Tochter des Grafen
Odo von Orleans und der Ingeltrud
von Fezensac, Tochter von Graf
Leuthard
Treffer Gerd: Seite 47-49
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"Die französischen Königinnen. Von Bertrada
bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)"
Irmintrud - 25 Jahre Eheleid
* 825, + Oktober 869
Abtei Hasnon
Erste Gemahlin KARLS II. DES KAHLEN (* 823; König: 843-877; Kaiser 875) Heirat: 14. Dezember 847
Als Irmintrud KARL
heiratete, ist der König des W-Reiches - die "außenpolitische"
Lage zunächst einmal stabilisert. Dennoch ist KARLS
Aufgabe keineswegs einfach. Fünf Jahre lang muß er kämpfen,
um örtliche Partikularismen und allzu unabhängig sich gebärdende
Herren unterzuordnen. Seine Hauptstadt hat er in Orleans aufgeschlagen,
eine zentrale Lage, die es ihm gestattet, jeden Punkt seines Königreiches
rasch zu erreichen, wann immer seine Anwesenheit nötig ist.
KARL sichert die Einheit seines Reiches durch eine umfassende
Gesetzgebung. Gleichwohl wird sein Königtum fest umgrenzt von der
hohen Geistlichkeit, deren bedeutendster Vertreter Hinkmar von Reims ist.
Am 14. Dezember 847 ehelicht KARL
die 22-jährige Irmintrud - die
Tochter Odos, des Grafen von Orleans. Zu ihren Vorfahren
zählen
Karl Martell, Pippin
der Kurze und Desiderius,
der Langobarden-König. Sie ist Königin eines Landes, in dem Hungersnot,
in dem Angst herrscht, denn die Normannen aus Jütland fahren im Frühjahr
die Flüsse hinauf, verbreiten Angst und Schrecken, greifen die Klöster
an, plündern und nehmen Geiseln. Schon 845 sind sie bis Paris gekommen
und KARL hat ihrem Anführer die
sagenhafte Summe von 7.000 Silbertalern bezahlen müssen. Das hat den
Appetit der fürchterlichen Krieger nur gesteigert.856 plündern
sie um Paris herum alles, was nicht niet- und nagelfest ist, dringen aber
noch nicht in die Stadt selbst ein. Zehn Jahre lang kann man regelmäßig
mit ihrem Einfall rechnen. Erst nach 866 hören die Normanneneinfälle
auf - die Krieger aus dem Norden fallen jetzt über England her.
In diesen Abwehrkämpfen ist KARL
gezwungen, starke Gefolgsleute heranzuziehen, das heißt, den Herren
größere Autonomie zu gewähren - er bestätigt ihnen
gar die Erblichkeit ihrer Ämter, was sie mächtig macht, sich
aber eines Tages gegen seine Nachfolger richten wird.
Irmintrud wird ihren Mann aber auch im Streit mit seinen Neffen
sehen: mit Pippin II. zunächst,
der zu Recht seine Ansprüche auf Aquitanien anmeldet. Das Problem
mit Lothar II. wird noch folgen. Die
Bretonen ihrerseits fühlen sich seinem Reich nicht zugehörig,
und neue Konflikte brechen auf.
Vor diesem beunruhigenden Hintergrund bringt Irmintrud
mehrere Kinder zur Welt. Sie alle werden dem Königspaar nichts als
Ärger und Kummer bereiten: Da ist zunächst Judith.
Aus politischen Gründen wird sie mit einem angelsächsischen Prinzen
verlobt. Vom Grafen Baudouin von Flandern entführt, rettet sie sich
in den Schutz des Feindes ihrer Eltern, ihres Cousins Lothar
II. Sohn Karl wird mit 17
Jahren verwundet werden, was eine Art geistiger Behinderung auslöst.
In seinem Streit mit Pippin II. um Aquitanien
bedient sich König KARL seiner
und macht ihn zum König von Aquitanien. Der undankbare Sohn aber läßt
sich von Pippin beeinflussen und rebelliert
864 gegen die väterliche Autorität. Er unterwirft sich zwar wieder
- stirbt aber schon 867. Lothar ist
körperlich behindert, wird Mönch und stirbt vor seiner Volljährigkeit.
Karlmann,
verschlagen und gewalttätig, steht seinem Vater in einer Dauerrevolte
gegenüber.
KARL wird ihn grausam
züchtigen. Der schlimmste von allen aber ist der älteste SohnLudwig.
