einen
Weg, den bereits 150 Jahre vor uns Heinrich Barth auf seiner
Reise zu den Hombori-Bergen genommen hat. Wer sich heute im
offenen Jeep diesen "Strapazen" unterzieht, ahnt
freilich nicht, welchen Anstrengungen und Fährnissen Heinrich
Barth, dessen Haus in Timbuktu noch heute besichtigt werden kann,
einst ausgesetzt war. Das Warten auf die
Fähre zieht sich in die Länge, was die Belastungsprobe noch
größer werden läßt. Zeit ist offenbar das einzige, was Afrika
im Überfluß hat. Das Übersetzen mit der Fähre ist ein zähes
Unterfangen. Mehr als unsere vier Fahrzeuge passen nicht auf das
Boot, und unter der Last ihres Gewichts sinkt das
Unterwasserschiff noch tiefer ab, so daß wir anfangs fast
dauernd Grundberührung haben. Es währt eine Ewigkeit, bis das
Gefährt frei ist und ungehindert Fahrt aufnehmen kann. Noch gut
20 km sind zurückzulegen, diesmal allerdings auf der
Teerstraße, bis wir Timbuktu erreichen. Die Stadt ist in
Steinbauweise errichtet, wenngleich die größeren Moscheen noch
in ihrer traditionellen Stampflehmarchitektur erhalten sind. Der
Islam kam, als die Marokkaner sich hier festsetzten. Es ist
schade, daß die Menschen durch ihn ihrer Ursprünglichkeit
beraubt wurden. Die Stadt als solche ist ein schmutziges Nest,
zumal der ganze Unrat von den Einwohnern einfach auf die Straßen
geworfen wird, die dann entweder gar nicht oder nur gelegentlich
gereinigt werden. Abwasserkanäle gibt es in Timbuktu nicht, und
falls doch, so fließen sie oberirdisch, Rinnsalen gleich. Man
muß bei jedem Tritt aufpassen, wo man den Fuß hinsetzt, und
während des Gehens Maulaffen feilhalten ist gefährlich.
Timbuktu besitzt weder geteerte noch gepflasterte Straßen, und
gäbe es sie, so wären sie vom Sande zugeweht. Aller Unrat
bleibt liegen, wo er hinfällt. Man muß sich schon fragen, wie
die Menschen unter diesen katastrophalen Bedingungen überhaupt
hier leben können. Doch der Afrikaner hat ein anderes Empfinden
als wir Weißen. Er verkraftet vieles leichter, was unsereinen
aus der Fassung bringen würde. Bei all dem ist die
Versorgungslage mehr als unzureichend. Wir haben schon seit Tagen
nichts Vernünftiges mehr gegessen. Auch wenn aufgrund der
großen Hitze der Appetit eingeschränkt ist, hängt dennoch die
menschliche Laune davon ab, daß der Blutzuckerspiegel nicht zu
tief absinkt. Untergebracht sind wir in einer Karawanserei. Die
Betten sind schmutzig, voller Sand und Flecken, und ein
zerrissenes Moskitonetz soll gegen die Mücken schützen. Unser
örtlicher Führer spricht Englisch, doch mit mir lieber auf
Französisch, weil ich ihn zuerst in dieser Sprache angesprochen
habe. Neben seiner Tätigkeit als Fremdenführer geht er offenbar
noch einem Nebenerwerb als Gärtner nach; ob dies sein Beruf ist,
vermag ich allerdings nicht zu sagen. Stolz zeigt er mit dem
Finger auf all die Bäume, die er gepflanzt hat. Eben deswegen
kennen ihn auch viele Leute, und er kennt sie. Die Stadt
beherbergt etwa 25.000 Menschen, von denen die meisten vom Handel
leben. Auf unserem
geführten Rundgang besichtigen wir drei der Moscheen der Stadt,
den Basar und die Häuser, in denen die großen Afrikaforscher
Heinrich Barth, René Caillié und Alexander Gordon Laing ihren
Aufenthalt genommen hatten. Laing wurde ermordet, weil er nicht
zum Islam übertreten wollte. René Caillié unternahm seine
Reise als Araber verkleidet. Er trat zwar zum Islam über, legte
diesen aber wieder ab, als er Timbuktu verlassen hatte. In dem
Haus, in dem einst Heinrich Barth lebte, ist ein interessantes
Museum untergebracht, in dem die wichtigsten Stationen seines
Lebens gezeigt werden und die großen Leistungen des berühmten
Afrikaforschers beschrieben sind. Es ist wahrhaft bewundernswert,
mit welcher Begabung Barth gleich mehrere afrikanische Sprachen
erlernte, arabisch lesen und schreiben konnte und sich um die
Erforschung der Geschichte der afrikanischen Königreiche
verdient gemacht hat. Am späten
Vormittag treten wir die beschwerliche Rückfahrt an. Eine
Flasche Wasser ist alles, was mir auf der neunstündigen Fahrt
durch die Wüste als Wegzehrung dient, denn die Märkte haben
vormittags alle noch geschlossen. Unsere einheimischen Führer
kommen mit ein paar Datteln als Wegzehrung über die Runden. Wegen starker
Militärpräsenz am Landesteg kommen nicht alle unsere Fahrzeuge
auf die Fähre, denn das Militär hat ganz klar Vorrang. Somit
muß eines unserer Fahrzeuge zurückbleiben und damit leider auch
unsere Pässe, die wir eingesammelt und einem der Unseren
anvertraut haben. Wir treten somit unsere Rückfahrt mit einem
halben Dutzend Kalaschnikows im Nacken an. Die Soldaten machen
einen verlotterten Eindruck: ihre Stiefel sind nicht geschnürt,
wer will, trägt Sonnenbrille und als Kopfbedeckung einen
Schesch. Daß es der Mannschaft gehörig an Disziplin fehlt und
mit ihr kein Krieg zu gewinnen ist, ist offenkundig. Vorbei an
den Uferdünen geht es in luftiger Fahrt hinaus auf den Strom.
Ich persönlich fühle mich, obwohl ich nichts oder nur wenig
gegessen haben, außerordentlich wohl heute, während die meisten
anderen über Durchfall klagen. Da die Fähre aufgrund der
Untiefen nicht direkt am Ufer anlegen kann, sondern ein Stück
weit draußen liegenbleiben muß, muß ein Mann der Besatzung
durch das seichte Wasser vorauslaufen, damit die Fahrzeuge die
Furt finden und nicht in den Fluten untergehen. Ohnehin schon
erheblich im Verzug, rasen wir zurück wie die Wilde Jagd. So
kommt es zu dramatischen Überholmanövern, die uns bisweilen
unsere bisherige Spitzenposition einbüßen lassen, die wir uns
nur mühsam zurückerobern. Man kann schließlich den armen
Fahrer, der ohnehin Blut schwitzt, nicht auch noch schlagen wie
ein Pferd auf der Trabrennbahn. Als die Sonne nur
mehr eine Handbreit über dem Horizont steht, tauchen vor uns
wieder die rötlichen Hombori-Berge auf. Sie fallen mit nahezu
senkrechten Wänden, ohne richtigen Übergang, zum Niger-Becken
ab. Nur mehr schwachgelb glimmend versinkt nach einer knappen
Stunde die Sonne, und messerscharf zeichnet sich jeder Baum,
jeder Strauch wie Figuren eines Schattenspiels ab. Senkrecht
fällt sie, bis sie innerhalb weniger Minuten den Blicken des
Betrachters entzogen ist, ohne eine nennenswerte Rotfärbung am
Himmel zu hinterlassen. Wie von einer unüberwindlichen Barriere
zurückgeschmettert, fegen wir in unseren Jeeps zu Füßen der
nun gänzlich violett erscheinenden Hombori-Berge dahin, und der
lateritfarbene Sand wird zunehmend matt und fahl. Die gratigen
Umrisse der Felstürme nehmen alsbald gespenstische Züge an, und
nur die Zapfen gleichenden Termitenbauten legen uns Hindernisse
in den Weg. Kein Lüftchen regt sich, als dünne Wolkenbänder
rotglühend die Nacht ankündigen. Nacht ist es nach der
Definition des Islam jedoch erst, wenn ein Wollfaden, der auf dem
Boden liegt, keinen Schatten mehr wirft.
