Begraben: Saint-Denis
Ältester Sohn des Grafen
Karl von Valois aus seiner 1. Ehe mit der Margarete
von Anjou-Sizilien, Tochter von König
Karl II.; Enkel des Königs Philipp
III. von Frankreich
Lexikon des Mittelalters: Band Spalte 2064
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Philipp VI. von Valois, König von Frankreich 1328-1350
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* 1293, + 22. August 1350
Nogent-le-Roi
Sohn von Karl von Valois, Neffe von Philipp IV., Enkel von Philipp III.
1. oo Jeanne de Bourgogne
2. oo Blanche (Blanca) de Navarre
Philipp VI. wurde
beim Tode Karls IV. (1. Februar 1328),
dessen Gemahlin schwanger war, zum Regenten ernannt. Als sie eine
Tochter gebar (1. April 1328), wurde Philipp von
Valois zum König proklamiert und empfing am 29. Mai 1328
die Königsweihe. Er wurde anerkannt trotz der Ansprüche, die
Eduard
III. von England (als Sohn der
Isabella
von Frankreich) und Philipp von Evreux
(als Enkel Philipps III.
in weiblicher
Linie [Persönlicher Einwurf: Philipp von
Evreux war als Sohn des Grafen Ludwig
I. von Evreux genauso Enkel Philipps
III. in männlicher Linie wie Philipp
VI.]) anmelden konnten. Die französischen Barone und Pairs
unterstützten jedoch Philipp VI.
in seiner Eigenschaft als französischer Fürst; Eduard
III. selbst artikulierte seine Ansprüche in der frühen
Regierungszeit des VALOIS nicht und
leistete ihm für seine kontinentalen Besitzungen im August 1329 den
einfachen, 1331 dann den ligischen Lehnseid. Am Anfang war das Ansehen
des Königs groß. Er errang am 23. August 1328 bei Cassel einen
Sieg über die aufständischen Flamen. Doch verschlechterten sich
die Beziehungen mit England in den Jahren um 1336-1337; der Hundertjährige
Krieg nahm seinen Lauf. Während Philipp VI.
das Bündnis mit Schottland erneuerte und die Guyenne konfiszierte,
sandte Eduard III. ihm eine Herausforderung
(19. Oktober 1337) und nahm 1340 selbst den Titel eines Königs von
Frankreich an. Die Kämpfe in Flandern, das von politischen und sozialen
Auseinandersetzungen erschüttert wurde, konnten erst im Juni 1338
durch eine Waffenruhe einstweilen beendet werden. Nach der Wiederaufnahme
des Krieges, in Flandern und Gyuenne, erlitt die französische Flotte
bei Sluis eine Niederlage (24. Juni 1340). Der Krieg erfaßte die
Bretagne; 1346 drang Eduard III. in
das Königreich Frankreich ein und besiegte bei Crecy (26. August 1346)
das französische Heer. Die Engländer nahmen Calais nach langer
Belagerung ein (Kapitulation: 3. August 1347). Ein Friede wurde am 28.
September 1347 unterzeichnet. Vor dem erneuten Ausbruch der Feindseligkeiten
ist Philipp VI. gestorben. Die letzten
Regierungsjahre des Königs waren überschattet von der Schwarzen
Pest. Trotz der schweren Rückschläge seiner späten Regierungsjahre
hat Philipp VI. der Krondomäne
eine Reihe von Territorien hinzufügen können: seine Apanage (Valois,
Chartres,
Anjou
und
Maine,
1328), Champagne und
Brie (durch Gebietsaustausch mit Philipp
von Evreux) und vor allem das Fürstentum Dauphine, das
er 1349 von Humbert II. kaufte, und das fortan als Apanage des französischen
Thronfolgers diente. Sein ältester Sohn, Jean
II. (Johann der Gute), folgte
Philipp
VI. nach.
Pernoud Regine: Seite 11-29
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"Die Kapetinger" in: Die großen Dynastien
Im Jahre 1328 gab Philipp von
Valois sein glanzvolles Debüt als König
Philipp VI. (1328-1350). Frankreich nahm in Europa eine Vorrangstellung
ein und sah seine Position durch die Übersiedlung des Papstes nach
Avignon noch gestärkt. Aufsehenerregende Ereignisse, die das Prestige
des Königs noch vermehrten, bildeten den Auftakt der Regierung: der
Sieg über die flandrischen Städte bei Cassel am 13. August 1328,
der Lehnseid des englischen Königs im Jahre 1331 und 1334 die Ernennung
Philipps
zum
Oberbefehlshaber eines Kreuzzuges.
Philipp beabsichtigte,
die englischen Besitzungen im Südosten Frankreichs unter seine Heerschaft
zu bringen und sorgte dort für einige Unruhe; gleichzeitig verstärkte
er seine Flotte, um in England eine Landung zu wagen. Das Projekt scheiterte,
die französische Flotte wurde am 24. Juni 1340 bei Sluys zerstört.
Von nun an beherrschten die Engländer das Feld. Sie landeten bei Saint-Vaast
la Hougue und marschierten nach Paris. Philipp
VI. unterbrach seine Angriffe gegen Guyenne und stellte sich
ihnen entgegen. Bei Crecy wurde er 1346 vernichtend geschlagen. Am Abend
der Niederlage soll er an den Toren einer Burg Einlaß begehrt und
gesagt haben: "Öffnet das Tor, hier ist der unglückliche König
von Frankreich!"
Der Fall von Calais mit der berühmten Episode der
"Bürger von Calais" bedeutete das Ende der Feindseligkeiten, im Jahre
1347 wurde der Waffenstillstand unterzeichnet. Im selben Jahr annektierte
Philipp VI. von Valois die Dauphine, unter dem Vorbehalt, dass
der Erbe des französischen Thrones den Titel Dauphin tragen sollte.
Zwei Jahre später erwarb er Montpellier. Trotz dieses erheblichen
Gebietszuwachses ließ Philipp VI. bei
seinem Tode im Jahre 1350 Frankreich in einer kritischen Situation zurück.
1313
1. oo Johanna die Hinkende von Burgund, Tochter
des Herzogs Roberts III.
1293/94-12.9.1348
29.1.1349
2. oo Blanka von Navarra, Tochter des Königs
Philipps III.
-5.10.1398 seine Nichte
Sie war schön und klug, daher "la belle Sagesse"
und war zuerst die Braut Johanns II.
