Begraben: S. Benedetto al Po (Polirone, südlich von
Mantua), 1634 Peterskirche, von Papst Urban VIII. nach Rom überführt
Einzige Tochter des Markgrafen
Bonifaz' I. von Canossa-Tuszien und der Beatrix
von Ober-Lothringen, Tochter von Herzog Friedrich II.
Lexikon des Mittelalters: Band VI Seite 393
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Mathilde von Tuszien, Markgräfin (comitissa
et ducatrix)
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* 1046, + 24. Mai 1115
Bodeno (zw. Mantua und Modena)
Begraben: S. Benedetto al Po (Polirone, südlich von Mantua), 1634 Peterskirche, von Papst Urban VIII. nach Rom überführt
Einziges überlebendes Kind des Markgrafen Bonifaz von Tuszien und der Beatrix, Tochter Friedrichs II. von Ober-Lothringen
Nach der Wiederverheiratung der Mutter mit Herzog Gottfried
III. von Ober-Lothringen wurde Mathilde
mit dessen Sohn Gottfried IV. dem Buckligen (+ 1076), 1069 in unglücklicher
Ehe vermählt. Nach der Geburt eines Kindes, das nach wenigen Tagen
starb, ging Mathilde 1071 endgültig
nach Italien zurück und führte gleichberechtigt mit ihrer Mutter
ein straffes Regiment. Energisch in ihren politisch-militärischen
Aktionen war sie gleichzeitig in tiefer Frömmigkeit der Kirchenreform
zugetan, die vor allem in Papst Gregor VII. ihren größten Protagonisten
fand, dem Mathilde zeitlebens eng verbunden
blieb. Im ausbrechenden Investiturstreit nahm Mathilde
zunächst zwischen
König HEINRICH IV.
und Gregor VII. eine vermittelnde Position ein, was zur Absolution HEINRICHS
IV. auf ihrer Stammburg Canossa (Januar 1077) durch den
Papst führte. In den erneuten Auseinandersetzungen zwischen Königtum
und Papsttum trat Mathilde
entschieden auf die Seite der römischen Kirche, der sie
zur Sicherung ihres eigenen Besitzstandes gegen 1079/80 ihr gesamtes Eigengut
(auch in Lothringen) vermachte, sich allerdings die volle Verfügungsgewalt
darüber vorbehielt (erneuert in schriftlicher Form 1102). Ab 1081
befand sich Mathilde in der Reichsacht
und wurde ihrer Lehen für verlustig erklärt. Eine auf Wunsch
Papst Urbans II. eingegangene, politisch motivierte Scheinehe der 42-jährigen
mit dem 17-jährigen Welf V. war 1095 faktisch beendet. In zunehmenden
Konflikten mit ihren Vasallen, Bürgern und dem städtischen hohen
Klerus, die ihren kirchlichen Reformkurs ablehnten, suchte
Mathilde
Unterstützung beim Grafen Guido Guerra I. und fand schließlich
Rückhalt bei
Kaiser HEINRICH V.,
der sich mit ihr dergestalt vertraglich arrangierte, dass Mathilde
die Reichsverweserschaft in Ligurien und Tuszien verliehen wurde, während
dem letzten SALIER die erbliche Nachfolge
im canusinischen
Eigengut
zufallen sollte (Mathildische Güter). Der Mönch Donizo von Canossa
setzte in seiner "Vita Mathildis" der Markgräfin ein literarisches
Denkmal. Die Blüte der romanischen Steinmetzkunst, die sich mit den
Namen eines Wiligelmus bzw. Nicolo, Bauten wie den Domen von Modena und
Cremona und der Klosterkirchen von Nonantola und Polirone verbindet, dürfte
dem großen Mäzenatentum Mathildes
zu verdanken sein.
Mathilde folgte 1055/69
als Markgräfin von Tuszien und Spoleto-Camerino und als
Herrin von Canossa. Sie war 1055/56 mit ihrer Mutter Geisel bei Kaiser
HEINRICH III.
Sie war eine berühmte und umstrittene Frauengestalt
des Mittelalters. Sie unterstützte die Cluniazenser sehr, förderte
seit 1073 Papst Gregor VII. entschieden, trat nach und nach ihren gesamten
Allodialbesitz der Kirche ab und nahm ihn von dieser zu Lehen (in Lothringen
und Italien) und geriet auch deshalb schroff gegen HEINRICH
IV. und vermittelte 1077 das berühmte Treffen in Canossa.
Sie wurde 1080 von HEINRICH IV. unterworfen
und 1082 geächtet. Sie unterstützte 1090 die Lombarden und HEINRICHS
rebellierenden Sohn König KONRAD
und schloß deshalb ihre zweite Ehe, die wegen des Altersunterschiedes
großes Aufsehen erregte. Sie anerkannte 1110 gezwungenermaßen
Kaiser
HEINRICH V. und setzte ihn 1111 als Erben ein. Dafür wurde
sie Reichsverweserin in Ligurien. Sie stiftete 1096 das Kloster
Pierremont bei Metz. Von Cosmas von Prag wurde sie als sexuell hemmungslos
gegenüber ihrem zweiten Ehemann geschildert.
Ein demütiger Büßer im Schnee vor dem
verschlossenen Tor der Felsenburg Canossa: hinter dem kerzenhellenFenster
die mächtige Burgherrin Mathilde von Tuszien,
neben ihr Papst Gregor VII. und Abt Hugovon Cluny, der Taufpate des Büßers,
der kein anderer ist als der deutsche König
HEINRICH IV. Unvergessen ist diese weltgeschichtliche Szene
im Winter des Jahres 1077. Im erbitterten Machtkampf zwischen Papst und
Kaiser stand die landmächtige Mathilde von
Tuszien wie ihre Mutter Beatrice
von Lothringen auf der päpstlichen Seite. HEINRICHIV.,
der über den Mont Cenis gekommen war und in Canossa die Lösung
vom Bannfluch des Papstes erzwang, begegnete dieser Frau 6 Jahre später
zum zweiten Male, als der Kampf von neuem entbrannt war und der König
den Papst in der Engelsburg zu Rom belagerte. Wieder stand Mathilde
auf
seiten Gregors VII. und rief den Normannen-Herzog Robert Guiskard aus Sizilien
mit seinen Scharen herbei. Robert führte den Papst im Triumph in den
Lateran zurück und nahm schreckliche Rache an den Anhängern HEINRICHS,
der während der Belagerung aus den Händen des Gegenpapstes Klemens
III. die Kaiserkrone empfangen hatte. Mathilde
vermählte sich nach dem Tode ihres ersten Gatten, Gottfrieds des
Buckligen, im Jahre 1089 mit dem 17-jährigen Herzog Welf von
Bayern. Sie war damals 43 Jahre alt. Die unnatürliche, rein politische
Ehe zerbrach; der junge Welf trennte sich von ihr, und
Kaiser HEINRICH gelang es, sich mit dem WELFEN-Hause
auszusöhnen. Den Gegenschlag versetzte die mächtige Toskanerin
dem Kaiser, als sie seinen Sohn KONRAD zum
Abfall bewog und seine Krönung zum König der Lombardei bewirkte.
Sie bestimmte die Kirche zur Universalerbin ihres weitläufigen mittelitalienischen
Landbesitzes, der "Mathildischen Güter", ein Erbe, das zum Zankapfel
zwischen den Päpsten und den Kaisern werden sollte.
