Johann Ohnefurcht                                   Herzog von Burgund (1404-1419)
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28.5.1371-16.9.1419
Dijon        Montereau

Begraben: Kartäuserkirche zu Dijon
 

Ältester Sohn des Herzogs Philipp der Kühne von Burgund und der Margarete II. von Flandern, Erb-Tochter von Graf Ludwig III. von Maele
 

Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 334
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Jean ‚sans peur‘ (Johann ‚Ohnefurcht‘), Herzog von Burgund
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* 28. Mai 1371, + 10. September 1419
Rouvres               bei Montereau

Begraben: Dijon

Sohn von Herzog Philipp dem Kühnen und Margarete von Falndern

  oo 12. April 1385 zu Cambrai WITTELSBACHERIN Margarete von Bayern

Erhielt von seinem Vater die Grafschaft Nevers übertragen, nahm 1396 das Kreuz, wurde bei Nikopolis gefangengenommen und 1398 gegen Lösegeld freigelassen; Herzog seit 28. April 1404, teilte nach dem Tod der Mutter (21. März 1405) das Erbe mit seinen Brüdern, wobei er sich das Herzogtum Burgund, die Freigrafschaft Burgund, das Artois und Flandern vorbehielt. Er konnte dem Herzogtum die Grafschaft Tonnerre (als Pfandschaft Graf Ludwigs II. von Chalon) einverleiben und war auch bestrebt, die Reichsstadt Besancon der burgundischen Freigrafschaft einzugliedern. Dem dynastischen Bündnis seines Hauses mit den hennegauisch-holländischen WITTELSBACHERN treu ergeben, unterstützte er den Bischof von Lüttich, Johann von Bayern, im Kampf gegen seine aufständische Bischofsstadt und erwarb sich in der siegreichen Schlacht von Othee (23.9.1408) seinen Beinamen. Danach überließ er die Regierung Burgunds seiner Gemahlin, um sich den Agelegenheiten des Königreiches Frankreich zuzuwenden.
Im Konflikt mit dem Herzog Ludwig von Orleans verdrängte er diesen von der Macht und ließ ihn am 23. November 1407 ermorden. Danach mußte Jean 'sans peur' für kurze Zeit aus Paris fliehen, kehrte aber zurück und ließ 1408 durch Jean Petit öffentlich die Rechtfertigung des Mordes verkünden. Er riß die Macht in der Hauptstadt an sich und ließ den Maitre de 'hotel du roi, Jean de Montaigue, hinrichten. Die anderen Fürsten, an ihrer Spitze Jean de Berry, verbündeten sich gegen ihn, und der offene, nur von kurzen Friedensphasen (Chartres, 1409; Auxerre, 1412) unterbrochene Bürgerkrieg brach aus. Jean 'sans peur'erließ eine Reformordonnanz gegen die Mißwirtschaft der königlichen Beamten und Hoffinanziers (fälschlich als Ordonnance cabochienne bezeichnet). Vom Volksaufstand der sogenannten 'Cabochiens', mit denen Jean 'sans peur' paktierte, schließlich überrollt, mußte der Herzog 1413 die Hauptstadt erneut verlassen; seine Gegner verfolgten trotz seines 1414 in Arras geschlossenen Vertrages seine Anhänger und hinderten sie sogar daran, sich dem französischen Heer anzuschließen, das dann bei Azincourt den Engländern unterlag. Jeans Feinde bemühten sich auch, auf dem Konzil von Basel eine Verurteilung der These Jean Petits über den Tyrannenmord zu erreichen. Der Tod seines Schwiegersohnes, des Dauphins Johann, beraubte Jean 'sans peur' der Hoffnung, auf dynastische Weise wieder an die Macht zu gelangen; er rief daher die Städte auf, sich um ihn zu scharen, und bildete in Troyes einen Gegenregierung unter Königin Isabella. Am 28. Mai 1418 eroberte er erneut Paris; sein Feind, der Connetable Armagnac, wurde brutal ermordet. Angesichts der Bedrohung der Hauptstadt durch die Engländer, mit denen Jean 'sans peur' verhandelt hatte, suchte der Herzog einen Ausgleich mit dem Dauphin Karl (VII.), der nun zum Haupt der 'Armagnac'-Partei geworden war. Nach einer ersten Unterredung lockte ihn der Dauphin zu einem zweiten Gespräch auf die Brücke von Monterau, auf der Jean 'sans peur' heimtückisch erschlagen wurde.


