ELY
Lexikon des Mittelalters:
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Ely
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Englische Abtei und Bischofssitz im Bezirk Isle of Ely, etwa 10 km
nördlich von Cambridge.
I. Abtei:
Die erste Gemeinschaft, der Nonnen und Mönche angehörten,
entstand um den Kult der hl.
Etheldreda (Æthelthryth), die in der
1. Ehe mit einem Adligen aus dem Fenland, Tonberht, und in 2. Ehe mit
dem northumbrischen König
Ecgfrith vermählt
war. Nachdem Etheldreda
672
in Coldingham durch die hl.
Æbbe
das northumbrische Mönchtum
kennengelernt hatte, nahm sie 673 ein asketisches Leben auf der
Fenland-Insel Elge (Ely) auf, die sich in ihrem Besitz befand, und
wurde von Bischof Wilfrid zur
Äbtissin geweiht; sie wurde von Beda
gepriesen. Nach ihrem Tod folgten weibliche Mitglieder des
Königs-Hauses von Kent auf
dem Äbtissinnenstuhl (Sexburga,
Ermenilda,
Werburga).
Der Konvent überlebte die Plünderung
durch die Wikinger nicht (870), doch kehrte anscheinend ein Kollegium
von Säkularkanonikern nach Ely zurück, um den kirchlichen
Dienst
zu versehen und den Kult der hl.
Etheldreda lebendig zu
erhalten. Die
verbliebene Besitzausstattung war im königlichen Fiscus von Wessex
aufgegangen, bis sie Æthelwold,
Bischof von Winchester, von König Edgar
kaufte, um dort im Zuge der monastischen Reform des 10. Jh.
(Benediktiner,
Abschnitt B. VI) eine seiner Benediktiner-Abteien auszustatten, was 970
von König Edgar bestätigt wurde. Diese
Grundausstattung mit 20 Hufen
(hides) Land auf der Insel und
außerdem mit der Jurisdiktion
über zwei dortige Hundertschaften (hundreds) sowie über 51/2
Hundertschaften in Suffolk wurde von Æthelwold
und Byrhtnoth (von
Erzbischof Dunstan zum Abt
geweiht) auf 60 hides
erhöht und stieg in den
nächsten 50 Jahren durch königliche und private Schenkungen
weiter an,
besonders durch das Vermächtnis des ealdorman
Byrhtnoth, des Helden der
Schlacht von Maldon 991 gegen die Dänen, und seiner Familie im
Gebiet der Grafschaften Cambridge, Suffolk und Norfolk, Essex und
Huntingdon.
Diese Schenkungen sind im einzelnen im »Liber Eliensis«
verzeichnet und machten Ely zu einer der reichsten englischen Abteien,
die im
Domesday Book (1086) mit
über
£ 900 pro Jahr
eingeschätzt wurde. Über die Äbte ist wenig bekannt; wir
wissen lediglich, daß sie eng mit der westsächsischen
Königs-Dynastie und dem
dänischen Königs-Haus sowie mit den
ostanglischen Bischöfen von Elmham verbunden waren. Die Abtei
wurde
auserwählt, König Æthelreds Hofkapelle
während eines
Drittels eines jeden Jahres zu betreuen, und erfreute sich des
Patronats des Königs Knut des Großen und seiner Gemahlin Emma. Eduard der
Bekenner soll mit den Novizen im Kloster Ely aufgezogen worden
sein. Diese
Verbindungen zum Königtum wurden durch die normannische Eroberung
unterbrochen.
1066, nach dem Tod des Abtes Wulfric,
eines Verwandten König Eduards,
wurde die Abtei Erzbischof Stigand
übertragen; 1070 wurden einige der
Besitzungen von Ely zusammen mit anderen Gütern Stigands von
Wilhelm
I. konfisziert. Abt Thurstan,
1066 von König Harald ernannt, und
seine Mönche nahmen 1069-1070 am Widerstand gegen Wilhelm I. in
den
Marschgebieten von Ely teil, im Bündnis mit dem legendären
Hereward, so daß
einige Ländereien Elys von den
Anhängern Wilhelms
mit oder ohne königliche Verleihung eingezogen
wurden. Doch wurde die Verbindung zum König und zur neuen lokalen
Aristokratie neu angeknüpft, als die Abtei unter den Einfluß
der normannischen monastischen Reform geriet. Diese fand Eingang, als König Wilhelm
I. Theodwin,
einen Mönch aus Jumièges
(1072-1075/76),
und später Simeon,
der
1081/82 Prior von Winchester
war, mit der
Abtwürde betraute. Durch letzteren wurde die Abtei Ely in den
Augen
der Normannen eigentlich
begründet, da er den Landbesitz und die
Rechte von Ely durch wiederholte normannische Gerichtsprozesse und
formelle
Untersuchungen bestätigen ließ. In diesem Zusammenhang wurde
eine umfangreiche Enquête durchgeführt (und als
»Inquisitio Eliensis« aufgezeichnet), die eng mit dem
königlichen
Güterverzeichnis, dem »Domesday
Book«, verbunden war.
