Rudolf I.                                                    König von Frankreich (13.7.923-936)
------------                                                  Herzog von Burgund (921-936)
vor 890-14./15.1.936
             Auxerre

Begraben: Ste-Colombe les Sens
 

Ältester Sohn des Herzogs Richard I. von Burgund und der Adelheid von Auxerre, Tochter von Graf Konrad II.
 

Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1077
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Rudolf (Raoul), König der Westfranken
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     + 14./15. Januar 936
      Auxerre

Begraben: Ste-Colombe les Sens

Sohn von Richard dem Justitiar und Adelais, Schwester von Rudolf I.

Rudolf tritt seit 890/94 in Erscheinung. 916/18 entriß er Bourges dem Herzog Wilhelm II. von Aquitanien. Er folgte seinem Vater als Herzog und Laienabt von St-Germain d’Auxerre und Ste-Colombe nach. Verbündet mit König Robert I., dessen Schwester Emma (+ 934) [Richtig ist: Emma war die Tochter Roberts I. von Neustrien] er heiratet, wurde er als dessen Nachfolger am 13. Juli 923 in Soissons gekrönt, unter Beibehaltung seines Herzogtums. Er mußte gegen die Normannen, die Karl den Einfältigen loyal unterstützten, kämpfen, entriß Rollo die Burg Bayeux, plünderte Eu (925) und wurde bei Fauquembergues verwundet (929); er trat den Ort Nantes an die Loire-Normannen ab, konnte diese aber schließlich bei Estresses im Limousin vernichten (929); der Normannen-Fürst Wilhelm Langschwert unterwarf sich 933 gegen Abtretung von Avranches und Coutances. Rudolf griff auch in Lotahringien ein (923 Belagerung von Zabern/Saverne), mußte es aber 926 an König HEINRICH I. abtreten. Die Freilassung Karls des Einfältigen (927) erlaubte Rudolf die Wiederversöhnung mit dem KAROLINGER, dem er den Fiscus von Attigny überließ. Karls Tod in Attigny (928) [Im Lexikon des Mittelalters Band V Spalte 966 wird der Tod Karls des Einfältigen zum 7. Oktober 929 in Peronne angegeben.] erleichterte die Anerkennung von Rudolfs Königtum im Süden des W-Frankrenreichs; er erlangte die Anerkennung von seiten Wilhelms von Aquitanien (dem er 927 Bourges zurückerstattete) sowie der Grafen von Toulouse und Rouergue. Nachdem Heribert von Vermandois zunächst sein Verbündeter (gegen Karl den Einfältigen) gewesen war, kam es schließlich zum Konflit: Heribert brachte Laon, Reims und Soissons in seine Hand, Rudolf seinerseits nahm im Gegenzug die Orte Denain, Laonm Reims und Chateau-Thierry ein, mußte seinem Gegenspieler aber Peronne und St-Quentin überlassen. Im Kampf gegen Heribert war Rudolf auf die Unterstützung des Herzogs von Neustrien, Hugos des Großen, angewiesen, der sich mit der Abtretung von Le Mans (924) entschädigen ließ.
In seinem Herzogtum, das 935 von den Ungarn geplündert wurde, entzog Rudolf dem Vizegrafen von Auxerre, Rainald, die Burg Mont-St-Jean (924) und unterdrückte den Aufstand des Grafen von Chalon, Giselbert von Vergy (932); 935 entzog er Dijon dem Grafen Boso. Offenbar leitete er den Übergang der burgundiaschen Besitzungen an seinen Bruder Hugo den Schwarzen ein, der bereits im Gebiet jenseits der Saone begütert war. Er veranlaßte auch Karl Konstantin zum Treueid (Vienne, 930).
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Franz J. Felten: Seite 38-45
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in: "Die französischen Könige des Mittelalters"

                                          RUDOLF I. 923-936

Rudolf I
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geb. vor 890, + 14./15.1.936
                       Auxerre