Kinder:
1. Ehe
Johann II. der Gute
26.4.1319-8.4.1364
Philipp Herzog von Orleans
1.7.1336-1.9.1375
Marie
um 1326-22.9.1333
29.9.1332
oo Johann Erb-Prinz von Brabant
24.11.1327-22.9.1333
Ludwig
17.1.1328-17.1.1328
Ludwig
8.6.1330-23.6.1330
Johann
-2.10.1333
2. Ehe
Johanna
5.1351-16.9.1371
Illegitim
Johann "d'Armagnac"
- nach 1350
Thomas Seigneur de la Marche
-
1361
Literatur:
-----------
Benker Gertrud: Ludwig der Bayer. Ein Wittelsbacher
auf dem Kaiserthron. Eugen Diederichs Verlag München 1997 Seite 192,195,212,
214,219,225,235,249 - Calmette, Joseph: Die großen Herzöge
von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 45,52,54,316
- Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin
Köln 2000 Seite 242-245 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs
im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 199-206,210,212,215-220,223,227,242,244,249,254
- Ehlers Joachim/ Müller Heribert/Schneidmüller
Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis
Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 203,251-265,267-270,283,286,294,363
- Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515.
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 285,300,303,318,322,327,344,387,410
- Hoensch, Jörg K.: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche
Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437. Verlag W. Kohlhammer
2000 Seite 66,72,75,78 - Hoensch, Jörg K.: Kaiser Sigismund.
Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1368-1437. Verlag C.H. Beck München
1996 Seite 17 - Hundt, Barbara: Ludwig der Bayer. Der Kaiser aus
dem Hause Wittelsbach Bechtle Verlag Esslingen München 1989 Seite
19,213,236,239,244,251,256, 263,266,268,271,277,280,285,288, 294,310,314,319,333
- Le Goff Jacques: Ludwig der Heilige, Klett-Cotta Stuttgart 2000
Seite 230, 864 - Schnith Karl: Frauen des Mittelalters in Lebensbildern.
Verlag Styria Graz Wien Köln 1997 Seite 285-292,357 - Martin
Jean-Joseph: Die Valois. Edition Rencontre Lausanne 1969 - Treffer
Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette
(8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 180,187,192
- Tuchmann Barbara: Der ferne Spiegel. Deutscher Taschenbuch Verlag
München 1995 Seite 53,78,118,159 -
Bernhard Töpfer
PHILIPP VI., König von Frankreich 1328-1350
------------------
* 1293, + 22. August 1350
Abtei Coulombs
Begraben: am 28.8. in St-Denis
Vater:
-------
Graf Karl von Anjou und Valois (+ 16.12.1325)
Mutter:
---------
Margarete von Neapel, Tochter König Karls II. von
Anjou-Neapel (+ 31.12.1299)
Dezember 1325 Graf von Valois und von Anjou-Maine
Februar 1328 Regent der Königreiche Frankreich und
Navarra
1.4.1328 König von Frankreich, gekrönt am 29.5.1328
1. oo 1313
JOHANNA VON BURGUND
* 1293/94, + 12.9.1348
Tochter Herzog Roberts II. von Burgund
2. oo 19.1.1350
BLANCHE VON NAVARRA
* , + 5.10.1398
Tochter König Philipps von Navarra
Kinder:
---------
1. Ehe
Johann II., König von Frankreich (* 26.4.1319, +
8.4.1364)
Marie (* um 1326, + 22.9.1333), verheiratet 29.9.1332
mit Johann von Brabant
Philipp, 1344 Herzog von Orleans (* 1.7.1336, + 1.9.1375)
2. Ehe
Johanna (* 5.1351, + 16.9.1371)
Die Frage der Thronfolge war bei dem Anfang Februar 1328
eingetretenen Tode Karls IV., der keinen
Sohn, aber eine schwangere Witwe hinterließ, noch komplizierter als
beim Tode Ludwigs X. 1316. Eine klare
Lösung konnte nur dann herbeigeführt werden, wenn die Königin-Witwe
einen Sohn zur Welt bringen würde. Auf jeden Fall war zunächst
die Einsetzung einer Regentschaft erforderlich, die jedoch unter den gegebenen
Umständen bereits eine Vorentscheidung über die Thronfolge bringen
mußte. Nach den Grundsätzen, auf die man sich zwischen 1316
und 1322 geeinigt hatte, bedeutete das, dass nur ein Mann, nicht eine Frau
die Krone und damit im Grunde auch die Regentschaft übernehmen konnte.
Offen blieb allerdings die Frage, ob man Ansprüche eines männlichen
Erben, die über Frauen weitergegeben worden waren, akzeptieren würde,
oder ob Frauen nicht nur das Recht auf die Krone, sondern auch jegliches
Recht auf Weitergabe des Thronrechts abzuerkennen sei. Falls man eine Übertragung
von Thronrechten durch Frauen bejahte, war der junge englische
König Eduard III., der Sohn einer Schwester der drei letzten
kapetingischen Könige, der nächste Anwärter auf
die französische Königskrone.
Die wenige Tage nach dem Tode Karls
IV. in Paris zusammentretende Versammlung von Pairs, Baronen
und Juristen stand also vor einer wichtigen Grundsatzentscheidung, und
der englische König versäumte nicht, durch Gesandte seine Ansprüche
geltend zu machen. Offenbar trug aber gerade die sich andeutende Möglichkeit,
dass die französische Krone an den englischen König fallen könnte,
zu der Entscheidung der Mehrheit der Versammelten bei, dass Frauen, die
keinen Anspruch auf die Krone haben, diese auch nicht vererben können.
Man erklärte ausdrücklich, dass das französische Königreich
niemals einem englischen Herrscher unterstanden habe. Neben der Furcht
vor der Übermacht eines beide Reiche regierenden Herrschers wirkte
bei dieser Entscheidung offenbar im Ansatz auch ein nationales Fühlen
mit. Die Regentschaft wurde dementsprechend Philipp
von Valois zuerkannt, einem Enkel König
Philipps III. Sein Vater, Karl von
Valois, seinerseits ein jüngerer Bruder Philipps
des Schönen, hatte von Philipp
III. die nordwestlich zwischen Oise und Marne gelegene Grafschaft
Valois als Apanage erhalten und überdies unter Philipp
IV. auch die Grafschaften Anjou-Maine und Alencon
erlangt. Beim Tode Karls von Valois im
Dezember 1325 übernahm sein ältester, 1293 geborener Sohn Philipp
die
Grafschaften
Valois und Anjou, während dessen jüngerer Bruder Karl
die
zwischen dem Herzogtum Normandie und Maine gelegene Grafschaft Alencon
erhielt. Die Übertragung der Regentschaft an Philipp
von Valois, die zugleich eine Anwartschaft auf den Thron bedeutete
und sich für den Falle, dass die Witwe Karls
IV. einem Sohn das Leben schenken würde, zumindest auf
dessen Jugendjahre erstrecken sollte, war eine das französische Thronfolgerecht
nachhaltig beeinflussende Entscheidung. Der völlige Ausschluß
von Frauen, für den man sich noch im Laufe des 14. Jahrhunderts auf
das kurz nach 500 niedergeschriebene fränkisch-salische Recht (Lex
Salica) berief, schloß eine durch Heirat mit französischen Prinzessinnen
erworbene Anwartschaft aus und war zweifellos ein die Verwurzelung des
französischen Königtums im Lande fördernder Faktor.
