PICQUIGNY, VERTRAG VON
Lexikon des Mittelalters:
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Picquigny, Vertrag von
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geschlossen am 29. August 1475 zwischen den Königen von England
und Frankreich bei Picquigny
(Picardie, dép. Somme, arr. Amiens).
Durch den Vertrag von
London (25. Juli 1474) hatten
König
Eduard IV. von England und
Herzog Karl der Kühne von Burgund
eine
Aufteilung des Königreiches Ludwigs
XI. beschlossen. Es wurde ausgemacht, daß Eduard IV.
vor dem 1.
Juli 1475 mit einer Armee von mindestens 10 000 Mann in Frankreich
landen und durch eine gleichstarke Truppe des Burgunders
Verstärkung erhalten solle. Doch blieb das burgundische Kontingent
aus,
da Karl im Zuge seiner
aggressiven Expansionspolitik seine Kräfte
vor Neuss gebunden hatte. Dessenungeachtet landete der König von
England
am 4. Juli 1475 in Calais
an
der Spitze eines starken
Invasionsheeres. Karl
stieß allein zu ihm und überredete
ihn, zur Erlangung der Königsweihe gegen Reims zu ziehen. Ludwig
XI. zog seine Kräfte zusammen und befahl, Reims in
Verteidigungsbereitschaft zu setzen; das dem Connétable St-Pol
unterstehende St-Quentin verweigerte den Engländern den
Einzug.
Nun begannen französisch-englische Verhandlungen, die der Herzog
vergeblich zu
unterbinden suchte. Bei der Begegnung auf einer eigens zu diesem Zweck
errichteten Sommebrücke auf der Höhe des Schlosses Picquigny
schlossen Eduard
IV. und Ludwig
XI. einen siebenjährigen
Waffenstillstand; Ludwig XI.
versprach eine Zahlung von 75 000
écus, während Eduard
IV.
den sofortigen Rückzug auf
Calais zusagte. Im Rahmen eines Freundschaftspaktes wurde die
spätere Heirat des Dauphins
Charles mit der Prinzessin Elisabeth
vorgesehen; Ludwig
XI. stellte Eduard IV.
eine jährliche Pension von
50 000 écus in Aussicht. Der Friede von Picquigny,
mit dem die letzte
größere englische Initiative im Rahmen des
anglofranzösischen Konflikts
endete, wird oft und mit einem gewissen Recht als (faktisch, nicht
juristisch) Abschluß des Hundertjährigen Krieges
angesehen.
Viel gerühmt wurde die kluge Diplomatie Ludwigs XI.,
so bereits
von Commynes.
Tatsächlich fanden beide Parteien, nicht zuletzt
angesichts des Versagens des Herzogs von Burgund, in dem Abkommen die
Wahrung ihrer Interessen.
Ph. Contamine