Beigesetzt am 11.7.936 in Ste-Colombe-de-Sens
Sohn Richards (Justitiarus) von Burgund und Adelheids, Tochter Konrads von Auxerre
Brüder: Boso (Graf in Lotharingien), Hugo der Schwarze, Graf in Burgund
Verheiratet mit Emma, Tochter Roberts vor 919?
Eventuell ein Sohn Ludwig, der vor ihm starb.
921 Nachfolge seines Vaters in Burgund
13.7.923 Wahl, Salbung und Krönung in St-Medard-de-Soissons
923-933 schrittweise Anerkennung im Reich
Kämpfe gegen Normannen, Heribert II. und andere Gegner
928 Anerkennung durch Karl III. (+ 929)
935 Dreikönigstreffen am Grenzfluß Chiers

Die Aufständischen erhoben nicht sogleich einen Nachfolger, sondern riefen Rudolf von Burgund herbei, der mit einem großen Heer schnell heranrückte und am 13. Juli in St-Medard bei Soissons zum König erhoben wurde.
Hugo wurde übergangen, obwohl sein Vater wie einst König Pippin, nach der Übernahme der Macht, in der einzigen überlieferten Königsurkunde dynastische Ansprüche formuliert hatte, wenn auch "in verschlüsselter Form", indem er die Mönche von St-Denis zum Gebet für sich, seinen Sohn, für das ganze Geschlecht und die ganze Herrschaft verpflichtet hatte.
Vielleicht war es gerade dieser Anspruch Roberts, der die Wähler Hugo übergehen ließ. Über ihre Motive und die Eignung der drei potentiellen Kandidaten für die Krone ist viel spekuliert worden. Allgemein gilt Rudolf als Kompromißkandidat, der aufgrund der abseitigen Lage seiner Hausmacht den beiden Hauptkonkurrenten Hugo und Heribert wie den übrigen, auf den Ausbau ihrer Macht ohne Störung durch einen mächtigen König bedachten Großen weniger hinderlich erschienen sei. Wenig berücksichtigt wird dabei Flodoards deutlicher Hinweis auf die militärische Macht Rudolfs. Das distanzierte Verhältnis des neuen Königs zu Hugo in den ersten Jahren seiner Regierung spricht nicht für einen freiwilligen Verzicht Hugos. Das Argument, er habe mit Rücksicht auf die robertinischen Hausgüter auf das Königtum lieber verzichtet, weil er keinen Sohn oder Bruder hatte, erscheint problematisch, wenn man Rudolfs Verhalten bedenkt. Sein regierungsfähiger Bruder Hugo erscheint gelegentlich als inclytus archicomes ("sehr berühmter Erzgraf"), doch kontrollierte der König weiterhin die Verhältnisse im angestammten Burgund.
Aus der Konstellation bei seiner Wahl resultieren die Probleme der Königsherrschaft Rudolfs: Anerkennung im Reich, Bekämpfung der Normannen - und schließlich der Kampf um die Macht im Kernland des Reiches mit und gegen Hugo und Heribert, ein Machtkampf, der seine Herrschaft zu bestimmen scheint.
In Burgund, wo er sich während seiner gesamten Regierungszeit bevorzugt aufgehalten hat, wurde Rudolf sofort anerkannt, außer im Maconnais, wo man bis 925 wartete. In der Francia kam ihm die schnelle Gefangennahme Karls durch Heribert II. und die Unterstützung Hugos zugute, auch wenn Hugo zunächst eng mit Rudolf zusammenarbeitete und Karl in der Hand Heriberts eine gefährliche Bedrohung blieb.
Lothringen ging nicht sogleich zu HEINRICH I. über, obwohl dieser mit einem Heer erschien und Rudolfs Bruder Boso die Spannungen verschärfte. Rudolf konnte durchaus Anhänger gewinnen, 924 bot sogar Giselbert seine Unterwerfung an, zunächst vergeblich. Nach Verhandlungen, die Heribert mit Hugo im Frühjahr 925 führte, wurde Giselbert, wie auch Graf Otto von Verdun, Mann Rudolfs, der aus Burgund schnell an die Maas gerückt war.