Als dann die Königin-Witwe am 1. April 1328 eine
Tochter zur Welt brachte, übernahm Philipp
VI. sofort den Königstitel. Da sein Anspruch erst in der
spezifischen Situation des Jahres 1328 durch eine Versammlung der Großen
des Königreichs eindeutig begründet worden war, empfand man seinen
Antritt zugleich als Beginn einer neuen Herrscher-Dynastie, als Beginn
der bis 1589 währenden Herrschaft des Hauses
VALOIS, obwohl dieses Haus im Grunde nur ein Seitenzweig
der Dynastie der KAPETINGER war. Ein ähnlicher
Vorgang im Jahre 1498, als mit Ludwig XII.
ein Seitenzweig des Hauses VALOIS die
Königskrone übernahm, wurde nicht als Dynastiewechsel gewertet,
da diese Übernahme ohne weitere Beratungen entsprechend den 1328 formulierten
Prinzipien erfolgte, während bei der Thronfolge des Jahres 1328 neben
erbrechtlichen Erwägungen das seit dem frühen 13. Jahrhundert
in Frankreich völlig verdrängte Prinzip einer Königswahl
bis zu einem gewissen Grade wieder zur Geltung kam. Die bei der Thronfolge
nochmals wirksam gewordene Zustimmung der Großen für den neuen
König mithin auch ein Moment der Schwäche, denn er blieb damit
mehr als andere Herrscher auf die Unterstützung durch die Fürsten
des Königreiches angewiesen.
Um eine eventuell aufkeimende Unzufriedenheit zu vermeiden,
war unter diesen Umständen eine schnelle Regelung der Herrschaft über
das Königreich Navarra und die Grafschaft Champagne geboten. Diese
Gebiete hatten die drei Söhne Philipps IV.
während
ihrer Regierung einbehalten, obwohl die Tochter
König
Ludwigs X., Johanna, einen
vorrangigen Anspruch darauf hatte. Das Haus VALOIS
konnte
keinerlei Rechte an diesen Herrschaftsbereichen geltend machen. Im April
wurde auf einer von Philipp VI. einberufenen
Versammlung französischer Barone und Adliger aus Navarra dem mit
Johanna verheirateten
Grafen Philipp
von Evreux das Königreich Navarra zugesprochen. Über
die an die königliche Domäne grenzende Grafschaft Champagne,
die Philipp VI.
nicht aufgeben wollte,
wurde weiter verhandelt, bis im März 1336 entschieden war, dass dieses
wirtschaftlich entwickelte und durch seine geographische Lage wichtige
Gebiet gegen beträchtliche Geldzahlungen an das navarresische Königspaar
und andere Anwärter der königlichen Domäne zuzuschlagen
sei.
Im Mai 1328 begab sich der König mit seiner Frau
Johanna, der Schwester des burgundischen
Herzogs Odo, nach Reims, wo am 29. Mai, dem Dreifaltigkeitssonntag,
in Anwesenheit zahlreicher Pairs und Barone sowie des Königs
Johann von Böhmen die besonders feierlich und kostenaufwendig
ausgestaltete Königsweihe stattfand. Es folgten fünf Tage währende
Festlichkeiten. Der erste Vertreter der neuen Königsdynastie wollte
auf diese Weise offensichtlich seine Würde und sein Ansehen unterstreichen.
Bei dieser Gelegenheit drängte der anwesende Graf Ludwig von Flandern,
der durch einen seit längerem anhaltenden Volksaufstand seiner Macht
beraubt war, auf ein Eingreifen des neuen Königs; in Beratungen wurde
auf Betreiben des greisen Konnetabel Gaucher de Chatillon trotz der Bedenken
zahlreicher Barone ein sofortiges Vorgehen beschlossen; Ende Juli sollte
sich das Heer bei Arras versammeln. Der König holte nach seiner Rückkehr
nach Paris bei einem Besuch in St-Denis die Oriflamme ein und begab sich
zum vorgesehenen Zeitpunkt nach Arras. Bereits am 28. August besiegte das
französische Heer die Aufständischen in der Schlacht bei Cassel;
Graf Ludwig war dank des entschlossenen Handelns des Königs wieder
Herr seiner Grafschaft und erwies sich seitdem als treuer Gefolgsmann seines
königlichen Lehnsherrn.
Philipp VI. nutzte
sein durch diesen schnellen Erfolg gefestigtes Ansehen, um über eine
Gesandtschaft an den englischen Königshof Eduard
III. zur Leistung des Homagium für das Herzogtum Aquitanien
an den neuen französischen König auffordern zu lassen. Isabella,
die Mutter des englischen Königs und Schwester der drei letzten französischen
Könige, soll den lange wartenden Gesandten - so eine Fassung der Grandes
Chroniques - erklärt haben, dass ihr Sohn, der Sohn eines Königs
sei, Philipp von Valois, dem Sohn eines
Grafen, niemals das Homagium leisten werde; überdies habe Eduard
III. nähere Ansprüche auf Frankreich als
Philipp. Als aber eine zweite französische Gesandtschaft
dem englischen König die Konfiskation des Herzogtums Aquitanien androhte,
sah sich Eduard III. im April 1329
zu der Versicherung genötigt, dass er sobald wie möglich nach
Frankreich kommen werde, um das geforderte Homagium zu leisten. Im Juni
trafen sich beide Könige in Amiens, wo der englische Herrscher, zweifellos
mit innerem Widerwillen, im Chor der Kathedrale das Homagium leistete.
Wiederum folgten große, mit Turnieren verbundene Festlichkeiten zu
Ehren des hohen Gastes. Es sollte sich aber bald zeigen, dass damit die
problematischen Beziehungen zwischen den beiden Königen keineswegs
dauerhaft geregelt waren. Immerhin hatte Philipp
VI. in der Anfangsphase seiner Regierung nach seinem militärischen
Sieg auch einen eindrucksvollen diplomatischen Erfolg errungen.