Fahrt
auf dem Niger
In Koma
besteigen wir eine Pinasse, um einen Teil unserer Strecke auf dem
Wasserweg zurückzulegen. Auch größere Schiffe verkehren auf
dem Niger, doch haben wir keines in Fahrt befindlich gesehen. Nun
ist so eine Fahrt auf dem Niger alles andere als aufregend, eher
eintönig und langweilig: die Ufer sind flach, die Tiere
weitgehend ausgerottet, und was an Boden vorhanden ist, wird
landschaftlich genutzt. Ein besonderes Ambiente haben jedoch die
zahlreichen Fischerboote, die ihre Netze ausbringen oder
einholen. Ist der Fisch gefangen, wird er am Flußufer in der
Sonne ausgebreitet. Ganze Teppiche silbern glitzernder Fische
liegen dort zum Verkauf angeboten. Unsere Verpflegung für
unterwegs muß mitgeführt werden. An Bord existieren alle
Möglichkeiten der Zubereitung, wenngleich etwas bescheidene: der
fangfrische Fisch wird gegrillt, die Kartoffeln geschält und
gekocht, und fertig ist die Mahlzeit! Der Flußfisch schmeckt
nicht schlecht, enthält aber viele Gräten. Nach mehreren
kürzeren Aufenthalten in typischen Fischerdörfern, wo außer
einer Lehmmoschee nichts geboten ist, erreichen wir nach
längerer Fahrt Mopti, im gleißenden Gegenlicht. Der Ort hat
einen natürlichen Hafen, und im stimmungsvollen Abendlicht kann
man sich nicht satt sehen an dem bunten Treiben, dem ständigen
Kommen und Gehen. Mopti ist eine Stadt, die jeglicher
Attraktionen entbehrt, es sei denn, man ist fasziniert von dem
Gedränge, dem Schmutz und dem Elend, in dem die Menschen hier
leben. Eine Kanalisation gibt es nicht, d.h. die Kloake läuft
oberirdisch ab. "Menschliches Begreifen zuckt zusammen, wenn
es so etwas sieht." Staub und Fäkalien mischen sich zu
einem infektionsträchtigen Herd. Wenn während der Regenzeit die
Straßen der Stadt unter Wasser stehen, schwimmt die giftige
Brühe buchstäblich durch die Stadt. Wen wundert es da, wenn
immer wieder Epidemien ausbrechen. Was hier über die
unzulängliche medizinische Versorgungslage und die
unzureichenden hygienischen Zustände zutage tritt, vermag Wut
auszulösen. Die Stadt selbst hat außer dem Markt, dem Hafen und
der Moschee nichts, was einen Besuch lohnt. Auf dem Basar gibt es
schöne Dogon-Masken. Man muß handeln und kann nicht selten um
ein Drittel des geforderten Preises einkaufen. Wer Mali bereist,
wird in vielfacher Hinsicht schockiert sein. Es gibt keine
ordentliche Krankenversorgung, Bettler und Krüppel bevölkern
das Stadtbild. In ganz Mali bekommt man nur sandiges Brot zu
essen. Eine Belästigung der besonderen Art stellen die ständig
bettelnden Kinder dar, die sehr hartnäckig sein können. Jeder
möchte ein "Cadeau", ein Geschenk, doch könnte man so
viele Mitbringsel gar nicht mitnehmen, wollte man allen etwas
geben. Einige der Unseren verteilen irgendwelche wertlosen Dinge
an die Kinder, die sich darum nicht selten die Köpfe blutig
schlagen. Noch will es nicht in die Gehirne dringen, daß der
gesamte Unrat der westlichen Welt hier in Afrika mehr Schaden
anrichtet als Nutzen stiftet, und daß die eigentlichen Probleme
durch kleine Geschenke, die zwar die Freundschaft erhalten,
keineswegs aus der Welt geschafft sind.
Bei den
Dogons
Nachdem wir
Mopti hinter uns gebracht haben, brechen wir auf zu einem
Abstecher ins Dogon-Land. Es kündigt sich durch eigenartige
Felsformationen an, die aus nubischem Sandstein aufgebaut sind.
Vermehrt tauchen nun diese turmähnlichen Felsstöcke auf, von
natürlich gepflastertem Boden umgeben, dem die Erdkrume abhanden
gekommen ist. Unter einem ausgehöhlten Felsen, der an einen
steinzeitlichen Unterschlupf erinnert, legen wir Mittagsrast ein.
Ringsum hat die Natur spektakuläre Winderosionsformen
geschaffen, Felsen, denen die Natur ein pilzförmiges Aussehen
verliehen hat und die rundherum überhängen und von keiner Seite
zu ersteigen sind. In den rötlichen Sandstein hat sich der
Wüstenlack eingebrannt. Zahlreiche Auswaschungen und
Durchbrüche haben ein geheimnisvolles Labyrinth geschaffen.
Hinzu kommt der großartige Ausblick auf das allmählich sich
absenkende Hinterland, aus dem, so weit das Auge reicht, einzelne
Sandsteintürme herausragen. Eine schlechte,
schwer fahrbare Piste führt abseits der Hauptroute zu dem Dorf
Songo. An einen steilen Felsen geschmiegt, der tafelbergartig
über den Ort hinausragt, liegt die Grotte von Songo, keine
Höhle im eigentlichen Sinne, sondern ein gewaltiger
Felsüberhang, der noch heute als Zeremonienplatz dient. Hier
findet alle vier Jahre die rituelle Beschneidung statt. Auch sind
die Felsmalereien keineswegs prähistorisch, sondern sie wurden
von den Beschneidungskindern angefertigt. Das typische Symbol der
Dogon, das darin immer wieder auftaucht, ist das sogenannte
Kanaga-Kreuz. Es finden nur die Farben weiß, rot und schwarz
Verwendung. Rot hat die Bedeutung des Göttlichen, Weiß steht
für die Natur und Schwarz für den Tod. Auch wenn wir hier nicht
auf Altes stoßen, so ist es dennoch die einzigartige Aura, die
diesen Ort umgibt, so daß man sich gut und gern um zehntausend
Jahre zurückversetzt fühlen könnte. Äußerst malerisch fügen
sich die typischen Rundhäuser der Dogon in die Landschaft ein. Hinter Bandiagara
bildet der Yawe-Fluß einen kleinen Canyon, an dessen Rand wir
uns nur mühsam voranquälen. Die noch verbleibende Strecke bis
zur Falaise ist weiter nichts als ein Trümmerfeld. Dieses
wechselt dort, wo bewässert wird, mit einzigartig grünem
Kulturland ab. Der heutige Tag ist wettermäßig total untypisch:
der Himmel ist mit dünnen Staubwolken bedeckt und es ist
schwül-heiß. Im Gebiet der
Dogon ist der gefährliche Guinea-Wurm beheimatet. Seine Larven
dringen durch die Fußsohlen in den Körper ein, bis sie sich
schließlich, wenn es für eine Bekämpfung schon zu spät ist,
im Muskelgewebe festsetzen. Darum hüte man sich davor, barfuß
in Schlammtümpeln zu waten. Nach einer
windigen Vollmondnacht steigen wir im Morgenlicht des nächsten
Tages die Klippe von Bandiagara hinab. Man stößt auf sie
völlig unerwartet. Plötzlich steht man am Abgrund und erblickt
unter sich eine weit ausgedehnte, etwa hundert Meter tiefer
liegende Ebene. Im geologischen Sprachgebrauch nennt man eine
solche Auffälligkeit im Gelände Abbruchkante. Der Abstieg ist
steil, aber nicht schwierig. Je tiefer man kommt, desto
imposanter kommt das Stufenartige zum Ausdruck. Durch Kräfte der
Erdkruste sind die beiden zerbrochenen Plattenhälften
gegeneinander verrutscht. Die Falaise von Bandiagara zieht sich
auf einer Länge von über einhundert Kilometern hin, und sie zu
überwinden ist ein fast archaisches Unternehmen. Läge nicht am
Fuße des Abstiegs ein Dogon-Dorf, so könnte man sich gut und
gern in die Vorzeit versetzt fühlen, in der Flugsaurier und
andere Urweltechsen ihr Unwesen trieben. Im Ort Tereli
führen die Dogon ihre traditionellen Maskentänze auf. Das
Sirige-Fest der Dogon, das alle sechzig Jahre gefeiert wird, was
etwa dem Leben eines Menschen entspricht, hängt mit den Monden
des Sirius zusammen. Der Festplatz liegt malerisch zwischen
Felsblöcken eingebettet zu Füßen der Klippe, die einen
majestätischen Rahmen zu den bunten Kostümen absteckt. Unter
dem eindringlichen und mitreißenden Schlagen der Trommeln werden
zuerst paarweise, dann kollektiv die verschiedenen Tanzmasken
vorgeführt, darunter die des Kalo-Vogels, des Büffels, der
Antilope, Hyäne, Hirschkuh und des Hasen, die allesamt Tiere
repräsentieren. Einige spezielle Masken, die nichts mit Tieren
zu tun haben, sind die Maske des Kanaga-Kreuzes, die Mutter der
Masken, die Maske des Kropfs, die Peul-Maske, welche die
Freundschaft repräsentiert, die Maske der jungen Mädchen, deren
Träger auf Stelzen gehen und die sogenannte Stockwerksmaske. Es
tanzen stets nur die Männer, und zwar aus relativ
bedeutungslosen Anlässen, z.B. wenn ein Kind die Mittlere Reife
bestanden hat. Nach einem einheimischen Essen, dessen besondere
Note in einer landestypischen Erdnußsoße besteht, machen wir
uns auf den beschwerlichen Rückweg. Zwischen zyklopenhaften
Felsblöcken hindurch, vorbei an riesenhaften Baobabs, steigen
wir die Steilklippe auf einem anderen Weg, als wir ihn gekommen
sind, wieder hinauf. Die Einheimischen, überwiegend Kinder,
begleiten uns in großer Zahl und reißen sich förmlich darum,
unser Gepäck tragen zu dürfen. In der glühenden Mittagshitze
fließt der Schweiß reichlich, und wir konsumieren ungeheure
Mengen Flüssigkeit. Gegen Mittag ist die tiefer liegende Ebene
vollständig in milchigen Dunst getaucht, die Dünen haben ihre
morgendliche Leuchtkraft eingebüßt und sehen jetzt blaß aus.
