REEVE


Lexikon des Mittelalters:
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Reeve
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im mittelalterlichen England die allgemeine Bezeichnung für einen Grundbesitzverwalter.
In einer Agrargesellschaft war ihre Tätigkeit für die Krone, häufig aber auch für die privaten Grundherren, von großer Bedeutung; und die Könige, die im 10. Jh. England vereinigten, begründeten die Verwaltung des Landes mit Hilfe der shire r
eeves (sheriff). Bis zur Einführung des Bürgermeisteramts (mayor) im 13. Jh. kontrollierten die Reeves auch städtischen Gemeinden. Angelsächsische Gesetze forderten von den Reeves die Aufsicht über die Tätigkeit der Händler und die Bezeugung von Marktgeschäften. Aber der typische Vertreter der Reeves war der tungerefa, der die Arbeiten auf dem Gut (manor) für seinen Herrn beaufsichtigte und für die Leitung der Dorfgemeinschaft zuständig war. Eine Abhandlung über die gerefa, die offenbar die klassischen römischen Tätigkeiten der Gutsverwaltung zum Vorbild hatte, ist einem Text aus dem 10. Jh. über die Rechte und Pflichten der Bauern angefügt (»Rectitudines singularum personarum«):
Der R
eeve sollte sich in der Dorfgemeinschaft und in der Leitung der Arbeiter auskennen sowie wissen, welche Arbeit zu bestimmten Zeiten des Jahres getan werden mußte und welche Ausrüstung benötigt wurde. Der Reeve erteilte zusammen mit dem Pfarrer und sechs Dorfbewohnern den Kommissaren, die das Domesday Book erstellten, den beschworenen Nachweis über den Landbesitz; und im 12. und 13. Jh. vertraten der Reeve und vier Dorfbewohner die Dorfgemeinschaft am Hundertschaftsgericht und am Grafschaftsgericht, ebenso vor den königlichen Reiserichtern bei deren Visitationen (eyre). Obwohl notwendigerweise ein vermögender Mann und möglicherweise von seinen Gefährten am grundherrlichen Gerichtshof gewählt, war der gutsherrliche Verwalter (Reeve), wie er in den Besitz-Urkundne erscheint, die in der 2. Hälfte des 13. Jh. zunahmen, unfreien Standes (villein) und hatte zu dienen. Seine beschwerliche Tätigkeit umfaßte die Aufbewahrung von Urkunden über die Einkünfte aus Renten und über den Verkauf der Erzeugnisse der Grundherrschaft sowie über Zahlungen für Waren und Arbeitsleistungen, so daß ein Schreiber die jährlichen Rechnungsrollen für ihn anfertigen konnte. Der Reeve mußte dann seine Erfahrung, aber auch seine List bei den grundherrlichen Rechnungsprüfern unter Beweis stellen, die ihn wegen zu hoher Schuldenlast anklagen oder ihn wegen ungenauer Rechnungslegung einkerkern lassen konnten. Im 14. Jh. betrauten die Grundherren häufig bailiffs außerhalb der Grundherrschaft mit der Verwaltung oder zogen sich gänzlich aus der unmittelbaren Bestellung ihres Landes zurück, das sie vielleicht an Reeves verpachteten.
A. Harding