In die Bemühungen Philipps,
seine junge Königsherrschaft zu festigen, ordnet sich offenbar auch
die Einberufung zahlreicher Prälaten und Barone zu einer Beratung
ein, die Mitte Dezember 1329 in Paris begann. Im Einberufungsschreiben
war der Wunsch ausgesprochen worden, die Einheit von Geistlichen und Laien
zu stärken, die durch gegenseitige Beschwerden getrübt sei. Gemeint
waren damit einerseits häufige Klagen über Eingriffe der kirchlichen
Gerichtsbarkeit in die weltliche Sphäre, andererseits Vorwürfe
der Geistlichkeit wegen der Aktivitäten von weltlichen Machthabern
und deren Amtsträgern zur Einschränkung der Rechte der Kirche.
Bei der ersten Zusammenkunft im königlichen Palais in Paris trat der
Rat des Königs, Pierre de Cuignieres, sehr entschieden für eine
klare Trennung des geistlichen und des weltlichen Bereiches ein, wobei
er Bestrebungen nach einer Ausweitung der kirchlichen Gerichtsbarkeit scharf
attackierte. Demgegenüber beharrten die Prälaten bei den im Januar
1330 in Vincennes fortgesetzten Beratungen auf den traditionellen Besitz-
und Gerichtsrechten der Kirche; Inhaber geistlicher Würden seien zur
Ausübung weltlicher Rechte befugt, und der unbestritten als Vorbild
aller französischen Könige anerkannte heilige Ludwig sei stets
für die Privilegien der Kirche eingetreten.
Philipp VI. sah sich schließlich zu der Erklärung
genötigt, dass er die Rechte und Gewohnheiten der Kirche schützen
werde. Die Einberufung der Versammlung durch den Herrscher zeugt zwar von
seinem Wunsch, die Ansprüche der königlichen Gewalt gegenüber
der Kirche zu verdeutlichen, aber letztlich vermied er durch seine Erklärungen
jede Zuspitzung der Beziehungen zur hohen Geistlichkeit.
Im welchem Maße der neue König ungeachtet
seiner Erfolge in Flandern und gegenüber Eduard
III. auf das Kräfteverhältnis der einflußreichen
Fürsten Rücksicht nehmen mußte, zeigte sich auch bei der
Regelung der Nachfolge in der Grafschaft Artois nach dem Tod der Gräfin
Mahaut Ende November 1328. Philipp
VI. entschloß sich zunächst, die Erbansprüche
von Johanna, der Tochter der Mahaut
und
verstoßene Frau König Philipps V.,
zu berücksichtigen, obwohl wie schon bei früheren Gelegenheiten
der damals zum engsten Beraterkreis des Königs gehörende Neffe
der Mahaut, Robert,
ebenfalls die Grafschaft beanspruchte. Er wurde zur Entschädigung
als Herr der Grafschaft Beaumont zum Pair erhoben. Als Johanna
bereits Anfang 1330 starb, fand deren gleichnamige, mit Herzog
Odo von Burgund verheiratete Tochter die nachdrückliche
Unterstützung ihres Gatten, während der König daran dachte,
die Grafschaft Artois seiner Domäne einzugliedern. In einem Prozeß
vor dem Pariser Parlament Ende 1330 legte der weiterhin nach dem Besitz
des Artois strebende Robert von Beaumont
zur Bekräftigung seiner Ansprüche Urkunden vor, die man jedoch
schnell als Fälschungen erkannte, so dass er abgewiesen wurde. Daher
setzte sich Johanna von Burgund durch,
was zugleich dazu beitrug, dass seitdem der Einfluß Herzog
Odos in der königlichen Regierung wuchs. Robert
von Artois wurde im April 1332 wegen der Benutzung gefälschter
Urkunden vom Gericht der Pairs zur Verbannung verurteilt. Er floh über
Zwischenstationen schließlich an den Hof des englischen Königs,
wo er eifrig gegen seinen einstigen Herrn agierte.
Bereits vor der Verbannung Roberts
war
deutlich geworden, dass mit der Leistung des Homagiums durch
Eduard
III. im Juni 1329 keineswegs die zwischen den beiden Herrschern
bestehenden Gegensätze überwunden waren. Der englische König
verlangte die Rückgabe jener aquitanischen Gebiete, die 1324 besetzt
worden waren. Auf französischer Seite stellte man fest, dass
Eduard III. das Homagium nur in sehr allgemeiner Form geleistet
hatte - ohne Hinweis auf ein ligisches Lehsnverhältnis, wie es für
französische Pairs üblich war. Im Laufe des Jahres 1330 lud Philipp
VI.
darauf den englischen Herrscher zweimal vor den königlichen
Gerichtshof in Paris, mit der Aufforderung, den ligischen Charakter seines
Homagiums ausdrücklich zu bestätigen. Dieser lenkte schließlich
ein und erklärte in einem Schriftstück vom 30. März 1331,
dass sein in Amiens geleistetes Homagium solchen Charakters gewesen sei.
Kurz darauf, Mitte April, trafen sich die beiden Herrscher ohne großes
Aufheben in oder bei Pont-St-Maxence an der Oise. Der französische
König verzichtete, vermutlich durch Vermittlungsbemühungen des
Papstes Johannes XXII. beeinflußt, auf eine neuerliche Leistung des
Homagium und begnügte sich mit besagter Erklärung
Eduards III. Zugleich gab er die Burg Saintes, die sein
Bruder Karl kürzlich erobert hatte,
zurück. Der Frieden war damit gewahrt, wobei Zugeständnisse allerdings
in erster Linie vom englischen König gemacht worden waren.
Der Festigung der Position des neuen Königshauses
diente die im Februar 1332 vorgenommene Übertragung des Herzogtums
Normandie an den damals einzigen Sohn des Herrschers, Johann,
der damit zugleich die Würde eines Pairs erlangte. Im Juni erreichte
Philipp
VI. bei Compiegne den Abschluß von Bündnissen mit
König
Johann von Böhmen, mit Herzog Johann von Brabant, dem Grafen
von Geldern sowie dem Bischof von Lüttich. Während der damit
verbundenen Festlichkeiten wurde die Eheschließung des ältesten
Sohnes des Herzogs von Brabant mit Philipps Tochter
Marie
vereinbart.
Am 6. August fand in Melun abermals mit großem Gepränge die
Hochzeit des Königs-Sohnes Johann
mit Bonne, der Tochter
Johanns
von Böhmen, statt. Einen Höhepunkt erreichten die
Festlichkeiten dieses Jahres, als der König am Tag des heiligen Michael,
am 29. September, seinen Sohn Johann
in Anwesenheit der Könige von Navarra und Böhmen, der Herzöge
von Burgund, der Bretagne und von Brabant sowie zahlreicher Adliger zum
Ritter schlug. Überdies wurde damals die Hochzeit der Königstochter
mit dem Sohn des Herzogs von Brabant gefeiert, und kurz darauf verkündete
der König seinen Entschluß, in Bälde einen Kreuzzug zu
unternehmen. Mit diesem Vorhaben und den im Beisein vieler hervorragender
Fürsten veranstalteten Festlichkeiten sollten erneut der Rang und
die Integrationskraft des Königshofes der ersten Valois verdeutlicht
werden.
