Begraben: St-Denis
Einziger Sohn des Herzogs Karl
I. von Orleans aus seiner 3. Ehe mit der Maria von Kleve,
Tochter von Graf Adolf I.; Ur-Enkel des
Königs
Karl V. der Weise von Frankreich
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2189
*******************
Ludwig XII., König von Frankreich 1498-1515
--------------
* 27 Juni 1462, + 1. Januar 1515
Blois
Spätgeborener Sohn seiner schon bejahrten Eltern Charles d’Orleans (des Dichters) und der Maria von Kleve [Persönlicher Einwurf: Für den am 26.5.1391 geborenen Vater ist diese Einschätzung zutreffend, für die am 19.9.1426 geborene Mutter aber keinesfalls.]
Da König Ludwig XI.
(dem selbst der männliche Erbe fehlte) verhindern wollte, dass Ludwig
XII. Nachkommenschaft hatte, ließ er ihn mit seiner verwachsenen
Tochter Johanna verheiraten. Ludwig,
nach dem Tode Karls VIII. selbst König
geworden, erreichte bei Papst Alexander VI. die Annullierung der erzwungenen
Ehe und heiratete die Königin-Witwe Anna
von Bretagne.
Der König nahm das "italienische Abenteuer" seines
Vorgängers wieder auf, im Zeichen der von seiner Großmutter
Valentina Visconti ererbten Ansprüche auf Mailand. Er stützte
sich auf Cesare Borgia, der dabei eigene politische Ziele (Eroberung der
Romagna) verfolgte. Nach dem Tode Francescos I. Sforza ließ sich
Ludwig
XII. zum Herzog von Mailand proklamieren [Persönlicher
Einwurf: Da Francesco I. Sforza im Jahre 1466 starb, muß hier
eine Verwechslung vorliegen, da Ludwig
nicht im Alter von 4 Jahren Mailand erobert haben kann. Dies geschah erst
im Jahre 1499.] und zog feierlich in die Stadt ein. Es folgten mit rücksichtsloser
Härte gefürte Kämpfe gegen
MAXIMILIAN
I. War Ludwigs XII. Eroberung
des Königreiches Neapel zunächst erfolgreich, so mußte
er seine Gewinne mit Ferdiand 'dem Katholischen'
von Aragon teilen, um zuletzt alle Besitzungen wieder zu verlieren.
Der König hatte aus seiner Ehe mit
Anna von Breatagne (+ 1514) zwei Töchter, von denen Claude
(durch Vermittlung des führenden Ratgebers Georges von Amboise) den
Herzog von Valois-Angeloume vermählt wurde, der als
Franz I. die Nachfolge antreten sollte. Ludwig
XII., der bald nach seiner Wiederverheiratung mit der jungen
TUDOR-Prinzessin
Maria einer schweren Krankheit erlag, galt wegen seiner milden
Fiskalpolitik als 'Pater patriae'.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Lexikon der Renaissance: Seite 429
*********************
Ludwig XII., König von Frankreich seit 1498
----------------
* 27.6.1462, + Nacht 31.12.71.1..1515
Blois
Paris
Haus VALOIS, Nebenlinie Valois-Orleans
Ludwig XII. nahm die
Expansionspolitik Karls VIII. in Italien
wieder auf: 1499 eroberten seine Truppen Mailand.
Er heiratete nach der Scheidung (1498) seiner seit 1476
bestehenden kinderlsoen Ehe mit Jeanne de France
die
Witwe Karls VIII., Anna
(* 1476), auf deren Sonderstellung als Herzogin von Bretagne
er große Rücksicht nehmen mußte. Gegen Papst Alexander
VI. verwirklichter er die Herrschaft des Königtums über das französische
Kirchenvermögen durch Wiederinkraftsetzung (1499) der Pragmatischen
Sanktion von Bourges, die 1438 von Karl VII. erlassen
worden war. Ludwigs Versuch, seinen
Hauptratgeber, Georges d'Ambois (1460-1510), nach dem Tode Alexanders VI
zum Papst wählen zu lassen, scheiterte jedoch am Widerstand besonders
Spaniens, das ihm auch 1504 die Beute Neapel entriß, und des deutschen
Kaisers MAXIMILIAN I. Intrigen Annas
verhinderten lange Zeit die Regelung der Nachfolgefrage; sie erforderte
die Heirat des jungen Grafen Franz von Angouleme
(der spätere Franz I.) mit Annas
Tochter Claude (* 1499) [Persönlicher
Einwurf: Als Urenkel des Herzogs Ludwig von
Orleans (+ 1407) waren beide Ehepartner im 6. Verwandtschaftsgrad
unzulässig miteinander verwandt.]. Ein Ehevertrag mit dem Hause
HABSBURG, der dagegen die Heirat Claudes
mit dem zukünftigen Kaiser KARL
vorsah, wobei die Bretagne, Mailand und Neapel als Brautschatz Claudes
vorgesehen
waren, wurde aber 1506 annulliert, wozu Ludwig
XII. die Farce mit den Generalständen inszenieren mußte.
Seite der Liga von Cambrai (Dezember 1508), der
Ludwig XII. sich anschloß, obwohl sie sich gegen seinen
zuverlässigsten Bundesgenossen Venedig richtete, geriet
Ludwig XII. in wachsende außenpolitische Isolierung. Im
Dezember 1512 wurden die Franzosen aus Mailand vertreiben. Nach diesem
Scheitern seiner Italienpolitik wandte sich Ludwig
XII. zunehmend von Spanien und Österreich ab und schloß
am 7.8.1514 einen Bündnisvertrag mit England. Im gleichen Jahr heiratete
er nach dem Tde Annas die englische
Prinzessin Maria.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Als Schwiegersohn des Königs
Ludwig XI. war Ludwig durch
seine Ehe mit dessen Tochter Johanna der
ausersehene Nachfolger seines Schwagers Karl VIII.
Er
rebellierte 1484 gegen den Beschluß der Stände wegen der Regentschaft,
auf die er hoffte und stachelte die Bretagne zum Aufruhr an. 1488 siegten
die Truppen des Königs in der Schlacht von Saint-Aubin-du-Cormier
in der Bretagne, und Ludwig
geriet
in Gefangenschaft. Karl VIII.
verzieh
ihm jedoch und ließ ihn 1491 wieder frei. Ludwig
beeinflußte König Karl VIII. sehr,
brachte dessen Heirat mit der Erbin der Bretagne zustande und förderte
entschieden Karls abenteuerliche Italienpolitik.
Während des Italienfeldzuges 1494/95 war er Statthalter der Lombardei.
1498 folgte er seinem Gönner als Ludwig XII.
auf dem Thron und galt als anständig, ohne Arglist, einmalig für
VALOIS-Könige.
Um zu verhindern, dass sich eine fremde Macht die Bretagne aneignete, ließ
er seine Ehe mit Johanna von Frankreich
von Papst Alexander VI. annullieren und heiratete sofort darauf die Witwe
Karls
VIII., Anna von der Bretagne.
Seine größten Ambitionen waren allerdings nach Italien gerichtet.
Durch seine Großmutter Valentina war er mit den Herzögen Visconti
aus Mailand verwandt und erhob Ansprüche auf N-Italien, denen der
Gedanke einer Beherrschung ganz Italiens zugrunde lag. Er eroberte 1500
Mailand und danach Neapel. Hier geriet er jedoch mit den Aragoniern in
Schwierigkeiten, so dass sein Unternehmen 1504 scheiterte. Er empfand diesen
Mißerfolg jedoch keineswegs als Warnzeichen, sondern sah 1507 in
einer Revolte der Genueser erneut einen Vorwand zum Eingreifen in Italien.
Inzwischen regierte im Vatikan Papst Julius II., der sich die Ziele Ludwigs
XII. zunutze machte, um durch ihn die Städte zurückerobern
zu lassen, welche die Venezianer dem Heiligen Stuhl geraubt hatten. Nachdem
dies mit Erfolg geschehen war, beeilte sich der Heilige Vater, seinen lästigen
Verbündeten loszuwerden. Er gründete gegen Ludwig
XII. eine Heilige Liga, der sich italienische, spanische und
sogar englische Fürsten anschlossen. Nach zwei Jahren zermürbender
Kämpfe (1512-1514) mußte Ludwig
trotz einiger Erfolge auf seine hochtrabenden Pläne verzichten und
mit seinen Gegnern Verzichtfrieden schließen. Er brachte die Renaissance
ins Land und hinterließ horrende Schulden.
Pernoud Regine: Seite 11-29
**************
"Die Kapetinger" in: Die großen Dynastien
Ludwig XII. (1498-1515)
befand sich in einer peinlichen Lage, denn er hatte eben wieder begonnen,
gegen Karl VIII. zu konspirieren. Er
glaubte deshalb bei der Ankunft der königlichen Boten im Schloß
Montils lez Blois, wo er sich verschanzt hatte, man käme, um ihn gefangenzunehmen.
Als er erfuhr, dass er den französischen Thron besteigen solle - was
für einen Seitenverwandten immerhin nicht ganz unproblematisch war
-, bewies er Geistesgegenwart und sprach die berühmten Worte: "Es
ziemt sich nicht für einen König von Frankreich, die Schmähungen
eines Herzogs von Orleans zu rächen". Dies gewann ihm mit einem Schlag
die Sympathien all seiner Gegner und begründete seine Popularität.
Sie erwies sich als so beständig, dass sie auch dann nicht beeinträchtigt
wurde, als er einen Scheidungsprozeß gegen seine Gattin, die überaus
fromme und äußerst häßliche
Johanna von Frankreich, anstrengte. Nachdem er die Annullierung
der Ehe wegen Nichtvollzugs erreicht hatte, heiratete er die Witwe Karls
VIII., um den Besitz der Bretagne zu sichern.
Ludwig XII. nahm
die Italienpolitik seines Vorgängers wieder auf und entsandte eine
24.000 Mann starke Armee unter dem Befehl Trivulces, die Mailand eroberte
und Ludovico il Moro vertrieb. Dann begab er sich in eigener Person nach
Mailand, um seine Eroberung in Besitz zu nehmen. Ludovico il Moro versuchte
Mailand wieder in seine Gewalt zu bringen, wurde jedoch von Trivulce geschlagen
und verbrachte den Rest seines Lebens als Gefangener des Königs in
der Festung Lys Saint-Georges in Berry. Nachdem Mailand annektiert war,
nahm Ludwig XII. die Eroberung des
Königreiches Neapel in Angriff; sein Plan wurde jedoch durch einen
Verrat des Königs von Aragon vereitelt. Da befiel Ludwig
XII. eine lebensgefährliche Krankheit. Königin
Anna unterzeichnete in dieser Zeit den Vertrag von Blois, durch
den sie ihre Tochter mit dem späteren KARL
V. verheiratete, eine Wahnsinnstat, die einer Isabeau
von Bayern würdig gewesen wäre. Ludwig
XII. erholte sich wieder und ließ den Vertrag am 14. Mai
1506 von den Generalständen in Tours für nichtig erklären.
Diese gaben ihrer Zufriedenheit dadurch Ausdruck, dass sie dem König
dem Beinamen "Pere du Peuple", Vater des Volkes, verliehen.
Dies war wohl die einzige Zeit in der Geschichte, in der Frankreich sich
mit seiner Regierung einverstanden erklärte. Die Generalstände
ließen nicht nur die Ehe Claudias von Frankreich,
der Tochter Ludwigs XII. und Annas
von Bretagne annullieren, sondern bekundeten darüber hinaus
den Wunsch, sie mit dem Herzog von Angouleme zu verloben, einem Cousin
des Königs und Thronanwärter für den Fall, dass der Monarch
ohne männliche Nachkommen sterben sollte. Damit war das Problem der
Thronfolge gelöst, und der König konnte, gestützt auf die
Zustimmung des Volkes, seine italienischen Pläne wiederaufgreifen.
Um dem Kaiser die Stirn zu bieten, entsandte er Trivulce
zur Unterstützung der Venezianer, doch diese verrieten ihn. Daraufhin
löste er das Bündnis und schloß mit Papst Julius II., dem
Nachfolger Alexanders VI. Borgia, die Liga von Cambrai (10. Dezember 1508).
Diese Allianz war zunächst erfolgreich, und Ludwig
XII. brachte den Venezianern bei Agnadel die vernichtende Niederlage
vom 14. Mai 1509 bei.
Julius II., über die Erfolge des französischen
Königs beunruhigt, wechselte daraufhin auf die Gegenseite über,
schloß sich in der "Heiligen Liga" mit Venedig zusammen und bot das
französische Reich dem englischen König
Heinrich VII. Tudor an. Ludwig XII.
blieb keine andere Wahl, als gegen den Papst Krieg zu führen. Der
legendäre Feldzug stand unter dem Oberbefehl Gastons de Foix. Nach
der Eroberung von Brescia und Bologna kam Gaston de Foix bei der Belagerung
von Ravenna 1517 ums Leben. Das Blatt wendete sich, die unter La Tremouille
entsandten Hilfstruppen wurden am 6. Juni 1513 bei Novara vernichtet.
Mailand war verloren; es galt nun, über die Alpen
zurückzukehren. Der Tod Julius' II. ermöglichte es dem französischen
König, einen Waffenstillstand zu schließen und sich einem Invasionsversuch
der Engländer entgegenzustellen, die in Calais gelandet waren und
Guines erobert hatten. Mittlerweile war Königin
Anna gestorben, und Ludwig XII.
heiratete, um die Einigung mit dem König von England vollständig
zu machen, dessen 17-jährige Schwester Maria.
