Begraben: St-Denis
Jüngerer Sohn des Königs
Ludwig II. der Stammler von Frankreich aus seiner 1. Ehe mit der
Ansgard
von Burgund, Tochter von Graf Harduin
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 997
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Karlmann, westfränkischer König 879-884
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+ 6./12. Dezember 884
Begraben: St-Denis
Beim Tode Ludwigs des Stammlers stellte sich die Frage der legitimen Nachfolge: Gegen Ludwigs Söhne aus erster, auf Geheiß des Vaters später gelöster Ehe mit Ansgard, Ludwigund Karlmann, lud eine Partei um den Kanzler, Abt Gauzlin, den ostfränkischen König Ludwig den Jüngeren ein, die Herrschaft im Westen zu übernehmen, während Erzbischof Hinkmar von Reims und der Laien-Abt Hugo nach erfolgreichen Verhandlungen mit Ludwig in Verdun die Nachfolge der Königssöhne durchsetzen konnte, die im September 879 in Ferrieres von Erzbischof Ansegis von Sens gesalbt wurden. Ein zweiter Einfall Ludwigs des Jüngerenwurde mit dem Verzicht auf Lotharingien im Vertrag von Ribemont im Februar 880 abgewehrt. Auf Drängen Gauzlins teilten die Brüder im März 880 in Amiens das Reich: Der ältere Ludwig erhielt den Norden, Karlmann, der mit einer Tochter Bosos verlobt war, den Süden (Burgund, Aqitanien und Gotien). In der Folgezeit gab es aber immer wieder gemeinsame Aktionen. Nach der Abwehr der ostfränkischen Ansprüche war die Regierungszeit Ludwigs und Karlmanns durch zwei Gefahren bedroht: durch die Normannen im N-Teil sowie durch Usurpatoren, im Reich Karlmanns vor allen den Grafen Boso von der Provence, der sich am 15. Oktober 879 zum König krönen ließ und trotz mancher Bemühungen nicht bezwungen werden konnte. Nach dem Tode Ludwigs am 5. August 882 wurde Karlmann in einer förmlichen Erhebung am 9. September 882 in Quierzy König im gesamten W-Reich. Karlmanns letzte Regierungsjahre sind durch - letztlich erfolglose - Kämpfe gegen die in N-Frankreich wütenden Normannen geprägt, die er schließlich gegen Zahlung eines hohen Tributs, der vor allem die Kirchen belastete, zum Abzug überreden konnte, die nach seinem Tod jedoch zurückkehrten. Der durch einen Jagdunfall verursachte Tod des erst 18-jährigen Königs machte den Weg frei für die letzte Wiedervereinigung des gesamtfränkischen Reiches unter KARL III. Die kurze Regierungszeit des jugendlichen Königs fiel in eine für die Entwicklung des fränkischen Reiches symptomatischen Umbruchperiode.
Urkunden:
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Recueil des actes de Louis II le Begue, Louis III et
Carloman II, rois de France (877-884), ed. R.-H. Bautier u.a., 1978 -
Literatur:
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Dümmler ²3, 88ff. u.ö. - K. F. Werner,
Gauzlin v. St. Denis und die westfrk. Reichsteilung von Amiens (März
880), DA 35, 1979, 395-462. -
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Werner Karl Ferdinand: Seite 456
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"Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr
1000 (1.-8. Generation)"
V. Generation
33-34
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Zur effektiven Aufteilung des W-Reichs
zwischen den beiden Brüdern Ludwig
III. und
Karlmann
zu Amiens im März 880 vgl. Werner, KdG 1,140. Zur Verlobung Karlmanns
bietet Brandenburg nicht hier (B. V,23), wohl aber B VI,5 die richtigen
Angaben.
Zum Todesdatum vgl. Ann.Bert. 878,
ed. Grat 228f. Neben Engelberga
kann auch eine andere Tochter Bosos
unbekannten Namens als Verlobte Karlmanns
in Betracht kommen, siehe unten Anmerkung zu VI,10.
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Karlmann wurde durch
die Intrigen einer Adelsgruppe zum Mitkönig seines Bruders Ludwigs
III. erhoben. Nach dessen Tode am 5.8.882 vereinigte er das W-Reich
in seiner Hand und trat am 9.9. in Quierzy die Herrschaft an. Er besaß
gute Herrscheranlagen und wurde wie vorher sein Bruder vom berühmten
Abt Hugo von Tours gelenkt. Er starb durch einen Jagdunfall. Nach
Karlmanns Tode boten die Großen des Landes dem ostfränkischen
König KARL III. DEM DICKEN auch die westfränkische
Krone an.