Natürlich verschlangen diese Demonstrationen sehr
viel Geld. Aber gerade der Ritterschlag des ältesten Sohnes und die
Verheiratung der ältesten Tochter galten nach damaligen Lehnsrecht
als ein Anlaß, von Vasallen bzw. Untergebenen besondere Geldleistungen
(aides) zu fordern. Bereits am 13. November 1332 ergingen Mandate an die
Baillis und Seneschälle, mit Vertretern der Bewohner ihrer Amtssprengel
Beratungen über diese beiden Beihilfen aufzunehmen. Da - so heißt
es ausdrücklich - das Volk sehr belastet würde, wenn beide aides
gleichzeitig gefordert würden, sollten sie zeitlich gestaffelt werden
und die zweite Beisteuer erst im Laufe des nächsten Sommers eingetrieben
werden. Dennoch stießen die Versuche, diese Gelder einzutreiben,
sogleich auf verbreiteten Widerstand, besonders im Languedoc, wo derartige
lehnrechtliche Forderungen teilweise als unüblich angesehen wurden.
Als schließlich im folgenden Jahr, im September 1333, die mit dem
Brabanter Erben verheiratete Königstochter starb, sah sich Philipp
VI. bald genötigt, die Erhebung der Heiratssteuer einzustellen.
Bezüglich der Beisteuer für den Ritterschlag des Königssohnes
entschied das Parlament am 6. Dezember 1333, dass diese von allen dem König
unmittelbar Unterstehenden zu zahlen sei. Aber vor allem zahlreiche südfranzösische
Städte verharrten im Widerstand, so dass infolge vieler Beschwerden
eine weitere Parlamentsentscheidung notwendig wurde, die am 20. Dezember
1334 erfolgte. Demnach sollten alle Bewohner von Städten, die gänzlich
oder teilweise zur königlichen Domäne gehörten, die Beihilfe
zum Ritterschlag voll oder teilweise zahlen, aber diejenigen, die in nur
lockeren Formen der königlichen Gerichtsbarkeit unterstanden, davon
befreit sein. Das bedeutete mit nur geringen Einschränkungen eine
Bekräftigung des Standpunktes der königlichen Regierung. Zahlungen
aus den im Norden gelegenen Städten flossen jetzt zwar etwas reichlicher,
aber im Süden hielt der Widerstand an. Da erkrankte im Juni 1335 der
Thronerbe; nach dem vorausgegangenen Tod der Tochter mußte der König
nun um den Fortbestand der neuen Dynastie fürchten. Er ordnete Gebete
und Prozessionen im ganzen Königreich an; die Mönche von St-Denis
brachten Reliquien nach Taverny, wo sich das Krankenlager befand. Als
Johann bald darauf gesundete, verfügte Philipp
VI. Mitte Juli zum Dank "für die guten Gebete, die das
uns untergebene Volk geleistet hat", die Einstellung der Steuererhebung
für den Ritterschlag und die Rückzahlung bereits gezahlter Gelder.
Die Bemühungen der königlichen Regierung, in
Friedensjahren seit 1329 neben den regulären Einnahmen aus der königlichen
Domäne zusätzlich Finanzquellen zu erschließen, hatten
damit einen schweren Rückschlag erlitten. Die von Papst Johannes XXII.
wegen der Kreuzzugspläne des Königs wiederholt gewährten
Kirchenzehnten und die Anfang 1332 verfügte Beschlagnahme der italienischen
und jüdischen Wucherern geschuldeten Gelder vermochten die ständige
Finanznot der Krone nur begrenzt mindern. Zugleich zeigt das Verhalten
Philipps VI. im Zusammenhang mit der Anforderung von Beihilfen
zum Ritterschlag seines Sohnes und zur Heirat seiner Tochter, dass die
erfolgreiche Widerstandsbewegung von 1314/15 nachwirkte und von seiten
der königlichen Regierung ein massives Vorgehen bei der Eintreibung
von Steuern bewußt vermieden wurde.
Im September 1335 brach Philipp
VI. zu einer großen, mehrmonatigen Reise durch sein Königreich
auf. Die französischen Könige hielten sich in jener Zeit natürlich
sehr häufig in Paris oder im nahegelegenen Vincennes auf, daneben
auch in anderen in der Umgebung von Paris gelegenen Orten wie St-Germain-en-Laye
oder Poissy. Aber sie unternahmen doch in gewissen Abständen immer
wieder größere Reisen, um die königliche Gewalt in weiteren
Gebieten präsent zu machen. Diesmal begab sich der Herrscher zunächst
in das Gebiet des Artois, dann in die Normandie und von dort nach Chartres
und Tours. Anschließend suchte er Anfang 1336 im Süden die Städte
Toulouse, Carcassonne und Montpellier auf, um sich sodann im März
in Avignon mit Papst Benedikt XII. zu treffen. Von dort unternahm er eine
Wallfahrt nach Marseille zum Grab des 1317 heilig gesprochenen, dem französischen
Königshaus nahestehenden Ludwig von Anjou,
der Franziskaner-Mönch und Bischof von Toulouse gewesen war. Über
Lyon und Macon und burgundische Orte reisend traf Philipp
VI. im Mai 1336 wieder in Paris ein. Bei seinen Unterredungen
mit dem Papst hatte er hinnehmen müssen, dass dieser angesichts des
Scheiterns aller Bemühungen, die Spannungen zwischen dem französischen
und dem englischen König abzubauen, die Kreuzzugspläne absagte
und damit auch die weitere Eintreibung von Kreuzzugszehnten in Frankreich
beendete. Die Finanzprobleme der französischen Krone spitzten sich
dadurch weiter zu.
Die Beziehungen zum englischen Herrscher hatten sich
derweil weiter verschlechtert, nachdem im Jahre 1333 Verhandlungen gescheitert
waren, unter anderem deshalb, weil Philipp VI.
einen
Verzicht Eduards III. auf die Eroberung
Schottlands gefordert hatte. Angesichts des fortgeschrittenen Ausbaus der
staatlichen Organisation erwies sich die durch den Besitz Aquitaniens bedingte
lehnrechtliche Abhängigkeit des auf seine Eigenständigkeit bedachten
englischen Könige als ständige Quelle unüberbrückbarer
Gegensätze. Der seit Mitte der 30-er Jahre am französischen Hof
vorherrschende Einfluß des aus Burgund stammenden Miles de Noyers,
der zugleich eine führende Position in der Rechenkammer (Chambre des
comptes) einnahm, trug offenkundig ebenfalls zu einer Versteifung der französischen
Haltung gegenüber dem englischen König bei. Man verstärkte
die Kontakte mit Vertretern der gegen England gerichteten schottischen
Opposition. Die französische Flotte wurde 1336 aus dem Mittelmeer,
wo sie wegen der Kreuzzugspläne konzentriert war, in Häfen am
Ärmelkanal verlegt. Als schließlich Philipp
VI. am 24. Mai 1337 das Herzogtum Aquitanien für konfisziert
erklärte, weil Eduard III. seinen
Lehnspflichten nicht nachkomme, bedeutete dies praktisch die Kriegserklärung.