Wir sind um jedes Stückchen Schatten froh, weil dort immer ein
frisches Lüftchen weht. Oben angelangt, geht es nach kurzer
Verschnaufpause den gleichen Weg, auf dem wir gekommen sind,
wieder zurück, bis wir schließlich, als es Abend wird, unser
Buschcamp erreichen. Es ist dies auch der Tag, als schon um eine
Woche verspätet das erste Mal der Harmattan durchbricht, ein
trocken-heißer Wind aus der Sahara, der für den Sahel typisch
ist. Er hat sich bereits in gestriger Nacht mit dem Halo des
Mondes angekündigt. Vor Einbuch der
Dämmerung schlagen wir an einer Furt, direkt am Bani-Fluß,
unser Lager. Pausenlos treffen hier schwere Lkw ein, die auf der
kleinen Fähre übersetzen wollen. Auch Händler und Kinder,
zahlreicher als die Fliegen, bedrängen uns wieder, kaum daß wir
ausgestiegen sind. Es scheint uns fast unmöglich, ungestört
unser Abendbrot einzunehmen. Die Art, wie die Kontaktaufnahme
erfolgt, läuft immer nach dem gleichen Schema ab: "Madame,
Monsieur, ça va? Donnez les pics!" So lautet das
französische Wort für Kugelschreiber, und wer es versäumt
haben sollte, seinen Stift zu verbergen, der wird seines Lebens
nicht mehr froh. Denn sowie ihn der erste nicht erhält, wagt
unverdrossen der nächste den Versuch, wohl in der Annahme, es
könne Gründe geben, die ihm eine bevorzugte Behandlung
angedeihen ließen, und so fort. Die Nacht ist
mondhell, und der volle Mond beleuchtet den Fluß, der das Licht
tausendfach wiedergibt, als würden die schaukelnden Wellen nicht
vom Winde, sondern vom lauten Zirpen der Grillen sich kräuseln.
Es wird angenehm kühl in der Nacht, und wegen der ständigen
leichten Brise gibt es keine Mücken. Als die Stimmen der Kinder
verstummt sind, sind es nur noch diese Laute, die in stiller
werdender Nacht desto eindringlicher klingen. Was stört, ist
allerdings der nicht enden wollende Fährbetrieb über den Fluß,
der hier so seicht ist, daß ein Pferd ohne einzutauchen
hinüberwaten kann.
Ein
Weltkulturerbe aus Lehm
Am nächsten
Morgen besteigen wir zwei Pinassen, die uns in wenigen Minuten
ans jenseitige Ufer übersetzen. Dort warten bereits zwei
Buschtaxis auf uns, die uns in nur zehn Minuten ins Zentrum von
Djenné bringen, wo heute Markttag abgehalten wird. Dadurch ist
uns ein wenig die Sicht verstellt auf die von der UNESCO unter
das Weltkulturerbe aufgenommene Moschee, die größte ihrer Art
in ganz Mali, ja vielleicht in Afrika. Sie ist im sogenannten
sudanesischen Baustil errichtet, dessen großer Förderer
während der Kolonialzeit der Franzose Poincarré war. Das in
Stampflehmarchitektur errichtete Bauwerk wurde in den Dreißiger
Jahren restauriert, wenngleich seine Anfänge bis weit ins 14.
Jahrhundert zurückreichen. Typisches Merkmal sind die von
Längsrippen unterbrochenen Wände, die der Stützung dienen,
denn Lehmmauern haben nun einmal die Eigenschaft, daß sie nicht
über größere Längen stabil bleiben. Wohl auch zum Erhalt der
Festigkeit sind die Hölzer der Borassuspalme als Streben
eingefügt. Ihre Enden ragen aus den sonst glatten Mauern heraus
wie die Stacheln eines Igels. Wenngleich das Bauwerk
einigermaßen eindrucksvoll ist, so ist es dennoch nichts, was
Afrika aus sich hervorgebracht hätte, sondern etwas, das vom
Islam und seinen Bautraditionen beeinflußt war, ähnlich wie
auch die Indios Südamerikas unter dem Einfluß der Jesuiten
wahre Prachtbauten errichtet haben. Von der Dachterrasse eines
dem Hauptplatz gegenüberliegenden Gebäudes hat man einen
umfassenden Rundblick, nicht nur auf den darunterliegenden Markt,
sondern auch auf die Moschee. Ein Rundgang durch die Stadt führt
uns zu einigen alten Häusern, wie etwa dem des Marabout und dem
von René Caillié, dem großen Afrikaforscher. Es muß nicht
ausdrücklich wiederholt werden, daß selbstverständlich auch
Djenné unter einer fehlenden Kanalisation leidet und Berge von
Müll und Unrat die Stadt zu einem Herd von Krankheitserregern
werden lassen, die der einsetzende Harmattan in die Augen und
Atemwege der Menschen trägt. Den Markt erleben wir wie immer,
und ich glaube, daß wir außer einigen zwergenhaften Bananen
nichts Vernünftiges an Lebensmitteln entdecken konnten. Leider
ist Djenné, gewissermaßen als Hauptattraktion der Region, auch
vom Tourismus bereits entdeckt worden, und so sollte man sich
nicht allzusehr darüber ärgern, wenn man viele Deutsche in der
Stadt herumlaufen sieht. Obwohl auch das Automobil Einzug
gehalten hat, sind der Eselskarren oder die Pferdekutsche noch
immer ein unverzichtbares Beförderungsmittel. In San, das einer
Kloake gleicht, füllen wir unsere Wasserkanister auf. Als ich
bei der Gelegenheit eine Cola kaufe, gibt mir der Händler mehr
Geld zurück, als ich ihm gegeben habe. Ich bin immer wieder
überrascht, wenn mich ein Einheimischer auf offener Straße
anspricht und mir auf den Kopf zusagt, ich sei Deutscher.
Umgekehrt hätte ich erhebliche Probleme, die Angehörigen der
verschiedenen Ethnien Afrikas auseinanderzuhalten. Das tägliche Wohlbefinden ist nun neben
der Hitze hauptsächlich durch den leichten Durchfall getrübt,
der uns alle heimgesucht hat, sowie durch die zahllosen
Mückenstiche, mit denen trotz Verwendung eines Mückenmittels
der Körper besonders an Beinen und Armen übersät ist. Die
Mücken sind so klein, daß man sie nicht sieht, und die Stiche
so schmerzhaft und verursachen einen derartigen Juckreiz, daß es
einem den Urlaub stark verdrießen kann. Die Wunden sondern
unbehandelt am Ende einen eitrig-blutigen Ausfluß ab.