Johann Ohnefurcht führte bei Lebzeiten seines Vaters den Titel eines Grafen von Nevers. Er zog 1396 mit einem französischen Kreuzfahrerheer SIGISMUND VON UNGARN zu Hilfe und kämpfte in der Schlacht bei Nikopolis (28.9.1396) gegen die Türken. Das französische Heer wurde völlig aufgerieben und Johann geriet mit den Resten desselben in Gefangenschaft, woraus ihn erst die Zahlung eines horrenden Lösegeldes 1397 befreite. Er war ähnlich häßlich und kräftig wie der Vater, besaß blaue Augen, ein volles Gesicht, ein hartes Kinn, einen massiven, eingedrückten Schädel, hatte aber im Gegensatz zu Vater und Sohn kein höfisches Benehmen, keine Grazie, war schwerfällig beim Sprechen, verstand es aber durchaus, die richtigen Worte zu finden, um Stimmung für sich zu machen; er war tapfer und leichtsinnig wagemutig und grenzenlos ehrgeizig; er zeigte sich als typischer Vertreter eines zynischen, entarteteten Rittertums, dessen äußere Formen er wahrte. Er wuchs in Flandern auf, was ihn und sein politisches Denken stark prägte und folgte 1404 seinem Vater als Herzog von Burgund, Graf von Freiburgund, Artois, Flandern und Pair von Frankreich. Johann geriet wegen seiner niederländischen Interessen, die keinen englisch-französischen Krieg, den der französische Regent Orleans provozierte, gebrauchen konnten, in Gegensatz zum Herzog von Orleans, begann mit einem geschickten propagandistischen Feldzug, wobei er sich als Schutzherr der steuergeplagten Franzosen ausgab, und ließ seinen glänzenden, verschwenderischen Vetter, Ludwig von Orleans, am 23.11.1407 in Paris auf offener Straße ermorden. Diesen Mord ließ er von Dr. Jean Petit von der Sorbonne öffentlich als "Tyrannenmord" rechtfertigen. Als Enkel Johanns des Guten glaubte er, infolge der Geisteskrankheit seines Vetters, des Königs Karl VI., Anspruch auf die Krone Frankreichs zu haben. Er intrigierte mit Geschick gegen das französische Königshaus und wurde zum Initiator des großen Konflikts zwischen Burgundern und königstreuen Armagnacs im Kampf um den französischen Thron. Er besetzte 1408 Paris und brachte es fest unter seine Kontrolle. Um die Bevölkerung für sich zu gewinnen, ließ er durch Erlasse die 1383 aufgehobenen Privilegien der Stadt Paris wiederherstellen. 1411 begann nach zwei verlogenen, theatralischen "Versöhnungen" der offene Bürgerkrieg der "Bourguignons" gegen die "Armagnacs". Johann näherte sich immer mehr England, schloß schon 1406 einen Handelsvertrag, lockte 1411 England nach Frankreich und schloß im Oktober 1416 einen Geheimpakt (Pakt von Calais) und erkannte 1417 sogar den englischen König als König von Frankreich an und huldigte dem deutschen König SIGISMUND für alle Reichslehen. 1408 unterwarf er Lüttich für den holländischen Schwager und wurde Bistumsprotektor. Im August 1413 wurde er durch einen Aufstand der Zünfte (Cabochiens) aus Paris verdängt, verlor damit die Kontrolle über Paris und den zentralen Regierungsapparat, kreiste später Paris ein, eroberte die Champagne, bildete 1417 mit der von ihm gefangenen Königin Isabeau von Frankreich eine Gegenregierung in Troyes und eroberte im Mai 1418 Paris zurück, wobei er die "Cabochiens" brutal-blutig niederschlug. Zur Schlacht von Azincourt (25.10.1415) verweigerte Johann dem König Waffenhilfe. Johann arrangierte die politisch bedeutsame Heirat seines brabantischen Neffen mit der holländischen Thronerbin und geriet damit in Konflikt zu Kaiser SIGISMUND, da Brabant-Limburg genauso wie Holland Reichslehen waren. Mit seinen Töchtern betrieb er genauso wie für den Sohn eine ausgeklügelte Heiratspolitik. Im September 1419 trafen der Dauphin Karl und Herzog Johann zusammen, um ein gemeinsames Vorgehen gegen die Engländer zu vereinbaren. Bei dem ausgebrochenen Streit wurde Johann, der bis zuletzt die Furcht, die er selbst nicht kannte, zu einem wesentlichen Mittel seiner verschlagenen Politik machte, von Begleitern des Dauphins ermordet.