Im folgenden Oktober überbrachte der Bischof von Lincolm im Auftrage
seines Herrschers dessen Aufkündigung jener Treueverpflichtung gegenüber
"Philipp von Valois, der sich König
von Frankreich nennt".
Allerdings kam es zunächst zu keinen größeren
Kriegshandlungen, weil auf beiden Seiten die erforderlichen Gelder fehlten.
Da der englische König 1337 Bündnisse mit lothringischen und
rheinischen Fürsten sowie schließlich auch mit Kaiser
LUDWIG DEM BAYERN schloß, lagerte
Philipp VI. im August 1338 und im Frühjahr 1339 mit einem
Heer in den nördlichen Grenzgebieten. Dabei konnte er 1339 einen Einfall
Eduards
III. in die Region um Cambrai und St-Quentin abwehren. Doch
erreichte dieser Ende 1339 einen wichtigen Erfolg durch den Abschluß
eines Bündnisses mit der auf englische Wolleinfuhren angewiesenen
Grafschaft Flandern, aus welcher der mit der Krone verbundene Graf nach
einem Anfang 1338 in Gent ausgebrochenen Volksaufstand vertrieben worden
war. Bei einem Aufenthalt in Gent wurde Eduard
III. im Januar 1340 von den flandrischen Städten als französischer
König anerkannt; er führte seitdem in der Regel den Titel "par
la grace de Dieu roi d'Angleterre et de France". In einem während
der vergeblichen Belagerung von Tournai am 29. Juli 1340 verfaßten
Schreiben forderte er den "Herrn Philipp von Valois"
auf, seine Rechte am Königreich Frankreich zu respektieren. Obwohl
das französische Heer wiederum ein Eindringen englischer Truppen verhindern
konnte, fiel in jenen Wochen eine erste, für Philipp
VI. verhängnisvolle Entscheidung. Die französische
Flotte, die Ende Mai zum flandrischen Hafen Sluis aufgebrochen war, um
den englischen Nachschub nach Flandern zu unterbinden, wurde dort am 24.
Juni von der englischen Flotte vernichtet. Damit war auf längere Zeit
ein offensives Vorgehen gegen England ausgeschlossen. Dieser schwere Rückschlag
für den französischen Herrscher und das Scheitern des englischen
Versuchs, nach N-Frankreich vorzudringen. ermöglichten am 25. September
1340 den Abschluß des Waffenstillstandes von Esplechin (bei Tournai).
Dieser Waffenstillstand steigerte die Schwierigkeiten
Philipps
VI., die notwendigen finanziellen Mittel einzutreiben. Im März
1340 hatten aufgrund des Kriegszustandes zwar zahlreiche nordfranzösische
Städte auf einer Versammlung in Amiens eine Verkaufssteuer zugesagt,
und auch der Adel nordfranzösischer bailliages hatte sich dazu bereit
erklärt. Aber angesichts des Waffenstillstandes war eine Weiterzahlung
dieser Mittel fraglich. Die zur Steigerung der Einnahmen seit 1337/38 wieder
vorgenommenen Münzverschlechterungen waren sehr unpopulär. Hinzu
kam, dass von einer gänzlichen Einstellung der Kriegshandlungen keine
Rede sein konnte. Als im April 1341 Herzog Johann III. von der Bretagne
söhnelos starb, standen sich je ein vom englischen und von französischen
König unterstützter Prätendent gegenüber. Im Sommer
1341 griff eine französische Abteilung unter dem
Thronfolger Johann von Normandie und dem Bruder des Königs,
Karl
von Alencon, in die Auseinandersetzung ein. Als im Herbst 1342
auch der englische König mit Truppen in der Bretagne erscheint, brach
Philipp VI. seinerseits mit einem Heer dorthin auf. Von Papst
Clemens VI. beauftragten Kardinälen gelang es zwar, im Januar 1343
die beiden Könige zum Waffenstillstand von Malestroit zu bewegen,
aber trotz des damit erreichten Ausscheidens der beiden Herrscher aus der
kriegerischen Auseinandersetzung gingen die Kämpfe weiter.
Um sich einigermaßen stabile Einnahmen zu sichern,
führte König Philipp VI. mit
einer am 16. März 1341 erlassenen Ordonnanz eine Salzsteuer (gabelle)
ein, womit praktische ein staatliches Monopol für den Salzverkauf
beansprucht wurde. Eine weitere Ordonnanz vom 20. März 1343 zielte
auf eine Straffung der Organisation zur Eintreibung der gabelle ab. Aber
die dadurch und durch die anhaltenden Münzverschlechterungen gesteigerte
allgemeine Unzufriedenheit, die sogar in den Grandes Chroniques offen angesprochen
wird, zwangen die königliche Regierung zu neuen Überlegungen.
Man strebte jetzt eine Verbesserung der Münze an, vorausgesetzt, dass
ausreichend Steuern gewährt wurden. Zu diesem Zweck wurde für
August 1343 eine große Ständeversammlung nach Paris einberufen;
eine Versammlung der Generalstände, die seit den Zeiten Philipps
V. nicht mehr zusammengetreten war. Die Vertreter der Stände
bejahten die Erhebung einer Verkaufssteuer und ermöglichten damit
zugleich die Einleitung der dringend gewünschten Münzreform.
Wenn sich in den folgenden Verhandlungen auch die Städte des Languedoc
anstelle der Verkaufssteuer für die Zahlung von Pauschalsummen entschieden,
deren Eintreibung sie selbst übernahmen, war diese Ständeversammlung
doch ein Erfolg für das Königtum, denn es kam so wenigstens vorübergehend
und relativ schnell in den Genuß größerer Geldbeträge.