Er war in sie so feurig verliebt, dass er zweieinhalb Monate nach der Hochzeit
starb (1. Januar 1515). Damit fiel die Krone an seinen Schwiegersohn
Franz
von Valois-Angouleme, der den Namen Franz
I. annahm.
Verwandtschaft zu Johanna von Frankreich
Karl V. König von Frankreich
21.1.1337-16.9.1380
---------------------------------------------------------------
Karl VI. König von Frankreich
Ludwig I. Herzog von Orleans
3.12.1368-21.10.1422
13.3.1372-23.11.1407
---
---
Karl VII. König von Frankreich
Karl I. Herzog von Orleans
22.2.1403-22.7.1461
26.5.1391-4.1.1465
---
---
Ludwig XI. König von Frankreich
Ludwig XII. König von Frankreich
3.7.1423-30.8.1483
27.6.1462-1.1.1515
----
Johanna von Frankreich ------------------------------------------
oo
23.4.1464-4.2.1505
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Verwandtschaft zu Anna von Bretagne
Ludwig I. Herzog von Orleans
13.3.1372-23.11.1407
---------------------------------------------------------
Margarete von Orleans
Karl I. Herzog von Orleans
1406-24.4.1466
26.5.1391-4.1.1465
oo Richard Graf zu Etampes
1395-2.6.1438
---
---
Franz II. Herzog der Bretagne
Ludwig XII. König von Frankreich
1433-9.9.1488
27.6.1462-1.1.1515
---
Anna von Bretagne 3. --------------------- oo 2. -----------
25.1.1476-9.1.1514
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
8.9.1476
1. oo Johanna von Frankreich, Tochter des Königs
Ludwig XI.
-1498 23.4.1464-4.2.1505
Cousine
8.1.1499
2. oo 3. Anna von der Bretagne, Tochter des Herzogs
Franz II.
25.1.1476-9.1.1514
9.10.1514
3. oo 1. Maria von England, Tochter des Königs
Heinrich VII.
März 1496-25.6.1533
Kinder:
2. Ehe
Claudia de France Erbin der Bretagne
14.10.1499-20.7.1524
20.7.1514
oo Franz I. König von Frankreich
12.9.1494-31.3.1547
Sohn
21.1.1508- jung
Renata
25.10.1510-12.6.1575
Blois
28.6.1528
oo Ercole II. d'Este Herzog von Ferrara
4.4.1508-3.10.1559
Sohn
21.1.1512 totgeboren
Illegitim
Michael "von Bucy" Erzbischof von Bourges (1505-1511)
-
1511
Literatur:
-----------
Brouwer Johan: Johanna die Wahnsinnige. Glanz
und Elend einer spanischen Königin. Eugen Diederichs Verlag München
1995 Seite 26, 32,40,47,49,51 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs
im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 355,368,381-385 - Ehlers
Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die
französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII.
888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 252,337,358,363,366,370,376,379,382
- Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515.
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 439-442,453-458,468 - Giardini
Cesare: Don Carlos. Infant von Spanien. Eugen Diederichs Verlag München
1994 Seite 24,34 - Hartmann P.C.: Französische Könige
und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498-1870. Verlag
C. H. Beck München 1994 Seite 10,24-52,61,63,71,78 - Horst,
Eberhard: Die spanische Trilogie Isabella-Johanna-Teresa Claasen Verlag
GmbH Düsseldorf, 1989 Seite 169,173,177,186,223 - Jurewitz-Freischmidt
Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen und Mätressen
um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 83-456 -
Leicht
Hans: Isabella von Kastilien. Königin am Vorabend der spanischen Weltmacht.
Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1994 Seite 220,259 - Panzer Marita
A.: Englands Königinnen. Von den Tudors zu den Windsors. Verlag Friedrich
Pustet Regensburg 2001 Seite 20 - Perez Joseph: Ferdinand und Isabella:
Spaniens Katholische Könige. Eugen Diederichs Verlag München
1995 Seite 254,320 - Pernoud Regine: Die Kapetinger. in: Die großen
Dynastien. Karl Müller Verlag 1996 Seite 11-29 - Tamussino
Ursula: Margarete von Österreich. Diplomatin der Renaissance. Verlag
Styria Graz Wien Köln 1995 Seite 30,34,43,79,82-85,89,94,97-191,109,115,122,142-146,152,157,
160,163,179,200,257,271 - Tamussino Ursula: Maria von Ungarn. Ein
Leben im Dienst der Casa de Austria. Verlag Styria Graz Wien Köln
1998 Seite 15,223 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen.
Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich
Pustet Regensburg 1996 Seite 151,213,217,248 - Treffer Gerd: Franz
I. von Frankreich. Herrscher und Mäzen. Verlag Friedrich Pustet Regensburg
1993 Seite 20,27,34,36,38,42,45,48,51,55,60,76,83,86,89,95,97,117,122,131,133,164,181,226,279
- Treffer Gerd A.: Johanna von Valois begegnen. Sankt Ulrich Verlag
Augsburg 2000 - Tuchmann Barbara: Der ferne Spiegel. Deutscher Taschenbuch
Verlag München 1995 Seite 478,511,525 - Wende Peter: Englische
Könige und Königinnen. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II. Verlag
C. H. Beck München 1998 Seite 15,34 -
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hartmann P.C.: Seite 24-51
*************
"Französischen Könige und Kaiser der Neuzeit"
Neithard Bulst
LUDWIG XII., König von Frankreich 1498-1515
-------------------
* 27. Juni 1462, + 31. Dezember 1514
Blois
Paris
Begraben: Saint-Denis
1465 Herzog von Orleans
7. April 1498König von Frankreich
27. Mai 1498 Salbung in Reims
Vater:
--------
Herzog Karl von Orleans (* 26.5.1391, + 4.1.1465), Sohn
von Ludwig I. von Orleans (+ 23.11.1407) und Valentine Visconti, Tochter
des Herzogs von Mailand Giangaleazzo Visconti
Mutter:
---------
Maria von Cleve (* 19.9.1426, + 7.1486), Tochter von
Adolf von Cleve und Maria von Burgund
Geschwister:
----------------
Maria (* 1457, + 1493), Gemahlin des Vizegrafen von Narbonne,
Jean de Foix
Anna (* um 1464, + 9.11.1491), Äbtissin von Fontevrault
1. oo 8.9.1476
JOHANNA VON FRANKREICH
* 23.4.1464, + 4.2.1505
Tochter des Königs Ludwig XI. von Frankreich
Ehe kinderlos am 22. Dezember 1498 annulliert
2. oo 8.1.1499
ANNA Herzogin der Bretagne
* 25.1.1476, + 9.1.1514
Witwe König Karls VIII. von Frankreich
3. oo 9.10.1514
MARIA VON ENGLAND
* März 1496, + 25.6.1533
Schwester König Heinrichs VIII. von England
Ehe kinderlos
Kinder:
---------
a. Claude (* 15.10.1499, + 20.7.1524)
Heirat am 18. Mai 1514 mit Herzog Franz von Angouleme,
als Franz I. Nachfolger von Ludwig XII.
b. Renne (* 25.10.1510, + 12.6.1575)
Heirat am 20. Juli 1527 mit dem Herzog von Ferrara, Hercules
von Este
Illegitim: von einer bürgerlichen Frau
----------
Michel de Bucy (Bussy) (* 1485, + 1511) Erzbischof
von Bourges (1505-1511)
Der Herzog von Orleans
Die Ständeversammlung von 1506 gab ihm den Ehrentitel
"Pere
du Peuple" - "Vater des Volkes", sein jüngster Biograph
Bernhard Quilliet (1986) nannte ihn medioker und seine Herrschaft unauffällig
aber doch bedeutender, als man gemeinhin annimmt.
Wer war dieser König, bei dessen Geburt am 27.6.1462
auf dem väterlichen Schloß in Blois die Voraussage, dass er
einmal den französischen Königsthron besteigen würde, obwohl
er hinter dem Bruder des Königs und seinem Vater in der Reihe der
Thronanwärter an dritter Stelle stand, nicht wahrscheinlich war -
selbst wenn für Ludwig XI. die
Geburt dieses "Thronfolgers" ein offen bekanntes Ärgernis war, und
er die Legitimiät dieser späten Geburt im privaten Kreis - wenn
auch nie offiziell - offen in Frage stellte?
Sein Vater Karl, Herzog von
Orleans (+ 1465), bei Ludwigs
Geburt schon 22 Jahre mit Maria von Cleve verheiratet, fast 70 Jahre alt
und kränkelnd, war ein Enkel König Karls
V. von Frankreich. Wie der regierende König
Ludwig XI. (1461-1483) war Ludwig XII.
also
ein Ur-Enkel König Karls V. Diese
Herkunft begründet seinen Thronanspruch unter der Voraussetzung, dass
König
Ludwig XI.
und sein Bruder sterben würden, ohne männliche
Erben zu hinterlassen, oder diese Erben wiederum ohne Erben vor Ludwig
sterben würden. Dieser Thronerbe König
Ludwigs, der zukünftige Karl VIII.
(1483-1498), wurde am 30.6.1470 als einziger Sohn Ludwigs
XI. geboren. Wohl in der Hoffnung auf den französischen
Thron nährte Ludwig vielleicht
doch einen anderen Anspruch, der nach dem Tode seines Vaters 1465 auf ihn
übertrug: die Anwartschaft auf das Herzogtum Mailand. Über seine
Mutter Valentine Visconti, die Tochter des Mailänder Herrschers Giangaleazzo
Visconti, der nach dem Tode ihres Bruders Filippo Maria (gestorben 1447)
das Herzogtum hätte zufallen müssen, da Filippo Maria keine Söhne
hatte, betrachtete sich Karl von Orleans
als rechtmäßiger Erbe Mailands ebenso wie nach ihm sein Sohn
Ludwig.
Die Realisierung dieses Erbanspruchs sollte eines der wichtigsten Anliegen
Ludwigs
nach seiner Thronbesteigung sein.
Die Abneigung König Ludwigs
XI. gegen das Haus ORLEANS
hatte zwei Ursachen:
1. dessen Nähe zum Thron und
2. dessen Machtposition als eines der größten
Lehnsfürstentümer, die das Königtum in seiner Machtausübung
einschränkten.
Diese Abneigung fand einen beinahe diabolischen Weg,
die Zukunft des Hauses ORLEANS zu kompromittieren.
Als dem König bald nach Ludwigs
Geburt am 23.4.1464 eine mißgestaltete Tochter Jeanne
geboren
wurde, gelang es ihm, bevor die körperlichen Defekte allgemein bekannt
geworden waren, mit dem nichtsahnenden Vater Ludwigs
eine
Heirat der beiden Kinder zu vereinbaren. Dass diese Ehe nicht glücklich
sein und vielleicht auch kinderlos bleiben würde, stand zu erwarten.
Als der Zustand der unglücklichen Königstochter offenbar geworden
war, und Mutter und Sohn später versuchten, die geplante Heirat zu
annullieren, blieb der König unerbittlich und erzwang schließlich
gegen alle Widerstände 1476 die Eheschließung. Was er nicht
erzwingen konnte, war die Akzeptanz dieser Ehe durch den Herzog von Orleans.
Jeanne, die ihren Gatten wohl aufrichtig liebte und ihn, als
er 1483 an Blattern erkrankte - der Beginn einer langen Serie von Krankheiten
- ungeachtet des hohen Ansteckungsrisikos pflegte, gelang es nie, die demütigende
Abneigung des Herzogs zu überwinden. Das Erscheinungsbild der Brautleute
beim prächtigen Essen am Tag der Hochzeit, als der junge Herzog aus
Wut und Ohnmacht ohne zu essen unentwegt weinte, desgleichen seine Braut
aus Enttäuschung über die Zurückweisung, versprach nichts
Gutes. Nur die Drohungen des Königs zwangen den jungen Ehemann zu
seltenen und kurzen Besuchen an der Seite seiner Frau, die getrennt von
ihm auf Schloß Lignieres lebte. In dem Prozeß der Annullierung
dieser Ehe, den Ludwig wenige Monate
nach seiner Thronbesteigung anstrengte, um die Königs-Witwe
Anna, die Herzogin der Bretagne, heiraten zu können, behauptete
er, gegen den Widerspruch seiner Frau, in den 22 Jahren ihres Zusammenseins
die Ehe nicht vollzogen zu haben.
Zahlreiche Liebschaften, Jagden und andere "standesgemäße"
Vergnügungen scheinen das Leben des durch den König politisch
kaltgestellten Herzogs, der sich deshalb in öffentliche Ausschweifungen
und Luxus flüchtete, bestimmt zu haben. Doch der Tod von König
Ludwigs XI. Bruder, der keine Erben hinterließ, und die
Tatsache, dass Karl der einzige Sohn
des Königs blieb, steigerten erheblich die Bedeutung des Herzogs von
Orleans, der nun die Stelle als zweiter Thronanwärter unmittelbar
hinter dem Thronfolger Karl einnahm.
Welche Gefahr daraus dem noch unmündigen Thronerben erwuchs, war dem
zunehmend schwächer werdenden Ludwig XI.
wohl bewußt, als er den Herzog im Oktober 1482 zu einem Treueid gegenüber
dem Thronfolger und zum Verzicht auf eine Regentschaft, auf die er zu Recht
Anspruch erheben konnte, eidlich verpflichtete. Diese sollte vielmehr nach
dem Tode des Königs der Obhut der Tochter und des Schwiegersohns Ludwig
XI., Anne und Pierre
de Beaujeu, anvertraut werden. Ludwig
von Orleans fühlte sich jedoch durch einen Eid auf die
Evangelien ebensowenig gebunden wie später als König. Die zahlreichen
von ihm abgeschlossenen Verträge von ihm ebenso häufig wie von
den übrigen Vertragspartnern gebrochen.
