Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 1349
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Utrecht
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A. BISTUM
I. MISSIONSZENTRUM
Keimzelle des Bistums war eine im ehemaligen römischen Kastell in Utrecht gelegene, wahrscheinlich bereits Ende 6./Anfang 7. Jh. bezeugte Kirche, die König Dagobert I. vor 634 (?) Bischof Kunibert von Köln mit dem Auftrag zur Friesenmission übertragen hatte. Die Christianisierung scheiterte jedoch zunächst an der heidnischen Reaktion der Friesen, die um 650 Utrecht eroberten. Weitere Bekehrungsversuche durch Bischof Wilfrid von York (678/79) und den Northumbrier Wikbert (688/89) wurden von den friesischen Fürsten Aldgisl (Aldgild) und Radbod zwar nicht behindert, blieben aber ohne größere Wirkung. Dauerhafter Erfolg war hingegen dem Angelsachsen Willibrord beschieden, dem Pippin II. 690 den eben rückeroberten südwestlichen Teil Frieslands als Missionsfeld zuwies. Er holte um 692 in Rom den päpstlichen Segen für sein Wirken ein; als Stützpunkt diente vielleicht vorerst Antreten. Da sich nach einem weiteren fränkischen Feldzug und der Einnahme Utrechts der Plan einer friesischen Kirchenorganisation ergab, sandte Pippin ihn erneut zu Papst Sergius I., der ihn 695 zum Erzbischof "in gentem Frisonum" weihte mit dem Auftrag, einen direkt der römischen Kirche unterstellten Bischofssitz einzurichten; vielleicht verlieh er ihm auch das Pallium, Pippin wies ihn vor 703/04 in Utrecht ein, doch mußte er sich angesichts des erneuten friesischen Vordringens (715/16) in sein Kloster Echternach zurückziehen und konnte die Missionstätigkeit erst 719/22 wiederaufnehmen. Zur Errichtung einer Kirchenprovinz kam es nicht. Nach Willibrords Tod (739) wurde das Bistum der Aufsicht des Bonifatius anvertraut, der als Bischöfe Wera (?) (739 [?]-752/53) und Eoba (753-754) (nur Chorbischof?) einsetzte. Ansprüche Bischof Hildegards von Köln auf Utrecht konnte Bonifatius erfolgreich zurückweisen. Nach Eobas Tod trat eine Vakanz ein, während der das Bistum von dem Utrechter Abt Gregor ( + 774 [?]) verwaltet wurde. Erst mit dessen Neffen Alberich (nach 777-ca. 784) beginnt die ununterbrochene Bischofsreihe.
II. BISTUM
Seit Wiederherstellung der Metropolitanverfassung durch
KARL DEN GROSSEN gehörte Utrecht
zur Kirchenprovinz Köln. Die Diözese umfasste den größten
Teil der heutigen Niederlande. N-Brabant und Limburg gehörten zu Lüttich,
Nimwegen zu Köln, während Emmerich und Elten im Bistum Utrecht
lagen; einige Gebiete im Osten und Nordosten unterstanden Münster
und Osnabrück. Vor 1112/14 gab es den Versuch, die seeländischen
Inseln dem Bistum Therouanne zu unterstellen (Tanchelm), 1264 musste ein
Schiedsgericht Grenzstreitigkeiten mit dem Bistum Tournai in den Vier Ambachten
beilegen. Während der Normanneneinfälle des 9. Jh. flüchteten
die Bischöfe zunächst auf den Sâint-Odilienberg (bei Roermond)
und später nach Deventer. Erst Bischof Balderich (917/18-975)
konnte vor 929 den Bischofssitz nach Utrecht
zurückverlegen
und die zerstörte Stadt wiederaufbauen. Er gilt deshalb als zweiter
Gründer seiner Diözese. Nach einem Jahrzehnt unter westfränkischer
Herrschaft (915/16-925) schloss er sich dem ostfränkischen
König HEINRICH I. an, der ihm seinen Sohn
Brun, den späteren Erzbischof von Köln, zur Erziehung
anvertraute.