Über Mathildes
Geburt und ihre frühe Kindheit geben die mittelalterlichen
Quellen keine Auskunft. Man ist sich in der Forschung einig, ihr Geburtsjahr
auf 1046 anzusetzen, da Mathilde nach
Donizos Angaben 69 Jahre alt wurde. Als Geburtsort macht Lino Lionello
Ghirardini Mantua wahrscheinlich.
Mathilde
wuchs in einem großen Haushalt auf. Sie hatte zwei Geschwister, Friedrich
und Beatrix, die wahrscheinlich älter als sie waren. Die größte
Zuwendung der Eltern genoß jedoch zweifellos der Sohn, der einmal
die Nachfolge antreten sollte. Mathilde
war
bestimmt ein außergewöhnliches Kind, das sich von ihren adligen
Altersgenossinnen unterschied. Donizo betont ihre Sprachkenntnisse. Es
besteht kein Zweifel, dass sie im Unterschied zu den meisten adligen Frauen
ihrer Zeit lesen und schreiben konnte, perfekt Lateinisch verstand und
sprach und auch die Sprache der Langobarden beherrschte. Sie genoß
eine sehr sorgfältige Erziehung. Es ist jedoch auszuschließen,
dass Mathilde systematischen
Unterricht in den Fächern des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik)
und des Quadriviums (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) erhalten
hat. Im Mittelpunkt ihrer Erziehung stand offenbar die Hinführung
zu Gottesliebe und Frömmigkeit, zu Tugendhaftigkeit und zur Fähigkeit,
den Prüfungen des Lebens standzuhalten. Lesen und Schreiben erlernte
sie nebenbei. Die positiven Auswirkungen dieses Unterrichts prägten
ihr ganzes Leben und zeigten sich in ihrem Interesse für Bücher,
Kunst, Liturgie und Musik.
Ihre Kindheit, die bis zu ihrem sechsten Lebensjahr ruhig
und ungetrübt verlief, wurde nach dem gewaltsamen Tod ihres Vaters
durch dramatische Schicksalsschläge verdüstert. Ihre Mutter mußte
nun allein mit einer Situation voller Gefahren und Bedrohungen fertig werden.
In welcher Verfassung die 7-jährige Mathilde
diese Ereignisse erlebte und wie sie darauf reagierte, ist aus den Quellen
nicht ersichtlich. Zweifellos mußte alles, was in jenen turbulenten
Jahren geschah, sie sehr verunsichert haben: der abrupte Übergang
von einer ruhigen frühen Kindheit bis zum Tod ihres Vaters zu den
schwierigen Mädchenjahren, die von einem ständigen Ortswechsel
ihrer Familie, von den Ängsten, die ihre unsichere Lage hervorrief,
und nicht zuletzt von der Trauer über den Tod ihrer Geschwister geprägt
waren.
Noch schwieriger und wechselvoller war für sie das
Jahr 1054: Ihre Mutter hatte erkannt, dass es über ihre Kräfte
ging, weiterhin allein ihre Herrschaftsgebiete zu verwalten. Als ihr Sohn
noch lebte, war es ihre Pflicht gewesen, ihre Herrschaftsgebiete vor Zersplitterung
zu bewahren, um ihm die Nachfolge zu sichern. Aber da nun Friedrich
gestorben war, mußte man eine Lösung finden, die
ihr und ihrer Tochter Sicherheit bieten konnte.
Mathildes Vermählung
mit ihrem Stiefbruder Gottfried stand schon seit langem fest. Wahrscheinlich
war sie bereits bei der Eheschließung ihrer Eltern beschlossen worden,
als Mathilde
noch keine 10 Jahre alt war. Die beiden jungen Leute trafen einander vermutlich
bei mehr als einer Gelegenheit - etwa als die beiden Frauen des Hauses
CANOSSA von
HEINRICH III.
in Haft genommen und als Gefangene nach Deutschland gebracht wurden, oder
als der junge Gottfried 1067 seinen Vater nach Italien begleitete,
wie Benzio berichtet -, und es ist anzunehmen, dass sie als Kinder miteinander
gespielt haben. Man darf sich nicht vorstellen, dass
Mathilde
und
Gottfried
der Bucklige
eine Verlobungszeit hatten. Durch das von den Eltern abgelegte
Eheversprechen waren die beiden faktisch bereits vermählt. Zum Inkrafttreten
der Ehe fehlten nur noch die körperliche Reife (die bei den Mädchen
nicht einmal Bedingung war) und eine günstige Gelegenheit. Diese Gelegenheit
kam bald, aber nicht eben unter glücklichen Umständen.
Gottfried der Bärtige kehrt krank in seine lothringischen
Länder zurück, zuerst nach Bouillon, dann nach Verdun. Als sich
sein Zustand verschlimmert, ruft er seine ganze Familie, den italienischen
und den lothringischen Teil, zu sich. Sobald sein Sohn Gottfried und
seine Stieftochter
Mathilde bei ihm
eingetroffen sind, läßt er ihre Hochzeit ausrichten, um seine
Nachfolge in den beiden Herrschaftsgebieten, Lothringen und Toskana-Poebene,
vor seinem Hinscheiden zu regeln, vielleicht in der - wohl nicht unbegründeten
- Befürchtung, dass nach seinem Tod das Eheversprechen nicht eingehalten
werde. Einer Anordnung Papst Alexanders II. nachkommend - vielleicht weil
er und Beatrix ihr
Enthaltsamkeitsgelübde nicht eingehalten hatten -, trifft er auch
die Verfügung, zwei Klöster zu gründen, in Lothringen die
Abtei Orval, in Italien die Abtei Frassinoro.
Der Markgraf stirbt am Heiligen Abend des Jahres 1069.
Sein Sohn Gottfried der Bucklige erbt seine Reichtümer und
seine Macht. Zur Festigung seiner Position und besseren Kontrolle seiner
Besitzungen und Herrschaften hält er sich weiter in Lothringen auf.
Während Beatrix
nach Italien zurückkehrt, um sich um die Angelegenheiten
ihres Hauses zu kümmern, bleibt Mathilde
bei
ihrem Ehemann.
Man weiß nicht, ob die körperlichen Mängel
ihres Mannes, den Lampert von Hersfeld als tapferen, aber kleinwüchsigen
und buckligen Jüngling beschreibt, die junge Mathilde
abgestoßen
haben. Aber auch hier muß man darauf achten, das Verhältnis
zwischen den beiden nicht bloß auf eine Mann-Frau-Beziehung zu reduzieren.
Im Laufe des Jahres 1070 wurde
Mathilde
aller
Wahrscheinlichkeit nach schwanger. Dieses Ereignis fand auch am Kaiserhof
Resonanz, denn wir lesen in einem Diplom HEINRICHS
IV. vom 9. Mai 1071: "wenn nicht der Herzog, so sein Erbe".
An diesem Datum nahm man also auf einen Erben Bezug - wenn es sich dabei
nicht nur um eine Kanzleiformel handelt. Am 29. August desselben Jahres
gründete Mathildes
Mutter Beatrix im odenesischen
Apennin das Kloster Frassinoro und stattete es mit einem ansehnlichen Patrimonium
aus, "für das Heil meiner Seele, der Seele des verstorbenen Markgrafen
und Herzogs Bonifaz, meines früheren
Ehegemahls, und für die Unversehrtheit und die Seele meiner geliebten
Tochter Mathilde, und für das
Seelenheil des verstorbenen Herzogs Gottfried, meines Gemahls, und
für das Seelenheil der verstorbenen Beatrix 'Neptis meae'.
Ich bin zu dem Schluß gekommen, dass es sich bei dieser Beatrix
um die gleichnamige Enkelin von Mathildes
Mutter,
also um die Tochter Mathildes handelt.