Über
den Bani nach Bamako
Hinter dem Ort
Bla, der bekannt ist für seine Kalebassenherstellung,
überqueren wir den Bani, diesmal auf einer Brücke. Kalebassen
sind Nachtschattengewächse ähnlich unserer Tomate, sie werden
jedoch nicht gegessen, sondern dienen ausschließlich zu
Transportzwecken. Die Fahrt durch die Parksavanne ist unendlich
monoton, und man versäumt nichts, was anzuschauen sich lohnen
könnte. Als der Mond an
diesem Abend über der Savanne aufgeht, sind die Stunden des
alten Jahres gezählt. Wir lagern unter einem mächtigen Baum,
einer sogenannten Parkia. Anstelle der Geräusche in gewohnt
lauschiger Nacht dröhnen nun die Klänge der Rockmusik hinaus in
den Busch und läuten das Neue Jahr ein. Bei Sherry und anderen
Spirituosen werden Glückwünsche ausgetauscht, und nun ist die
Nacht nur noch kurz, denn schon frühmorgens stehen wieder die
Kinder vor den Zelten, so wie sie uns gestern abend umlagert
haben, staunend und mit großen Augen. Sie sind scheu und
schüchtern und warten darauf, daß ein Geschenk für sie
abfällt. Wenn sie in großen Scharen auftreten, können sie zu
einer richtigen Plage werden, denn man hat alle Mühe, sie von
seinen persönlichen Sachen fernzuhalten. Und über eines muß
man sich klar sein: Kinder trifft man in Mali überall an, denn
ein Platz kann so entlegen nicht sein, daß er unentdeckt bliebe.
Im dichter bevölkerten Europa kann man einsamere Stellen finden
als hier in den Weiten der afrikanischen Savanne. Es ist dies
bereits unsere dritte Buschübernachtung in Serie, und ich hätte
gegen ein reinigendes Duschbad nichts einzuwenden. Der Afrikaner,
den ich kenne, besitzt kein ausgeprägtes Reinlichkeits- und
Sauberkeitsbedürfnis, hier nicht und auch nicht anderswo. Seine
Einstellung gegenüber Schmutz und Unrat ist von der unsrigen
grundverschieden, oder diese Begriffe werden anders empfunden.
Wir Europäer zwingen ihm unsere Vorstellungen von Sauberkeit und
Hygiene weitgehend auf, und wir haben ihn dadurch verändert. Der
Schwarze hat bekanntlich eine andere Mentalität als der Weiße,
jedenfalls in seinen Ursprungsländern. Er hat im Grunde eine
gutmütige und friedfertige Seele, die allerdings auch zu
unerwarteten Gefühlsausbrüchen neigt. Er ist äußerst
kontaktfreudig, streckt freiwillig die Hand entgegen und schämt
sich keineswegs zu betteln. Die hier leben haben eine eher leise
Stimme, und wenn sie etwas fordern, so tun sie das nicht gerade
mit drohendem Nachdruck, sondern eher mit lästig fallender
Ausdauer. Die Frauen scheinen das fleißigere Geschlecht zu sein,
jedenfalls sind sie mit vielfältigen Arbeiten betraut, auch mit
Tätigkeiten, die in unserer Gesellschaft mehr dem Manne
zukommen, etwa mit dem Tragen von schweren Lasten. Sie alle sind
unterernährt, besonders den Kindern fehlt es entsprechend an
Muskulatur. Daher werden die meisten auch nur mittelgroß. Eine
besondere Sorgfalt verwenden Afrikaner auf ihre Frisur, die
manchmal geradezu kunstvoll hergerichtet ist. Ihre Kleidung ist
ärmlich, aber bunt. Das Analphabetentum liegt in Mali trotz
allgemeiner Schulpflicht relativ hoch. Wer nicht in der
Landwirtschaft oder als Straßenhändler tätig ist, verdient
seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung von Kunsthandwerk,
worin Afrikaner manchmal eine erstaunliche Geschicklichkeit
aufbringen. Die große Hitze dürfte dem Dunkelhäutigen aufgrund
seiner an die klimatischen Verhältnisse angepaßten Konstitution
nichts ausmachen. Er verhält sich aber genauso wie ein Europäer
in diesen Breiten, der unter tropischen Bedingungen zu keiner
schweren körperlichen Arbeit oder anspruchsvollen geistigen
Tätigkeit fähig ist. Negride sind oft seichte, man möchte fast
sagen, "seelenlose" Wesen, zumeist ohne starke
Persönlichkeit. Ein ernsthaftes oder tiefgreifendes Gespräch
mit ihnen zu führen, ist schier unmöglich, so hat es wenigstens
den Anschein. Dem Kindersegen in
den afrikanischen Ländern begegnen Menschen aus der westlichen
Welt häufig mit spöttischer Verachtung. Die Armen ahnen
freilich nicht, daß die Natur andere Wertmaßstäbe anlegt, und
daß sie ob ihrer Kinderlosigkeit bereits ausgestorben sein
werden, wenn die anderen die Erde noch immer bevölkern. Insofern
muß der Begriff "edle Rasse" neu definiert werden,
denn was helfen die beste Veranlagung und gute Eigenschaften,
wenn sie nicht weitergegeben werden. Insofern stuft die Natur
besonders diejenigen als minderwertig ein, die kinderlos bleiben,
weil sie sich aus irgendeinem Grund nicht fortpflanzen können.
Eine Rasse wie die sogenannte "arische" kann sich daher
anderen Rassen gegenüber nicht als überlegen präsentieren,
wenn sie nicht imstande ist, sich durchzusetzen. Bei Ségou
erreichen wir kurz nach Abfahrt den Niger, wo übrigens auch der
schottische Arzt Mungo Park auf ihn stieß. Man hält es kaum
für möglich, daß es hier am fruchtbaren Nigerufer vor Jahren
zu einer Hungerkatastrophe kommen konnte, die auf Schwierigkeiten
bei der Nahrungsmittelproduktion zurückzuführen war, denn
offenbar hatte man nicht daran gedacht, die reichlich fließenden
Wasser des Niger zur Bewässerung der Felder zu nutzen. Über das
regelmäßige Fehlschlagen von Entwicklungs-projekten kommt man
überdies zu der Einsicht, daß es schade ist um die unnötigen
Ausgaben. Kurz vor Bamako
verschwindet der rote Laterit, und es bilden plötzlich wieder
Felsen den Untergrund, die Landschaft wird leicht hügelig. Im
Dunst der Mittagshitze gelangen wir nach Bamako, der Hauptstadt
Malis. Abgesehen vom neuerbauten Fußballstadion, wo dieses Jahr
der Africas Cup ausgetragen wird, erfüllt die Stadt alle
Erwartungen einer afrikanischen Metropole: Unrat und
Elendsviertel, dichten Verkehr und blauen Dunst, ein rigoroses
Durcheinander von allem, das perfekte Chaos. Dennoch hat die
Stadt auch das gewisse Etwas. Bis auf einige wenige
repräsentative Gebäude, zumeist Banken, besteht die Stadt aus
Baracken. Ein Stadtzentrum gibt es nicht. Am ehesten könnte wohl
noch das ehemalige koloniale Zentrum als solches bezeichnet
werden, denn hier haben sich gleich mehrere alte Kolonialgebäude
erhalten. Afrika ist die Welt der Masken, einige schöne und
interessante Exemplare werden in dem kleinen Museum von Bamako
ausgestellt. Düfte von
verdorbenem Fisch und Jauche ziehen sich die gesamte
Uferpromenade entlang. Männer wie Frauen, gleich welcher
Abkunft, spucken bei Bedarf einfach auf der Straße aus. Dabei
ist Bamako eine Stadt des Denunziantentums: Bettler, Krüppel und
Uniformen dürfen in der Stadt nicht photographiert werden; man
schämt sich seiner Armut. Einen anderen anzuzeigen, weil er
einen Bettler, Krüppel, Polizisten oder militärische
Einrichtungen photographiert hat, wird von den Behörden sogar
honoriert. Nach Tagen der
Entbehrung mundet das erste Steak des neuen Jahres in einem
libanesich geführten Restaurant vorzüglich. Auch das Wiener
Gebäck hätte noch einigen Reiz auf uns ausgeübt, doch hat es
den Anschein, als wären wir größeren Portionen nicht mehr
gewachsen. Bamako, was in der
Sprache der Malinke nichts anderes als
"Krokodiltümpel" bedeutet, stellt in jeder Hinsicht
den Tiefpunkt der bisherigen Reise dar, sowohl was Klima und
Hygiene anbelangt als auch die Moral meiner Mitreisenden. Es
beginnt nun ein neuer Härtetest, denn bis zur Grenze Malis mit
dem Senegal müssen wir insgesamt dreimal im Busch übernachten.