War das Verhältnis zur Krone im 10. Jh. nicht von
Spannungen frei (unter anderem Kritik am Reichskirchensystem in der Vita
Radbodi, Freilassung Heinrichs des Zänkers
durch Bischof Folkmar [976-990]), so traten die Utrechter
Bischöfe während des Investiturstreits zunächst als
treue Anhänger des Kaisers hervor: Bischof Wilhelm I. (1054-1076)
verkündete 1076 auf der Synode von Utrecht die Exkommunikation Gregors
VII., der ihn kurz zuvor abgesetzt hatte, Bischof Konrad (1076-1099)
war der Erzieher HEINRICHS V., dessen
Verlobung mit Mathilde 1110 in Utrecht
gefeiert wurde; erst Bischof Godebold (1114-1127) stand zeitweilig
in Opposition zum Herrscher. Auch in der Folgezeit waren die Bischöfe
zumeist kaiserfreundlich gesinnt: Am Utrechter Dom
richtete vielleicht König KONRAD III.
ein Königskanonikat ein (1145?), und Bischof Gottfried (1156-1178)
unterstützte Kaiser FRIEDRICH I.
in dessen Auseinandersetzungen mit Papst Alexander III.
Aber in zunehmendem Maße waren die Bischöfe
den Einfluss der Grafen von Geldern und Holland ausgesetzt, und es kam
zu ersten Konflikten mit der Utrechter Bürgerschaft und den bischöflichen
Ministerialen. Wohl seit Ende des 12. Jh. oblag die Bischofswahl dem Generalkapitel,
das die Kanoniker des Doms und der vier Utrechter
Stifte umfasste; um 1300 dürften auch die Pröpste bzw. Archidiakone
von Tiel (später Arneheim), Deventer, Oldenzaal und Emmerich dem Wahlgremium
beigetreten sein. Unter Kaiser HEINRICH VI. entglitt
Utrecht
allmählich dem zugriff der Krone; bereits die strittige Bischofswahl
von 1196 entschied nicht mehr der Hof, sondern die Kurie. Bischof Dietrich
II. (1197/98-1212) nahm im deutschen Thronstreit eine wechselnde Haltung
ein und wurde 1204 von Papst Innozenz III. exkommuniziert. Zudem sah er
sich einem erstarkenden Generalkapitel gegenüber, dessen selbständige
Stellung ein Synodalbeschluß 1209 bestätigte. In der Folgezeit
geriet Utrecht ganz unter den Druck der Grafen von
Geldern und Holland; überdies wuchs seit dem Ende des 13. Jh. der
Einfluss Brabants, Flanderns und Hennegaus. Im 14. Jh. benutzte die Kurie
Utrecht mehrmals als zweite Stufe bei Bischofstranslationen von Münster
über Utrecht
nach Lüttich; bedeutendster Utrechter Bischof jener
Zeit war Johann IV. von Arkel (1342-1364), der 1364 nach Lüttich
versetzt wurde. Im Abendländischen Schisma folgte Utrecht
der römischen, später der Konzilsobedienz. Nach dem Tode Bischof
Friedrichs von Blankenheim (1393-1423) kam es zum Utrechter
Schisma, das auch das Basler Konzil beschäftigen sollte und
in dem sich schließlich der burgundische Kandidat Rudolf von Diepholz
(1427-1456) durchsetzte. Auf ihn folgte Bischof David von Burgund
(1457-1496), ein außerehelicher Sohn Herzog Philipps des Guten;
durch ihn und seinen Nachfolger, Bischof Friedrich von Baden (1496-1517),
einen Vetter Kaiser MAXIMILIANS, wurde
Utrecht endgültig in die burgundisch,
später habsburgische Machtsphäre
einbezogen.
Um 1125 war die Einteilung des Bistums in 11 Archidiakonate
abgeschlossen. 1244 wurde zum erstenmal ein bischöfliches Offizial
erwähnt, etwas später dürfte das Amt des Generalvikars entstanden
sein, und mit Jakob van Denmarcken begann 1312 die ununterbrochene
Reihe der Utrechter Weihebischöfe. Klostergründungen
der Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstratenser sind im größeren
Umfang für das 12. und die 1. Hälfte des 13. Jh. belegt. Im 2.
Viertel des 13. Jh. kam es zu ersten Niederlassungen der Bettelorden und
der Beginen. In der 2. Hälfte des 14. Jh. entstand im Bistum
Utrecht, ausgehend von Gerhard Gro(o)te, die Devotio moderna mit
ihrer klösterlichen Reformbewegung der Windesheimer Kongregation.