Aus vielerlei Gründen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass die Ende
August 1071 als Verstorbene genannte Beatrix das Kind Mathildes
ist, auf deren Schwangerschaft Anfang Mai hingewiesen wird. Hier meine
Rekonstruktion der Ereignisse: Wir finden Mathilde
Ende 1069 mit ihrer Mutter am Sterbebett des Stiefvaters; vor dessen Tod
heiratet sie seinen Sohn. Anfang des folgenden Jahres kehrt Beatrix
nach Italien zurück und führt am 25. Mai 1070 den
Vorsitz bei einem Gerichtstag in Florenz; Mathilde
ist mit ihrem Ehemann in Lothringen verblieben und wird im Herbst
schwanger; etwa im Frühsommer 1071 bringt Mathilde
ein Mädchen zur Welt, das sie Beatrix nennt, mit
einem in ihrer Familie häufigen Namen, den auch ihre Mutter trägt,
nach der sie sich wahrscheinlich sehnt. Die Niederkunft war wohl nicht
leicht - im Mittelalter war eine Geburt oft schwierig und gefährlich
-, und die kleine Beatrix starb wahrscheinlich bald darauf. Dass
Mathilde
die
Ehe vollzogen hat, wird durch Bischof Rangerius von Lucca bezeugt. Wieviel
Mathilde
damals
gelitten hat, läßt sich aus der Sorge ihrer Mutter Beatrix
um die Erhaltung des Lebens (die "Unversertheit") ihrer Tochter
erkennen, die in der Gründungsurkunde von Frassinoro zum Ausdruck
kommt. Es ist ein ungewöhnliches Wort, dieses incolumitas, in einer
mittelalterlichen Urkunde. Aber hier kehrt es mehrmals wieder und weist
auf die Angst hin, die Beatrix
um ihre Tochter hat, die weit weg von ihr ist und in einer feindseligen
Umgebung leben muß, wie Beatrix
wohl während ihres Aufenthalts in Lothringen selbst erfahren
hat. Mathilde
befand
sich in Gefahr zum einen wegen ihrer durch die schwere und unglückliche
Entbindung angegriffene Gesundheit und zum anderen, weil sie ihrem Gemahl
nicht den Erben geschenkt hatte, der die Fortdauer der Familie garantieren
sollte - die Hauptaufgabe einer Ehefrau im Mittelalter, vor allem in den
Familien der Oberschicht. Für Mathilde
war es eine schreckliche Zeit. Sobald es ihr die Umstände erlaubten,
floh sie vor ihrem Mann zu ihrer Mutter, bei der wir sie am 19. Januar
1072 in Mantua antraf.
Nachdem Mathilde
in die Toskana zu ihrer Mutter zurückgekehrt war, versuchte
Gottfried
alles mögliche, um sich mit ihr auszusöhnen,
hatte aber keinen Erfolg mit seinen Bemühungen. Im Herbst 1072 kam
Gottfried nach Italien und schenkte Mathilde
ein Reliquienkästchen aus dem Besitz Bonifaz'
von Canossa, das sie nach Lothringen gebracht hatte, als sie
mit ihrer Mutter an das Krankenbett des Stiefvaters geeilt war und man
anschließend Hochzeit gefeiert hatte. Gottfried hatte es vor
seinem Tod zusammen mit anderen Gütern an die Abtei Saint-Hubert geschenkt.
Sein Sohn, der im Streit mit Abt Theoderich lag, hatte das Kästchen
wieder in seinen Besitz gebracht. Als Mathilde
nun verlangte, er solle es ihr zurückgeben, brachte Gottfried
ihr das Reliquienkästchen nach Italien in der Hoffnung, sie damit
wieder für sich einzunehmen. Welche Wirkung diese Geste gehabt haben
mag, ist nicht bekannt. In den überlieferten Urkunden agieren die
beiden allerdings nie gemeinsam; außerdem schreibt der Chronist von
Saint-Hubert, Mathilde
habe
ihren Gemahl während seines Aufenthaltes in Italien, der fast ein
Jahr dauerte, die "maritalem gratiam" verweigert. Es gibt jedoch historische
Gründe, weshalb Mathilde
in diesen Urkunden nicht erwähnt wird: Die legitimen Erben
der canossanischen Herrschaft in der
Emilia und Toskana waren Beatrix als
Witwe des
Bonifaz von Canossa und
Gottfried
der Bucklige als Sohn Gottfrieds des Bärtigen. Mathilde
besaß
zu jener Zeit keinen Rechtstitel, aufgrund derer sie in privaten und öffentlichen
Urkunden in Erscheinung treten konnte.
Zu der Zeit, als sich Gottfried der Bucklige in
Italien aufhielt, fand ein für Mathildes
persönliche
Geschichte und für die gesamte Christenheit äußerst wichtiges
Ereignis statt: die Papstwahl Gregors VII. Am 28. April setzte der neue
Papst Markgraf Gottfried von seiner Wahl in Kenntnis. Wahrscheinlich
hat Gottfried ihn daraufhin beglückwünscht und ihn gleichzeitig
gebeten, ihm bei seinen ehelichen Schwierigkeiten zu helfen, denn Gregor
VII. versicherte ihm in einem Schreiben vom 6. Mai, er werde sich der Probleme,
die er mit Mathilde
habe,
annehmen. Gottfried blieb mit Sicherheit bis zum August jenes Jahres
in Italien. Dann kehrte er nach Lothringen zurück, ohne jedoch seine
Versuche, sich mit seiner Frau auszusöhnen, aufzugeben.
Zwei Anfang 1074 datierte Briefe des Papstes an
Mathilde sind erhalten, die wahrscheinlich von dem Wunsch
diktiert sind, die Probleme des Herzogs von Lothringen und der Gräfin
von Canossa zu lösen. Gregor forderte sie indirekt auf, Gottfried
gegenüber größere Nachsicht und Milde walten zu lassen,
auch wenn er gefehlt habe, gerade weil Mathilde,
wie Maria, erhabener und edler sei als die anderen Menschen. Eine Versöhnung
zwischen Gottfried
und
Mathilde
hatte für den Papst große Bedeutung, versuchte er doch den Lothringer
zum Verbündeten zu gewinnen, um die Normannen besser unter Kontrolle
halten zu können. Deshalb übte er auf die junge Markgräfin
Druck. Aber Mathilde blieb unbeugsam.
Die kaum 30-jährige zeigte sich ihrem Mann gegenüber, der trotz
seiner Mißbildung auch die Achtung nicht eben kaisertreuer Annalisten
wie Lampert genoß, abweisend und kalt.
Für die den CANOSSA
nahestehenden mittelalterlichen Chronisten war Mathildes
Haltung
der Beweis für ihre Berufung zum Klosterleben, zu einem Leben in Keuschheit.
Durch sie ist der Mythos von einer Frau entstanden, die den Schwächen
des Fleisches nicht erlag; gleichzeitig hat man dafür die körperlichen
Mängel des armen Gottfried verantwortlich gemacht. Man muß aber
Gottfried
zumindest zugute halten, dass er ehrlich bemüht war, die Einigkeit
in seiner Familie zu bewahren und ihre Macht nicht zu zersplittern.