Vor allem in den traditionell guten Beziehungen des Hauses
ORLEANS zum bretonischen Herzog Franz II., dem Feind Ludwigs
und Verbündeten des Burgunder-Herzogs Karls
des Kühnen, sowie zu Ludwigs
Bruder Karl - während der Auseinandersetzungen
um den Besitz der Normandie in den Jahren 1467 und 1468 - sah Ludwig
XI. eine potentielle Gefahr für seinen Sohn, vor der er
ihn durch eidliche Verpflichtungen des Herzogs zu schützen suchte.
Diese Befürchtungen waren keineswegs grundlos. Sobald
mit dem Tode des Königs am 30.8.1483 der Druck vom Herzog gewichen
war, begann er, wenn auch zuerst noch verdeckt, politische Aktivität
im Bündnis mit den alten Gegnern des verstorbenen Königs gegen
seinen Nachfolger und dessen Platzhalter, die Beaujeu, zu entwickeln
und ein eigenes Profil zu gewinnen. Wie eilig es ihm damit war zeigen Geheimverhandlungen,
die er noch im August 1483 mit dem bretonischen Herzog anstrengte, um sich
von der lästigen Bürde, die ihm Ludwig
XI. auferlegt hatte, zu befreien, nämlich von seiner Frau
Jeanne.
Nach Annullierung seiner Ehe mit Jeanne
wollte
er Anna, die einzige Tochter des Herzogs
und Erbin des Herzogtums Bretagne heiraten - ein Angebot, worauf der Herzog
bereitwillig einging. Erst 15 Jahre später sollte es ihm gelingen,
diese Absicht zu verwirklichen, nachdem zuerst die Beaujeu
seine
Pläne durchkreuzt hatten und 1491 eine Heirat ihres Schützlings
Karl
VIII. mit Anna durchzusetzen
vermochten, um so der Krone die Anwartschaft auf das Herzogtum Bretagne
zu sichern.
Auch bei seinem zweiten Versuch, politische Macht und
Einfluß zu gewinnen, scheiterte der noch unerfahrene junge Herzog
an seinen ihm weit überlegenen Gegenspielern. Diesen gelang es durch
scheinbar großzügige Vergabe von Ämtern, Titeln, Pensionen
und anderer Vergünstigungen an den durch Ludwig
XI. entmachteten hohen Lehnsadel, den ersten Manifestationen
offener Gegnerschaft gegen die Fortsetzung des verhaßten Regimes
des verstorbenen Königs die Spitze zu nehmen. Auch Ludwig
von Orleans kam in den Genuß dieser Freigebigkeit. Ein
militärisches Kommando, eine hohe Pension von 24.000 Pfund, der Zugriff
auf eigentlich dem König zustehende Einkünfte sowie die Aufnahme
in den von König Ludwig gegründeten
Michaelsorden waren Auszeichnungen, die seinem Rang als Ersten Prinzen
von Geblüt nach außen Rechnung trugen, ohne ihm allerdings
den Weg zur Mitsprache bei Regierungsgeschäften zu öffnen. Diesen
erhoffte sich Ludwig von den Generalständen,
die allein in der Lage waren, den jungen König dem Einfluß der
Beaujeu
zu
entziehen und einen in seinem Sinne zusammengesetzten Rat und eine Regentschaft
unter seiner Führung einzusetzen. Dies zumindest dürften seine
Zielvorstellungen gewesen sein, als er noch im September 1483 die Einberufung
der Generalstände forderte und auch durchsetzte. In seiner Unerfahrenheit
entging es ihm ebenso wie der sich um ihn versammelnden Opposition, an
ihrer Spitze die Mitglieder des königlichen Rats, der
Herzog
Johann II. von Bourbon, der ältere Bruder von Pierre
de Beaujeu,
Francois d'Orleans,
der Graf Dunois, der Graf von Comminges sowie die Bischöfe von Perigueux
und Coutances, dass die Beaujeu ein Wahlverfahren zu den Generalständen
durchgesetzt hatten, das letztlich auf den vom Januar bis März tagenden
Generalständen ihren Interessen zum Durchbruch verhalf. Nachteilig
für Ludwig war auch die praktisch
in letzter Minute erfolgte Verlegung des Tagungsorts von Orleans in das
königstreue Tours. Der dem Herzog von Orleans von der Ständeversammlung
zuerkannte Vorsitz im königlichen Rat hatte nur formalen Charakter,
da er nur in Abwesenheit des Königs gelten sollte. Als schließlich
auch ein weiterer propagandistisch untermauerter Anlauf Ludwigs,
dem sich auch der bretonische Herzog anschloß, zu einer erneuten
Einberufung einer Generalständeversammlung im Januar 1485 scheiterte,
sah Ludwig von Orleans nur noch den
Ausweg, den schon andere Große unter Ludwig
XI. zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gefunden hatten, die
offene Auflehnung bis hin zum bewaffneten Kampf gegen den König. Ein
Erfolg blieb ihm allerdings ebenso versagt wie der Adelsopposition gegen
Ludwig
XI. Bündnispartner in diesem Kampf, mit unterschiedlichem
Engagement und jeweils anderen Zielen, was nicht gerade den Erfolg förderte,
waren der Graf von Dunois, der Prinz von Orange, der bretonische Herzog
und Alain d'Albret sowie als "ausländische" Partner der englische
König und der deutsche König, MAXIMILIAN.
Wie Ludwig von Orleans versuchten auch
MAXIMILIAN
und Alain d'Albret sich durch eine Heirat mit Anna,
der Tochter des bretonischen Herzogs, in den Besitz der Bretagne zu setzen.
Die schon in der Geschichtsschreibung des frühen
16. Jahrhunderts als "unsinniger Krieg" - "insana militia" (französisch
guerre folle) bezeichneten kriegerischen Zusammenstöße endeten
für Ludwig beinahe tödlich.
In der Schlacht bei Saint-Aubin-du-Cormier, einer kleinen Stadt in der
Bretagne, unterlag am 28.7.1488 die schlecht ausgerüstete und ihrem
Gegner auch zahlenmäßig unterlegene Armee der Verbündeten
dem königlichen Heer, das unter dem Oberbefehl des 27-jährigen
Louis II. de La Tremoille, des Grafen von Benon und Guines und Prinzen
von Talmond, stand, der später einer der bedeutendsten und Ludwig
treu ergebenen Heerführer in den italienischen Feldzügen werden
sollte. Ludwig, der in den vergangenen
Jahren militärische Erfahrungen sammeln konnte, fehlte es nicht an
Sachverstand und persönlicher Tapferkeit. Nur die Umsicht von La Tremoille
bewahrte ihn vor dem Tod durch die aufgebrachten Schweizer Landsknechte,
die ihn unter großen eigenen Verlusten schließlich noch mit
der Waffe in der Hand überwältigen konnten.
Ludwig wurde, ohne
dass ihm der Prozeß gemacht wurde, eingekerkert und verbrachte die
nächsten drei Jahre in verschiedenen Gefängnissen unter entwürdigenden
Bedingungen und einem Kerkermeister, der ihn durch schlechte Behandlung
quälte, bis er schließlich nach Bourges in das am sichersten
geltende Verlies des Königreichs kam. Dass er allein unter den Führern
der Opposition auf Dauer gefangengesetzt wurde, zeigt erneut, welche Gefahr
in den Augen der Beaujeu für den König, der noch immer
unter ihrem Einfluß stand, darstellte, dennoch fehlte es bei Hofe
nicht an Fürsprechern für seine Freilassung. Doch dürfte
sie letztlich erst der Intervention seiner ungeliebten Frau Jeanne
zu danken sein. Nach vergeblichen Versuchen bei ihrer Schwester, Anne
de Beaujeu, wandte sie sich direkt an ihren Bruder Karl
VIII. und hatte schließlich Erfolg. Knapp drei Jahre nach
seiner Gefangennahme, am 27.6.1491, entschloß sich
Karl, ohne die Zustimmung von Anne
de Beaujeu einzuholen, Ludwig persönlich
freizulassen, ihn in Gnaden aufzunehmen und wieder in seine angestammten
Rechte einzusetzen.
Anders als seine Schwester Anne,
die dem Herzog ganz offensichtlich feindlich gesinnt war, hegte der König
Ludwig
gegenüber wohl eher freundschaftliche Gefühle. Nicht zuletzt
war es ja auch Ludwig
gewesen, der
ihn bei seiner Krönung zum Ritter geschlagen hatte, ein zweifellos,
gemessen an dem gesellschaftlichem Ehrenkodex, höchst bedeutsames
persönliches Band. Die Befreiung ohne Vorankündigung und ohne
Vorbedingungen und die Versöhnung mit dem König, der von Tours
nach Vierzon geritten war, von wo er den Befehl erteilte, den im nahen
Bourges gefangenen zu ihm zu bringen, dürfte auf Ludwig
wie
ein beglückender Schock gewirkt haben. Das mit großer Bewegung
gefeierte Wiedersehen, wonach der König und der Herzog nachts im selben
Bett schliefen, kann zugleich als doppelter Wendepunkt im Leben
Ludwigs angesehen werden.
Mit der Wiedereinsetzung in seine Güter und dem
Oberbefehl über die Normandie, die ihm anstelle der Ile-de-France
übertragen wurde, gewann er nicht nur seine alte Position als Erster
Prinz von Geblüt zurück, sondern, was er so lange vergeblich
angestrebt hatte, auch der König öffnete sich nun seinem Rat
und Einfluß. Eine Gegenleistung war allerdings zu erbringen, die
er, wenn auch nur sehr widerstrebend, akzeptierte. Alle Versuche, sich
von seiner Frau Jeanne zu trennen,
mußten unterbleiben. Dies bedeutete, so mußte es zumindest
erscheinen, einen endgültigen Verzicht auf eine Heirat mit Anna,
die nun nach dem Tode ihres Vaters, der bald nach der vernichtenden Niederlage
in Saint-Aubin-du-Cormier und einem demütigenden Friedensvertrag gestorben
war, Herzogin der Bretagne geworden war. Dabei ging Ludwig
in seiner neuen Rolle als loyaler Ratgeber seines Königs sogar soweit,
bei Anna als Fürsprecher einzutreten,
als Karl unter doppelter Brüskierung MAXIMILIANS
seinerseits eine Heiratsverbindung mit Anna
anstrebte, um so einen möglichen Gegner an den Grenzen Frankreichs
zu vermeiden und die Bretagne dem Königreich eingliedern zu können.
Denn um Anna zu heiraten, mußte
Karl
die
noch unter seinem Vater beschlossene Heirat mit MAXIMILIANS
Tochter
Margarete, die schon 1483 als Dreijährige nach Frankreich
gekommen war und dort auf ihre zukünftige Stellung als Königin
vorbereitet wurde, widerrufen. Außerdem hatte Anna,
wenn auch unter Bruch der Bestimmungen des Friedensvertrages von 1488,
MAXIMILIAN
die
Ehe versprochen und hatte 1490 zu diesem Zweck mit einem Bevollmächtigten
des deutschen Königs an dessen Stelle das Verlöbnis gefeiert.
Dass
Karl
sich durchsetzte, sollte
zumindest für Ludwig nachteilige
Folgen haben, da Margarete als Regentin
der Niederlande eine nicht unbedeutende Gegnerin Ludwigs
XII. werden sollte. Die Ehe zwischen
Karl VIII. und Anna wurde
im Dezember 1491 gefeiert. Ob Ludwig
hinter der Klausel des Ehevertrags stand, wonach
Anna nach dem Tod des Königs nur dessen Nachfolger oder
den nächsten Thronerben heiraten durfte, sei dahingestellt. Dass
Ludwig noch immer an eine Heirat mit Anna
dachte
und trotz seiner vielen Krankheiten den acht Jahre jüngeren König
zu überleben hoffte, ist zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich,
auch wenn sich an seiner ablehnenden Haltung gegenüber seiner Frau
Jeanne
trotz ihres Eintretens für seine Befreiung nichts geändert hatte.
In dieser Hinsicht war Ludwig
sich
gleichgeblieben. Im übrigen aber - und dies ist die zweite, wichtige
Veränderung in seinem Leben infolge seiner langen Gefangenschaft -
scheint Ludwig in seinem ganzen Wesen
durch diese drei Jahre nachhaltig geprägt worden zu sein. Nicht nur
lenkte ihn die erzwungene Muße auf die Bahn seines gebildeten Vaters
Karl,
der selbst gedichtet, Prosatexte verfaßt und Übersetzungen gemacht
hatte, und ließ ihn zur Lektüre von Froissarts Chroniken, zu
den "Tröstungen durch die Philosophie" von Boethius sowie den Heiligenleben
des Jacobus de Voragine, der "Legenda aurea", greifen, sein ganzes Wesen
schien verändert, die frühere Sorglosigkeit und Leichtfertigkeit
abgelegt. Selbst wenn Turniere, Festivitäten, Verschwendung und Ausschweifungen
und infolgedessen Finanzprobleme auch jetzt in seinem Leben nicht fehlten,
so traten sie doch in den Hintergrund und hinderten ihn zum Beispiel nicht
daran, sich ernsthaft und effizient um die Verwaltung der ihm übertragenen
Normandie zu kümmern. So war es auch seinen umsichtigen Vorsichtsmaßnahmen
zu danken, dass die Engländer von einer wohl in der Normandie geplanten
Landung Abstand nahmen und statt dessen nach Calais übersetzten.