Mit 16 Jahren greift er 862 gegen den Vater zu den Waffen. Die königlichen
Truppen bringen ihn wieder zur Vernunft.
Zu all diesen Belastungen für das Königspaar
kommt ein weiterer Familienzwisct, allerdings von außen: Lothar
II. - seit 855 König im Nachbarreich - der Sohn von KARLSHalbbruder,
ist in einen lebhaften Scheidungsstreit verwickelt, bei dem sich König
und Königin auf den entgegengesetzten Seiten engagieren. Die Geschichte
ist auf Jahre hinaus eine Staatsaffäre, die den ganzen Okzident beschäftigt.
Begonnen hat sie 857: Lothar II. will
seine Frau Thurtberga wegen Sterilität
verstoßen
und seine Mätresse Waltrade heiraten.
Vier Synoden zwischen 860 und 863 werden sich damit befassen. Jedesmal
ist der Druck Lotharsauf die Bischöfe
stark genug, daß das Ergebnis zu seinen Gunsten ausfällt. 863
ist Papst Nikolaus I. gezwungen, die Entscheidungen der Metzer Synde auszusetzen
und seinen Willen zu erzwingen. Irmintrud
steht fest auf seiten Thurtbergas,
KARList
für die Argumente seines Neffen nicht unzugänglich und wird schließlich
vom Papst zur Ordnung gerufen.
Die Spannungen zwischen den königlichen Eheleuten
sind so stark, daß sie sich nach 25 Jahren gemeinsamen Lebens trennen.
Die Königin zieht sich in die Abtei von Hasnon bei Valenciennes zurück.
Sie verfolgt die politischen Geschehnisse nur mehr aus der Ferne. [KARL
DER KAHLE dringt in Lotharingien ein und läßt sich
am 9. September 869 von Hinkmar, dem Erzbischof von Reims, in Metz salben.].
Dort stirbt sie zwei Jahre später, am 6. Oktober 869, im Alter
von 47 Jahren.
KARL DER KAHLE ging
seine Ehe mit
Ermentrud erst nach dem
Tod LUDWIGS DES FROMMEN Ende 842 ein.
Ermentrud
war eine Tochter des Grafen Odo von Orleans und verwandt mit
Adalhard,
einem der mächtigsten Adeligen im Reich KARLS
DES KAHLEN. Die Ehe mit ihr wurde in einer Phase des Krieges
geschlossen, in der die Brüder einen Ausgleich anstrebten, und tatsächlich
zählten ja die ADALHARDE
zu jenen Adelssippen, die in allen Reichsteilen Einfluß hatten
und deshalb einen Friedensschluß nicht nur selbst wünschten,
sondern gewiß auch fördern konnten. Es besteht kaum ein Zweifel,
daß die Verbindung
KARLS DES KAHLEN
mit Ermentrud seit 842 als Vollehe
galt, besonders weil damit angesichts der bedrängten Lage KARLS
ein außerordentlich wichtiges Bündnis besiegelt wurde. Gekrönt
wurde Ermentrud
anscheinend nicht,
und auch zum Jahre 848 ist eine Teilnahme der Königin an der Weihe
KARLS
DES KAHLEN nicht überliefert. Erst zum Jahre 866 berichten
die Quellen von einer Krönung Ermentruds.
Allerdings würde sowohl die Krönung Judiths,
einer Tochter KARLS DES KAHLEN, anläßlich
von deren Eheschließung mit dem angelsächsischen
König Aethelwulf, als auch KARLS
Haltung im "Ehestreit" die Vermutung nahelegen, daß der
Krönung
Ermentruds im Jahre 866
eine ähnliche Zeremonie bereits vorausgegangen war. Jedenfalls unterblieb
das Sakramentale nicht, weil es für die Königin noch nicht üblich
war, sondern allenfalls wegen der Störung des guten Einvernehmens
zwischen KARL DEM KAHLEN und den ADALHARDEN.
Die Krönung von 866 scheint hingegen die Annäherung zwischen
KARL DEM KAHLEN und den ADALHARDEN
bekräftigt zu haben. Als Akt der Rechtsetzung für eine
Vollehe geschah das Ereignis - bedenkt man KARLS
DES KAHLEN Engagement im "Ehestreit" Lothars
II. - zu einem politisch höchst bemerkenswerten Datum.
Hinzu kommt noch in Anbetracht der Existenz von Erben KARLS
merkwürdige Motivation für die Krönungszeremonie
Ermengards. Deren Krönungsordo drückte nämlich
vor allem die Hoffnung auf Nachkommenschaft aus. KARLS
Wunsch nach einem neuen Erben deutet auf das erwähnte neuerliche Einvernehmen
hin. Für eine solche Politik hatten sich die älteren Söhne
KARLS
DES KAHLEN sicher schon disqualifiziert. Das Bündnis von
866 scheiterte unter anderem vermutlich auch, weil Ermentrud
starb.