Allerdings lebte vor allem im Languedoc der hinhaltende
Widerstand der Städte gegen die Besteuerung bald wieder auf. Als englische
Truppen im August 1345 von der Gascogne aus zur Offensive übergingen,
errangen sie schnell beträchtliche Erfolge, ohne dass die französische
Seite sofort wirksam reagieren konnte. Daraufhin wurden für den Februar
1346 Ständeversammlungen nach Paris - für den Norden - und nach
Toulouse - für den Süden - einberufen. Im Einladungsschreiben
betonte der König, dass er großes Mitgefühl wegen der Bedrückung
des Volkes durch Steuern und Abgaben habe und daher, um Abhilfe zu schaffen,
den Rat der Prälaten, der Adligen und der "guten Städte" einholen
wolle. Da der zu Frankreich neigende Papst Clemens VI. kurz vorher beträchtliche
Darlehen zur Verfügung gestellt hatte, sah man am königlichen
Hof offenbar einen gewissen Handlungsspielraum. Überdies waren im
engeren Beraterkreis des Königs 1344/45 Veränderungen eingetreten.
Der Einfluß der Angehörigen der Chambre des comptes und des
Miles de Noyers war zurückgedrängt worden; statt dessen wuchs
im königlichen Rat die Bedeutung des seit 1338 amtierenden Kanzlers
Guillaume Flote, des Sohnes des unter König
Philipp IV. wirkenden Pierre Flote, sowie des Bischofs Hugo
von Laon und des Herrn von Offemont, Jean de Nesle. Überdies stieg
das Gewicht des Thronerben Johann,
der im Languedoc praktisch als Stellvertreter des Königs fungierte.
Die teilweise veränderte königliche Regierung
ging bei den Beratungen mit den Vertretern der drei Stände in Paris
bis zu einem gewissen Grade auf deren Wünsche ein. Am 15. Februar
1346 wurde eine königliche Ordonnanz erlassen, in welcher der König
wegen der Beschwerden über die hohen Steuerlasten und die Vielzahl
der königlichen Amtsträger einen Verzicht auf die gabelle, auf
die Verkaufssteuer, auf erzwungene Darlehen sowie eine Einschränkung
der häufigen Requisitionen in Aussicht stellte. Dafür erklärten
sich die Stände grundsätzlich bereit, Krieger zu stellen oder
die Kosten für bestimmte Kontingente zu übernehmen, wofür
dann in der Regel doch wieder Verkaufssteuern erhoben werden mußten.
Auch im Languedoc erreichte der vom König beauftragte Thronfolger
durch Reformmaßnahmen ähnliche Zusagen, wobei hier die erforderlichen
Gelder durch die in diesem Gebiet übliche Herdsteuer (focagium, fouage)
aufgebracht werden sollten.
Aber die durch die Versammlung in Paris und Toulouse
eingeleiteten Ansätze, tragfähige Grundlagen zur Erlangung der
für den Krieg erforderlichen Mittel zu schaffen, konnten nicht ausgebaut
werden. Bereits am 11. Juli 1346 landete Eduard
III. mit einem Truppenkontingent unerwartet in der Normandie,
wo er sich sofort auf Burgen des von Philipp VI.
abgefallenen Adligen Geoffroy d'Harcourt stützen konnte. Sein Ziel
war aber wohl von vornherein die Gewinnung einer Basis am engsten Abschnitt
des Ärmelkanals. Dazu mußte er die Seine überqueren, was
ihm Mitte August bei Poissy, also sehr nahe bei Paris, gelang. Der zunächst
nur sehr zögern reagierende französische König hatte inzwischen
nach Verkündigung des allgemeinen Volksaufgebotes (arriereban) bei
Paris ein größeres Heer zusammengezogen. Der Abzug des zahlenmäßig
begrenzten Heeres über die Seine machte klar, dass Eduard
III. nicht an eine Eroberung von Paris dachte, und
Philipp VI. nahm nun energisch die Verfolgung auf. Nachdem dem
englischen Heer am 24. August das Überschreiten der Somme geglückt
war, lagerte es bei Crecy nördlich von Abbeville. Am Nachmittag des
26. August näherte sich Philipp VI.
mit seinen an Zahl weitaus stärkeren Truppen nach ermüdendem
Marsch den englischen Stellungen. Nach dem vernünftigen Rat von Kundschaftern
wollte er die Schlacht auf den nächsten Tag verschieben, um sein Heer
nach einer Ruhepause geordnet aufstellen zu können, aber die vorrückenden
französischen Ritter waren nicht mehr aufzuhalten. Der planlos vorgetragene
Angriff wurde in erster Linie durch die englischen Langbogenschützen,
die dank der wesentlich schnelleren Schußfolge zunächst die
im französischen Dienst stehenden genuesischen Armbrustschützen
abwehrten, zurückgeschlagen, wobei das französische Ritteraufgebot
verheerende Verluste erlitt. Zu den Toten zählten König
Johann von Böhmen und der Herzog von Lothringen, die auf
französischer Seite mitgekämpft hatten, der vertriebene Graf
Ludwig von Flandern sowie der Bruder des Königs, Karl
von Alencon.
Eduard III. marschierte
nach seinem Sieg mit dem Heer in Richtung Calais, das er im September zu
belagern begann, während Philipp VI. zunächst
in Amiens Schutz suchte. Er mußte damals weitere Rückschläge
hinnehmen: Sein Sohn hatte nach der Landung der Engländer in der Normandie
am 20. August 1346 die Belagerung der im Vorjahr von gegnerischen Truppen
aus der Gascogne eroberten Feste Aiguillon (an der Garonne) aufgegeben
und war nach Norden abgerückt. Darauf gingen weitere Gebiete Aquitaniens
und schließlich sogar Poitiers verloren. Philipp
VI. hielt sich im Winter 1346/47 im Umkreis von Paris auf und
bemühte sich, Gelder einzutreiben, um ein neues Heer aufstellen zu
können. Am 12. Februar ordnete er die Arrestierung lombardischer Geldverleiher
und die Annullierung von deren Darlehensverträgen an. Die Schuldner
- es waren zu einem großen Teil französische Adlige - sollten
die geliehenen Summen, zumindest den größeren Teil derselben,
an die königliche Kasse zahlen. Im Frühjahr wurden vor allem
an den im Norden gelegenen Städten Subsidien gefordert, wobei erneut
der arriereban ausgerufen wurde. Adlige wurden unter Strafandrohung zum
Kriegsdienst aufgefordert. Offensichtlich war die königliche Regierung
entschlossen, diesmal auch die Aristokratie stärker zu fordern.