Als die Königin Anna am
11.10.1492 einen gesunden Sohn zur Welt brachte, der auf den Namen Charles-Orland
getauft wurde, schienen Ludwigs Hoffnungen
auf den Thron, so er denn bis dahin solche noch gehegt hatte, in weite
Ferne gerückt zu sein. Der geplante Italienzug Karls,
mit dem der König die auf die Königsfamilie vom Haus
ANJOU übergegangenen Ansprüche auf das Königreich
Neapel durchsetzen wollte, war für Ludwig
die Gelegenheit, so hoffte er wenigstens, seinerseits die Ansprüche
seines Hauses auf das Herzogtum Mailand, das sich in der Hand von Ludovico
Sforza, genannt "il Moro", befand, einzulösen. Durch ein klug eingefädeltes
Bündnis Ludovicos mit Karl VIII.,
den er bei seinem Zug nach Neapel zu unterstützen sich verpflichtete,
wurden solche Pläne jedoch vereitelt. Eine derartige Mehrung seiner
Macht, wie sie der Zugewinn des Herzogtums Mailand für Ludwig
bedeutet hätte, konnte dem König und seinen Beratern nicht wünschenswert
erscheinen. Die Krankheit, die Ludwig
während des Italienzugs an der weiteren Begleitung seines Königs
nach S-Italien hinderte und es ihm erlaubte, in seinem Lehnsbesitz Asti
zu bleiben, dürfte für Ludwig
nicht ungelegen gekommen sein. Denn Karl hatte
ihm statt des erhofften Oberbefehls über das Heer nur den Oberbefehl
über die Flotte übertragen, eine für ihn ungewohnte
und sicherlich nicht als Gunstbeweis zu verstehende Aufgabe. Durch erfolgreiche
Gegenwehr gegen Ludovico Sforza ermutigt, der unter Vertragsbruch Asti,
das einen wichtigen Brückenkopf auf dem Weg von Frankreich nach Italien
bildete, vergeblich gegen den geschickt verteidigenden Ludwig
zu erobern suchte, gelang es Ludwig,
im Handstreich seinerseits beinahe kampflos Novara einzunehmen, wo er von
der Bevölkerung freudig begrüßt wurde. Die Chance, nun
dem von seinen Untertanen nicht geliebten Usurpator Ludovico zu stürzen,
ließ er jedoch ungenutzt verstreichen, so dass es diesem gelang,
Truppen zusammenzustellen und ihn in Novara einzuschließen.
Obwohl Karl VIII.
in Neapel erfolgreich und bei seiner Rückkehr als Sieger aus der Schlacht
bei Forenovo gegen die Truppen der lombardischen Liga am 6.7.1495 hervorgegangen
war, ließ er mehr als einen Monat verstreichen, ehe der dem belagerten
und noch an einem ersten Ausbruch von Syphilis leidenden
Ludwig in seiner mißlichen und zunehmend gefährlicher
werdenden Lage zu Hilfe kam. In der Stadt machten sich die Folgen der Belagerung
immer spürbarer, Krankheiten breiteten sich aus und Stadtbevölkerung
und Truppen litten unter einer gravierenden Hungersnot, da die Lebensmittelvorräte
schnell aufgebraucht waren und außerdem nicht ausreichend Trinkwasser
zur Verfügung stand. Obwohl Karl
schon am 27.7. im nahen Asti eingetroffen war, begann er erst am 8.9.,
seine Truppen gegen Ludovico in Bewegung zu setzen, ohne allerdings dabei
eine große Eile an den Tag zu legen. Erst am 22.9. konnte Ludwig
die Stadt verlassen, nachdem sich Karl
und Ludovico kampflos auf den Abbruch der Belagerung und freien Truppenabzug
geeinigt hatten, wofür der Herzog von Mailand im Gegenzug wieder besetzen
durfte. Dieses Verhalten Karls, das
einem Verrat an Ludwig gleichkam, war
dazu angetan, erneut die beiden Männer zu entzweien, obwohl sich Ludwig
auch in der Folgezeit keine Verfehlungen gegen den König zuschulden
kommen ließ. Zusätzlich trug auch der plötzliche Tod von
Karls einzigen Sohn, der nach kurzer Krankheit im Dezember 1495
starb, zur Entfremdung bei. Nachdem die Königin
Anna in den folgenden Jahren 1496 und 1497 noch zwei Söhne
geboren hatte, die aber beide bald nach der Geburt starben, und Anfang
1498 noch mit einer totgeborenen Tochter niederkam, rückte die Thronfolge
Ludwigs
in immer greifbarere Nähe, zumal auch der Gesundheitszustand des Königs
sich deutlich verschlechterte. Nur durch taktisches Verhalten, wobei er
alles unterließ, was das Königspaar und seine Gegner bei Hofe
gegen ihn hätte aufbringen können, vermied Ludwig
den
erneuten Ausbruch offener Feindseligkeiten und jeglichen Anlaß, der
Sanktionen gegen ihn gerechtfertigt hätte.
Mit dem Tode Karls VIII.,
der am 7. April 1498 starb, war der Weg zum Thron für Ludwig
frei
und damit auch zur Verwirklichung seiner weiteren Ziele, die er seit mehr
als zwei Jahrzehnten vor Augen hatte: die Trennung von seiner mißgestalteten
und ungeliebten Frau Jeanne
sowie die
Rückeroberung des Herzogtums Mailand, als dessen rechtmäßigen
Herrscher er sich betrachtete. Schließlich waren auf ihn nun auch
die ehemaligen Rechtstitel des Hauses ANJOU
übergegangen, das heißt das Königreich Neapel.
Der König
Die Nachricht vom Tod des Königs in Amboise erreichte
Ludwig
im nahen Blois. Sein Anspruch auf den Thron stand zweifelfrei fest. Keiner
machte ernsthafte Anstrengungen, ihn zu bestreiten. Im Gegenteil: viele,
die vorher gegen ihn gearbeitet hatten, beeilten sich, ihm ihre Ergebenheit
zu versichern. Andere, die mit Recht erwarten konnten, im politischen Abseits
zu verschwinden oder noch Schlimmeres zu befürchten hatten, gewann
er durch großzügigen Gesten und machte sie so zu verläßlichen
Stützen seiner Herrschaft - so etwa Louis de La Tremoille, seinen
Bezwinger in Saint-Aubin-du-Cornier, was seine dreijährige Kerkerhaft
zur Folge gehabt hatte, oder Anne
und
Pierre
de Beaujeu, denen der Verlust ihres Lehensfürstentums,
des Bourbonnais drohte, da ein männlicher Erbe fehlte. Ihnen gestattete
er, ihre Tochter als Erbin einsetzen zu dürfen. Auch der königliche
Rat erfuhr keine einschneidenden Veränderungen, selbst wenn sein Schwager,
Jean de Foix, der Mann seiner Schwester Maria,
in der Rangfolge an die Spitze rückte. Diese Politik, über die
Ludwig
gesagt haben soll, "der König von Frankreich hat das dem Herzog von
Orleans angetane Unrecht vergessen", gestaltete den Thronwechsel von der
Hauptlinie
der VALOIS auf die Nebenlinie
Orleansreibungslos.
Schon in den letzten Jahren König
Karls VIII., nach dem Tode des Thronfolgers
Charles-Orland, als die Wahrscheinlichkeit größer
wurde, dass die Thronfolge ihm zufallen würde, hatte Ludwig
begonnen, sich intensiver auf die Aufgaben vorzubereiten, die auf ihn als
König warten würden, und sich Kenntnisse über das geltende
Recht sowie über die Geschichte und Bewohner des Königreiches
anzueignen. Sein wichtigster Berater war dabei Georges d'Amboise (1460-1510),
dem seine Nähe zu Ludwig schon
1487 Verfolgung und Kerkerhaft eingetragen hatte. Wieder in Gnaden bei
Hofe aufgenommen, war er einer der eifrigsten Fürsprecher des in Bourges
gefangenen Ludwig. Mit Erfolg konnte
er schließlich auch Karl dazu
bewegen, Ludwig im belagerten Novara
zu helfen. Nachdem er mit Unterstützung Ludwigs
eine der reichsten Pfründen Frankreichs, das Erzbistum Rouen, 1493
erhalten hatte, bot die Normandie, wo Ludwig Gouverneur
war, ein erstes gemeinsames Betätigungsfeld für den Herzog und
seinen einflußreichsten Berater, dem Ludwig
1494 auch das Amt seines Stellvertreters ('lieutenant') in der Normandie
übertrug. Angesichts des engen Verhältnisses beider ist kaum
entscheidbar, wann und in welchem Ausmaß in den folgenden Jahren
Georges d'Amboise den König beeinflußte und lenkte, und wann
er sich vernehmlich um die Umsetzung der Wünsche und Beschlüsse
seines Königs bemühte.
Die finanzielle Situation der Krone, die Ludwig
vorfand, war schlecht. Das italienische Abenteuer
Karls VIII. hatte die Kassen geleert. Gleichwohl verzichtete
Ludwig
darauf, was in dieser Situation wohl durchsetzbar gewesen wäre, das
Land mit neuen Steuern zu belasten, sondern gewährte sogar noch eine
Reduzierung von 200.000 Pfund.
Es war sicher nicht der Ausdruck eines geschickten politischen
Kalküls, sondern auch eines ehrlichen Gefühls, wenn die von ihm
angeordneten Feierlichkeiten zum Begräbnis Karls
VIII. äußerst aufwendig und prunkvoll gestaltet und
geradezu als Modell für die letzte Ehrerweisung gegenüber dem
Vorgänger gerühmt wurden. Vollends zu seinen Gunsten mußte
für ihn einnehmen, dass er mit den Kosten nicht, was rechtens gewesen
wäre, die ohnehin leeren Staatskassen belastete, sondern selbst aus
eigenen Mitteln dafür aufkam. Auch für die Salbung in Reims mit
dem heiligen Öl am 27.5.1498, die Krönungsfeierlichkeiten und
schließlich den Einzug in Paris am 2.7. ließ er im Bruch mit
der Tradition keine zusätzlichen Steuern erheben. Seinem Vorgänger
zum Beispiel hatten die Generalstände von 1484 noch 300.000 Pfund
zu diesem Zweck als "don de joyeux avenement" bewilligt. Unter den Teilnehmern
an diesen Feierlichkeiten fehlte nur eine Person, die Frau des Königs,
Jeanne
de France. Ihr Fehlen machte deutlich, was kommen würde.
Ohne Zeit zu verlieren ging Ludwig
nun
daran, sein nächstes Ziel zu erreichen, die Trennung von seiner Frau.
Sie schien in doppelter Hinsicht auch staatspolitisch erforderlich zu sein.
Zum einen war es im Interesse einer reibungslosen Thronfolge sicherlich
von Vorteil, wenn die Krone vom Vater auf den Sohn übergehen konnte,
weshalb Ludwig an einer Ehe, aus der
Kinder hervorgehen konnten, interessiert sein mußte - ganz abgesehen
von seiner unüberwindlichen Abneigung gegen seine Frau. Zum anderen
aber galt es, durch eine Verheiratung des Königs mit der Königin-Witwe
Anna, zu der Anna vertraglich
auch verpflichtet war, den drohenden Verlust des Herzogtums Bretagne abzuwehren.
Denn schon war Anna in die Bretagne
zurückgekehrt und hatte begonnen, dort wieder ihre Stellung als Souverän
einzunehmen.
Sollte zumindest dem Anschein nach den geltenden Gesetzen
Genüge getan werden, war der einzig gangbare Weg nur die Annullierung
der Ehe durch den Papst. Gegen diese unheilige Allianz des Königs
mit dem skrupellosen Papst aus dem Hause Borgia, Alexander VI. (1492-1503),
der hier die Chance sah, sich eine Entscheidung zugunsten des Königs
reichlich entgelten zu lassen, blieb der unglücklichen Jeanne
kaum
eine realistische Chance auf den Erhalt ihrer Ehe. Gleichwohl widerstand
sie ersten Angeboten des Königs zu einer einvernehmlichen Trennung
und setzte sich auch im Prozeß unerwartet heftig zur Wehr. Alle vom
Papst angeführten möglichen Ehehindernisse erklärte sie
als in ihrem Fall unzutreffend und bestätigte unter Eid, dass die
Ehe vollzogen worden war. Der Ausgang des am 10.8.1498 eröffneten
Prozesses war absehbar. Die Zusammensetzung des Gerichts mit den drei vom
Papst ausgewählten Richtern, dem Vorsitzenden, dem Kardinal und Bischof
von Le Mans, Philippe de Luxembourg, schon auf den Generalständen
in Tours einer der hochrangigen Interessenvertreter Ludwigs
von Orleans, dann dem Bruder von Ludwigs
engstem Berater, Georges d'Amboise, dem Bischof, Louis d'Amboise, sowie
einem weiteren, dem Papst ergebenen Bischof ließen an dem Ausgang
des Prozesses keinen Zweifel. Nachdem der König schließlich
unter Eid die Aussagen seiner Frau zum Vollzug ihrer Ehe geleugnet hatte,
wurde am 17.12. 1498 vom Gericht die Annullierung der Ehe verkündet.
Um Jeanne gleichwohl ein standesgemäßes
Leben und Einkommen zu sichern, verlieh ihr Ludwig
das Herzogtum Berry zum Lehen. In Bourges, wo sie in der Folgezeit lebte,
gründete sie den Orden der Annuntiatinnen (1501), in den sie dann
auch eintrat und wo sie kurz vor ihrem Tode das Ordensgelübde ablegte.