Mathildes
Unbeugsamkeit kann andererseits nicht allein dadurch erklärt werden,
dass sie gegen ihren Willen mit einem kleinwüchsigen, buckligen und
- nach Meinung einiger Historiker - mit einem Kropf behafteten Mann verheiratet
worden war. In Wahrheit brauchten die beiden Herrinnen von Canossa nun
nicht mehr den Schutz eines mächtigen Kriegsmannes. Sie genossen jetzt
einen viel mächtigeren, aber mit Takt und Rücksichtnahme ausgeübten
Schutz durch die Kirche und deren Oberhaupt. Daher war es für sie
günstiger, dass die Ehegatten getrennt blieben und dass sich Gottfried
der Bucklige nicht in die Verwaltung ihrer Herrschaftsgebiete einmischte.
Das sind die einleuchtenden "politischen" Gründe, die dem Historiker
ins Auge springen, da die menschlichen Beweggründe in den historischen
Quellen nicht aufscheinen.
Unter diesen Voraussetzungen ist es verständlich,
dass sich das Verhältnis zwischen den Eheleuten ständig verschlechterte.
Mathilde
versöhnte sich nicht mehr mit ihrem Mann, und dieser näherte
sich immer stärker HEINRICH IV.
In einem Brief vom 11. September 1075 schrieb Gregor VII. den Markgräfinnen
Beatrix und Mathilde, dass
die Schwüre Gottfrieds des Buckligen nicht mehr glaubwürdig
seien. Der Bruch war endgültig. Dass sich Gottfried nunmehr
politisch vom Papst gelöst hatte, ist aus der Tatsache zu ersehen,
dass er am 24. Januar 1076 in Worms unter denjenigen war, die Gregor VII.
für abgesetzt erklärten und ihm sogar eine Liebesbeziehung mit
Markgräfin
Mathilde unterstellten: Mit dieser
"Frau eines anderen" hab der Papst "nähern Umgang und wohne mit ihr
in größerer Vertrautheit zusammen, als es sich geziemt hätte."
Einen Monat später fand der Bucklige ein
schreckliches Ende. In wessen Auftrag handelte der grausame Meuchelmörder?
Welche Symbolhaftigkeit verbarg sich hinter diesem furchtbaren Tod? Mathilde
von Canossa-Tuszien und Gregor VII. waren sicherlich nicht die
einzigen Feinde und nicht die einzigen, die aus seinem Tod Vorteil ziehen
konnten: Wie bereits erwähnt, beschuldigte Lampert von Hersfeld Robert
von Flandern; manche sahen in Balduin von Hennegau den Drahtzieher des
Verbrechens; nur Landulfus Senior klagte Mathilde
an. Die Mönche der von Gottfrieds Vater gegründeten Abtei
Saint-Hubert sahen diesen Tod als eine gerechte Strafe Gottes an, da ihnen
der
Bucklige verschiedene von Gottfried dem Bärtigen dem Kloster testamentarisch
hinterlassene Güter verweigert hatte. Einen besonderen Grund, sich
über diesen Tod zu freuen, hatte Gottfried von Bouillon, denn er war
der designierte Nachfolger des Herzogs. Betrachten wir aber den Hergang
dieses dieses Verbrechens, über den in der Forschung Übereinstimmung
herrscht, so bieten sich auch Schlußfolgerungen an, die uns eher
von den Regionen der hohen Politik wegführen. Eine niederträchtige,
von einem Meuchelmörder vollführte Tat (oder von einem rachsüchtigen
Mann - der Begriff Meuchelmörder setzt einen Auftraggeber voraus,
hat es einen solchen wirklich gegeben?), der eine Zeitlang unterhalb des
Bretterbodens einer Latrine oder Kloake auf das ahnungslose Opfer wartete,
ihm einen Schwerthieb in die bewußte Stelle versetzte und durch Kot
und Schlamm watend entfloh, während die Diener dem unglücklichen
Opfer, in dessen After immer noch das Schwert steckte, zu Hilfe eilten.
Ein grausames Ende also, aber auch ein anrüchiges Verbrechen, das
nicht in die adlige Welt paßte.
Mathilde kümmerte
das Seelenheil ihres verstorbenen Ehemannes offenbar überhaupt nicht:
Weder eine Schenkung an irgendeine Kirche noch die Errichtung einer Kapelle,
in der ein Priester Messen für ihn hätte lesen können, sind
bekannt. Sie bezeichnete sich in den Urkunden immer als Tochter Bonifaz',
nie als Ehefrau Gottfrieds des Buckligen. In den Urkunden der Markgräfin
wird dieser lediglich zweimal genannt, um die Tatsache zu rechtfertigen,
dass sie weiterhin nach dem salischen Recht, das heißt nach fränkischem
Recht, lebte "von Geburt langobardisch, jetzt salisch aufgrund ihrer Eheschließung
mit Gottfried." Dies ist nicht nur eine einfache Formalität,
sondern die Betonung eines gesellschaftlichen Aufstiegs, der der Ehe mit
einem Mann zu verdanken war, dessen die ihm kirchlich angetraute Frau nur
deswegen gedachte.
Durch den Tod Gottfrieds des Buckligen kamen die
Gräfinnen von Canossa, Beatrix
und
Mathilde, endlich wieder
in den vollen Besitz ihrer Gebiete und Herrschaftsrechte im Königreich
Italien, für die sie nun auf das Bündnis und den mächtigen
Schutz Hildebrands zählen konnten, des neuen Papstes, der sich Gregor
VII. nannte.
Auch für Mathilde
stand jenes Jahr 1076 unter keinem guten Stern. Am 26. Februar
fiel ihr Gemahl
Gottfried
einem Mordanschlag zum Opfer. Sie mußte
nun das Erbe ihres Mannes antreten, das aus dem Herzogtum Nieder-Lothringen
mit Holland und dem Hennegau, der Mark Antwerpen, der Grafschaft Verdun
und einer Reihe von Allodialgütern in diesen Landstrichen bestand,
darunter Stenay und Mosay. Am 18. April starb in Pisa auch ihre Mutter,
Beatrix
von Lothringen, und wurde in der Kathedrale Santa Reparata zu
Grabe getragen. Mathilde mußte
nun ganz allein die Last der Herrschaft über ein riesiges, multinationales
Territorium tragen und ihre äußerst schwierige politische Rolle
bewältigen: In der heißesten Phase des Konflikts stand sie zwischen
einem Kaiser, an den sie durch Verwandtschaftsbande und Lehnseide gebunden
war, und einem Papst, mit dem sie nicht nur als seine Tochter in Christo
und Anhängerin seiner Reformideen, sondern durch tiefe Zuneigung und
die Notwendigkeit, sich gegenseitig zu stützen, verbunden war. Im
jenem Sommer traf Mathilde, die wahrscheinlich
zwischen Italien und Lothringen hin und her reiste, um die Probleme des
Erbes ihres verstorbenen Mannes zu lösen, mit Hermann von Metz, Abt
Hugo von Cluny, Bischof Theoderich von Verdun und der Kaiserin-Mutter
Agnes zusammen.
In ihrer Burg Canossa kam es vor allem durch die
Vermittlung von Abt Hugo von Cluny, Taufpate HEINRICHS
IV., zur Aussöhnung zwischen dem deutschen König und
Papst Gregor VII., der HEINRICH IV. vom
Bann lösen mußte.
Anselm von Lucca starb am 18. März 1086 in Mantua,
knapp ein Jahr nach dem Tod Gregors VII. in Salerno. Mit ihnen verlor Mathilde
die
Bezugspersonen, die ihr Sicherheit gegeben und seit der Zeit, als sie allein
die Herrschaft über die Mark der Canossa angetreten hatte, ihre Stütze
gewesen waren. Welche Bedeutung beide für
Mathilde
hatten und wie groß ihre Einsamkeit und Hilflosigkeit nach deren
Tod gewesen war, läßt sich an ihrem Entschluß ermessen,
noch einmal zu heiraten, um jemanden zu haben, der ihr Schutz bieten konnte.