Die tägliche Menge Waschwasser ist nicht größer, als ein
Wassersack sie aufnehmen kann. Mir wird auch sonst alles knapp,
was man tagtäglich braucht: Seife, Papier, Kleidung. Das einzig
Erfreuliche, was es zu berichten gibt, ist, daß sich meine
Unpäßlichkeit mittlerweile gelegt hat, das ständige Bangen hat
ein Ende genommen.
Vom
Bakoye an den Senegal
Bereits
während der Kolonialzeit wurde eine Eisenbahn von Bamako nach
Dakar geplant, sehr zum Leidwesen der parallel verlaufenden
Straßen, die deswegen Pisten geblieben sind. Als wir den
Talkessel von Bamako verlassen, ist die Stadt vollständig in
Smog eingehüllt, man kann so gut wie nichts erkennen. Hinter dem
Ort Kati endet die Asphaltstraße, und die Rüttelpiste wird uns
nun für mehrere Tage begleiten. Unser Weg verläuft ein gutes
Stück immer längs der Bahnlinie, durch ausgebrannten Busch,
Richtung Mauretanien. Es hat etwas Erhabenes an sich, stundenlang
nur durch Baumsavanne und Galeriewälder zu fahren, und nicht
einem einzigen Fahrzeug zu begegnen. Die Rundhüttendörfer,
durch die wir kommen, zeigen an ihrem Erscheinungsbild, daß wir
uns noch im Gebiet der Bambara befinden. Die Bambara-Männer
pflegen auf sogenannten Palavertischen zu sitzen und dabei, wie
der Name schon sagt, der übrigens aus dem Portugiesischen kommt,
zu plaudern. Wenngleich selten, so überrascht diese Landschaft,
die im großen und ganzen monoton und uninteressant ist, doch
immer wieder aufs neue durch äußerst reizvolle Felsformationen,
die zumeist die Winderosion hinterlassen hat. Man kann sich von
diesen Orten gut vorstellen, daß sie ehemals Schauplatz von
Kultstätten waren. An prähistorischen Ausgrabungen in Mali sind
zu erwähnen: Yélimaré bei Diara, die prähistorische Grotte
von Kourounkorokalé zwischen Sibi und Bamako, Kobadi bei
Nampala, Asselar - hier wurden die ältesten Überreste eines
Menschen mit negroiden Zügen gefunden - und Karkarichinkat im
Vallée du Tilemsi, die "Werkstätten" von Lagreich bei
Tademaket und Ibalaghan bei Ménaka. In Kita führen
wir einen Richtungswechsel nach Süden durch. Mühsam zwängen
wir uns durch die engen Straßen eines Dorfes, die kaum breit
genug für die Durchfahrt sind. Diese romantisch gelegenen
Dörfer schmiegen sich stets an den Steilabfall irgendwelcher
Bergrücken, die aufgrund ihres Bewuchses aussehen wie
Pilzfelsen. Unser heutiges Ziel ist die Überquerung des
Schwarzen Flusses, des Bakoye. Auf dem Gebiet des
heutigen Mali bestand bereits Mitte des 1. Jahrtausends das
Königreich von Ghana, das übrigens nichts mit dem heutigen
Staat Ghana zu tun hat. Die einzigen Quellen, die wir über
dieses frühe Königreich haben, stammen von den arabischen
Reisenden Ibn Havkal und El-Bekri. Bemerkenswert ist, daß die
ersten Herrscher dieser frühen Königreiche Weiße, sprich
Berber, gewesen sein sollen. Aus der Herrscherdynastie von Ghana
gingen später die in Marokko an die Macht gekommenen Almoraviden
hervor. Mühsam kämpfen
wir uns voran, schweißgebadet, Meter für Meter durch Dunst und
Staub, durch von Brandrodung verstümmeltes Land. Es muß nicht
eigens darauf hingewiesen werden, daß der Mensch durch diesen
Eingriff, wenngleich er bereits seit Jahrtausenden auf die ewig
gleiche Weise vorgenommen wird, die Natur beinahe total zerstört
hat. Durch lodernde Brände, von denen bereits in Hannos
Fahrtenbericht die Rede ist, geht es nach einer weiteren
Buschübernachtung, nach dem Hahnenschrei, auch am nächsten
Morgen weiter, in Richtung Fähre und Stausee, vorbei an Weilern
mit kalebassenverzierten Dächern. Wir haben den Bafing, den
Weißen Fluß, zu überqueren, was uns bei einem Mißlingen zu
einem langen Umweg zwingen würde. Immer wieder ragen malerische
Felswände zu beiden Seiten der Piste auf, Reste eines
abgetragenen Gebirges. Wegen der rasch einbrechenden Dunkelheit
reicht abends die Zeit nicht mehr für irgendwelche
Erkundungsgänge. Ziemlich steil
geht es hinab zum Bafing, der an dieser Stelle von einer
gigantischen Mauer aufgestaut ist. Es braucht nicht ausdrücklich
darauf verwiesen werden, daß solche Staudammprojekte der Natur
unermeßlichen Schaden zufügen, nicht nur dem Landschaftsbild,
sondern auch der Tier- und Pflanzenwelt. Was wir heute in Afrika
vorfinden, ist sicher nicht mehr die ursprüngliche Natur. Leider
wissen wir nicht, wie sie einmal ausgesehen hat. Gewiß aber ist,
daß sie einmal wesentlich artenreicher gewesen sein muß. Der Bafing entspringt im Fouta
Djalon, einem Gebirgsmassiv in Guinea. Nach dem Zusammenfluß mit
dem Bakoye trägt er den Namen Senegal. Dieser mündet bei St.
Louis in den Atlantik und stellt auf einer Länge von 850 km die
Grenze zwischen Senegal und Mauretanien dar. Bei Mahina
betreten wir die Fähre, die uns zunächst bis zur Landzunge am
Zusammenfluß des Bafing mit dem Bakoye bringt, dann über den
Bakoye ans andere Ufer setzt, wo wir erst vom eigentlichen
Senegal sprechen. Der Senegal-Fluß, an sich ein Traum, ist von
Palmen und Galeriewäldern gesäumt. Durch zahlreiche Inselchen
aufgelockert, fließt er fast steigungslos dem Meer zu. So, wie der Himmel heute aussieht, bleich
und unentschlossen, hat uns nun auch der Harmattan in seinen Bann
gezogen. Diese Trübheit werden wir, wenn er uns erst eingeholt
hat, so schnell nicht wieder los, zumindest, solange wir noch
unterwegs sind. Dies hat aber den Vorteil, daß es nun auch nicht
mehr so heiß ist, sondern das Thermometer sich zwischen
angenehmen 25 und 30 Grad bewegt. Nach schwierigem und schwierigstem Gelände - das
Gestein jener Gegend besteht aus Schiefer - erreichen wir am
späten Nachmittag die aufgelassenen Marmorbrüche von
Sélinnkegni, wo die Straße, der wir folgen, einen Knick nach
Westen macht. Etwas bedaure ich es schon, daß wir nicht die
landschaftlich schönere Strecke entlang der Falaise de Tambaoura
nehmen konnten, aber unser Zeitlimit würde dadurch
überschritten.
Berg der
Affen
Hinter unserem
hiesigen Übernachtungsplatz ragt ein etwa einhundert Meter hoher
Berg auf, der über und über mit Affen bevölkert ist. Es
handelt sich hierbei um eine Art von Pavianen, die den Berg zu
Hunderten in Besitz genommen haben. Der Hügel ist von einem
schützenden Schiefergürtel umgeben, so daß es einer kleinen
Kletterei bedarf, ihn zu erklimmen. Ganz oben im Gipfelaufbau
wachsen Dutzende von Affenbrotbäumen, mit mächtigen Stämmen
und ausladenden Baumkronen. Übrigens verdankt der Affenbrotbaum
sein Überleben allein dem Umstand, daß sein Holz relativ
wertlos ist, sonst wäre er wahrscheinlich längst ausgerottet.