Als Rudolf daraufhin gegen die eingefallenen Normannen zog, nutzte HEINRICH I. die Situation zu einem erneuten Feldzug, eroberte Giselberts Feste Zülpich, zog sich aber wieder schnell hinter den Rhein zurück, als Giselbert Geiseln stellte. Erst Ende des Jahres ergaben sich alle Lothringer HEINRICH. Flodoard gibt keine Begründung dafür, erzählt aber zuvor, wie Heribert das Erzbistum Reims unter seine Kontrolle brachte, so daß man einen Zusammenhang mit dieser Machtverschiebung auf Kosten des Königtums vermuten kann.
Rudolf konnte den Widerstand gegen HEINRICH I. in Lothringen nicht zu seinen Gunsten ausnutzen und ratifizierte den Verlust de facto durch das Treffen mit HEINRICH am Chiers, das allerdings erst 935 stattfand. Glücklicher war er im S und W: 924 bereits huldigte ihm Wilhelm II. von Aquitanien, um den Preis des Berry. Nach Wilhelms Tod 927 konnte Rudolf seine Position im S ausbauen. Karls Tod am 9. Oktober 929 machte den Weg frei für die Huldigung bis dahin abseits stehender Großer, auch wenn sie sich teilweise noch Zeit ließen, so Raimund-Pons von Toulouse (932) und Ermengaud von Rouergue. Wie sie zählten auch Städte wie Nimes und Narbonne, Klöster wie Conques, Vabres, Montlieu und Lagrasse in Gothien die Regierungsjahre Rudolfs erst ab 929. Daneben gibt es Zeugnisse, daß man Rudolf weiterhin als Usurpator betrachtete. Im Roussillon und in der Spanischen Mark dapierte man (fast) überall demonstrativ "nach dem Tode König Karls".
Für die Bretagne und die Normandie fehlen zeitgenössische Urkunden, doch blieben die Normannen nach dem Zeugnis Flodoards Karl treu. Das Arrangement von 911 hatte durchaus nicht ihre kriegerischen Aktivitäten beendet, sie hatten von Konzessionen Roberts profitiert, der sie als "Markgraf" hätte bekämpfen sollen, und waren 923 von Karl als Verbündete zu Hilfe gerufen worden. Trotz mehrfacher Siege sahen sich Rudolf und seine Verbündeten zu Konzessionen gezwungen, zu Gebietsabtretungen und Tributzahlungen, die mit Hilfe außerordentlicher Abgeben aufgebracht wurden. Der König wurde, so scheint es, Opfer der Normannenpolitik Hugos. Im Konflikt mit dem König arbeitete auch Heribert von Vermandois mit den Normannen zusammen. Seit 930 aber konnte Rudolf durch seine Siege "dem Lande Friede geben" und so seine Legitimation verstärken. Wilhelm Langschwert hildigte 933 - und vermochte seine Herrschaft zur Bretagne hin zu erweitern.
Die größten Probleme bereiten dem König die Machtansprüche seines ursprünglichen Verbündeten Heribert II. von Vermandois, der bis 929 seinen königlichen Gefangenen als gefährliches Druckmittel gegen Rudolf einsetzen konnte.
Heriberts spektakulärer Verrat an Karl, den die übrigen Großen offenbar akzeptierten, auch wenn er Aufsehen erregte, erscheint wie ein Symbol für die Skrupellosigkeit seiner Politik.
Was im Licht der späteren Ereignisse als Anzahlung erscheint, die Überlassung von Peronne 924, ist nicht singulär. Zur selben Zeit bekam Hugo Le Mans, der Erzbischof von Reims Gebiete im Lyonnais.