Nicht alle Ländereien konnten wiedererlangt werden, aber
allmählich wurden die Neuankömmlinge verpflichtet, die
Lehnshoheit des Abtes als Grundbedingung ihrer Besitzrechte
anzuerkennen und der Abtei Heerfolge zu leisten; Ely hatte 40 Ritter zu
stellen. Diese feudale Herrschaft der
hl. Etheldreda
wurde durch
Schenkungen an die Gefährten der
Äbte
Simeon und Richard
(1100-1107) erweitert. Durch die Erhebung Richards zum Abt, eines
Mönchs aus Le Bec und
Mitgliedes der neuadligen Familien der CLARE
und GIFFARD, wurde Ely
in den kirchenpolitischen Kampf um die
Laieninvestitur
verwickelt. Da Richard -
zu
Recht - den Anspruch des Bischofs von Lincoln
auf die Weihe der Äbte von Ely ablehnte und damit bei Heinrich I.
in
den Verdacht der Illoyalität geriet, wurde er 1102 von der Synode
von Westminster abgesetzt. Obwohl er 1103 nach einer Appellation an Rom
die päpstliche Unterstützung für seine Wiedereinsetzung
erhielt, wurde diese bis 1107 widerrufen, da Richard bereit war, die
Investitur durch den König anzuerkennen. Als Gegenmaßnahme
gegen
die Ansprüche des Bischofs von Lincoln führte Richard in der
Zeit
bis zu seinem Tod 1107 heimlich Verhandlungen mit dem königlichen
Hof und der
Kurie über eine Umwandlung der Abtei in den Sitz einer neuen
Diözese.
II. Bistum und Kathedralpriorat:
1109 wurde das Bistum Ely mit dem Einverständnis von König Heinrich I., Erzbischof Anselm von Canterbury und Papst Paschalis II. konstituiert,
sein Diözesangebiet wurde aus dem Bistum Lincoln, das als zu
groß angesehen wurde, herausgelöst. Der 1. Bischof, der
Bretone Herveius (Hervé,
Hervey), wurde vom Bischofssitz von Bangor, in dem er sich nicht
hatte behaupten können, nach Ely transferiert und nahm zugleich
den Platz des Abtes ein.
Die Mönche, die unter der
Leitung eines Priors standen (bis 1198 vom Bischof eingesetzt, danach
vom
Konvent gewählt), übten weiterhin den geistlichen Dienst an
ihrer
Kirche aus, die nun als Kathedrale von Ely die üblichen Funktionen
und Strukturen eines benediktinisch englischen Kathedral-Priorats
besaß.
Herveius wies einen Teil
der Abteibesitzungen dem Priorat zu
seinem
Unterhalt zu; nach Wilhelm von
Malmesbury handelte es sich hierbei um
eine unzureichende Versorgung, da sie nur Einkünfte von £
300 (bei Gesamteinkünften von £ 1.400) umfaßte. Nach
1298 erreichte es das Priorat, daß seine Ländereien als
separater und unmittelbar dem König unterstellter Besitz anerkannt
wurden. Im 16. Jh. wurden die Einkünfte des Priorats auf £
1.000 geschätzt (Einkünfte des Bischofs
demgegenüber £
2.300); sie dienten der Versorgung der Mönche, deren Zahl
zwischen 53
und 33 schwankte, während der ursprüngliche Plan einen
Konvent von 70
Mönchen vorgesehen hatte.
Die neue Diözese umfaßte 16 der 18 Hundertschaften von
Cambridgeshire sowie die zwei Hundertschaften der Isle of Ely. Die
Cambridger Hundertschaften wurden 1109 in einem einzigen Archidiakonat
von Ely zusammengefaßt, doch wurden die Archidiakonatsrechte in
der
Isle of Ely vom Priorat beansprucht, da sie nach altem Herkommen zur
Mutterkirche gehörten; in Schiedssprüchen von 1401 und 1407
wurden diese Bereiche schließlich der direkten Jurisdiktion des
Bf.s unterstellt.