Schieffer Rudolf:
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"Die Karolinger"
Gegner der erzwungenen Reichsteilung von 880 atmeten auf,
darunter der alte Hinkmar von Reims, der für den neuen König
sogleich seine Schrift über Hofordnung und Reichsverwaltung unter
KARL DEM GROSSEN in Erinnerung an die
Zeit "der Größe und der Einheit des Reiches" anfertigte. Die
Gruppe um Gauzlin von Saint-Denis dagegen, die auf Ludwig
III. gesetzt
hatte und in der kurz zuvor an die Stelle des verstorbenen WELFEN Konrad
als Graf von Paris Odo, der herangewachsene
Sohn Roberts des Tapferen, getreten war, mußte einen merklichen Rückschlag
im Wettstreit mit dem bei Karlmann
dominierenden
Hugo dem Abt hinnehmen, wußte sich aber doch insoweit zu behaupten,
dass Gauzlin 884 zum Bischof von Paris aufstieg. Ohnehin verschaffte sich
unter Karlmann die Normanneplage im
Westen immer wieder den Vorrang vor den inneren Positionskämpfen,
da nach der Übereinkunft mit KARL III. in
Asselt bloß ein Teil des feindlichen Heeres unter Gottfried im Gebiet
der Rheinmündung Fuß faßte, ein weiterer mit dem Anführer
Siegfried jedoch vom Hennegau bis tief in die Champagne ausschwärmte
und neben anderen auch Erzbischof Hinkmar zur Flucht aus Reims trieb, auf
der er am 21./23.12.882 in Epernay gestorben ist. Gegen immer neue Plünderungen
im gesamten Norden W-Frankens half schließlich 884 nach gemeinsamen
Entschluß der Großen nur wieder ein horrender Tribut, den vornehmlich
die Kirchen und ihre Schatzkammern aufzubringen hatten.
Um den rundum in die Defensive geratenen, teilweise bereits
schrumpfenden Reichsgefüge neue Thronkämpfe zu ersparen und wieder
eine längerfristige Perspektive zu eröffnen, griffen die beiden
regierenden KAROLINGER den schon früher
von Hinkmar zur Sprache gebrachten Gedanken an eine feste Rechtsbeziehung
zwischen der östlichen und der westlichen Linie ihres Hauses auf,
indem zu einem unbekannten Zeitpunkt, wohl 883/84, der kinderlose
KARL III. den vaterlosen
Karlmann
adoptierte,
also zum künftigen Erben des Gesamtreiches einsetzte. Die damit verbundene
Erwartung, der junge westfränkische König werde den 27 Jahre
älteren, vielleicht bereits kränkelnden Kaiser überleben,
erfüllte sich indes nicht, denn in abermaliger Steigerung des Verhängnisses
kam Karlmann
am 6.12.884 durch
ein Unglück auf der Jagd zu Tode und mußte, 18-jährig bei
seinem Bruder Ludwig
III. in Saint-Denis begraben werden.
Mühlbacher Engelbert: Seite 397
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"Deutsche Geschichte unter den Karolingern"
Um das Maß voll zu machen, wurde der junge König
noch durch einen frühzeitigen Tod hinweggerafft. König
Karlmann wurde auf der Jagd schwer am Bein verwundet, wie es
anfangs hieß, durch einen Eber, wie später verlautete, durch
unseligen Zufall von einem Jagdgenossen, und erlag nach sechs Tagen, am
12.
Dezember 884, kaum 18 Jahre alt, der Verletzung.
11.9.878
oo 1. Engelberga, Tochter Herzog Bosos von Provence
877- nach 1. 917
Literatur:
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Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten
Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft
750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 229 - Dümmler
Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und
Humblot Berlin 1865 Band II Seite 90,115,122,128,133,144-147,182, 201,209-211,230-234
-
Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin
Köln 2000, Seite 16,20,61 - Ehlers Joachim/Müller
Heribert/ Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige
des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München
1996, Seite 17,23,25,86 - Fried Johannes: König Ludwig der
Jüngere in seiner Zeit. Zum 1100. Todestag des Königs. Vortrag,
gehalten in Lorsch am 18. November 1982 - Hlawitschka, Eduard: Adoptionen
im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge zur
Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für
Herbert
Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Hlawitschka Eduard:
Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen
zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert.
Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte OHG Saarbrücken
1969, Seitze 162 - Hlawitschka, Eduard: Die Widonen im Dukat von
Spoleto, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka Verlag Peter Lang Frankfurt
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Hlawitschka Eduard:
Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton
Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 21,28,29,35,61,85,90-92,95,208,221,223-225,227,229,230-237,244
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Karls III., in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt
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Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung der europäischen Staaten-
und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Darmstadt 1986 - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte
unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion
Seite 397 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa.
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite
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Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag
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Werner Karl Ferdinand:
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