Um nun den Sonnenuntergang möglichst vom Gipfel aus genießen zu
können und den Blick über die phantastische Umgebung schweifen
zu lassen, entschließe ich mich kurzerhand, die Felskuppe zu
besteigen. Warnende Stimmen raten mir von meinem Vorhaben ab,
mutmaßen, daß die Affen mich angreifen würden. Allen
Unkenrufen zum Trotz bewaffne ich mich mit einem feststehenden
Messer und trete den Affen mutig entgegen. Doch weichen diese vor
mir zurück wie vor einem anrückenden Feind, ziehen sich in
immer höhere, immer unwegsamere Schlupfwinkel zurück, je weiter
ich klimme. Über zerklüftete Felsen, die wie Schweizer Käse
durchlöchert sind, scharfkantig wie Rasierklingen, arbeite ich
mich, stets der Gefahr ausgesetzt abzurutschen, mit Händen und
Füßen höher hinauf. Die Affen halten beständig
Sicherheitsabstand zu mir. Es sind auch einige Jungtiere
darunter, die von der schützenden Hand der Muttertiere meinem
Zugriff entzogen werden. Paviane zählen zu den Hundeaffen, sie
bellen auch ganz ähnlich wie Hunde. Sie besitzen ein
ausgeprägtes Sozialverhalten und stellen Wachposten auf, wenn
man sich ihnen nähert. Für die Savannenbauern können sie zu
einer großen Plage werden. "Wie sie wohl
reagieren würden, wenn sie in die Enge getrieben werden?"
frage ich mich. "Vielleicht rotten sie sich zusammen und
schmeißen mit Steinen nach mir, oder aber sie beißen zu? Das
Leittier könnte mich möglicherweise zum Zweikampf
herausfordern, um seiner Herde die Flucht zu ermöglichen." Doch nichts von
alledem geschieht. Sie haben sich so weit in Sicherheit gebracht,
daß der gesamte Berg von ihnen wie leergefegt scheint. Lediglich
ihren Kot haben sie hinterlassen, und ich muß höllisch
aufpassen, nicht hineinzutreten. Dafür habe ich nun einen
Standpunkt erreicht, der einzigartig ist, an Wildheit und
Unberührtheit seinesgleichen sucht. Zwischen den knorrigen
Stämmen sehe ich durch die blattlosen Baumkronen der
Affenbrotbäume auf die Savanne hinab, hinüber zu den
Nachbarkuppen, die in größeren Abständen aus der Ebene
aufragen, und als sich ein violettes Abendrot ausbreitet, trete
ich fast fluchtartig, da ich keine Taschenlampe bei mir habe, den
beschwerlichen Rückweg an. Denn die Nacht fällt schnell, und
ich habe alle Mühe, das schützende Lager noch vor Anbruch der
Dunkelheit zu erreichen. Doch schaffe ich es rechtzeitig.
Schweigen breitet sich nun aus über der Savanne, und wo vor
einer Stunde noch wetteiferndes Gebrüll den Busch durchdrang,
macht sich jetzt eine fast beklemmende Stille breit. Die Affen
kehren die ganze Nacht nicht wieder, augenscheinlich habe ich sie
in ihrer Ruhe gestört.
Zu den Félou-Fällen und Steinkreisen
Nach angenehm
kühler Nacht, bei bewölktem Himmel, brechen wir im Morgengrauen
des nächsten Tages auf, um unsere Fahrt durch den afrikanischen
Busch fortzusetzen. In der luftigen Kühle fliegen einige
Rabenvögel neben der Straße auf, die wir offenbar im
Vorbeifahren aufgescheucht haben. Von ferne grüßen, wie zwei
Trutzburgen, zwei Tafelberge, zu deren Füßen sich ein Dorf an
den Hang schmiegt, an dem wir anschließend vorbeifahren. Der
Harmattan scheint heute, entgegen seiner Gewohnheit, zu
pausieren, denn der Himmel zeigt sich stellenweise wieder blau.
Gleich hinter den Bergen wartet auf uns eine Landschaft wie aus
dem Bilderbuch und eröffnet uns einen kurzen Blick ins Paradies.
Zwischen Tafelbergen hindurch tritt der Senegal, soeben noch, dem
Gihon gleich, in grünen Auen breit dahinfließend, durch
teuflisch enge Klammen und wird zum Acheron, dem Fluß der
Unterwelt. Über eine Brücke gelangen wir wieder auf sein
südliches Ufer. Die
Tafelberglandschaft am oberen Senegal ist in der Tat einzigartig,
und fast möchte man an eine Fortsetzung der Hombori-Berge
glauben. Es ist das
Schicksal vieler Flüsse, so auch des Senegal, durch
großangelegte Energiegewinnungs- und Bewässerungsprojekte
zerstört zu werden. Nachdem der Mensch die Kernenergie entdeckt
hat, um damit über eine Energieform zu verfügen, die die
Eigenschaft hätte, Schaden vom Landschaftsbild abzuwenden,
bekommt er es mit der Angst zu tun und fällt zurück in die
vorsintflutliche Energiegewinnung durch Wasserkraft. Sehr
störend wirken auch die Strommasten. Sie bieten ein gutes
Beispiel dafür, wie der Mensch das Antlitz der Natur
verunstaltet. Häufiger sehen
wir ab jetzt die charakteristischen Webervogelnester. Auch
kreuzen wir noch einmal die alte Bahnlinie, die nach Bamako
führt. Bei den
Félou-Wasserfällen legen wir eine länger andauernde
Mittagsrast ein. Was hier als Wasserfall bezeichnet wird, sind im
Grunde nichts anderes als kleinere Stromschnellen, über die der
Senegal herabstürzt. Unterhalb der Stromschnellen findet sich
fast stehendes Wasser. Leider gelingt es von keiner Seite, sich
an die Wasserfälle heranzutasten. Lediglich ein erfrischendes
Bad lädt zum Verweilen ein. Hier stehen die jungen Frauen, so
wie Gott sie schuf, bis zum Bauchnabel in den Fluten und waschen
sich und ihre Wäsche. Beim Schwimmen sollte man jedoch
aufpassen, sich nur in fließendes Wasser zu begeben, auch wenn
die Einheimischen mit schlechtem Beispiel vorangehen, denn die
Bilharziose-Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Etwas unterhalb
der Félou-Fälle liegt das 1855 von den Franzosen erbaute Fort
Médine, welches Schauplatz erbitterter Kämpfe war, insbesondere
gegen die Truppen der Toucouleur unter El Hadji Omar Tall. Es ist
uralte afrikanische Tradition, in wechselnden Koalitionen, Stamm
gegen Stamm, untereinander Krieg zu führen; dies haben die
Kolonialmächte geschickt auszunutzen gewußt. Über Kayes, einem
Ort reger Betriebsamkeit, wo wir unsere Benzintanks auffüllen,
die bis auf den letzten Tropfen leergefahren sind, erreichen wir
unseren Übernachtungsplatz. In der mondlosen Nacht klart es auf,
und der sternklare Himmel zeigt sich in voller Pracht. Morgens
herrschen frostige Temperaturen; der Gegensatz zwischen Tag und
Nacht ist extrem, er beträgt etwa dreißig Grad. Auf unserer
Weiterfahrt Richtung Grenze kommen wir durch einen riesigen Wald
aus Baobabs. Diese blattlosen Riesen üben einen eigenartigen
Zauber auf den Menschen aus, der sich sogleich beim Betreten in
eine Märchenwelt versetzt fühlt. Bunte Vögel, hell- und
dunkelblau gefiedert, bevölkern diese Welt. Für die
Einheimischen ist der Baobab Fetischträger, dem Opfergaben
dargebracht werden. Bei den Toucouleur ist er zugleich
Grabstätte, zumal er in seinem Innern hohl ist. Die
Schädeldecken der Griots - dies sind Bänkelsänger - scheinen
durch die Öffnungen nach draußen. Seinen Namen hat dieser Baum
von den ersten Siedlern bekommen, die alles, was sie sahen, nach
Bekanntem aus der Heimat benannten, wenngleich noch niemals
jemand einen Affen in seiner Baumkrone gesehen haben dürfte. Bei Diboli, am
Grenzfluß Falémé, erledigen wir unsere letzten
Ausreiseformalitäten. Der Harmattan hat uns zum Glück seit zwei
Tagen in Frieden gelassen, und ein zartes Blau, mit weißen
Cirren vermischt, begleitet uns, wohin wir auch kommen. Über den
Falémé führt heute eine neuerbaute Brücke. Früher mußte die
Eisenbahnbrücke auch vom Kraftverkehr mitbenutzt werden.