Geschützt durch Wasserläufe und sumpfige Niederungen
war die
Festung Utrecht seit dem 7. Jahrhundert fränkischer
Vorposten gegen Friesland. Die Lage am Alten Rhein, der zum Lek führenden
Vaast und der ins Ijsselmeer mündenden Vecht machte den Ort zum Ausgangspunkt
des binnenländischen Nordseehandels, aber auch von Heerfahrten in
die Marschen. KARL DER GROSSE, der
die angelsächsische Missionsstation für Friesland zum Bistum
erhob, wies ihrem Sprengel 777 auch die sächsischen Gaue Drenthe und
Twente zu. Utrechts Jurisdiktion reichte von
Seeland bis an die Lauwers, von Elten, Emmerich und dem kaum besiedelten
Mündungsgebiet der großen Ströme bis zu den Westfriesischen
Inseln. Nach völliger Zerstörung durch Wikinger begann um 930
der Wiederaufstieg mit der Rückkehr des Bischofs aus Deventer und
dem Neubau der Domburg, neben der sich Kaufleute und bischöfliche
Handwerker ansiedelten. Auch der Handelshafen Tiel stand unter Utrechts
Schutz. Verlorene Ländereien wurden zurückgenommen. Zoll und
Münze, Schiffssteuer und Hafenzölle, Fischereirechte auf den
Flüssen zwischen Altem Rhein und der unteren Maas kamen hinzu.
Albericus I. | 780-14.11.784 |
Harmacker | 791-28.09.804 |
Richfried | 804-05.10.827 |
Friedrich I. 781-18.07.835 | 820- 18.07.835 |
Albericus II. | ca. 836-14.11.vor 845 |
Eghard | 845- 847 |
Ludgar | 847-23.04.856 |
Hungar | 856-22.12.866 |
Adalbold I. | 866-25.09. 899 |
Egilbald | 900-25.09.901 |
Radbod 850-29.11.917 | 899-29.11. 917 |
Balderich I. 897-27.12.975 | 918-27.12. 975 |
Folkmar | 976-11.12.990 |
Balduin I. | 990-10.05. 995 |
Ansfrid | 995-03.05.1010 |
Adalbold II. 975-27.11.1026 | 1010-27.11.1026 |
Bernulf | 1027-19.07.1054 |
Wilhelm I. | 1054-27.04.1076 |
Konrad | 1076-14.04.1099 |
Burchard | 1099-16.05.1112 |
Godebald | 1112-12./13.11.1127 |
Andries van Kuik | 1127-23.06.1139 |
Hartbert | 1139-11./12.1150 |
Heinrich von Horn | 1151-31.01./27.03.1156 |
Gottfried | 1156-27.05.1178 |
Balduin II. von Holland | 1178-27./30.04.1196 |
Arnold I. von Isenburg | 1196-06.04./06.06.1197 |
Dietrich I. von Holland | 1196-28.8./05.11.1197 |
Dietrich II. von Ahr | 1197-05.12.1212 |
Otto I. von Geldern 1194- 1. 9.1215 | 1212-01.09.1215 |
Otto II. von Lippe | 1216-28.07.1227 |
Willebrand von Oldenburg | 1227-26./27.07.1233 |
Otto III. von Holland | 1233-11.04.1249 |
Heinrich von Vianden | 1249-04.06.1267 |
Johann I. von Nassau ca. 1240-13. 7.1290 | 1267-13.07.1290 |
Johann II. van Sierck + 13. 7.1309 | 1291-1296 |
Wilhelm II. von Mecheln | 1296-04.07.1301 |
Guido von Avesnes ca. 1253-28. 5.1317 | 1301-28.05.1317 |
Friedrich II. van Sierck | 1317-20.07.1322 |
Johann III. van Dienst | 1322-01.06.1340 |
Johann IV. von Arkel + 1. 7.1387 | 1341-1364 |
Johann V. von Virneburg | 1364-23.06.1371 |
Arnold II. von Hoorn + 8. 3.1389 | 1371-1378 |
Friedrich III. von Blankenheim ca. 1355- 9.10.1423 | 1393-09.10.1423 |
Friedrich IV. von Baden 8. 7.1458-24. 9.1517 | 1496-24.09.1517 |
Philipp von Burgund 1464-07.04.1524 | 1517-07.04.1524 |
Heinrich II. von Bayern 14.02.1487-03.01.1552 | 1524-21.08.1528 |
Wilhelm von Enckefort | 1529-18.07.1534 |
Georg von Egmond | 24.12.1534-26.09.1559 |
Friedrich V. Schenk von Tautenberg | 1560-25.08.1580 |