925 freilich sprengte Heribert die Grenzen des Üblichen, als er seinen erst fünfjährigen Sohn zum Nachfolger des (verdächtig plötzlich) verstorbenen Erzbischofs Seulf von Reims erheben ließ, mit Unterstützung zumindest von Teilen des Klerus und des Volkes, sowie der Bischöfe von Soissons und Chalons. Die Übernahme der weltlichen Verwaltung sicherte ihm die reichen Ressourcen des Erzstifts.
Ob man mit dieser Störung der Machtbalance in der Francia Hugos zwielichtige Haltung gegenüber den Normannen (Durchzugsrecht bei Schonung des eigenen Gebiets, gedämpfter Einsatz bei der Belagerung) erklären kann, ist fraglich. Denn sie steht in einer gewissen Tradition, und Flodoard berichtet darüber vor der Reimser Wahl. Überdies verbündete sich Hugo mit Heribert, als dieser 927 offen gegen Rudolf rebellierte. Noch 926 hatte man gemeinsam gegen die Normannen gekämpft, Heribert seinem Herrn sogar das Leben gerettet und ihn auf einem Feldzug gegen Wilhelm begleitet. Erst als Rudolf ihm nicht die durch Tod freigewordene Grafschaft Laon für seinen Sohn Odo überließ, schickte Heribert Gesandte zu HEINRICH I., der ihn zu einem colloquium einlud. Heribert zog mit seinem Verbündeten Hugo zu HEINRICH, "sie ehrten ihn durch Geschenke und wurden von ihm geehrt". Von einem Bündnis, einer amicitia, wie einst mit König Karl und König Robert, ist bei Flodoard nicht die Rede. Zwar trat HEINRICH (viel) später (934/35) für Heribert ein, doch hatte dieser in der Zwischenzeit Bündnisse mit den lotharingischen Großen Boso und Giselbert geschlossen und sich 931 HEINRICH kommendiert.
Zunächst trug der Rückhalt an König HEINRICH für die beiden Frondeure keine Früchte. Auch Heriberts Freundschaftsbündnisse mit den Normannen, die von ihm verlangten, daß er mit einigen Franken Karl huldigte, die Freilassung des Königs und ein erneuter Besuch bei HEINRICH I. brachten keinen merklichen Erfolg, so daß Heribert auf dem Rückweg wieder Rudolf huldigte.
In der Folge profitierte der König von der Rivalität der beiden mächtigen Verbündeten, die noch 929 erfolgreich gegen des Königs Bruder Boso und andere Gegner vorgingen. Die Streitigkeiten entzündeten sich offenbar daran, daß Vasallen von einem zum anderen übergingen. Seit 930 erschütterten Kriege die Francia und Lothringen, da auch Giselbert und Boso einbezogen wurden. Obwohl Rudolf selbst in Burgund mit Rebellion zu kämpfen hatte, gewann er die Oberhand, als Hugo sich ihm 931 anschloß - wie Flodoard ohne Kommentar berichtet. Vom 24. März 931 datiert die erste Erwähnung in einer Urkunde Rudolfs überhaupt (für St-Martin): als "unser genügend und mehr Getreuer".
In einem verwirrenden Spiel wechselnder Bündnispartner wurde Heribert zwar von Giselbert unterstützt, HEINRICH I. aber zog sich vom Chiers über den Rhein zurück, als Rudolf Hugo sandte, und begnügte sich mit Geiseln und Sicherheitszusagen. Rudolf und Hugo eroberten Reims und Laon, erhoben einen neuen Erzbischof. Ruhe freilich kehrte nicht ein.
Auch wenn die Kräfte nicht ausreichten, Heribert definitiv zu unterwerfen, so konsolidierte sich Rudolfs Position in den Jahren 931-933 entscheidend. Er profitierte von dem Tod Karls (9. Oktober 929) und der Neutralität HEINRICHS I. Gewichtiger blieb die Unterstützung Hugos, nicht zu unterschätzen waren auch die militärischen Erfolge des Königs über Normannen und andere Gegner und die wachsende Anerkennung im weiteren Reich.