Solange Anselm noch lebte, hatte sie dies trotz der großen Schwierigkeiten
nie als notwendig erachtet. Nach Anselms Tod empfand sie eine zweite Ehe
jedoch als dringend erforderlich und unaufschiebbar.
An der Elster fügte HEINRICH
IV. dem
Gegen-König RUDOLF VON
RHEINFELDEN eine weitere, diesmal definitive Niederlage zu.
RUDOLF
wurde im Kampf schwer verwundet und starb am nächsten Tag. Am selben
15. Oktober 1080 schlugen nach Bertholds Bericht die Truppen der Machthaber
fast ganz N-Italiens - zumeist Graf-Bischöfe - Mathildes
Heer
bei Volta Mantovana in die Flucht. Es war die erste schwere militärische
Niederlage der Markgräfin in dem Krieg, den sie zur Verteidigung Gregors
VII. und der Reform führte; eine Niederlage, die schwere Zeiten für
ihre Partei befürchten ließ. Nach diesen Erfolgen suchte HEINRICH
IV. über seine Cousine 2. Grades Mathilde
zur Aussöhnung mit Papst Gregor VII. zu kommen. Auf dem im Jahre 1081
unternommenen Italienzug
HEINRICHS IV. verweigerte
Mathilde,
obwohl Lehensträgerin des Reiches, dem König die militärische
Gefolgschaft, der seine Kaiserkrönung nicht erreichte, da er nicht
in der Lage war, Rom einzunehmen.
Was HEINRICH IV.
bewog die Belagerung Roms abzubrechen und sich statt dessen mit der Markgräfin
zu beschäftigen, war wohl - neben der extremen Sommerhitze - die Nachricht,
dass mehrere Städte der Toskana sich gegen Mathilde
erhoben
hatten. Den Anfang machte Lucca, wo die Kanoniker im Oktober 1080 Anselm
vertrieben. Dann folgte Pisa, die Lieblingsstadt von
Mathildes
Mutter
Beatrix.
Im Juli 1081 erklärte HEINRICH IV. in
Lucca Mathilde des Majestätsverbrechen
schuldig und damit all ihrer öffentlichen Funktionen und Güter
verlustig. Eine derart schwere Strafsanktion hatten die Kaiser bisher nur
in den seltensten Fällen verhängt.
Mathilde
hatte
inzwischen die Toskana verlassen und sich in Begleitung ihrer Getreuen
in ihre Apenninburgen geflüchtet. Ein Teil ihrer Grafen schloß
sich dem Kaiser an. Nach dem Bann von Lucca verschanzte sich
Mathilde
in ihren Burgen im Apennin, während die Truppen HEINRICHS
IV. ungehindert in ihren Ländern umherzogen, sie plünderten
und verwüsteten. Sie war völlig isoliert, nur Anselm von Lucca
war bei ihr, spendete ihr Trost und gab ihr Ratschläge. Neben den
Versuchen, den Schaden, den HEINRICHS
Truppen in ihrem Gebiet anrichteten, möglichst zu begrenzen, richtete
sich Mathildes
Politik
weiterhin auf die Unterstützung des Reformpapsttums. Zwei ihrer Aktionen
erwiesen sich dabei als besonders bedeutsam: Sie schenkte alle ihre Güter
an die Kirche und übersandte Gregor VII. eine beträchtliche Menge
an Gold und Edelsteinen. Mathildes
führte den Kampf gegen die Truppen ihrer Gegner fort, die in ihre
Länder eingedrungen waren - 1084 besiegte sie die Feinde bei Sobara
und verjagte sie aus Nonantola - und unterstützte weiterhin die Anhänger
der Kirchenreform. In militärischer Hinsicht nützte Mathilde
weiterhin die Abwesenheit HEINRICHS IV.,
um die Rückeroberung der ihren Feinden in die Hände gefallenen
Gebiete zu betreiben. Dies gelang ihr nur in ihren oberitalienischen Herrschaftsgebieten,
während sie die lothringischen Gebiete, das Erbe Gottfrieds des
Buckligen, endgültig verlor. Am 1. Juni 1085 schenkte HEINRICH
IV. in Metz die Mathildischen Güter Stenay und Mosay, die
er nach der Ächtung Mathildes
in Lucca eingezogen hatte, Bischof Theoderich von Verdun.
Mathilde
sah sich hingegen mit einem neuen Italienzug
HEINRICHS IV. konfrontiert. Vielleicht auf den Rat Urbans II.
hin versuchte sie der drohenden Gefahr durch eine in politischer wie privater
Hinsicht äußerst heikle Entscheidung zu begegnen: Sie faßte
den Entschluß, eine neue Ehe einzugehen. Jetzt hatte der Papst die
enge Verbindung zwischen dem Heiligen Stuhl und den CANOSSA
aufgelöst, so dass Mathilde
einen neuen Bundesgenossen finden mußte. Ihre Wahl fiel auf ein Mitglied
der WELFEN, die zu den größten
Gegnern HEINRICHS IV. im Reich zählten.
Es läßt sich nicht eindeutig feststellen, von wem die Initiative
ausgegangen war, ob vom Vater des Bräutigams oder von Mathilde
selbst oder auch von Urban II., wie Bernold von Konstanz in
seinem Chronicon schreibt:
"In Italien vermählte sich die edle Herzogin Mathilde, Tochter des Markgrafen Bonifaz und Witwe Herzog Gottfrieds, mit Herzog Welf, dem Sohn Herzog Welfs, und dies geschah nicht aus Zügellosigkeit, sondern aus Gehorsam gegenüber dem römischen Papst, um mit größerer Schlagkraft der heiligen Römischen Kirche gegen die Exkommunizierten zu Hilfe kommen zu können. Diese fielen in der Tat sofort über ihren Gemahl her, konnten ihn aber nicht die Stirn bieten und erwirkten durch die Fürsprache seiner Gemahlin einen Waffenstillstand bis Ostern. HEINRICH, der sich König nennen ließ, war über diesen Ehebund sehr verärgert. Er, der zum Sachsenfeldzug aufgebrochen war, mußte schimpflich den Rückzug antreten. Petrus Igneus, der Bischof von Albano, der zu den eifrigsten Verfechtern der Sache des heiligen Petrus gehört, ist zum Herrn heimgegangen."
Urban II. ist also auszuschließen. Wahrscheinlich
waren aber weder der junge Welf V. noch Mathildes
elbst die Urheber eines so kühnen und ehrgeizigen Projekts. Diese
Idee mußte von Welf IV., dem Vater des Bräutigams kommen, der
beherrschenden Persönlichkeit der WELFEN-Dynastie.
Es war zweifellos eine Ehe, die aus dem Rahmen fiel: 1089 war der junge
Welf erst kürzlich großjährig geworden und sollte nun,
mit vermutlich 16 Jahren, den Ehemann einer reifen Frau von 42 oder 43
Jahren spielen, einer Frau, die für ihre Willensstärke und Entschlossenheit
bekannt war und die bereits ein Leben voller Ereignisse hinter sich hatte.
Was dachten aber die Zeitgenossen über Mathilde?