Schieffer Rudolf: Seite 145,159
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"Die Karolinger"
Bedachtsam war auch die Wahl der Gattin, die der 19-jährige
König Ende 842 ehelichte, denn sie fiel auf Irmintrud,
die Tochter des 834 gegen LOTHAR gefallenen
Grafen
Odo von Orleans und Nichte des einflußreichen Seneschalks Adalhard,
"weil er (durch diese Heirat) den größten Teil des Volkes für
sich zu gewinnen glaubte" (wie Nithard duchaus kritisch anmerkte). Jedenfalls
gebar Irmintrud nach einer Tochter
Judith 846 den Stammhalter
Ludwig,
dem in kurzem Abstand noch drei weitere Söhne Karl,
Karlmann
und
Lothar,
folgten.
Daß schon 865 auch der seit Geburt schwächliche
Sohn Lothar, zuletzt nomineller Abt
von Saint-Germain in Auxerre, und anscheinend um dieselbe Zeit Zwillingssöhne
im Kindesalter verstorben waren, mag den besorgten KARL
bewogen haben, seiner etwa 36-jährigen Gattin
Irmintrud 866 in Soissons eine feierliche Salbung und Krönung
durch die Bischöfe mit Gebetsbitte um weitere Nachkommenschaft zuteil
werden zu lassen, doch hinderte ihn dies keineswegs, kurz darauf deren
Bruder als Aufrührer mit dem Tode zu bestrafen.
Riche Pierre: Seite 200,237
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"Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."
Zur gleichen Zeit befestigt KARL
DER KAHLE seine Stellung im W-Frankenreich durch die Eheschließung
mit Ermentrud, der Tochter des Grafen
Odo von Orleans (13. Dezember 842). Odo entstammt einem mittelrheinischen
Geschlecht, das zweifellos mit der Familie von KARLS
DES GROSSEN Schwager Gerold verwandt war.
Als kurz nacheinander seine beiden SöhneLothar
(+ 865) und Karl das Kind (+ 866)
starben, war er tief betroffen. Er suchte die Aussöhnung mit seiner
Gemahlin Ermentrud, die er in Saint-Medard
feierlich zur Königin salben ließ. Aber unmittelbar nach der
Zeremonie verschwor sich Wilhelm, der Bruder Ermentruds,
gegen den König, und KARL ließ
ihn enthaupten. Ein Jahr später trennten sich die Ehegatten,
Ermentrud
zog sich in ein Kloster zurück.
13.12.842
oo 1. KARL II. DER KAHLE
13.6.823-6.10.877
Kinder:
Judith
844- 870
1.10.856
1. oo Aethelwulf König von Wessex
- 858
858
2. oo Aethelbald König von Wessex
- 860
862
3. oo Balduin I. Graf von Flandern
- 879
Ludwig II. der Stammler
846-10.4.879
Karl König von Aquitanien
847/48-29.9.866
durch Unfall
Karlmann Abt von St. Germain d'Auxerre (22.1.866-876)
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876
Lothar Abt von St. Germain d' Auxerre
um 850-25.12.865
Ermentrud Äbtissin von Hasnon
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Literatur:
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Black-Veldtrup Mechthild: Kaiserin Agnes (1043-1077)
Quellenkritische Studien. Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 1995,
Seite 103,156 -
Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen
Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 181,422,505,533,
575,590,592,724,758; Band II Seite 670, 690 - Ennen, Edith: Frauen
im Mittelalter. Verlag C. H. Beck München 1994, Seite 48 - Hlawitschka
Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische
Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und
11. Jahrhundert. Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte
OHG Saarbrücken 1969, Seite 163,167,171 - Hlawitschka Eduard:
Studien zur Äbtissinnenreihe von Remiremont. Buchdruckerei und Verlag
Karl Funk, Saarbrücken 1963, Seite 37 - Konecny Silvia: Die
Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der
Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie
vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien
1976, Seite 135-136 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie
formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
1991, Seite 200,237 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer
GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 145,159,163 - Schneidmüller
Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Berlin Köln 2000, Seite 61,64 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche
Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag
Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 58 - Treffer Gerd: Die französischen
Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)
Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996, Seite 47,50, 53 -