Gegenleistungen Ludwigs
an den Papst waren die Übergabe der Grafschaft Valentinois und Diois
(August 1498) - die einige Monate später zum Herzogtum erhoben wurde
(April 1499) - an den Sohn des Papstes, Cesare Borgia, dessen Verheiratung
mit Charlotte d'Albret und schließlich seine Ernennung zum Ritter
des Michaelsordens sowie als höchste Auszeichnung die Adoption durch
den König mit dem Recht, als Mitglied der königlichen Familie
den Namen "de France" tragen zu dürfen und die drei goldenen königlichen
Lilien im Wappen zu führen. Georges d'Ambois, der maßgeblichen
Anteil am Prozeß und an den Verhandlungen mit dem Papst hatte, wurde
zum Kardinal ernannt. 1501 wurde er päpstlicher Legat in Frankreich,
was ihn zur höchsten kirchlichen Autorität im Lande machte. Nachdem
schließlich der Papst auch den nötigen Ehedispens für die
Heirat von Ludwig und Anna,
die wegen ihrer engen Verwandtschaft nach dem kanonischen Recht verboten
war - im Falle der Annullierung der Ehe mit Jeanne
war die enge Verwandtschaft als eines der Ehehindernisse angeführt
worden! -, schon vor der Annullierung der ersten Ehe mit dem neuen König
grundsätzlich vorlag, das heißt nach einer Annullierung der
Ehe des Königs, stand dieser Ehe nichts mehr im Wege. Schon am 8.1.1499
wurde die Hochzeit gefeiert. In einem ausführlichen Ehevertrag war
festgelegt worden, dass Anna weiterhin
allein die Herrschaft der Bretagne, verbunden mit allen Einkünften,
innehaben würde und nach ihrem Tod durch eine detaillierte Erbschaftsregelung
die Unabhängigkeit der Bretagne vom Königreich gewahrt bliebe.
Die Zustimmung der bretonischen Stände gewann der König durch
die Zusicherung, ihre angestammten Rechte nicht anzutasten. Ganz wie bei
der Beerdigung Karls VIII. und wie
bei seiner Krönung verstand Ludwig es
auch dieses Mal, aus diesem Ereignis Kapital zu schlagen. Nicht nur verzichtete
er auf die ihm zustehende Bezahlung der Hochzeitsfeierlichkeiten aus Steuermitteln,
sondern er verfügte aus diesem Anlaß noch eine einmalige Reduzierung
der Steuerbelastung um 10 Prozent und ließ die schon voreilig von
übereifrigen Amtsträgern eingezogenen Summen wieder zurückzahlen.
Zudem wartete er bis zum Jahre 1504, ehe er mit Rücksicht auf einen
öffentlichen Skandal, den trotz aller gerichtlichen Absicherungen
die Annullierung seiner ersten Ehe hervorgerufen hatte, Anna
zur Königin krönen zu lassen.
Zwar gebar Anna in
dieser Ehe noch einmal vier Kinder, doch überlebten nur die beiden
Töchter Claude (* 15.10.1499)
und Renee (* 15.10.1510), während
von den beiden 1503 und 1512 geborenen Söhnen der eine nur wenige
Stunden seine Geburt überlebte und der andere tot geboren wurde. Mit
dieser Ehe ging auch eine Veränderung im Lebenswandel des Königs
einher, der nun seinen zahlreichen Liebschaften zu entsagen schien. Ob
dies mehr aus Liebe zu seiner Frau geschah oder ob auch die körperliche
Verfassung des Königs, der, von vielen Krankheiten gezeichnet, in
der zeitgenössischen Chronistik als "altersschwach" beschrieben wird,
dafür verantwortlich war, sei dahingestellt. Insgesamt scheint die
Ehe, folgt man der Überlieferung, relativ harmonisch gewesen zu sein,
wenn auch Zerwürfnisse nicht ausblieben.
Anlaß boten vor allem zwei Vorhaben Ludwigs:
1. die Ehe ihrer gemeinsamen Tochter Claude
mit
Ludwigs
Neffen (2. Grades) und Mündel,
Franz von
Angouleme, der, sollte Ludwig XII.
ohne
männlichen Erben sterben, der erste Anwärter auf den Thron war
2. die Wiederaufnahme der Italienpolitik, die
schon bei Karl VIII. auf den Widerstand
Annas
gestoßen war
Ludwigs erstes Regierungsjahr,
bevor am 18.7.1499 französische Truppen ins Herzogtum Mailand einmarschierten,
stand neben der Regelung seiner Eheangelegenheiten auch im Zeichen grundlegender
innenpolitischer Maßnahmen, die vom König wohl aus dem richtigen
Bemühen heraus eingeleitet wurden, dass ein stabiles, wirtschaftlich
florierendes Frankreich, in dem Recht und Ordnung herrschten, die notwendige
und verläßliche Basis für seine außenpolitische Ambitionen
darstellte. So fallen in diese Zeit - wie auch in die folgenden Jahre -
ein Reihe von Maßnahmen, die, wenn auch kaum ein strukturiertes Gesamtkonzept,
so doch den Willen zu grundlegenden Verbesserungen und Reformen im Bereich
von Recht und Verwaltung sowie von Finanzen und Wirtschaft erkennen lassen.
Ohne im allgemeinen grundlegende neue Ideen zu entwickeln wurden hierbei
zum Teil schon unter Karl VIII. begonnene
Ansätze weitergeführt, erweitert oder intensiver vorangetrieben.
Im Juli 1498 wurde der schon von Karl VIII.
konzipierte "Grand Conseil", als oberster Gerichtshof mit 20 Mitgliedern,
10 Geistlichen und 10 Laien, mit außerordentlichen Kompetenzen eingerichtet.
Alle auf Befehl des Königs den zuständigen Gerichten entzogene
Fälle wurden ihm zugewiesen. Ein solcher Fall war zum Beispiel die
Verfolgung sogenannter Waldenser im Dauphine durch den Erzbischof von Ambrun,
die schon bald nach seiner Einrichtung dem "Grand Conseil" vorgelegt wurde,
und nach langer Untersuchung mit einem Freispruch der beschuldigten "Waldenser"
endet. Die Zahl der Parlamente, der regionalen obersten Gerichtshöfe,
wurde um den Echiquier der Normandie in Rouen (1499) und das Parlament
der Provence in Aix (1501) auf sieben erweitert. Die großen, in Anschluß
an die Beratung in einer Notabelnversammlung erlassene Ordonnanz mit 162
Artikeln zu "justice et police" des Königreichs vom März 1499
griff viele der Reformanliegen wieder auf, die 15 Jahre zuvor als Forderungen
der Generalstände an den König formuliert worden waren, ohne
jedoch trotz der Zustimmung Karls und
seines Rats in den meisten Fällen tatsächlich umgesetzt worden
zu sein. Weniger und besser qualifizierte Amtsträger, wobei zum ersten
Mal bestimmte Universitätsgrade als Mindestqualifikation für
den Richter und andere hohe Ämter festgelegt wurden, sollten die Effizienz
von Justiz und Verwaltung stärken, die Kosten des teuren Apparates
senken und damit zur steuerlichen Entlastung führen und schließlich
auch eine schnellere Rechtsprechung ermöglichen. Auch wichtige Detailfragen
wurden hier geregelt, wie etwa die Befragung von Angeklagten unter Folter,
was in der Vergangenheit Anlaß zu Willkür und Mißbrauch
gewesen war. Eines der strukturellen Hemmnisse bei der Rekrutierung geeigneter
Amtsträger war die Ämterkäuflichkeit. Ihr verbot wurde erneuert.
Wieweit der König sich mit diesen Vorschriften durchzusetzen vermochte
- die Ordonnanz wurde erst 1512 vom Pariser Parlament akzeptiert und registriert
- ist fraglich. Einiges wurde in späteren Ordonnanzen wieder aufgegriffen.
Vor allem aber in Fragen der Käuflichkeit und des Amtserwerbs durchbrach
der König selbst die von ihm gesetzten Vorschriften, indem er zum
Beispiel fortfuhr, hohe Amtsträger zu ernennen, anstatt sie, wie vorgeschrieben,
wählen zu lassen. So blieb die Erlangung von Ämtern über
Geld, Beziehungen und Verwandtschaft ein gängiger Weg, der nicht unbedingt
jeweils die Geeignetsten in die richtigen Positionen brachte.
Noch ins Jahr 1498 fallen die wohl besonders von George
d'Amboise angestrengten Bemühungen zu Reformen im Mönchtum
und in der Universität. Falsche Studenten, die ohne zu studieren aus
ihrem privilegierten geistlichen Stand Nutzen zogen, sollten ebenso ihren
Sonderstatus verlieren wie Studierende, die über die für einzelne
Studien festgelegten Zeiten studierten und sich folglich nicht länger
den für sie zuständigen ordentlichen Gerichten entziehen können
sollten. Die für das Generalkapitel der Prämonstratenser ausgestellte
Ordonnanz - in den folgenden Jahren wurden noch andere Orden mit Reformen
konfrontiert - verpflichtete den Orden zur Einhaltung seiner Regeln, nachdem
üppiges Leben, Umgang mit Frauen und andere Mißstände offensichtlich
weite Verbreitung gefunden hatten. In beiden Fällen bedurfte es der
ganzen Autorität des Königs, den massiven Widerstand von seiten
der betroffenen Institutionen und ihrer Mitglieder zu brechen.
Eine dichte Serie von königlichen Ordonnanzen dieser
ersten Regierungsjahre betraf Fragen der Wirtschaft und der Finanzen. Ordonnanzen
zum Geldumlauf, zur Münzprägung, zur Besteuerung, zu Zöllen,
zum Handel und anderen zeugen von dem Bemühen, durch Vereinheitlichung,
klarere Vorschriften und Straffung der Verfahrensabläufe den Reichtum
des Landes und seiner Bewohner zu mehren. So führte, wie Claude de
Seyssel in seinem "Lob auf König Ludwig XII." (1508) ausführte,
die Zunahme der Bevölkerung nicht zur Verarmung, sondern zu einem
Wachstum an Gütern, Einkünften und Reichtum.
Zu den obrigkeitlichen Bemühungen um Systematisierung,
Rationalisierung und Vereinheitlichung, die schon vielfach unter Ludwig
XI. eingesetzt hatten, ohne jedoch zum Erfolg zu kommen, gehörte
auch die Kodifizierung des außerhalb des Geltungsbereichs des - im
Süden Frankreichs geltenden - römischen Rechts angewandten Gewohnheitsrechts.
Auch hier scheint der Kardinal von Amboise die treibende Kraft gewesen
zu sein. Jedenfalls war er bei der Verabschiedung der Coutumes von Tours
durch die drei Stände, die 1505 erfolgte, als Zeuge beteiligt. Wenn
es auch nicht gelang, während der Regierungszeit Ludwigs
dieses
große Unternehmen, das allein schon durch sein Verfahren kompliziert
war, da die Vertreter der drei Stände sich auf einen Text einigen
mußten, zum Abschluß zu bringen, so wurden doch wesentliche
Fortschritte erzielt. Das Corpus von 9 Kodifizierungen seit der Ordonnanz
Karls
VIII. vom Januar 1499 bis zu
Karls
Tod
wurde bis zum Ende der Herrschaft
Ludwigs
um
25 erweitert.
Als Ergebnis dieser Politik erlebte Frankreich eine Periode
innerer Ruhe und wirtschaftlicher Konsolidierung. In vielen Bereichen läßt
sich sogar auch ein ökonomischer Aufschwung feststellen. Dabei ist
nicht auszumachen, inwieweit Frankreich ganz allgemein von der günstigen
Gesamtentwicklung Europas an der Wende zum 16. Jahrhundert profitierte
und inwieweit die geschilderten und andere Maßnahmen der Regierung
Ludwigs
diesen
Aufschwung bedingten. Festzuhalten ist, dass es während der gesamten
Regierungszeit gelang, die jährliche Steuerlast etwa auf einer Höhe
von 1.500.000 Pfund festzuschreiben, was im Vergleich mit Ludwigs beiden
Vorgängern, unter denen die Steuerlasten ständig angestiegen
waren, eine von der Bevölkerung nicht zu Unrecht geschätzte Leistung
war. Die Verbesserung des Straßennetzes kam dem Handel zugute, der
Warenaustausch weitete sich aus. Der Produktanbau in der Landwirtschaft
diversifizierte sich, das Gewerbe florierte.
Der Regierungsstil Ludwigs
unterschied sich allerdings nicht von dem seiner Vorgänger. Er, der
1483 beim Regierungsantritt Karls die Einberufung der Generalstände
gefordert hatte, der in seiner großen Ordonnanz von 1499 sich ausdrücklich
auf die Generalstände berief, vermied es, während seiner Herrschaft
zu diesem Instrument der Befragung und Mitsprache seines Volkes zu greifen.
Anstelle der Generalstände begnügte er sich mit Notabelnversammlungen
oder ständischen Versammlungen mit begrenztem Teilnehmerkreis. Zusammen
mit wenigen engen Beratern leitete er die Regierungsgeschäfte. Neben
George d'Amboise waren dies vor allem der Marschall von Gie, Pierre de
Rohan, der vor allem die Reform des Militärwesens betrieb, eine wichtige
Voraussetzung für Ludwigs Erfolge
in Italien, bis er 1504 in Ungnade fiel. Vor allem sein Eintreten für
Franz von Angouleme, den noch unmündigen möglichen Thronfolger,
solange der König keinen Sohn hatte, dessen Obhut ihm vom König
anvertraut worden war, zog dem Marschall die Feindschaft der Königin
zu. Hinzu kamen Rivilitäten mit Georges d'Amboise, dessen Einfluß
auf den König ebenfalls durch den vor allem innenpolitische sehr tätigen
Marschall geschmälert wurde. Unter den mit Abstand am häufigsten
nachgewiesenen Teilnehmern an den Sitzungen des königlichen Rats figurierten
diese beiden Männer zusammen mit dem Bruder von Georges d'Amboise,
dem Bischof von Albi, Louis d'Amboise (gestorben 1530), sogar noch der
vor dem Kanzler, Guy de Rochefort, den Ludwig
aus den Diensten seines Vorgängers übernommen hatte. Besonders
nach dem Tode von George d'Amboise (1510) schlug die Stunde des Mannes,
der schon vom Sturz des Marschalls profitiert hatte, als dieser nach dem
Ende seines Prozesses (1506), in dem er von den wesentlichen Punkten der
Anklage freigesprochen worden war, für immer den Hof verließ:
Florimond Robertet, Notar der Königin Anna,
Karls
VIII. und schließlich Ludwigs
XII., bevor er nach dessen Tod in den Dienst von Franz
I. wechselte.
Wesentlich ereignisreicher, wenn auch nicht gerade ergebnisreicher
- nimmt man die gesamte Regierungszeit Ludwigs
in den Blick - war die Außenpolitik. Hier lag das eigentliche Interesse
Ludwigs.