In dem Maße, wie im S immer mehr Gebiete seine Herrschaft anerkannten und 933 sogar der Normannenfürst ihm huldigte, war Rudolfs Herrschaft nicht mehr grundsätzlich gefährdet. Die harten Kämpfe gegen Heribert um einzelne Burgen, Klöster und Städte gingen freilich weiter; sogar Giselbert und seine Lothringer griffen auf Einladung Hugos ein, scheiterten aber vor Peronne. Welcher Art das Gespräch war, das Giselbert bei dieser Gelegnehit auf Vermittlung Hugos mit Rudolf führte, erfahren wir leider nicht.
Nachdem ein erneuter Besuch Heriberts bei HEINRICH (Ende 932?) offenbar nichts bewirkt, das Kriegsglück 933 keiner Seite einen klaren Vorteil gebracht hatte, schickte HEINRICH 934 endlich eine hochrangige Gesandtschaft (Giselbert, Eberhard und einige Bischöfe) zu Rudolf - "für Heribert". Gegen Auslieferung dreier fester Plätze vermittelten sie Heribert einen ersten Waffenstillstand. Als Giselbert mit Lothringern Heribert zu Hilfe kam - im Auftrage HEINRICHS? - schloß Hugo mit ihm einen beschworenen Frieden bis zum Mai folgenden Jahres.
935 nahm Rudolf durch eigene Gesandte Fühlung mit dem ostfränkischen König auf, beriet mit seinen Großen (primates) in Soissons und verhandelte mit Gesandten HEINRICHS I. Auf einem collloquium am Grenzfluß Chiers schlossen Rudolf von W-Franken, HEINRICH I. und Rudolf II. von Burgund im Juni 935 ein Freundschaftsbündnis (amicitia). Sie versöhnten Heribert mit Hugo, wobei Heribert einige Besitzungen zurückerhielt. Im Gegenzug nahm HEINRICH I. Rudolfs Bruder Boso, der 933/34 Positionen in S-Lothringen zugunsten Giselberts eingebüßt hatte, wieder auf und gab ihm seinen früheren Besitz zum großen Teil zurück.
Man sieht, wie die Klienten der Könige im Freundschaftsbündnis zwischen den Herrschern berücksichtigt wurden, wobei Flodoard offenbar wiederum bewußt differenziert: amicitia zwischen den Königen, die ihrerseits Große "aufnahmen", sich huldigen lassen, Frieden stiften (pacare).
Warum "der König des Jura" (Flodoard) hier gleichsam als Juniorpartner beteiligt war, geht aus dem Bericht nicht hervor. Für den westfränkisch-französischen König wurde damit der Erwerb der Gebiete an der Rhone, über die er schon 931 verfügt hatte, sanktioniert.
Rudolf freilich war eine friedvolle Regierung auch nun nicht beschieden. In Burgund erschienen die Ungarn; die Umsetzung des Abkommens zwischen Hugo und Heribert führte zu bewaffneten Konflikten, in die sogar Lothringer mit einigen sächsischen Grafen, Freunden Heriberts, eingriffen, als Hugo nicht wie vereinbart St-Quentin herausgeben wollte. Hier fiel Rudolfs Bruder Boso, der keineswegs "französische Interessen in Lothringen vertrat", wie man meinte.
Der König akzeptierte diese gewaltsame Umsetzung des Vertrages von 933 offenbar, wies Heriberts Freunde aber in die Schranken, als sie sich anschickten, auch Laon zu belagern: "Auf Anweisung Rudolfs kehrten sie nach Hause zurück" (Flodoard). Die Episode zeigt, wie auch ein formeller Friedensschluß auf höchster Ebene innere Konflikte nicht beendete, und weiterhin, daß auswärtige Interventionen aufgrund von Freundschaftsbündnissen zwischen den Großen der "befreundeten" Könige zu gegenwärtigen waren. Ihr Ende lehrt aber auch, wie sich die prekäre Autorität des Königs durchsetzte, in diesem Fall sicher gestützt auf das höherrangige Bündnis mit dem Herrn der Lothringer und Sachsen.