Gregor VII. oder der Verfasser der Vita des Anselm von Lucca nannten sie
"Tochter des heiligen Petrus" und "Magd des Herrn", ihre Gegner sagten
ihr jedoch moralisch unerlaubte Beziehungen zu Gregor VII. und Anselm nach,
klagten darüber, dass die Kirche von einer Frau regiert werde, und
beschuldigten Mathilde, ihren ersten
Mann auf fürchterliche Weise ermordet zu haben; ja sie gingen sogar
soweit, sie wie Benzo von Alba "Fotzenloch" (os vaginae) zu nennen. Diese
Polemik, die vor nichts zurückscheut, war im Invetiturstreit unter
Gegnern üblich.
Der Text des Cosmas von Prag dokumentiert aber, dass
man über
Mathilde
und ihre zweite Ehe auch auf dieser Ebene sprach. Außerdem
führt er Motive an, die nicht weit entfernt von der Realität
sind, wie den Wunsch
Mathildes, das
Geschlecht der
CANOSSA nicht versiegen
zu lassen, und die Impotenz ihres jungen Ehemannes, der in der Tat kinderlos
starb, wie die Genealogia Welforum bezeugt: "Welf [IV.] ging mit Erzbischof
Tiemon nach Jerusalem und starb auf der Reise. Durch sein Betreiben vermählte
Herzog
Welf [V.], nachdem er großjährig geworden war, mit Mathilde,
Gräfin der Langobardia, und starb kinderlos." Diese Quelle gibt weder
einen Hinweis auf die Trennung der beiden noch Gründe dafür an,
während Cosmas sich ausführlich und überdies ungenau darüber
ausläßt. Es wäre allzu vereinfachend, wollte man die Trennung,
die erst 1095, nach einigen Ehejahren, erfolgte, auf sexuelle Probleme
oder auf die Kinderlosigkeit zurückführen. Auch die Schilderung
der Hochzeit von Mathilde
und Welf
trägt eindeutig topische Züge. Zwar
handelte es sich bei Mathildes zweiter
Ehe nicht gerade um eine heimliche Trauung, aber die Zahl der Anwesenden
muß sich, in Anbetracht der Umstände und Zeitläufe, doch
in Grenzen gehalten haben, und man trieb wohl keinen großen Aufwand.
Die Reaktion HEINRICHS IV. ließ
jedenfalls nicht lange auf sich warten.
HEINRICH IV. brach
kurz nach dieser Hochzeit zu seinem 3. Italienzug auf. Von Verona, wo ein
urkundlicher beleg vom 10. April 1090 vorliegt, zog HEINRICH
IV. nach Mantua und begann im Mai mit der Belagerung der Stadt.
Mathilde
und Welf verteidigten Mantua gemeinsam, aber ihre Aufgabe war nicht
einfach. Der Belagerungsring
HEINRICHS IV.
schloß sich immer enger. Der Kaiser eroberte die Mathildischen Festungen
Rivalta und Governolo und isolierte dadurch die Stadt, so dass Mantua vor
den Ostertagen 1091 in seine Hände fiel. Mathilde
und
Welf
blieb nichts anderes übrig, als sich in ihren Apenninburgen zu verschanzen
und mittels ihrer Informanten den Gang der Ereignisse zu verfolgen. Im
August verwandte sich Mathildes mächtiger
Schwiegervater, Welf IV., bei einem Treffen in Verona beim Kaiser für
sie und schlug Friedensverhandlungen vor. Der Herzog erreichte jedoch nichts
und mußte nach Deutschland zurückkehren, ohne seinem Sohn und
seiner Schwiegertochter konkrete Hilfe gebracht zu haben. Während
HEINRICH
IV. Anstalten traf, den zweiten Winter in Italien zu verbringen,
versuchte Mathilde, die Gelegenheit
zu nutzen, als er sich ohne Begleitmannschaft auf das andere Etschufer
begeben hatte, um ihn mit List in ihre Gewalt zu bringen. Aber einer ihrer
Kapitäne, Ugo del Manso aus der Familie ESTE, verriet sie an den Kaiser,
so dass dieser seine Truppen zusammenziehen konnte, die der Markgräfin
bei Trecontai im Gebiet von Padua eine schwere Niederlage beibrachten.
In der Folgezeit eroberte der Kaiser weitere Gebiete der Markgräfin.
Als er versuchte, ihre Stammburg Canossa zu erobern, erlitt er 9
Kilometer vor Mathildes
Burg in der Schlacht bei Madonna della Battaglia eine Niederlage.
Die Markgräfin Mathilde hatte
selbst an der Schlacht teilgenommen. Während
HEINRICH
sich zum Überwintern nach Verona zurückzog, konnten Mathilde
und
ihre Anhänger ein wenig aufatmen und im Jahr darauf Governolo und
Rivalta wieder in ihre Gewalt bringen, nicht jedoch Mantua, dessen Autonomie
nun gefestigt war. Statt dessen näherten sich der Markgräfin
andere lombardische Städte - Mailand, Cremona, Lodi und Piacenza -,
die sich dadurch der kaiserlichen Kontrolle entzogen. Die Geschicke des
Kaisers nahmen also eine negative Wendung, und Mathilde
hatte wesentlich dazu beigetragen. Das erste Zeichen seines Untergangs
war die Rebellion seines ältesten Sohnes KONRAD,
den er zu seinem Erben designiert und in Italien zurückgelassen hatte.
Er ließ sich von Mathilde verführen
und verbündete sich mit den Feinden seines Vaters. KONRAD
ließ sich von einer Frau (Mathilde)
das geben, was er bereits besaß und was sein Vater ihm übertragen
hatte, und erhob sich im Widerspruch zu den Gesetzen der Natur gegen diesen.
Auf dieses private Unglück folgte als nächstes die Befreiung
der Königin Praxedis durch Mathilde.
Sie fand bei der Markgräfin und ihrem Gemahl Welf V. Zuflucht.
Das Bündnis zwischen Mathilde
und Urban II. hatte zur Folge, dass HEINRICH
IV. noch stärker in die Isolation geriet, denn sein Sohn
KONRAD, der kurz davor zum König gewählt worden war,
vermählte sich Pisa mit Maximilla,
der Tochter des Großgrafen von Sizilien, Roger I.
Die Synode, an der vermutlich auch Mathilde
teilnahm,
fand im Januar 1097 statt. Unterstützt durch Urban II., war die Markgräfin
bereits wieder in den vollen Besitz ihrer tuszischen Herrschaften gelangt.
Sie konnte jedoch nicht persönlich am Kreuzzug teilnehmen, da sie
sonst ein gefährliches Machtvakuum hinterlassen hätte.
Mathilde konnte sich
offenbar nicht aus ihren Territorien entfernen, ohne dabei ein hohes Risiko
einzugehen. Wir erkennen dies deutlich, wenn wir uns die urkundlich belegten
Handlungen der Markgräfin vor Augen führen, die in erster Linie
aus Schenkungen und Konzessionen an Reformklöster in der Toskana und
am Po bestehen.
HEINRICH IV. verließ
ohne weitere Aktionen nach sieben Jahren Krieg gegen
Mathilde 1097 Italien und kehrte
über den Brenner nach Deutschland zurück. Alles in allem konnte
er gewisse Erfolge verzeichnen, es war ihm gelungen, das Bündnis der
Markgräfin mit seinem bayerischen Gegner zu sprengen und die Ehe Mathildes
und Welfs
auseinanderzubringen. Auch in Mathildes
Bündnis mit
HEINRICHS IV. rebellischem
Sohn KONRAD kam es zu einer kurzen
Krise. Die Gründe für diesen Konflikt werden nicht genannt, und
Donizo ist der einzige, der davon berichtet. Von einem anderen Geschehnis
jener Jahre spricht Donizo jedoch nicht: von der Adoption des Grafen Guido
Guerra, eines Mitglieds des Florentiner Adelsgeschlechts der Grafen Guidi,
durch Mathilde.