Die meisten der Bischöfe von Ely spielten eine bedeutende Rolle in
der königlichen
Regierung und Verwaltung. Nigel
(1136-1139), der Schatzmeister
Heinrichs
I., hielt die Insel Ely gegen Stephan von Blois
(sein Sohn Richard, der
zeitweise Archidiakon von Ely
war, ist der Verfasser des berühmten
»Dialogus de scaccario«). William
Longchamp (1189-1197) war
der berühmte Kanzler Richards
I. Im Kanzleramt finden wir
auch Eustace (1198-1215), William de Kilkenny (1255-1256), Thomas
de
Arundel (1374-1388), Thomas
Bourchier (1444-1454) und John
Morton
(1478-1486); andere wichtige Ämter bekleideten John de Kirkby
(1286-1290), William de
Luda (1290-1298), Simon de
Montacute
(1337-1345),
Simon Langham (1362-1366) und
John Barnet (1366-1373).
Selbst Bischof Hugh de
Northwold, Abt von Bury
St. Edmund's,
berühmt für seine
Frömmigkeit, stand in engen Beziehungen zum Königshof
(1229-1254).
Die reguläre Diözesanverwaltung wurde mehr und mehr
ausgebaut, selbst unter dem Episkopat des extravaganten
Dominikaner-Theologen Thomas Lisle (1345-1361) und
während der
Administration Ludwigs von
Luxemburg
(1438-1443), des Erzbischofs
von Rouen
und
Kanzlers von Frankreich und der
Normandie, der Ely durch Generalvikare
verwalten ließ.
1291 verfügte das Bistum über 154 Pfarreien, gegliedert in
acht ländliche Dekanate. Ely unterhielt enge Verbindungen zu der
benachbarten Stadt Cambridge,
in der sich das zweite administrative Zentrum des Bistums befand, und
ihrer Universität. Bis 1374 mußte die Ernennung des Kanzlers
von Cambridge durch den Bischof von Ely bestätigt werden; erst Papst Eugen IV. erklärte 1433 die
Exemtion der Universität. Hugh
de Balsham (1257-1286) stiftete 1280-1284 ein Collegium (das
heutige Peterhouse) für Scholaren des Bischofs von Ely; 1497
löste Bischof John Alcock das Nonnen-Kloster
St-Radegund auf und gründete an seiner Stelle das Jesus College.
Der letzte Prior, Robert Wells
genannt Steward, beteiligte
sich aktiv an
der Klosteraufhebungspolitik König
Heinrichs
VIII. und lieferte
Gebäude und Besitzungen des Priorats aus; sie dienten fortan zur
Versorgung eines Dekans sowie eines Kapitels von acht Präbendaren
der neukonstituierten Kathedrale von Ely. Die Bibliothek des
Priors,
die 1093 287 Handschriften umfaßt hatte, wurde nach 1539
zerstreut; in
London (British Library), Oxford und Cambridge sind heute ca.
47 aus Ely
stammende Handschriften nachweisbar.
Die Verehrung der hl. Etheldreda
konzentrierte
sich auf ihr Grab
(Mirakelberichte seit 679). Ihr unverwester Leichnam wurde 695 in einen
Sarkophag aus weißem Marmor übertragen, der sich am
Hochaltar der Konventskirche befand und später in die Kirche des
10. Jh. transferiert wurde; mit dem Wiederaufleben ihres Ruhms als
Heilige,
der sich nach der normannischen Eroberung erneut verbreitete, wurde
1106 eine
Translation in die normannische Kirche vorgenommen; 1252, unter Bischof Hugh de
Northwold, wurde die Heilige in einen Schrein
überführt, der in
der Kirche dieses Bischofs stand und den hll. Maria, Petrus und Etheldreda
geweiht war.
Die Kathedrale ist als Baudenkmal von großer Bedeutung. Der erste
Kirchenbau wurde angeblich vom hl.
Augustinus von Canterbury geweiht;
Etheldreda
ließ ihn wiederherstellen. Nach wikingischer
Zerstörung (870) wurde die Kirche von Byrhtnoth 970-974
wiederaufgebaut. Die normannische Bautätigkeit begann mit einer
Ostanlage, 1106 vollendet (Rest dieses Baus im südlichen Querarm
erhalten); das Langhaus entstand ca. 1110-1139 (bedeutende romanische
Portale). Im 13. Jh. erfuhr die spätnormannische Westfassade, mit
Turm
und Querarmen, Veränderungen (unter anderem Hinzufügung einer
Vorhalle, Galiläa). Unter Bischof
Hugh de Northwold wurde
das
Kirchenschiff dann ostwärts ausgedehnt und eine neue Ostanlage in
reich dekorierter Frühgotik (Early
English) zur Aufnahme des
Schreins der hl. Etheldreda errichtet. Im
14. Jh. wurde der alte
Vierungsturm (vor 1100) als steinernes Oktogon neuerbaut (1328
vollendet, Merkmal des späten Decorated Style). Weitere
berühmte Anbauten dieser Zeit: Kapelle des Priors Crauden
(1324/25), Lady Chapel (1321-1373).
E.O. Blake