Calmette, Joseph: Seite 86-88,148
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"Die großen Herzöge von Burgund."

Der zweite unserer Herzöge hat bei der Taufe den Namen seines Großvaters, des Königs Johann erhalten. Man berichtet uns, er sei ein "kleiner dunkler Mann mit blauen Augen, vollem Gesicht, festen Blick und hartem Kinn" gewesen, "mit massigem, eingedrücktem Schädel; er hat kein feines Benehmen und keine Grazie, das Sprechen fällt ihm schwer, er versteht nicht aufzutreten und vernachlässigt seine Kleidung", wenn er sich nicht, um zu paradieren, ostentativ in Gewändern zeigt, die mit Schmuck überladen sind. Er ist "ein Flame, der das Blut vom Hennegau in sich hat". Er schlägt seinem Vater nach, aber mehr noch seiner Mutter. Er ist tapfer, wagemutig, listig und von grenzenlosem Ehrgeiz. Sein unelegantes Auftreten und seine derben Manieren sind dazu angetan, vor allem das gemeine Volk zu beeindrucken. Durch die Entschlossenheit und den energischen Willen, der sich in ihnen ausdrückt, erzwingt er sich trotzdem Achtung. Obschon unansehnlich unsd unbeholfen, von einer virilen Häßlichkeit, robuster und gesunder Schwerfälligkeit, verleugnet das Äußere nicht den großen Herrn. Hinter diesem reizlosen Äußeren steckt eine starke Persönlichkeit. Sein Adlerprofil fasziniert, er mißfällt und hat zugleich etwas Bestechendes. Sein Gesichtsausdruck hat irgend etwas Seltsames, etwas Beunruhigendes. Die "Furcht", die er selbst nicht kennt, andern aber mit diebischer Freude einzujagen liebt, wird eines der wesentlichen Mittel seiner Politik sein. Ein anderes, das ihm nicht minder zu Gebote steht, ist die Schmeichelei. Sein Schicksal und seine Person sind voller Kontraste. Er wird seinem Jahrhundert eine starke, aber zweideutige Prägung geben, zweideutig wie seine Gesichtszüge, zweideutig wie die Stimmungsumschwünge seiner rätselhaften Psyche.
Treffen von Montereau
Nachdem durch Verschulden Johanns, dessen guter Wille dadurch sehr zweifelhaft geworden war, die Begegnung mehrmals aufgeschoben werden mußte, setzte man sie für den 10. September auf der Yonne-Brücke bei Montereau fest. Die beiderseits vorhandene Furcht vor einem möglichen Attentat rückte von vornherein die berüchtigte Zusammenkunft in ein zweifelhaftes Licht. Trotzdem fanden sich am vereinbarten Tag die beiden Fürsten mitten auf der Brücke ein, die durch einen Turm mit Pechnasen bewehrt war. Eine kleine Gruppe von Edelleuten begleitete jeden der Gesprächspartner. Es war fünf Uhr nachmittags. Sehr schnell wurde das Gespräch scharf. Unter dem Vorwand, der Dauphin könne nichts machen ohne die Einwilligung seines Vaters, läßt sich der Herzog auf keine bindenden Erklärung ein. Plötzlich kommt der Schwindel des Gesprächs heraus. Während der Dauphin entmutigt die Brücke verläßt, entsteht hinter ihm ein wirres Handgemenge. Es ist unmöglich, auf Grund der ungenauen oder abweichenden Berichte, über die wir verfügen, zu sagen, wie sich der Vorgang in Wirklichkeit abgespielt hat. Die Legende machte sehr schnell die höchst zweifelhaft Version populär, nach der Tanguy du Chatel Johann ohne Furcht durch einen Axthieb auf den Schädel getötet habe. Die schlichte Tatsache ist daß der Mörder Ludwigs von Orleans nun seinerseits das Opfer eines Mordanschlags wurde und daß das Verberechen im Barbette-Viertel durch eine Verkettung von Umständen sein Nachspiel und seine Antwort im Verbrechen von Montrereau fand. Jener, der sich des Stahls bedient hatte, ging durch den Stahl zugrunde.

Favier, Jean: Seite 392
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"Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515."