Sie hat auch in der Geschichte das Bild dieses Königs geprägt.
Trotz dieser Interessen konnte jedoch vermieden werden, dass das Königreich
selbst unmittelbar in den Sog der kriegerischen Ereignisse geriet. Das
Land selbst blieb vom Krieg verschont, auch wenn der Blutzoll der französischen
Truppen in Italien hoch war und die Liste der Adelsfamilien, aus denen
einzelne oder mehrere Mitglieder auf den italienischen Schlachtfeldern
den Tod fanden, lang ist. Das Königreich blieb auch weitgehend von
den Kosten dieser Kriege entlastet, da die Mittel des reichen Herzogtums
Mailand ausreichten, die teuere Kriegsführung und Truppenbeschaffung
zu bezahlen.
Nachdem Ludwig seine
innenpolitischen Ziele erreicht hatte und die ihm am wichtigsten erscheinenden
Maßnahmen zur Neuordnung des Königreichs eingeleitet waren,
konnte er, dieses Mal mit der ganzen Machtfülle des französischen
Königtums ausgestattet, endlich das Vorhaben in Angriff nehmen, das
dem Herzog von Orleans wieder seinen rechtmäßig ererbten Besitz
zuführen würde, die Wiedereroberung Mailands und die Vertreibung
von Ludovico Sforza. Als am 18.7.1499 französische Truppen ins Herzogtum
einmarschierten, hatte Ludwig in den
vorausgegangenen 15 Monaten seit seinem Regierungsantritt die notwendigen
diplomatischen Schritte unternommen, um diesem Kriegszug zum Erfolg zu
verhelfen. Veränderungen in der politischen Landschaft Italiens konnten
kaum einer europäischen Macht gleichgültig sein, zumal wenn das
französische Königtum durch Gebietszuwachs in Italien eine Ausdehnung
seiner Macht erfahren sollte. Unmittelbar betroffen waren in Italien selbst
das Papsttum mit seinen Ansprüchen, auch als Territorialstaat aufzutreten,
und Venedig, das sein eigenes Herrschaftsgebiet sowohl auf Kosten Mailands
als auch des Papstes zu erweitern trachtete. Venedig bot sich mithin als
Bündnispartner für Frankreich an. Die Schweiz als "Anrainerstaat"
war in doppelter Hinsicht insolviert. Zum einen kämpften Schweizer
Söldner trotz der vielen Anwerbeverbote in fast allen europäischen
Heeren, zum Beispiel bei den Franzosen, bei Ludovico Sforza, in den Truppen
des Papstes oder MAXIMILIANS, und zum
anderen bestanden Gebietsansprüche beziehungsweise Annexionswünsche
auf das Tessin mit Locarno und Bellinzona. Der Kaiser als oberster Lehnsherr
Mailands war in der Person MAXIMILIANS
auch persönlich vom Angriff Ludwigs
auf Lucovico Sforza betroffen. Er hatte 1494 Bianca
Sforza, die Nichte Ludovicos, geheiratet. Völlig unerwartet
und für Ludovico sehr gelegen - ganz offen wurde vermutet, dass er
für diesen Tod verantwortlich war - starb wenige Monate nach MAXIMILIANS
Hochzeit Biancas Bruder Giovanni-Galeazzo,
als dessen Vormund Ludovico fungiert hatte, der eigentlich der rechtmäßige
SFORZA-Erbe des Mailänder Herzogtums war - wenn man den SFORZA überhaupt
Erbansprüche zugestehen wollte, was Ludwig
XII. natürlich nicht tat. Mit der Belehnung durch den Kaiser,
die sich unmittelbar anschloß, war Ludovico nun auch rechtlich unangreifbar
zum Herzog von Mailand geworden - de facto war er es schon während
seiner Vormundschaft gewesen. Die fünf, von jedem Italienkonflikt
tangierte Macht schließlich waren die spanischen Königreiche
Kastilien, Katalonien und Aragon, die seit der Heirat Isabellas
von Kastilien mit Ferdinand von Aragon
1469 in Personalunion vereint waren. Mit MAXIMILIAN
hatten sie über die Doppelhochzeit ihrer Kinder 1496 ein Bündnis
geschlossen. Der spanische Erbprinz Johann wurde
mit Margarete von Österreich,
der ehemaligen Braut Karls VIII., und
die Tochter Johanna, die später
gemütskrank wurde und den Beinamen "die Wahnsinnige" erhielt,
mit Philipp dem Schönen verheiratet.
Margarete und Philipp stammten
aus der ersten Ehe MAXIMILIANS mit
der früh verstorbenen Maria von Burgund (1457-1482),
der einzigen Tochter und Erbin des Burgunder-Herzogs
Karls des Kühnen. Ihnen fiel das burgundische Erbe ihrer
Mutter zu. Diese Doppelhochzeit zielte jedoch keineswegs auf eine dynastische
Verschmelzung der HABSBURGER mit den
"katholischen Königen", wie Ferdinand
und Isabella vom Papst nach dem erfolgreichen
Abschluß der Reconquista, der Eroberung Granadas, der letzten islamischen
Herrschaft in Spanien, genannt wurden, und auch nicht auf eine Vereinigung
der spanischen Königreiche mit dem Reich. Wohl niemand hätte
vorhergesagt, dass KARL, dem Sohn Philipps
und
Johannas, dem späteren
KARL V.,
beide Reiche zufallen sollten: Der spanische Thronfolger
Johann starb fünf Monate nach seiner Hochzeit mit Margarete.
Isabella
und Ferdinand blieben ohne weitere
Erben, so dass die Erbansprüche ihrer Tochter
Johanna aufgrund ihrer Krankheit zuerst auf ihren Vater Ferdinand
und dann, nach dessen Tod (1516) - Isabella
war schon 1504 gestorben -, auf ihren Sohn KARL(*
1500) überging. Da KARLS
Vater, Philipp der Schöne, 1506
lange vor seinem Vater MAXIMILIAN starb,
fiel KARL 1519 beim Tod seines Großvaters
MAXIMILIAN
auch das habsburgische
Erbe zu. Die
letzte Macht, die, wenn auch nicht direkt betroffen, da ohne italienische
Interessen, so doch auf dem Hintergrund des Hundertjährigen Krieges
als potentieller Feind Frankreich und Verbündeter seiner Gegner anzusehen
war, war England unter den TUDOR-Königen
Heinrich VII. (1485-1509) und Heinrich
VIII. (1509-1547).
Unter den einzelnen Schritten, die Ludwigs
Italienzug absichern sollten, ist vor allem die Erneuerung des Vertrages
von Etaples (1492) mit Heinrich VII. (1498)
zu nennen, der Frankreich den Rücken freimachen sollte. Wichtiger
jedoch war es, wenn möglich, die Zustimmung des als Lehnsherrn Mailands
unmittelbar betroffenen Königs MAXIMILIAN
zu
gewinnen. Nach einem fehlgeschlagenen Kriegszug MAXIMILIANS
gegen das französische Burgund, auf das der deutsche König Anspruch
erhob, schien seine Situation so geschwächt, dass von ihm kein militärisches
Eingreifen zu befürchten war. Der Vorstoß gegen Burgund war
gescheitert, nachdem die angemieteten Söldner das Heer verlassen hatten,
so dass es gar nicht zu einer militärischen Konfrontation mit französischen
Truppen kam. Außerdem hatte Ludwig
sich noch mit einem klassischen Mittel der Diplomatie gegen den deutschen
König abzusichern versucht, indem er ein Bündnis mit den Mächten
im Rücken des Gegners abschloß. Wie im Falle Englands, dessen
Neutralität sich Ludwig zusätzlich
noch durch ein Bündnis mit König Jakob
IV. von Schottland zu versichern suchte, schloß Ludwig
im Juli 1498 ein Bündnis mit König Hans
von Dänemark ab. Wichtiger war zweifellos aber die Einigung
mit MAXIMILIANS Sohn Philipp,
der zur gleichen Zeit Ludwig als seinen
Lehnsherrn für Flandern, das Artois und das Charolais den Lehnseid
leistete. Auch mit den spanischen Königen war es zu einer vertraglichen
Einigung gekommen (Juli 1498), wobei man sich nicht nur gegenseitiger Freundschaft
versicherte, sondern sogar auch bei Angriffen vertragliche Hilfe versprach.
Während all diese Abmachungen und Verträge im Ernstfall zu wenig
verpflichteten, war Ludwig darüber
hinaus auf konkrete Hilfe angewiesen. In langwierigen Verhandlungen mit
Venedig gelang es schließlich im Vertrag von Blois am 9.2.1499, sich
mit der Republik auf eine gemeinsames militärisches Vorgehen gegen
Mailand zu einigen.
Nachdem die Franzosen einige Wochen später die Schweiz
hatten dazu überreden können, Schweizer Landsknechte für
das französische Heer anwerben zu lassen, der Papst und vor allem
sein Sohn, die ebenfalls auf Landgewinn in Italien aus waren, ohnehin zu
den Verbündeten der Franzosen zählten, war Ludovico Sforza nicht
nur politisch isoliert, sondern auch militärisch, da er ohnehin kein
großer Heerführer war, gegen den gemeinsamen französisch-italienischen
Angriff ohne Chance. Den Oberbefehl über die französischen Truppen
erhielt Gian Giacomo Trivulzio, ein von Ludovico exilierter Mailänder,
der schon 1495 erfolgreich Asti, wo sich auch Ludwig
aufhielt,
gegen Ludovico verteidigt hatte.
Ohne auf großen Widerstand zu treffen, wurde Mailand
knapp zwei Monate nach dem Einmarsch ins Herzogtum eingenommen. Ludovico
hatte sich nach Deutschland geflüchtet. Als es ihm zu Anfang des folgenden
Jahres mit deutschen und schweizerischen Söldnern gelang, Mailand
und Novara wieder einzunehmen, stellte Ludwig
ihm Georges d'Amboise als Gesamtverantwortlichen für die italienische
Kriegsführung und La Tremoille als militärischen Oberbefehlshaber
entgegen. Als sich in Novara die Heere gegenüberstanden, befanden
sich auf beiden Seiten Schweizer Landsknechte. Gegeneinander wollten sie
nicht kämpfen, so dass es La Tremoille schließlich gelang, den
von seinen Truppen verlassenen Ludovico am 8.4.1500 gefangenzunehmen. Der
Gefangene wurde nach Frankreich gebracht, wo er schließlich in Loches
in strenger Kerkerhaft und völliger Vergessenheit wahrscheinlich 1508
starb. In Mailand ließ Ludwig schon
nach der ersten Eroberung am 11.11.1499 eine große Ordonnanz verkünden,
in der ein Militär- und ein Zivilgouverneur sowie ein Senat als oberstes
Entscheidungsgremium eingesetzt wurden. Zwar wurden je 13 Italiener und
Franzosen zu Mitgliedern ernannt, doch konnten sich im Konfliktfall jeweils
die Franzosen durchsetzen. Gleichwohl verblieb dem Herzogtum auf diese
Weise eine gewisse Autonomie. 13 Jahre sollte es dauern, ehe Ludwig
Mailand wieder verlieren sollte.
Um allerdings die tatsächliche Inbesitznahmen des
Herzogtums auch rechtlich zu untermauern, bedurfte es noch der Belehnung
durch den deutschen Kaiser, denn Ludovico war, obgleich gefangengenommen,
der vom Kaiser eingesetzte Herzog von Mailand.
Die Situation zwischen Frankreich und dem Reich war gespannt,
zumal Ludwig auch noch im Juli 1500
einen Vertrag mit Ladislaus, dem König
von Ungarn und Böhmen, und König Johann
I. Albrecht von Polen schloß, der zwar in erster Linie
den gemeinsamen Kampf gegen die Türken zum Ziel hatte und das Reich
als Gegner ausdrücklich ausschloß, aber auch als Einkreisung
des Reichs verstanden werden konnte. Im Gegensatz zu anderen, die wie MAXIMILIAN
häufig vom Kreuzzug redeten, aber kaum etwas unternahmen, war es
Ludwig mit dem Kampf gegen die Türken durchaus ernst, wie
er es schon mit einem ersten, 1499 gescheiterten Feldzug bewiesen hatte.
Das gemeinsame Kreuzzugsinteresse zwischen Ludwig und MAXIMILIAN
schien eine Basis für ein gemeinsames Vorgehen zu bieten. Vielleicht
hegte Ludwig bei den Vorbereitungen
seines zweiten Türkenzuges, der ihm und Anna
ein wirkliches Anliegen war, so dass sie auch bereit waren, ihm mit den
Großeinsatz von Schiffen und Truppen zum Erfolg zu verhelfen, den
Wunsch, sich über einen Kreuzzug mit MAXIMILIAN
zu verständigen. Die Situation schien günstig zu sein. Im August
1500 wurde ein sechsmonatiger Waffenstillstand zwischen Ludwig
und MAXIMILIAN vereinbart, der danach
noch bis Ende 1502 verlängert wurde. Obwohl alle Herrscher des christlichen
Europas sich verbal dem Kreuzzugsunternehmen angeschlossen hatten, blieb
praktische Hilfe aus. Als 1501 die französische Flotte die türkische
Festung auf Lesbos einzunehmen suchte, kämpften lediglich die Genueser
an ihrer Seite. Venedig hielt sich ebenso zurück wie die Johanniter,
die Unterstützung zugesagt hatten. Damit war der Kreuzzug gescheitert.