Es war die letzte politische Aktion Rudolfs, von der wir wissen. Im Herbst erkrankte er und starb am 14. Januar 936 in Auxerre, seine energische Gattin Emma hatte er schon 934, wohl gegen Ende des Jahres verloren. Da die von ihm zur Grablege erwählte Kirche von St-Colombeles-Sens, wo sein Vater in der Krypta ruhte, kurz vor seinem Tode ein Raub der Flammen geworden war, fand Rudolf erst am 11. Juli sein Grab. Vor seinem Tode hatte Rudolf ihr eine goldene, mit Edelsteinen geschmückte Krone und liturgisches Gerät aus seiner Kapelle geschenkt.
Rudolf und Emma hinterließen keine Kinder. Ob vor seinem Tode über die Nachfolge verhandelt wurde, wissen wir nicht, dürfen also Rudolf auch kein Versäumnis in diesem Punkt vorwerfen. Nach Flodoard könnte man glauben, Hugo habe in einsamen Entschluß dem in England lebenden Ludwig IV. die Krone angeboten. Vereinzelte Urkundenaussteller hatten diese Nachfolge schon vorweggenommen, als sie vor dem Tode Rudolfs nach Ludwig datierten, "dem Sohne Karls, der König hätte sein sollen und es nicht war".
Ein Vergleich der Leistungen beider Herrscher ist schwer, denn Roberts kurzes Königtum erlaubt kein Urteil. Dank der längeren Regierungszeit können wir bei Rudolf genauer an den Privaturkunden und der Münzprägung ablesen, wie er schrittweise Anerkennung im Reich fand. Anders als bei Robert, dem diese Erfahrung erspart blieb, sehen wir aber auch, wie die entschlossene Machtpolitik eines Heribert von Vermandois ihm die verbliebenen Königsgüter in der Francia streitig machte und damit die Basis für eine energischere Politik nicht nur in Lothringen entzog.
Den Verlust Lothringens "für Frankreich" zu beklagen, gilt als anachronistisch, da es Deutschland und Frankreich noch nicht gegeben habe (Brühl). Ein Verlust war es allemal, und dies wurde auch von Rudolf so empfunden, wie seine Bemühungen um Anerkennung im Lande und Rückgewinnung zeigen. Sie scheiterten nicht nur an persönlichen Entscheidungen lotharingischer Großer, sondern angesichts der begrenzten Aktionsfähigkeit Rudolfs vor allem an den entschlossenen Interventionen HEINRICHS I.; dieser verzichtete aber trotz verlockender Möglichkeiten offenbar bewußt auf weitere Ausdehnung nach Westen.
In seiner Politik gegenüber den Normannen braucht Rudolf keinen Vergleich zu scheuen mit seinen Vorgängern Karl III. und Robert oder mit seinem mächtigen Helfer und zeitweiligen Gegner Hugo, dessen genuine Aufgabe die Normannenabwehr hätte sein sollen. Der Blick auf seine Nachfolger bis Hugo Capet dürfte das Urteil relativieren, Rudolfs Königtum bedeutete einen "Tiefpunkt der königlichen Gewalt im Westreich" (K.F. Werner), auch wenn die Anerkennung im S des Reiches und in südlichen Grenzregionen machtmäßig nicht zu Buche schlug, so wenig wie das Festhalten an Karl III. diesem nutzte. Vielleicht kann man, wie es jüngst geschah, Rudolf mit seinen ostfränkischen Zeitgenossen KONRAD I. und HEINRICH I. vergleichen - durchaus nicht zu seinem Nachteil (C. Brühl).
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Thiele Andreas: Band II Teilband 1 Tafel 97
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"Erzählende genealogische Stammtafeln"