Die Spannung mit KONRAD und die Adoption
des Guido Guerra stehen in einem gewissen Zusammenhang, obgleich die einzigen
Indizien dafür die Gleichzeitigkeit beider Ereignisse und ihr gleicher
Schauplatz sind. Florenz, wo KONRAD
starb, war das Zentrum der Macht der Grafen Guidi, und eine der Städte,
die Mathilde besonders treu ergeben
waren. Das in Deutschland kursierende Gerücht, Mathilde
sei
für den Tod des Kaisersohnes verantwortlich, sie habe ihn vergiftet,
zeigt, wie sich der Konflikt zwischen der Markgräfin und ihrem neuen
Souverän, der in Mailand gekrönt worden war, zugespitzt hatte
- ein Streit, von dem jedoch Donizo berichtet, er habe rasch ein friedliche
Lösung gefunden.
Stellt man nun zwischen den beiden Ereignissen einen
Zusammenhang her, so wird auch der Grund für den Konflikt klar: die
Frage der Erbschaft der Mathildischen Güter. Nach dem Tode der Markgräfin
machte der Kaiser Verwandtschaftsbeziehungen mit den CANOSSA
und damit Erbfolgerechte geltend. Angesichts eines Rechtsakts
wie dieser Adoption verfielen derartige Rechte automatisch, und der Verlust
war nicht gering zu achten. Mathilde
war nun über 50 Jahre alt und konnte nicht mehr auf eigene
Nachkommenschaft hoffen, um ihre Dynastie fortzusetzen. Deshalb adoptierte
sie ein Mitglied der Adelsfamilie, die ihr in jenen Jahren wohl die meiste
Unterstützung geboten hatte, einen Mann, von dem sie hoffen konnte,
er werde ihr Werk fortsetzen, den jungen Guido Guerra, der wahrscheinlich
Anfang 20 war. Als Zeuge erscheint er neben Mathilde
am 20. Juni 1099 in Marturi im Florentiner Umland, um eine Schenkung
an das Kloster San Michele zu bestätigen. Man gewinnt den Eindruck,
dass die Präsenz all dieser Leute auch den Zweck hatte, die Gefolgschaft
der Markgräfin fester an sich zu binden, im Hinblick auf eine Reaktion
König
KONRADS, die nicht lange auf sich warten ließ - eine Reaktion,
die ihn schließlich nach Florenz führte, wo ihm am 27. Juli
1101 der Tod ereilte.
Mathilde
wiederholte im Jahre 1102 die Schenkung ihrer Güter an den
Heiligen Stuhl, die sie 20 Jahre vorher vorgenommen hatte. Die erste Schenkungsurkunde
war in den Wirren verlorengegangen, die Rom auf dem Höhepunkt zwischen
den Anhängern Gregors VII. und HEINRICHS
IV. erschüttert hatten. Nun wurde die Urkunde neu verfaßt
und der Text diesmal auf einer Marmorplatte eingemeißelt, damit nichts
von dem, was geschrieben war, verlorengehen konnte. Beraten und beschützt
von Bernardo degli Uberti und ihrem Adoptivsohn Guido Guerra, gewann Mathilde
die
Sicherheit zurück, die sie 20 Jahre zuvor zur Zeit Gregors VII. und
Anselms von Lucca besessen hatte, und begann wieder eine der Hauptrollen
in der Politik ihrer Zeit zu spielen: Mit Hilfe Venedigs eroberte sie Ferrara
zurück, das zur Zeit des Gegenpapstes Clemens III. von ihr abgefallen
war. Bei Papst Paschalis II. intervenierte sie sogar gegen den König
von England und verwandte sich für die Rückkehr Anselms von Aosta
in seine Diözese Canterbury, aus der er zweimal exiliert worden war.
Immer wieder ließ Mathilde
erkennen,
wie sehr sie sich nach dem Frieden des Klosters sehnte, der ihr im Vergleich
zu ihrem Leben, in dem sie die Umstände zwangen, die traditionelle
Rolle des Mannes zu übernehmen - auf die sie gerne verzichtet hätte
- und sich im politischen und militärischen Auseinandersetzungen zu
bewähren, so erstrebenswert schien. Mit der Adoption des Guido Guerra
verfolgte sie wahrscheinlich die Absicht, jemanden an der Seite zu haben,
der sie bei ihren zahlreichen öffentlichen Verpflichtungen unterstützen
konnte; zur Linderung ihrer seelischen Einsamkeit trug Kardinal Bernhard
bei, trotzdem stand Mathilde letztlich
allein an vorderster Front, während weiterhin das Papsttum ihrer Hilfe
bedurfte und die Prälaten, die wegen ihrer reformerischen Ideen und
ihrer romtreuen Politik mit den weltlichen Autoritäten in Konflikt
geraten waren, bei ihr Zuflucht suchten.
Mathildehatte sich
inzwischen in ihre Burgen im Apennin zurückgezogen, weil sie das Schlimmste
befürchtete. HEINRICH V. schickte
jedoch eine Gesandtschaft zu ihr. Es wurde eine Übereinkunft geschlossen,
über deren Einzelheiten Donizo sich nicht weiter verbreitet, außer
dass Mathilde sich
geweigert habe, an einem Unternehmen gegen den Papst teilzunehmen.
HEINRICH V. konnte aber auf seinem Zug zur Krönung nach
Rom ungehindert durch die canossanischen
Territorien ziehen. Obwohl HEINRICH V. Papst
Paschalis II. wegen der Nichteinhaltung der Übereinkunft von Sutri
gefangennahm, intervenierte Mathilde
nur
zugunsten von Bernhard und Bonsenoir, tat aber nichts für den Papst,
der erst nach 60-tägiger Haft am 13. April 1111 wieder freikam. Nach
erfolgter Kaiserkrönung hielt sich HEINRICH
V. auf dem Rückweg drei Tage als Gast der Markgräfin
in der Burg Bianello auf. Im Verhältnis zwischen dem Reich
und Mathilde von Canossa
bildete die in Lucca 1081 wegen Hochverrats verhängte Reichsacht,
die immer noch nicht aufgehoben war, ein Hemmnis. Daher mußten in
dem neuen Klima der Zusammenarbeit, das sich zwischen HEINRICH
V.
und
Mathilde
gebildet hatte, zuerst diese Kluft
zwischen ihr und dem Kaisertum überbrückt und deren rechtliche
Auswirkungen beseitigt werden. So handelte es sich bei dem feierlichen
Akt im Mai 1111 nicht um eine Krönung, sondern um eine Wiederholung
der Investitur Mathildes
in
ihre Reichslehen.
Mathilde war sich
des Kurswechsels bewußt, aber sie war es leid, sich weiterhin für
die päpstliche Sache einzusetzen. Ihre schönsten Jahre hatte
sie dafür geopfert, sich selbst und ihre Herrschaft in Gefahr gebracht,
sich enorme finanzielle Lasten und Kriege aufgebürdet; sie hatte mit
ansehen müssen, wie ihre Städte von ihr abfielen, ihre Burgen
belagert und ihre Gefolgsleute erschlagen wurden. Ja sie war sogar soweit
gegangen, sich mit einem Jüngling zu verheiraten und dadurch bei allen
Leuten ins Gerede zu kommen, nur weil ein Papst dies von ihr verlangt hatte.