Die Flotte mußte sich zurückziehen und wurde auf der Rückfahrt
durch Stürme fast völlig aufgerieben. Auch Philipp von Ravenstein,
der Bruder von Ludwigs Mutter, dem
der König den Oberbefehl über die Flotte übertragen hatte,
entging nur mit knapper Not dem Tod.
Trotz all dieser diplomatischen und militärischen
Aktivitäten verlor Ludwig jedoch
nicht sein zweites italienisches Ziel aus den Augen, nämlich das Königreich
Neapel, das schon Karl VIII. erobert,
aber wenig später wieder verloren hatte, zurückzugewinnen. Ob
das Königreich Neapel Ludwig ebenso
wichtig war wie seinerzeit Karl, den
er ja nicht nach Neapel begleitet hatte, oder ob hier seine Berater stärker
engagiert waren als der König selbst, sei dahingestellt. Zweifellos
war ihm Mailand, das er als sein Hauserbe betrachtete, wichtiger als das
Königserbe Neapel. Dies mag auch erklären, dass er sich mit dem
Verlust Neapels schnell abfinden sollte. Da Ludwig
wußte,
dass eine Eroberung des Königreichs Neapel eine Verletzung spanischer
Interessen bedeutete und wohl auch, weil er einen Verbündeten suchte,
schloß er mit König Ferdinand von Aragon
in
Granada am 11.11.1500 einen Geheimvertrag, indem sie eine gemeinsame Eroberung
verabredeten und die Teilung des eroberten Landes vereinbarten. An Frankreich
sollte mit Neapel und Gaeta der Norden fallen, während der Süden
mit Sizilien unter spanische Herrschaft gestellt werden sollte. Vor dem
gemeinsamen Vorgehen der Spanier und Franzosen mußte
Friedrich
von Neapel, der versuchte, die Städte gegen die Eindringlinge
zu halten, schnell kapitulieren. Nach dem Fall Gaetas und Capuas ergab
er sich dem französischen Heerführer in Neapel und zog es vor,
nach Frankreich zu Ludwig
zu gehen
und nicht zu seinem engen Verwandten Ferdinand
nach Spanien. Gegen eine hohe Pension von 50.000 Pfund, die ihm Ludwig
aussetzte, und die Übertragung der Grafschaft Maine stimmte Friedrich
im
Mai 1502 den Regelungen des Vertrags von Granada zu und verzichtete auf
sein Königreich.
Damit stand Ludwig
am Ziel seiner Wünsche. In nur vier Jahren hatte er seine zentralen
außenpolitischen Ziele verwirklicht, sieht man einmal von der noch
ausstehenden Investitur mit Mailand ab. Die Eroberungen schienen
vertraglich gut abgesichert. Keine der europäischen Mächte drohte,
mit kriegerischen Aktionen gegen Frankreich und seine Eroberungen vorzugehen.
Doch der Schein trog. Ob die Truppen der Eroberer im
Königreich Neapel geplant oder eher zufällig aneinandergerieten,
ist nicht entscheidbar. Jedenfalls entwickelte sich aus gelegentlichen
Zusammenstößen schnell ein regelrechter Krieg. Im Februar 1503
sollte - in einem in die Geschichte eingegangenen Massenkampf zwischen
11 spanischen und 11 französischen Rittern, unter denen sich auch
berühmte Namen wie La Palisse, d'Urfe und vor allem der Ritter Bayard
befanden - vor Trani vor den Augen Tausender von Zuschauern eine Entscheidung
gesucht werden. Ohne Sieger und Besiegte trennte man sich nach langem Kampf.
In den über das ganze Jahr 1503 andauernden Kämpfen mußten
die Franzosen trotz bravouröser Einzeltaten ihrer Anführer, die
aber untereinander ihre Aktionen kaum koordinierten, gegen den spanischen
Großkapitän Gonzalo de Cordoba nach Niederlagen in Cerignola
und Garigliano sich nach Gaeta, ihren letzten an den Grenzen zum Kirchenstaat
gelegenen Stützpunkt zurückziehen. Auf die Dauer war aber auch
Gaeta nicht zu halten. Die Franzosen mußten kapitulieren. In einem
zunächst auf drei Jahre abgeschlossenen Waffenstillstandsvertrag akzeptierte
Ludwig
im März 1504 die Niederlage und den Verlust Neapels. Die Schuldigen
am Desaster fielen in Ungnade und wurden nach Mailand verbannt, allerdings
mit Ausnahme von Georges d'Amboise. Ihn hatte Ludwig
mit der Führung eines starken Entsatzheeres beauftragt, das aber erst
viel zu spät herangeführt wurde.
Inzwischen war auf dem politischen Parkett eine Wende
eingetreten, die sich sehr zum Nachteil der bisherigen Vormachtstelllung
Frankreichs auswirken und alles bisher Erreichte in Frage stellen sollte.
Papst Alexander VI. starb nach langer Krankheit am 18.8.1503. Damit verlor
Ludwig einen wichtigen Bündnispartner. Sein Tod machte
außerdem deutlich, wie stark Einzelpersonen in führenden Positionen
die Machtkonstellation und den Gang der Ereignisse bestimmten. Ein plötzlicher
Tod konnte sehr schnell grundlegende Veränderungen in einem scheinbar
stabil wirkenden System zur Folge haben.
Unter den Anwärtern auf die Nachfolge Alexanders
gab es vor allem einen Mann, dessen Erfolg Ludwig
sicher
den entscheidenden Rückhalt bei der Sicherung seiner italienischen
Herrschaftsgebiete gewährt hätte, Kardinal Georges d'Amboise,
sein langjähriger Berater. Mit einem Heer im Rücken, dem französischen
Entsatzheer für Neapel, einer Mehrheit von Kardinälen auf seiner
Seite - so glaubte er wenigstens - schien sich Georges d'Amboise seiner
Wahl sicher sein zu können. Im Konklave erwiesen sich jedoch die politischen
Gegnerschaften als so dominant, dass es ihm nicht gelang, gegen die gegnerische
Partei, die vor allem aus den deutschen, römischen und spanischen
Kardinälen bestand, sich durchzusetzen. Besonders ein Mann, der als
Freund Frankreichs galt, wo er lange gelebt hatte, dürfte mit ausschlaggebend
für das Scheitern von Georges d'Ambois gewesen sein, Giuliano della
Rovere, der spätere Julius II. Schließlich einigte man sich
auf Pius III., der wegen seiner Krankheit sicher als Interimskandidat zu
gelten hat. Ganz im Stil der Zeit gab Georges 'Ambois gegen die Zusicherung
der Verlängerung seines Amtes als päpstlicher Legat und eines
Kardinalshuts für einen Neffen seine Zustimmung. Sollte er gehofft
haben, nach dem Tod von Pius III. erfolgreicher zu sein, so mußte
er sich bald eines Besseren belehren lassen. Als Pius nach einigen Wochen
starb, einigte sich das Konklave schon nach einem Tag auf Julius II. (1503-1513)
als neuen Papst. Georges d'Amboise wurde mit der Ernennung zum päpstlichen
Legat auf Lebenszeit abgefunden.
Damit war ein Mann gewählt worden, der in den 10
Jahren seines Pontifikats vor allem zwei Ziele verfolgte, Ausbau und Stärkung
des Kirchenstaats, wozu Ludwig unwillentlich
schon durch seine Zugeständnisse und militärische Unterstützung
von Alexander VI. und Cesare Borgia beigetragen hatte, und die Vertreibung
der "Barbaren" aus Italien, womit wohl in erster Linie die Franzosen und
Deutschen gemeint waren. Im Gegensatz zu Ludwig,
dem zur Finanzierung seiner Feldzüge vor allem die Finanzkraft des
reichen Herzogtums Mailand zugutekam, war MAXIMILIAN
in seinem Handeln stark eingeschränkt. Ohne Zustimmung der Reichsstände
war er nicht in der Lage, militärisch mit Aussicht auf Erfolg gegen
den französischen König in Oberitalien vorzugehen. Diese Einsicht
mag ihn bewogen haben, dem Drängen seines Sohnes, Philipps
des Schönen, nachzugeben und mit Ludwig
eine dauerhafte vertragliche Einigung zu suchen. Die Basis dieses Vertrages,
der am 22.9.1504 in Blois geschlossen wurde, sollte wie so oft eine Heiratsverbindung
sein. Gegen die Zusicherung der Investitur mit dem Herzogtum Mailand durch
MAXIMILIAN versprach Ludwig
die Ehe seiner Tochter Claude mit MAXIMILIANS
Enkel KARL. Die Anwartschaft auf das
Herzogtum Mailand, Burgund und die Bretagne sowie weitere Gebiete wurde
dem Paar in Aussicht gestellt. Diese Abmachung, die Frankreich um fast
all das gebracht hätten, was es seit Ludwig
an
territorialem Zugewinn erreicht hatte, ist vielfach in der Forschung als
staatspolitisch desaströs beurteilt worden. Nicht zu Unrecht sah man
dahinter Anna als treibende Kraft,
die dem zu dieser Zeit schwerkranken König das Vertragszugeständnis
abgerungen habe. Ihr war ohnehin nicht an einer Verbindung Frankreichs
mit der Bretagne gelegen, und außerdem schien dieser Vertrag ein
anderes Heiratsprojekt verhindern zu können, gegen das sie sich wohl
aus persönlichen Animositäten heraus Zeit ihres Lebens wandte.
Gemeint ist die Ehe zwischen Claude und
dem Neffen des Königs und möglichen Thronfolger, Franz
von Angouleme. Zwar hatte es schon in den Jahren vor dem Vertragsabschluß
Verhandlungen über eine mögliche Verbindung von KARL
und Claude gegeben, doch standen diese
Verhandlungen einer geheimen Erklärung Ludwigs
entgegen, dass Claude mit
Franz zu verheiraten sei. Aber auch MAXIMILIAN
hatte seine Vorbehalte gegen Ludwig
keineswegs aufgegeben und zögerte immer wieder die zugesicherte Investitur
hinaus, bis er sich schließlich Mitte April des folgenden Jahres
dazu bereit fand.
Eine erneute Annäherung an Spanien bot sich nach
dem Tode von Ferdinands Frau, Isabella
von Kastilien, 1504 an. Im Ehevertrag zwischen
Ferdinand und Germaine von Foix,
der Nichte Ludwigs, übertrug der
König von Frankreich seine Rechte am ohnehin verlorenen Königreich
Neapel auf seine Nichte, wofür ihm der spanische König die gewaltige
Summe von 900.000 Florin zahlte.
Um sich nach der Investitur mit Mailand der Verpflichtung
des Vertrages von Blois zu entledigen, bedurfte es einer etwas aufwendigeren
Inszenierung. Von einer nach Tours im Mai 1506 einberufenen Ständeversammlung
- keine Generalständeversammlung - ließ sich der König
autorisieren, die Abmachungen zur Eheschließung von KARL
und Claude für ungültig zu
erklären und statt dessen Claude mit
Franz
von Angouleme zu verheiraten. Dem deutschen Vertragspartner
wurde dieser Bruch der Abmachungen mit dem Hinweis erklärt, dass ein
älterer Eid des Königs im Interesse der Staatsräson nicht
durch später eingegangene vertragliche Verpflichtungen invalidiert
werden könne.
Versuche der Schadensbegrenzung der französischen
Diplomatie nach diesem Vertragsbruch waren insofern von Erfolg gekrönt,
als es dem Kaiser nicht gelang, gegen Ludwig militärische
Sanktionen einzuleiten, weder in Italien noch in Burgund. Doch bewirkten
personelle Veränderungen im Kreis der Herrschaftsträger eine
Verschiebung der Gewichte zu Lasten Ludwigs.
An die Stelle des eher um Ausgleich bemühten Philipps
des Schönen trat nach seinem plötzlichen Tod seine
Schwester Margarete, die aufgrund ihrer
Vergangenheit keine Freundin Frankreichs war. Als Regentin der Niederlande
und als Vormund ihres Neffen KARL verstand
sie es, eine vom Vater MAXIMILIAN unabhängige
Politik zu betreiben, bei der die Interessen der Niederlande eindeutig
Priorität vor denen des Reiches genossen. Auch der englische Thronwechsel
(1509) von Heinrich VII., zu dem gute
Beziehungen bestanden, zu Heinrich VIII.,
der den Krieg gegen Frankreich wieder aufnahm, verstärkte den Kreis
der Gegner Frankreichs.
Ein Aufstand der Genuesen gegen die französische
Herrschaft im Februar 1507, bei dessen Niederschlagung König
Ferdinand mit vier Galeeren Ludwig
zu
Hilfe kam, verstärkte die Differenzen mit MAXIMILIAN,
da Genua zum Reichsgebiet zählte. Nachdem die Nachricht von der schnellen
Niederschlagung des Aufstandes und dem feierlichen Zusammentreffen
Ludwigs mit König Ferdinand
und seiner französischen Frau in Savona sich verbreitet hatte, glaubte
MAXIMILIAN
vor dem Konstanzer Reichstag (April bis August 1507) vor der Gefahr, die
dem Reich durch Ludwig XII. drohe,
warnen zu können. Der französische König strebe nach der
Kaiserkrone, verkündete er. Ob er selbst daran glaubte, darf bezweifelt
werden. Jedenfalls erhielt er, wenn auch nicht in dem gewünschten
Maße, Hilfe für einen Krönungszug. Da die Grenzsperren
Venedigs und der Franzosen einen weiteren Vormarsch nicht gestatteten,
ließ MAXIMILIAN sich Anfang Februar
1508 in Trient mit Zustimmung des Papstes zum "erwählten römischen
Kaiser" ausrufen. Weiteres militärisches Vorgehen gegen Venedig scheiterte
an dem Mangel an Truppen und Geld.