Nach Roberts I. von Neustrien Tod wurde Rudolf auf Betreiben seines Schwagers, Hugos des Großen, von der revoltierenden Adelsfraktion zum König erhoben. Kurz darauf nahm Heribert von Vermandois Karl III. den Einfältigen gefangen. Obwohl Rudolf nun allgemein anerkannt wurde, war er nur ein machtloser Primus inter pares. Er verzichtete 925 auf Lothringen (Bündnis mit HEINRICH I.) und erschöpfte sich in ständigen Fehden gegen Kronvasallen und burgundische Große. Rudolf vermochte über das Gebiet seines Herzogtums hinaus keine nennenswerte Macht auszuüben. Er wurde als durchaus fähig und mutig überliefert.
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Werner Karl Ferdinand: Seite 483,487,489,491
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"Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000"

In dieser Schlacht fiel Robert am 15. Juni 923. Aber Karl unterlag, und die Sieger beharrten auf ihrer Entscheidung, den KAROLINGER abzusetzen. Sie wählten als Nachfolger Roberts den Gemahl seiner Schwester Emma, Herzog Rudolf von Burgund, den Sohn von Herzog Richard Justitiarus [Persönlicher Einwurf: Emma kann nur die Tochter Roberts von Neustrien sein, da sie als dessen Schwester bei der Eheschließung mit Rudolf bereits ein Alter von fast 50 Jahren erreicht haben müßte und fast 25 Jahre älter als dieser gewesen wäre.]. Am 13. Juli fand in Soissons die Krönung statt.
Heribert von Vermandois, der von den KAROLINGERN abstammte, verständigte sich mit dem neuen König Rudolf, um den KAROLINGER durch List zu Fall zu bringen. Als Rudolf die Francia zwischen Seine und Maas verließ, um in sein Burgund zurückzukehren, schickte Heribert Boten zu Karl, die ihm ein Treffen vorschlugen und, kaum zu glauben, auch die Aussöhnung anboten. Karl ließ sich darauf ein und wurde gefangengenommen. Wie Flodoard ausdrücklich bestätigt, begab sich Heribert sofort anschließend zu Rudolf, ein sicherer Beweis für die Verstrickung des Königs in eine Aktion, die offenbar weder gegen seine Ehre noch gegen seien Treue verstieß.
Im Jahre 922 hatte Robert selbst einen Sohn, der alle Grafschaften übernehmen und so den ROBERTINERN erhalten konnte. Folglich nahm auch er jetzt die Krone an. Dagegen hatte Hugo der Große beim Tod seines Vaters im Jahre 923 weder Bruder noch Sohn, die das politische Erbe der ROBERTINER hätten bewahren können. Er konnte deshalb eine Wahl zum König nicht annehmen. Man mußte also einen "Ersatzmann" finden; man entschied sich für Rudolf, den Schwager Hugos des Großen. Der hatte einen Bruder, Hugo den Schwarzen, der den Weiterbestand der Dynastie in Burgund und ihre dortige Machtstellung sichern konnte.
In der langwierigen Auseinandersetzung, die deswegen auf dem Boden der Francia ausgetragen wurde, sind vier Phasen zu unterscheiden:
Während der 1. Phase (923-926) war König Rudolf mit Heribert verbündet. Der Graf von Vermandois mußte sich im N gegen den mächtigen Grafen von Flandern verteidigen. Er leistete dem König mit seinen Kriegern treue Dienste, in der Schlacht von Fauquembergues (926) gegen die Normannen rettete er ihm sogar das Leben. Rudolf seinerseits machte ein königliches Geschenk: Im Jahre 925 bestätigte er eine ziemlich anstößige Abmachung, der zufolge Heriberts damals fünfjähriger Sohn Hugo zum Erzbischof von Reims bestimmt wurde. Zum geistlichen Administrator ernannte man den Bischof von Soissons, die weltliche Verwaltung übernahm Heribert selbst. Dadurch erhielt er das Kommando über die sehr beachtlichen Reimser Streitkräfte, außerdem konnte er aus dem Lehnsbesitz der Kirche große Einkünfte ziehen, die es ihm ermöglichten seine eigene Stellung und die seiner Vasallen zu festigen. Das frühere Gleichgewicht in der Francia zwischen dem karolingischen König, dem Reimser Erzbischof, dem Haus VERMANDOIS und den Interessen der ROBERTINER war damit gestört. Hugos des Großen Verärgerung über die allzu enge Verbindung zwischen Burgund und Vermandois führte zu einer folgenschweren Maßnahme: In Absprache mit Herzog Wilhelm II. von Aquitanien, der König Rudolf noch immer nicht anerkannt hatte, verständigte er sich mit den Loire-Normannen. Die verschonten von da an Neustrien und Aquitanien, dafür durften sie ungehindert nach Burgund durchziehen.