Zumindest am Grenzort fällt uns noch nicht sogleich auf, daß
wir Mali bereits hinter uns gelassen haben, denn Menschen und
Verhältnisse unterscheiden sich hüben wie drüben kaum, mit
einer Ausnahme: die Straße ist wieder geteert. Es ist gerade die
Zeit, wo der Elefantenfuß blüht. Der, den wir zu Gesicht
bekommen, hat rosafarbene Blüten, es gibt ihn aber auch in
Weiß. Unter den Vögeln dieser Gegend ragt aufgrund ihres blauen
Gefieders die Blaurückengoldschwanzrake heraus. Auch von einer
Herde Papins werden wir überrascht. Leider sind die Tiere sehr
scheu. Seit es keine wildlebenden Raubkatzen mehr gibt, fehlen
ihnen ihre natürlichen Feinde. Unter einem riesenhaften Baobab,
den größten, den wir auf der ganzen Reise gesehen haben, legen
wir die Mittagsrast ein. Er dürfte ein Alter von etwa 350 Jahren
haben. Die Früchte des Affenbrotbaums kann man essen, den
Einheimischen zumindest scheinen sie eine willkommene Wegzehrung. Der Senegal ist
ein Erdnußland. Die Erdnuß ist ein Lippenblütler, sieht aus
wie Klee und stammt ursprünglich aus Afrika. Sie ist an den
Zyklus des Wechsels von Regen- und Trockenzeit hervorragend
angepaßt und ist aus der afrikanischen Küche nicht wegzudenken. Die beiden großen
Ethnien im Senegal sind die Toucouleur, die tapferen Krieger, und
die Wolof. Auch eine portugiesische Minderheit ist
erwähnenswert. Die Landessprache der Wolof klingt wie ein
Bellen. Die meisten
Senegalesen sind sehr fromm, und die nächtlichen Gesänge sind
aus dem Land nicht wegzudenken. Überall in Afrika noch
verbreitet ist der Animismus als die einzig echte afrikanische
Religion. Seine rituelle Ausdrucksform sind die fast überall
gebräuchlichen Masken, die Beschneidung und der Fetischismus.
Alles in allem ist Afrika von einer relativ einheitlichen Kultur
geprägt. Größere signifikante Gegensätze sind auf keinem
Gebiet auszumachen, einmal abgesehen von den islamischen
Beigaben, die nicht afrikanischen, sondern arabischen Ursprungs
sind. Mögen die Völker auch noch so unterschiedliche Namen
haben und eine Vielzahl verschiedener Sprachen sprechen, so sind
die Menschen doch von einem sehr einheitlichen, homogenen Typus
geprägt, mit einfacheren Worten: sie sehen alle gleich aus. Ihre
Lebens- und Siedlungsweise weist ebenfalls nur geringe
Unterschiede auf; sie alle sind Ackerbauern oder Viehzüchter.
Fast alle leben in Lehmhütten, zumeist von runder Form, mit
Stroh gedeckt und von schützenden Zäunen umgeben. Besonders
herausragende Gebäude gibt es nicht, denn Schulen, Kirchen und
Moscheen gegen auf die Kolonialzeit zurück oder sind
morgenländischen Ursprungs. In Tambacounda
übernachten wir das erste Mal seit drei Tagen wieder in einem
Hotel. Dort tobt die ganze Nacht die Lebensfreude, und es besitzt
sogar einen Swimming-Pool, über dem abends die Fledermäuse auf
Beutefang ausgehen. Dutzende von Fledermäusen stürzen sich auf
die Wasseroberfläche herab, wo durch das Scheinwerferlicht
angelockt unzählige Insekten schwirren. Manch einer, der
diese Reise tut, tut dies wohl nur, um sich daheim herablassend
über die Bevölkerung und die Zustände äußern zu können und
sich selbst in dem Gefühl zu wiegen, wie gut er es doch zu Hause
hat. Diese Armen ahnen freilich nicht, daß sie nur desto
häßlicher erscheinen, und daß sie dadurch kein bißchen besser
sind, als sie sich vielleicht wähnen. Sie kennen weder die
Geschichte noch die Umstände genau, die dazu führten, warum
Afrika zurückblieb, und nehmen es als gottgewolltes Schicksal
hin, daß es ihnen so gut geht. Doch wenn es Nacht wird über
Afrika und die dumpfe Einfalt in den Gemütern der Weißen, die
sich auf dem absteigenden Ast befinden, sich ausbreitet wie
Nebelschwaden, verwischen die Kontraste. Bei Koungheul,
genauer gesagt bei Keur Ali Lobé, und Diam-Diam läßt sich ein
Abstecher zu den prähistorischen Megalithbauten einlegen,
Menhiren und Steinkreisen, über deren Herkunft man nichts
Genaues weiß. Ein fremdes Volk soll es gewesen sein, das sie
errichtet hat; es ist im Dunkel der Geschichte entschwunden, wie
überhaupt jede Megalithkultur bis heute rätselhaft ist. Seit wir unterwegs
sind, waren es im wesentlichen nur die Dachfirste der Hütten und
die Art der Umzäunungen, die sich geändert haben, alles andere
ist gleichgeblieben, oder aber wir haben eben nicht den Sinn für
die "feinen" Unterschiede. Wer Westafrika bereist,
sollte sich im klaren darüber sein, daß er oft tagelang nichts
Interessantes vorfindet oder erleben wird. Noch immer müssen die
Menschen in äußerster Kargheit ein bescheidenes Dasein fristen.
Dabei ist es eine Mär zu glauben: lieber arm aber glücklich.
Glückliche Menschen sieht man, wenn überhaupt, nur unter den
Kindern, und auch bei den Händlern ist die Freundlichkeit nur
aufgesetzt. Besonders schmerzhaft trifft den Westafrikareisenden
das beinahe völlige Fehlen von wildlebenden Tieren, und der
Menschen wegen braucht man heute ohnehin nicht mehr nach Afrika
reisen, man kennt sie von den Straßen von Paris und London. Unser letztes
Wegstück ab Tambacounda bietet landschaftlich keinerlei
Abwechslung mehr. Eine unendlich ausgedehnte, monotone Ebene
begleitet uns bis nach Dakar. Dieses Teilstück der Reise hätte
man sich schenken können, doch findet unser Heimflug nun einmal
von Dakar aus statt, so daß es uns nicht erspart bleibt, uns
dorthin zu begeben. Bei der Stadt Kaolack treffen wir auf den
Fluß Saloum, an dessen Ufern Salz gewonnen wird. Die Stadt
selbst hat eine portugiesische Vergangenheit. Auch im Westen
Senegals gibt es noch größere Baobabwälder, mit dem
Unterschied, daß diese hier, jahreszeitlich bedingt, Blätter
tragen. Bei Mbour
erreichen wir die senegalesische Riviera. Unser
Übernachtungsplatz liegt direkt am Meer, etwas außerhalb der
Stadt Rufisque. Am Strand, der gegen Abend in gleißendes Licht
getaucht ist, liegen die bunt bemalten Fischerboote im Sand.
Draußen auf dem Meer ziehen in unmerklicher Fahrt riesige
Öltanker vorüber. Die Abendstimmung ist wirklich grandios, und
nach Anbruch der Dunkelheit fließt das Bier reichlich durch die
Kehlen. Einige Wüstendurchquerer beäugen uns dabei
argwöhnisch, und umgekehrt wir sie. Das Gespräch mit dem
Campingplatz-Besitzer, einem Deutschen, der sich hier im fernen
Afrika mit Kind und Kegel niedergelassen hat, fördert zutage,
mit welch einfältigen Erwartungen so mancher Aussteiger nach
Afrika kommt, in der Hoffnung, sich hier eine neue Existenz
aufzubauen. Denn auch hier gelingt kaum, was schon zu Hause nicht
gelungen ist, zumal jeder Fremde sich erst einmal über den Tisch
ziehen lassen muß, ehe es ihm gelingen kann, sich zu etablieren.
Bei vielen fehlen bereits die sprachlichen Voraussetzungen, was
besonders im Umgang mit Behörden große Probleme bereitet. Ohne
fremde Hilfe kommt so jemand nur schwer zurecht; außerdem gilt
im Senegal wie überall in Afrika französisches Recht, d.h. auch
hier ist nichts weniger bürokratisch als im Ursprungsland. Viele
glauben, mit dem Startkapital, das sie aus dem Erlös eines
verkauften, überführten Fahrzeuges erzielt haben, hier von
vorne anfangen zu können. Doch manchem wird von raffinierten
Prostituierten, die darauf abgerichtet sind, ihre Kunden zu
schröpfen, das Geld noch in der ersten Nacht wieder abgenommen,
und so stehen sie mit nichts in Händen vor dem Konsulat der
deutschen Botschaft, wo sie in der Regel auf private Spenden
angewiesen sind.