Die Jahre nach 1506/07 waren gekennzeichnet durch einen
ständigen Wechsel der Allianzen und Bündnisse der verschiedenen
direkte oder indirekt in die Auseinandersetzungen um Italien verwickelten
Parteien. Am Ende sollte Ludwig der große Verlierer sein. Das erste
große Bündnis dieser Jahre, das eine Veränderung der bisherigen
Fronten brachte, war der in Cambrai im Dezember 1508 zwischen MAXIMILIAN
und Ludwig XII. geschlossene Vertrag.
Diese sogenannte Liga von Cambrai, in der außer Ludwig
und MAXIMILIAN noch der Papst und König
Ferdinand sowie die Könige von England und Ungarn zusammengeschlossen
waren, richtete sich gegen Venedig, den alten Verbündeten Frankreichs,
dessen Machtzuwachs in Italien als bedrohlich angesehen wurde, und dem
Ludwig
mit einem gewissen Recht fehlende Bündnistreue vorwerfen konnte. Konkrete
Kriegsziele wurden benannt: Ravenna für den Papst, Brescia für
Ludwig XII., Verona für den Kaiser und Otranto für
Ferdinand.
Gleichwohl darf man annehmen, dass für Ludwig das Bündnis selbst,
die Einigung mit dem Kaiser, vor dem Territorialgewinn von Bedeutung war.
Wie so oft in der Vergangenheit hatte Frankreich die eigentlichen Kriegslasten
zu tragen. Während
MAXIMILIAN sich
gar nicht am Kampf beteiligte, zog Ludwig XII.
zum vierten und letzten Mal während seiner Königsherrschaft nach
Italien, wobei er sich wegen seiner fortschreitenden Gicht sogar
tragen lassen mußte. Im Unterschied zu früher kamen die Fußsoldaten
im wesentlichen aus Frankreich, da die Schweizer eigene politische Ambitionen
zu entwickeln begannen und sich den französischen Versuchen zur Anwerbung
von Söldnern widersetzten. Nach dem Sieg der Franzosen über das
Heer der Venezianer bei Agnadello (Mai 1509) gelang es Venedig, seinen
Hauptgegner Frankreich mehr und mehr zu isolieren, indem es seine übrigen
Angreifer mit Territorialabtretungen beziehungsweise der Herausgabe eroberter
Territorien auf seine Seite zog. Gegen den Widerstand der deutschen und
französischen Kardinäle willigte Julius in die Aufhebung des
gegen Venedig verhängten Interdikts ein (24.2.1510), was ein eindeutiger
Verstoß gegen die Liga von Cambrai war und den Beginn eines neuen,
diesmal gegen Ludwig gerichteten Bündnisses
darstellte. König Ferdinand wurde
vom Papst durch die Belehnung mit dem Königreich Neapel zum Seitenwechsel
bewogen. Die Schweizer schlossen sich dem Papst in der Erwartung territorialer
Zugewinne im Norden des Herzogtums Mailand an. Wichtigster Fürsprecher
des Papstes war dabei der Kardinalbischof von Sitten, Matthäus Schiner.
Der Papst bot geistlichen Schutz. Die Schweizer verpflichteten sich, dem
Papst ein Heer mit 6.000 Landsknechten zu stellen (1510). Heinrich
VIII. wurde gleich nach seiner Thronbesteigung vom Papst umworben
und schloß sich den Gegnern Ludwigs
an. Zwar stand der Kaiser noch auf Seiten Ludwigs,
doch war es Julius II. gelungen, sowohl das Herzogtum Mailand von drei
Seiten einzukreisen als auch gegen Ludwig
im Süden Frankreichs den spanischen König zu mobilisieren, der
dort Navarra an sich zu bringen suchte, und im Norden den englischen König,
der bereit war, den Krieg gegen Frankreich wieder aufzunehmen.
Ludwig war damit zum erstenmal praktisch isoliert und
in die Defensive gedrängt, wenn auch MAXIMILIAN,
allerdings ohne ihn zu unterstützen, noch auf seiner Seite stand.
Die Auseinandersetzung mit dem Papst erforderte zudem andere als nur militärische
Hilfe. Da der machthungrige, ungeistliche Papst nur wenige Anhänger
im französischen Klerus gewonnen hatte, stellte sich die von Ludwig
nach Tours einberufene Versammlung des französischen Klerus (September
1510) hinter den König und billigte dessen Vorgehen gegen den Papst.
Darüber hinaus wurden ihm von der Versammlung noch 240.000 Pfund aus
Mitteln des Klerus bewilligt. Ein weiteres Druckmittel des Königs
gegen den Papst war eine ausführliche Ordonnanz, die unter Berufung
auf die Konzilien in Konstanz und Basel gallikanische Prinzipien neu verkündete
und Regelungen der pragmatischen Sanktion von Bourges wieder einführte
(Juni 1510). Auf einer weiteren Versammlung des Klerus im März des
folgenden Jahres wurde die Einberufung eines allgemeinen Konzils gefordert,
das am 1.11. mit Zustimmung des Kaisers in Pisa zusammentrat. Neben diesem
Angriff auf die päpstliche Autorität, mit dem auch die Legitimation
des Papsttums von Julius II. in Frage gestellt wurde, sah sich Julius auch
militärisch in die Defensive gedrängt, da die päpstlichen
Truppen dem französischen Gegner nicht gewachsen waren. Diese wurden
von Charles de Chaumont, dem Neffen des kurz zuvor verstorbenen Kardinals
von Amboise, geführt. Nach dessen Tod wurde der junge Gaston de Foix,
der Neffe des Königs, der sich als genialer Heerführer erwies,
eingesetzt.
Die Antwort des Papstes war die sogenannte Heilige Liga,
in der er sich mit Venedig und Spanien am 4.10.1511 vereinigte. Wie schon
der Name andeutet, hatte der Konflikt jetzt endgültig die Ebene der
rein militärischen Auseinandersetzungen verlassen. Schon am 18.7.
hatte Julius II. in Reaktion auf die französische Konzilseinberufung
seinerseits für den April 1512 ein allgemeines Konzil nach Rom einberufen.
Wenig später schloß sich der englische König der Heiligen
Liga an, dessen offizielles Ziel die Rückeroberung der Territorien
des Kirchenstaates, nur vorgeschoben war. Was man wollte, war die Vertreibung
der Franzosen aus Italien und, weitergehend, der Sturz Ludwigs
XII. Gleichzeitig planten die Bündnispartner der Liga,
Spanien und England, die Eroberung der Guyenne und einen Angriff Frankreichs
im Norden. Der Sieg, den der geschickt manövrierende Gaston de Foix
im April 1512 bei Ravenna mit seinem deutsch-französischen Heer
gegen die päpstlich-spanischen Truppen errang, war mit seinem Tod
in dieser Schlacht für die Franzosen zu teuer erkauft. Vor den vorrückenden
Schweizern mußten sie sich, nachdem sie über keinen Gaston de
Foix vergleichbaren militärischen Führer mehr verfügten,
zurückziehen. In dem wiedereroberten Mailand wurde Maximilian Sforza,
der Sohn Ludovicos, als Herzog eingesetzt. Maximilian erkannte die Zeichen
der Zeit, wechselte die Seiten und schloß sich im November 1512 der
Heiligen Liga an. Ludwig stand allein.
Der Krieg an allen Fronten, dem sich Frankreich jetzt ausgesetzt sah, schien
seine Kräfte endgültig zu übersteigen. Überall erlitten
die französischen Heere, die jetzt auf sich allein gestellt waren,
Niederlagen: gegen die Spanier in Navarra (Dezember 1512), das endgültig
dem Königreich und dem Haus ALBRET
verlorenging, gegen die in Calais gelandeten Engländer bei Guinegatte
(August 1513), gegen die Schweizer in Novara im Juni 1513, nachdem im Monat
zuvor Ludwig mit einem neuen Heer noch einmal den Versuch einer Wiedereroberung
des Herzogtums befohlen hatte. Schließlich drohte eine Invasion auch
im Osten des Königreichs durch die von Margarete herbeigeholten Schweizer.
Mit ihrer Hilfe hoffte sie, das Burgund ihres Großvaters, Karls des
Kühnen, wieder für sich gewinnen zu können. Am 7. September
1513 stand ein großes Heer schweizerischer Landsknechte vor Dijon
und drohte es einzunehmen. Ein weiteres Vorrücken in Richtung Paris
war nicht auszuschließen.
So bedrohlich die Situation auch erschien, so hatte das
Jahr 1513 neben all den Niederlagen seiner Heere noch ein für Ludwig
erfreuliches Ereignis zu verzeichnen, nämlich den Tod des Papstes
Julius II. im Februar 1513. Sein Nachfolger wurde Leo X., ein friedfertiger
und weniger machtbesessener Papst als seine beiden Vorgänger. Zwar
brachte er kurz nach seiner Inthronisation noch einmal in Malines eine
Liga zwischen dem Papsttum, MAXIMILIAN,
Heinrich
VIII., Ferdinand und den
Schweizern zusammen, um die Rückkehr Ludwigs
nach
Italien zu verhindern, nachdem es diesem gelungen war, Venedig aus der
Heiligen Liga im März 1513 herauszubrechen und wieder auf seine Seite
zu ziehen. Doch war der Papst grundsätzlich zu einer Einigung mit
Ludwig bereit, zumal dieser Italien nach der Niederlage in Novara
hatte räumen müssen. Ein Ausgleich mit dem Papst konnte auch
die Basis für eine allgemeinere Friedensordnung unter Einbeziehung
der übrigen Bündnispartner der Heiligen Liga bieten.
So kam es Ende Dezember 1513 zu einer Versöhnung
zwischen Leo X. und Ludwig XII. Als
Zugeständnis mußte Ludwig
von den Entscheidungen des Konzils von Pisa, das Julius II. für abgesetzt
erklärt hatte, abrücken und sich hinter die Entscheidung des
Laterankonzils
von Julius II. stellen. Leo X. vermittelte eine Einigung zwischen MAXIMILIAN
und Venedig. Ein Waffenstillstand beendete den Krieg Frankreichs mit Spanien.
Als letzter Partner der Heiligen Liga einigte sich Heinrich
VIII. trotz heftiger diplomatischer Störmanöver Margaretes,
die diesen Bundesgenossen gegen Frankreich nicht verlieren wollte, mit
Ludwig.
Über einen bloßen Friedensvertrag hinaus kam es sogar zu einer
sehr viel engeren Allianz, da Ludwig,
der durch Annas
Tod im Januar 1514
verwitwet war, noch einmal heiraten wollte, da ihm noch immer ein Thronerbe
fehlte. Seine Wahl fiel auf Maria,
die junge, lebenslustige und schöne Schwester Heinrichs
VIII. Am 9.10. fand die Hochzeit statt. Am 31.12. starb
der König. Viele Zeitgenossen meinten, die Heirat mit der jungen Frau
habe das Ende des kranken Mannes beschleunigt. Böse Zungen sprachen
von einem perfiden Schachzug Heinrichs VIII. Nach
Annas
Tod
war die lange aufgeschobene Hochzeit zwischen Claude
und
Franz
von Angouleme gefeiert worden. Da Ludwig
keinen Erben hinterließ und Maria bei
Ludwigs
Tod
kein Kind erwartete, konnte
Franz als
König
Franz I. den Thron besteigen.
Versucht man das Lebenswerk Ludwigs
XII. zu umreißen, so ist festzuhalten, dass Frankreich
alles das, was zu Beginn der Regierungszeit unter hohem Einsatz in Italien
erobert worden war, am Ende wieder verloren hatte. Dazwischen lag ein "scheinbar
regellose(s) großes Hin und Her der Bündnisse, die nach den
Bedürfnissen des Augenblicks geschlossen wurden" (W. P. Fuchs, S.10).
Man könnte resümieren, Ludwigs
Lebenswerk war gescheitert. Doch greift ein solches Urteil zweifellos zu
kurz. Richtiger sah ihn zweifellos seine Nachwelt im 16. Jahrhundert, die
anderes in den Vordergrund stellte: die wirtschaftliche Blüte, die
Frankreich unter Ludwig erlebt hatte,
und der bis auf die letzten Jahre ungetrübte innere Friede. Das Bild
des Königs, der als gerecht und sparsam, was seinen eigenen Aufwand
betraf, aber freigebig gegenüber anderen galt, ließ nicht zu
Unrecht seine Regierungszeit in späteren Jahrzehnten als Referenz
für gesellschaftliche Zustände erscheinen, nach denen sich das
durch innere Kriege zerrissene Land wieder zurücksehnte. Seine Zeitgenossen
haben ihn, was nicht überrascht, in höchsten Tönen gelobt,
wie auch sein Hofhistoriograph, Claude de Seyssel. Spätere Historiker,
beginnend mit Michelet, der von einer "royale stupidite" (Quilliet, S.
448) sprach, glaubten, stärker eine gewisse Beschränktheit herausstellen
zu sollen. Zweifellos waren manche seiner Gegner skrupelloser in der Wahl
ihrer Mittel, raffinierter bei deren Anwendung und ideenreicher in ihrem
Vorgehen. Gleichwohl scheinen Beurteilungen wie charakterschwach, mittelmässig
intelligent, engstirnig und unflexibel ungerechtfertigt zu sein. Gerade
in den Zeiten äußerster Bedrängnis in den Jahren 1512 bis
1514 hat Ludwig XII. bewiesen, dass
er fähig war, Frankreich aus einer ausweglos erscheinenden Lage, in
der ihn seine Gegner sogar vom Thron zu vertreiben hofften, herauszuführen.
Franz
I. konnte ein wohlgeordnetes Erbe antreten.