Im Mai 1347 begab sich Philipp
VI. nach Arras, wo er ein großes Heer zusammenzog, um
das belagerte Calais zu entsetzen. Als die Truppen vor der Stadt eintrafen,
wurde schnell klar, dass ein direkter Angriff auf die stark befestigten
Stellungen der Engländer aussichtslos war. Philipp
VI. entsandte darauf Unterhändler zum englischen König,
um diesen zum ritterlichen Kampf auf offenem Feld aufzufordern, was die
englische Seite natürlich ablehnte. Vermittlungsversuche vom Papst
beauftragter Kardinäle blieben ergebnislos. So mußte sich Philipp
VI. am 2. August zutiefst gedemütigt zum Abzug entschließen.
Zwei Tage darauf ergaben sich die ausgehungerten Bürger von Calais.
Eduard
III. hatte ein wesentliches Ziel seines Unternehmens, die Gewinnung
eines leicht zugänglichen Stützpunktes auf dem französischen
Festland, erreicht. Das Ansehen des französischen Königtums aber
war auf einem Tiefpunkt angelangt. Typisch ist die Wertung des mit den
französischen Verhältnissen recht vertrauten Lütticher Chronisten
Jean Le Bel, der in seiner um 1360 verfaßten Chronik erklärt,
dass er Eduard III. stets als "noble
roy", Philipp VI. aber einfach als
"roy" bezeichne; denn dieser habe im Gegensatz zu seinem Rivalen nach dem
Rat von Prälaten und Geistlichen Gefahren gescheut, sein Land durch
den Gegner verwüsten lassen und durch Steuern und schlechtes Geld
bedrückt; seine Krieger seien nicht angemessen bezahlt worden und
so sei er von seinen Leuten auch weniger geliebt worden als der englische
König von den Seinen. Dieses Urteil ist sicher einseitig, aber es
mag als Ausdruck der öffentlichen Meinung gelten.
Ende September 1347 führten die Bemühungen
der von Papst Clemens VI. beauftragten Kardinäle zum Abschluß
eines Waffenstillstandes, der zunächst bis Juli 1348 dauern sollte.
Philipp
VI. berief im Oktober für Ende November 1347 erneut eine
Versammlung der Generalstände nach Paris ein in der Hoffnung, mit
deren Rat eine Stabilisierung der Situation zu erreichen und Vorsorge für
den Fall zu treffen, dass der Waffenstillstand im nächsten Sommer
enden sollte. Zugleich erweiterte er die Befugnisse seines Sohnes Johann,
der jetzt die volle Regierungsgewalt in dem ihm bereits 1332 zugesprochenen
Herzogtum Normandie erhielt und sich so besser auf die spätere Übernahme
der Krone vorbereiten konnte. Auf der folgenden Versammlung der drei Stände
in Paris trugen vor allem die Vertreter der Städte heftige Beschwerden
vor: Der König solle überlegen, ob er in den vergangenen Jahren
gute Ratgeber gewählt habe; den Engländern sei er zu zögerlich
entgegengetreten und durch den schnellen Abschluß des Waffenstillstandes
habe er seiner Ehre geschadet. Überdies seien Steuergelder verschleudert
worden. Andererseits zeigten sich die Ständevertreter nach den verheerenden
Niederlagen durchaus bereit, durch die Gewährung von Steuern die militärische
Schlagkraft zu erhöhen. Nach Aussage der Grandes Chroniques sagten
sie Hilfe zu und empfahlen die Aufstellung einer großen Armee, die
über See nach England vordringen sollte. In den folgenden Wochen einigte
man sich auf regionalen Versammlungen relativ schnell über die Modalitäten
der Steuererhebung, die in den Händen von Beauftragten der Stände
(elus) liegen und zum Unterhalt bestimmter Truppenkontingente dienen sollte.
Man knüpfte also an die Regelungen von 1346 an. Aber wieder konnten
die beschlossenen Maßnahmen nur teilweise verwirklicht werden, denn
Anfang 1348 erfaßte die große Pestepedemie zunächst den
Süden, dann die übrigen Gebiete Frankreichs. Bis zum Sommer 1349
wurden dadurch die Aktivitäten der königlichen Regierung und
des Verwaltungsapparates schwer beeinträchtigt.
Dennoch fallen in diese letzte Phase der Regierung Philipps
einige Erfolge. Anfang 1349 kaufte er dem König von Mallorca dessen
Rechte an der Stadt Montpellier ab. Ende März realisierte der Thronfolger
Johann in Anknüpfung an bereits 1343/44 ausgehandelte Verträge
mit dem kinderlosen Dauphin Humbert II., der sich bald darauf in ein Kloster
zurückzog, den Anspruch auf das nominell zum Reich gehörende
Delphinat (Dauphine, Grafschaft Vienne), das sogleich Karl,
dem ältesten Sohn Johanns, übertragen
wurde.
Philipp VI. heiratete,
nachdem seine Frau Johanna im Dezember
1349 gestorben war, bereits am 19. Januar 1350 Blanche,
die Tochter
König Philipps von Navarra.
Einige Monate später, am 22. August 1350, starb er in der Abtei
Coulombs südöstlich von Paris im Alter von 57 Jahren.
Das letzte Jahrzehnt seiner Regierung, die durchaus erfolgreich
begonnen hatte, war geprägt von dem mit schweren militärischen
Niederlagen verbundenen Krieg gegen Eduard III.
Die damit verbundenen Kosten belasteten die gesamte wirtschaftliche und
gesellschaftliche Situation im Königreich nachhaltig, und die 1348/49
hereinbrechende Pestkatastrophe verschlimmerte die Lage in verheerender
Weise. Es wäre aber ungerecht, die negativen Entwicklungen in der
Zeit Philipps VI. allein seinen persönlichen
Unzulänglichkeiten, seiner unverkennbaren Abhängigkeit von Ratgebern
und von jenen Fürsten, denen er seine Erhebung zum König verdankte,
vor allem von Herzog Odo von Burgund,
oder auch seinem leichtfertigen Umgang mit staatlichen Geldern zuzuschreiben.
Es ist zu bedenken, dass er in einer Zeit herrschte, in der die regulären
Einkünfte aus der königlichen Domäne für die geordnete
Regierung eines so großen Königreiches mit einer stets anschwellenden,
aber keineswegs durchweg effektiven Verwaltung nicht mehr ausreichten und
daher die Erhebung zusätzlicher Steuern und Abgaben unerläßlich
wurde. Aber gerade dies war seit der Oppositionsbewegung von 1314/15 nur
schwer durchzusetzen. Insofern ist die gesamte Zeit vom Tode König
Philipps des Schönen 1314 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
durch eine ähnliche Problemlage gekennzeichnet, und der oft als Zäsur
gewertete Übergang von der Dynastie der KAPETINGER
zu derjenigen der VALOIS im Jahre 1328,
der für die Entwicklung des Thronfolgerechtes sicher von großer
Bedeutung war, erscheint in der historischen Gesamtentwicklung Frankreichs
keineswegs als ein Epocheneinschnitt.