Die 2. Phase (927-929) des Konflikts ist durch den Bruch zwischen Rudolf und Heribert gekennzeichnet. Der Graf von Vermandois war einfach unersättlich. Beim Tode des Grafen von Laon verlangte er diese Grafschaft, obwohl die Stadt Laon, die letzte Bastion des Königtums war. Rudolf wies ihn glatt ab, und Heribert zeigte sich daraufhin als Meister der politischen Erpressung. Er benützte zwei Könige als Werkzeuge gegen seinen eigenen. Im Jahre 927 huldigte er HEINRICH I. und sicherte sich damit eie wertvolle Unterstützung, die noch durch Verwandtschaftsbeziehungen im O-Reich, vor allem in Sachsen, verstärkt wurde. Im gleichen Jahr entließ er Karl den Einfältigen aus seiner Haft und drohte, ihn wieder als rex Francorum einzusetzen.Angesichts dieser Gefahr mußte Rudolf Laon preisgeben. Außerdem überließ er Karl die Pfalz Attigny gegen dessen endgültigen Verzicht auf die Königswürde. Übrigens starb Karl wenig später im jahr 929.
Jetzt ghab der ROBERTINER Hugo der Große seine zurückhaltende Politik auf, denn Heribert war zu mächtig und zu gefährlich geworden. Er verbündete sich mit Rudolf und unternahm in den Jahren 930 bis 934 mehrere, oft sehr strapaziöse Feldzüge, um Heriberts Mactstellung zu vernichten. Im Jahr 932 wurde Reims genomen, wo der junge Hugo von Vermandois durch den neuen Erzbischof Artold ersetzt wurde.
Die letzte Phase (935-936) wurde von HEINRICH I. bestimmt, der seinen Vasallen und Verbündeten Heribert nicht im Stich ließ. Erst erzwang der ostfränkische König einen Waffenstillstand, dann kam es im Jahr 935 zu einem Dreikönigstreffen am Chiers und zum Friedensschluß. Beteiligt waren Rudolf, HEINRICH und Rudolf II. von Hoch-Burgund. Rudolfs Bruder Boso bekam seine Besitzungen in Lotharingien zurück, das im übrigen HEINRICH I. von niemandem mehr streitig gemacht wurde. Heribert erlangte seine Grafschaften und Festungen fast alle wieder. Als im besonderen Fall von Saint-Quentin die Auslieferung durch Hugo den Großen verweigert wurde, zwang ihn ein sächsisch-lothringisches Heer HEINRICHS I. dazu.
Wenig später erkrankte Rudolf schwer und starb im Januar 936.
Seine Regierungszeit bedeutet zweifellos einen Tiefpunkt der königlichen Gewalt im W-Reich. Dabei kann Rudolf persönliche Tüchtigkeit keienswegs abgesprochen werden, er kämpfte energisch gegen die Normannen und konnte im Jahr 930 sogar einen Sieg über die Loire-Normannen erringen. Unter den westfränkischen Königen ist Rudolf der einzige, der in Katalonien niemals anerkannt wurde. Man zählte dort nach den Herrscherjahren Karls III. bis 929 und dann die Jahre nach seinem Tod. In anderen Regionen wurde Rudolf erst sehr spät anerkannt, beispielsweise im Jahr 932 vom Graf von Toulouse und marchio von Gotien, Raimund III. Pontius. Um seine Anerkennung bei Wilhelm II. von Aquitanien durchzusetzen, konnte Rudolf mit der Unterstützung Heriberts II. und Hugos des Großen rechnen. Er mußte sie aber erkaufen und dem einen Peronne, dem anderen Maine versprechen. Danach war es Rudolf zwar möglich, an der Spitze eines starken Heeres Wilhelm an der Loire entgegenzutreten, aber er mußte ihm die Grafschaft Berry zurückgeben, die der Burgunde unter Karl dem Einfältigen und mit Hilfe Roberts von Neustrien den Aquitaniern abgenommen hatte. Erst danach war der Herzog von Aquitanien zur Huldigung bereit. Trotzdem unternahm er im Jahr 926 einen Aufstand, und trotzdem verweigerte sein Nachfolger Acfred dem König die Anerkennung. Allerdings wurde dann Rudolfs Autorität von Graf Ebalus Manzer von Poitou respektiert, der im Jahre 927 die Auvergne und die Oberhoheit über Aquitanien erbte.
Insgesamt bleibt also ein wenig erfreulicher Eindruck. Es überrascht nicht, daß während dieser Regierung einige Fürsten begannen, Münzen unter eigenem Namen zu prägen, ohne den des Königs auch nur zu nennen. Das taten Wilhelm II. von Aquitanien in der Auvergne, in Brioude, und Rollos Sohn Wilhelm Langschwert in der Normandie.
Wenigstens eine gewisse Genugttung erlebte Rudolf in einem Land, das ihm seitseiner Jugendzeit vertraut war. Sein Vater hatte ihn damit beauftragt, LUDWIG DEN BLINDEN zu beschützen. Als Sohn von Richards Bruder Boso war dieser ephemere Kaiser Nachfolger im Königtum über die Provence; er starb im Jahr 928. Die Regentschaft über das Reich fiel an Hugo von Arles, Markgraf der Provence, der eben zum König von Italien gewählt worden war. Von ihm erhielt Rudolf Rechte über den ausgedehnten Dukat von Vienne und Lyon. Im Jahr 931 konnte er dann Karl-Konstntin, den illegitimen Sohn LUDWIGS DES BLINDEN und Grafen von Vienne, dazu veranlassen, ihm zu huldigen. Allerdings ging der größte Teil des Königreiches für Rudolf verloren: Hugo von Arles, König von Italien, übergab diese Gebiete um 933 an König Rudolf II. von Hoch-Burgund.
 
 
 
 

910/14
  oo Emma von Neustrien, Tochter des Herzogs Robert I.
  x   890/95- Ende 934
 
 
 
 

Literatur:
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