Dakar
Auf der Fahrt
am nächsten Morgen ins Zentrum von Dakar werden wir voll von der
Rush hour erfaßt. Die kleinen Busse scheinen überzuquellen von
Menschen, denn was in Afrika ganz sicherlich fehlt, sind
Fahrzeuge, deren es angesichts der Menschenmassen gar nicht genug
geben kann. Die Große Moschee von Dakar wurde von König Hassan
II. von Marokko gestiftet und ist historisch bedeutungslos. Auf
dem Kermelmarkt beeindruckt die Vielfalt des Angebots im
Vergleich zu anderen Märkten; ansonsten sieht er gepflegter aus
wie jeder andere Markt in Afrika. Für die
Einheimischen völlig uninteressant - da sie keinerlei Interesse
für ihre eigene Geschichte haben -, für die Fremden dafür um
so interessanter, ist das I.F.A.N.-Museum, das Museum
afrikanischer Kunst, das eine Dauerausstellung von Masken
beherbergt sowie eine Wanderausstellung über die Geschichte der
Sklaverei auf Gorée. Letztere ist außerordentlich kitschig
aufgezogen, mit grob modellierten Figuren aus Ton, um das
Leidwesen der Sklaverei nicht nur anschaulich, sondern auch noch
möglichst häßlich zu vermitteln. Gezeigt werden vor allem
Jagd- und Fangmethoden Schwarzer durch Weiße, die vergeblichen
Kämpfe gegen überlegene Waffen, Methoden der Deportation, die
Unterbringung der Sklaven im Schiffsrumpf, Bestrafung und
Mißhandlung entflohener Sklaven sowie deren sexueller Mißbrauch
durch ihre männlichen und weiblichen Herren. Drei Jahrhunderte
Sklaverei haben Afrika ausbluten lassen und ihm einen Schlag
versetzt, von dem es sich bis heute nicht erholt hat. Überlebt
haben die mehrwöchige Überfahrt über den Atlantik stets nur
die Stärksten an Konstitution und Gesundheit. In den
Bestimmungsländern hatte dann bereits eine natürliche Auswahl
der Besten stattgefunden, denn wer lebend dort ankam, mußte sich
in Anbetracht der durchlebten Strapazen und Qualen im Sinne der
Evolution bewährt haben. Dies ist auch der Grund, warum heute
unter den amerikanischen Staatsbürgern die besten Sportler, die
größten Athleten unter der schwarzen Bevölkerung zu finden
sind. Besonders ausgesuchte Sklaven, die aufgrund ihrer Größe,
ihrer Körper- wie Zeugungskraft herausragten, hatte man im
weiteren wie Zuchthengste zu Paarungszwecken und zur Zeugung
einer biologisch wertvollen Nachkommenschaft bestimmt - mit
Erfolg, wie man sieht. Hätten die Weißen unter sich die
Sklaverei zu der Zeit nicht längst abgeschafft gehabt, so wäre
es heute wahrscheinlich um ihre biologische Wertigkeit nicht so
schlecht bestellt. Besonders begehrte Sklaven waren die Yoruba,
weil sie ausgesprochen groß und stark waren. Während die
Maskenausstellung in ihren Exponaten weit über die Landesgrenzen
des Senegal hinausgeht, uns quasi auch mit Stämmen konfrontiert,
die wir gar nicht aufgesucht haben, ist die Gorée-Ausstellung
eine gute Einstimmung auf den anschließenden Besuch der
ehemaligen Sklaveninsel. Der erste Europäer, der 1444 auf Gorée
ankam, war der Portugiese Dinis Dias. Von dort aus wurden im
Laufe dreier Jahrhunderte, wobei man mit diesen Zahlen vorsichtig
umgehen muß, zwanzig Millionen Menschen deportiert, und weitere
sechs Millionen sind dabei umgekommen. Das Sklavenhaus, welches
wie die gesamte Insel zum Weltkulturerbe zählt, wurde
stellvertretend für viele weitere Häuser, die der Verschiffung
von Sklaven dienten, stehengelassen. Das rot bemalte,
zweistöckige Haus enthält zum Meer hin das berühmte Tor ohne
Wiederkehr, hinter dem es, sobald man erst hinausgetreten, keine
Rückkehr mehr gab, denn es führte direkt auf die
Schiffsverladestelle. Die Menschen, die hier für die Deportation
bereitgehalten wurden, waren nach Geschlecht und Alter getrennt
in verschiedenen Räumen verwahrt. Noch vor ihrer Abreise wurden
die Stärksten und Kräftigsten zur Paarung gezwungen, womit
werdende Mütter bereits einen künftigen Sklaven im Leibe
trugen, noch ehe sie angekommen waren. Nur einmal am Tag durften
die wie Tiere zusammengepferchten Menschen ihre Notdurft
verrichten. Was darüber hinausging, mußte direkt in den Schlaf-
und Aufenthaltsräumen geschehen. Nun kann man sich unschwer
vorstellen, daß es unter diesen katastrophalen hygienischen
Zuständen, unter denen die Gefangenen leben und Nahrung zu sich
nehmen mußten, im Geruch des Erbrochenen und ihrer
Ausscheidungen, zum Ausbruch von Seuchen kam, so daß viele
wegstarben wie die Fliegen.
Auf
der Sklaveninsel
Gorée ist von
Dakar aus mit der Fähre in weniger als einer halben Stunde zu
erreichen. Wir haben wie auf der ganzen Reise unverschämtes
Glück mit dem Wetter, das heute einfach traumhaft ist. Somit ist
auch die Stimmung an Bord des Schiffes großartig, und es fahren
auch viele Einheimische zur Insel hinüber, die von zumeist
jungen Menschen bewohnt wird. Ganze tausend Seelen zählt das
Dorf, das durchweg noch Elemente des portugiesischen,
holländischen und französischen Kolonialstils aufzuweisen hat,
mit Häusern aus Naturstein, engen Gassen, gepflasterten Straßen
und vielen schönen Innenhöfen. Die Fassaden sind mit herrlich
bunten Blumenkästen geschmückt, und Souvenirladen reiht sich an
Souvenirladen. Den höchsten Punkt der Insel nimmt das ehemalige
französische Fort ein, wo unbrauchbar gemachte Kanonen still vor
sich hinrosten. Hier wurde der Film "Die Kanonen von
Navarone" gedreht, mit Anthony Quinn in der Hauptrolle. Ein
Teil der Insel erhebt sich auf pechschwarzen Basaltsäulen, woran
man erkennen kann, daß sie vulkanischen Ursprungs ist. Vom
höchsten Punkt aus genießt man einen fabelhaften Blick auf den
Ort und das tiefblaue Meer, bis hinüber zur Skyline von Dakar. Wie sooft in
Touristenzentren verstehen es auch hier die Frauen, die Männer
zu umgarnen, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Es ist
ein durchaus reizvolles Unterfangen, ein Spiel mit dem Feuer, den
Verführungskünsten der jungen Mädchen beim Feilschen zu
erliegen, wenn ein gut Teil Erotik dabei mitschwingt, auch wenn
der Krimskrams noch so wertlos ist. Die raffinierte Anmache, die
verzehrenden Blicke, der Hauch einer weiblichen Stimme im Ohr und
die Umarmungen machen jeden Mann gefügig. Keinesfalls darf man
es versäumen, in einem der zahlreichen Hafenrestaurants
fangfrischen Fisch zu essen, und gewiß stimmungsvoll wäre es,
auf der Insel zu übernachten und von dem Fort über der Stadt
den Sonnenuntergang zu genießen, abends durch die von einer
leichten Brise abgekühlten Gassen zu spazieren und in der
Frische des nächsten Morgens die Rückfahrt anzutreten. Doch uns
bleibt für weitere Romantik keine Zeit, denn unser Rückflug
läßt nicht einen Tag auf sich warten. Über die letzten Stunden
unseres Aufenthalts gibt es nicht mehr viel zu berichten. Beim
Gang durch die Gepäckkontrolle muß ich zu meinem Erschrecken
feststellen, daß ich mein feststehendes Messer im Handgepäck
gelassen habe. Natürlich entschuldige ich mich beim Kontrolleur
für das Versehen und schenke ihm das Stilett, welches er auch
gerne annimmt. Für mich bedeutet es natürlich einen echten
Verlust, den einzigen jedoch, den ich auf der ganzen Reise zu
beklagen hatte. Doch was war geschehen? Solange ich meinen
Glücksbringer, den ich auf dem Fetischmarkt in Lomé erstanden
hatte, um den Hals trug, war mir nichts Negatives widerfahren.
Sowie ich ihn aber nach dem letzten Waschgang umzuhängen
vergessen habe, passierte das erste Malheur. Erstaunlich, nicht
wahr? Doch wer könnte je die Geheimnisse Afrikas ergründen?
Copyright © Manfred Hiebl,
2002. Alle rechte vorbehalten
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