Jetzt war für sie der Zeitpunkt für etwas Frieden gekommen, und
HEINRICH
V. bot ihr dazu die Gelegenheit.
"Er nannte sie in klaren Worten seine Mutter", sagt Donizo
und führt damit auf die ihm eigenen symbolische Weise, als sei der
Kaiser der von ihm nie genannte Adoptivsohn, ein für die Übereinkunft
zwischen
HEINRICH V. und Mathilde
wesentliches
Element ein: die Erbschaft des Mathildischen Allodialbesitzes durch den
Kaiser. Diese Frage hatte schon zum Konflikt zwischen Mathilde
und HEINRICH V. älterem Bruder
KONRAD
geführt, als die Markgräfin den Grafen Guido Guerra adoptiert
hatte. Dann war der Streit wahrscheinlich durch die Annullierung der Adoption
beigelegt worden. Guido Guerra agiert nur bis zum Jahr 1108 als Mathildes
Adoptivsohn
(oder Erbe). Danach tritt er ein einziges Mal als Zeuge auf in einer Urkunde
vom 6. Mai 1115, die Mathilde
auf
ihrem Krankenlager in Bondeno di Roncore zugunsten des Klosters Polirone
ausgestellt hatte - wohlgemerkt, als Zeuge, nicht als der Urkundende, also
nicht mehr als Adoptivsohn. Es scheint aber von Bedeutung zu sein, dass
er es nach 1108 nicht mehr wagt, diesen Titel zu führen, und nicht
mehr an Mathildes Seite auftritt, mit
Ausnahme jener, wenige Wochen vor dem Tod der Markgräfin ausgefertigten
Urkunde.
Es ist durchaus denkbar, dass HEINRICH
V. Mathilde
dazu bewog, die Adoption rückgängig zu machen und ihn
selbst als Erben des canossanischen
Eigenguts einzusetzen. Dafür sicherte er ihr Frieden und seinen persönlichen
Schutz zu. Als Ausdruck der hohen Wertschätzung ihrer Verwandtschaft
- sie war bekanntlich eine Cousine seines gefürchteten Vaters - bezeichnete
er sie als seine Mutter. Von ihrer Sehnsucht nach Frieden getrieben, versprach
sie ihm offenbar, sich künftig jeglicher Intervention in die römischen
Angelegenheiten zu enthalten. Im Gegenzug wurde sie aus der Reichsacht
gelöst und wieder in ihre Reichslehen investiert.
Nach diesem Akt konnte HEINRICH
V. beruhigt nach Deutschland aufbrechen. In Verona bestätigte
er in einem Diplom vom 21. Mai 1111 die Güter der Abtei Polirone und
stellte dieses Hauskloster der CANOSSA
unter seinen Schutz. Eine der Klauseln des Abkommens zwischen HEINRICH
V. und Mathilde hatte offenbar
auch zum Inhalt, dass der Kaiser seine schützende Hand von Mantua
und den Mantuanern zurückziehen sollte. Dies erkennt man daran, dass
die Markgräfin die Stadt 1114 zurückerobern konnte. Kurz darauf
erkrankte sie schwer und zog sich über die Sommermonate in ihre Apenninburgen
zurück, wo ihr Aufenthalt in Montebaranzone bei Prignano im Secchiatal
belegt ist. In Mantua verbreitete sich sofort das Gerücht, sie sei
gestorben, und die Stadt versuchte von neuem, das Joch der Canossa-Herrschaft
abzuschütteln.
Mathilde
kam jedoch wieder zu Kräften und zwang die Stadt, sich
ihr zu ergeben. Man schreibt Ende Oktober 1114 - ein seltsames Jahr, das
sich mit unheilvollen, todverkündenden Vorzeichen angekündigt
hatte: Ein Blutregen, so berichten die Chronisten, fiel auf die ganze Lombardei,
bis in den Raum von Cittanova westlich von Modena.
Mathilde von Canossa
erkrankte von neuem und starb in der Nacht zum 24. Juli 1115 in
Bondeno di Roncore. Im folgenden Jahr zog HEINRICH
V. wieder nach Italien, um die Allodialgüter der Markgräfin
und ihrer Familie in Besitz zu nehmen. Macht und Reichtum der CANOSSA,
die durch die Gunst der Kaiser gewachsen waren, fielen nun zum großen
Teil wieder an die Institution zurück, der sie ihr Entstehen und ihre
Förderung verdankten, wenngleich HEINRICH
V. nicht als Kaiser auf sie Anspruch erhob, sondern als der
nächste Verwandte einer ruhmreichen Dynastie, die nun erloschen war.
War Mathilde als
Politikerin erfolgreich und konnte sie sich in den 40-jährigen Wirren
und Krisen behaupten, ebenso wie sie sich als Kämpferin erwies, so
hatte sie weniger Glück in ihrem Privatleben, besonders in der vor
allem im Mittelalter für die Rolle der Frau als konstitutiv erachteten
Funktion, Mutter zu werden, für die Kontinuität des Lebens, der
Familie, des Namens zu sorgen. Donizo schreibt ihr die dreifache Frucht
des christlichen Lebens zu, als Ehefrau, Witwe und Jungfrau, aber sie war
keine liebende und fruchtbare Ehefrau, keine treue Witwe und keine Jungfrau.
Der männliche Geist, den die Schriftsteller aus dem Klerikerstand
an ihr priesen, hatte ein fast notwendiges Gegenstück in ihrer Sterilität.
Die mythische Artemis gebar bekanntlich keine Kinder. Da es Mathilde
also
versagt war, für eine Nachfolge zu sorgen, blieb ihr nichts andere
übrig als die Güter, über die sie verfügen konnte,
an die Klöster und an jene kirchlichen Einrichtungen zu geben, die
ihr dafür Gebet und Gedenken "bis an das Ende der Welt" zusicherten.
1070
1. oo Gottfried der Bucklige Herzog von Lothringen,
ihr Stiefbruder
x
-26.2.1076
1089
2. oo Welf V. Herzog von Bayern
x 1072-24.9.1120
Literatur:
-----------
Boshof, Egon: Die Salier. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln 1987, Seite 146,160,213,231,247,253,256,259,276,279,286,288
- Csendes, Peter: Heinrich VI., Wissenschaftliche Buchgemeinschaft
Wiesbaden 1993, Seite 88,165 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter.
Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 70-72,75,235,238 - Fumagalli
Vito: Mathilde von Canossa. Verlag Klaus Wagenbach Berlin 1998 - Goez
Elke: Beatrix von Canossa und Tuszien. Eine Untersuchung zur Geschichte
des 11. Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995, Seite 9-235
- Goez, Werner: Lebensbilder aus dem Mittelalter. Die Zeit der Ottonen,
Salier und Staufer. Primus Verlag Darmstadt 1998, Seite 233-256
- Golinello, Paolo: Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis
und Winkler Düsseldorf 1998 - Jehl, Rainer: Welf VI., Wissenschaftliches
Kolloquium zum 800. Todesjahr vom 5. Bis 8. Oktober 1991 im Schwäbischen
Bildungszentrum Irse, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995, Seite 12,20,120
- Schulze Hans K.: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales Kaisertum.
Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 10,394,411, 429,433-436,439-441,445-448,461,469
- Schwarzmaier Hansmartin: Von Speyer nach Rom. Wegstationen und
Lebensspuren der Salier. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1992, Seite 15,18,
117,121 - Wies, Ernst W.: Kaiser Heinrich IV. Canossa und der Kampf
um die Weltherrschaft, Bechtle Esslingen 1996, Seite 27,40,49, 132,147,153,164,181,185,207,215,247,249,262,268,273
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