Treffen von Montereau

Johann der Unerschrockene versuchte, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Erneut nahm er Fühlung mit Heinrich V. auf, stimmte aber in der Hoffnung, eine Verständigung zwischen den jungen Prinzen und dem König zustande zu bringen und so den selbsternannten Stellvertreter des Königs ausschalten zu können, andererseits auch einem Treffen mit dem Dauphin am 19. September 1419  in Montereau zu. Die Ultras der Armagnac-Partei, Tanguy und seine Männer, witterten die Gefahr und erdolchten Johann den Unerschrockenen während dieses Treffens.

Ehlers Joachim: Seite 302
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"Geschichte Frankreichs im Mittelalter."

Treffen von Montereau

Am 19. Januar 1419 nahm Heinrich V. Rouen und begann Verhandlungen mit den beiden französischen Lagern, stellte aber als Preis für seine Unterstützung so hohe territoriale Forderungen, daß weder der Dauphin noch Johann bereit waren, unter diesen Bedingungen ein Bündnis einzugehen. Die Unterredungen schleppten sich das ganze Frühjahr über hin, so daß der Ausgleich zwischen Karl und dem Herzog von Burgund allmählich wieder möglich schien. Ein erster Versuch war im Vertrag von Pouilly-le-Fort vom 11. Juli zwar nicht über allgemeine Willenserklärungen hinausgekommen, hatte den Kontrahenten aber eine Richtung gewiesen, in die sie angesichts der Eroberung von Pontoise durch Heinrich V. am 31. Juli noch entschiedener gedrängt wurden. Auf Anregung des Dauphin stimmte Johann nach einigem Zögern einer persönlichen Begegnung, die am 10. September 1419 in Montereau, am Zusammenfluß von Seine und Yonne, 88 km südöstlich von Paris stattfinden sollte. Diplomatischem Brauch der Zeit entsprechend wurde die Zusammenkunft auf eine Brücke anberaumt, über dem als neutral angesehenen Flußlauf, und man hatte hölzerne, von verschließbaren Pforten durchbrochene Schranken errichtet, innerhalb derer verhandelt werden sollte. Zwischen diesen Barrieren wurde Johann nach kurzem Wortwechsel vom Dauphin und einigen seiner engsten Berater mit Äxten angegriffen und ermordet. Die näheren Umstände der Tat sind widersprüchlich überliefert; während der Dauphin verbreiten ließ, er habe in spontan entstandenem Streit aus Notwehr gehandelt, behauptete die burgundische Seite sogleich, daß dem Anschlag ein wohlüberlegter, bis ins einzelne gut vorbereiteter Plan zugrundegelegen habe.
Vieles spricht dafür, daß diese Version zutrifft. Karl gab große Pensionen an seine Mittäter und behielt sie als Vertraute im Dienst; diese Männer, besonders Jean Louvet und Tanguy du Chastel, hatten für ihr Handeln starke Motive, die sich überdies mit denen des Dauphin weitgehend deckten: Streben nach Rache für den Mord am Herzog von Orleans, politisches Kalkül und Sorge um die eigene Zukunft.

Schelle, Klaus: Seite 33-34
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"Karl der Kühne. Burgund zwischen Lilienbanner und Reichsadler."

Treffen von Montereau
Konsequenterweise versucht Johann wieder mit dem Dauphin in Kontakt zu kommen. Anfang 1419 wird ein feierlicher Vertrag zwischen den beiden aufgesetzt. Zur Bekräftigung der Einigung soll eine Begegnung zwischen dem Dauphin und dem Herzog stattfinden. Mehrmals wird das Datum verschoben, dann will man sich am 10. September 1419 auf der Brücke von Montereau-sur-Yonne treffen. Der letzte Akt bricht an. Die Ratgeber des Herzogs beschwören ihn, sich nicht auf die Begegnung einzulassen. Die Falle ist bereits gestellt. An einem Tag seines Lebens verlassen den Burgunder-Herzog seine sprichwörtliche Vorsicht, seine Klugheit, sein Gefühl für nahende Gefahr.
Johann Ohnefurcht akzeptiert, daß die Begegnung auf einer kleinen Insel im Fluß Yonne stattfindet, wo man wie in einer Mausefalle sitzt, wenn das Brückentor hinter einem geschlossen ist. Noch schlimmer: Er lehnt es ab, ein ausreichend bewaffnetes Gefolge mitzunehmen. "Er geht seinem Schicksal mit einer ruhigen Resignation entgegen, wie wenn er Vertrauen in das Wort seiner Feinde hätte, die er so gut kennt, und trotz der Perfidien des menschlichen Herzens. Vielleicht ist auf der anderen Seite selbst der Dauphin nicht vollkommen zum Verbrechgen entschlossen und es ist ein Zufall, der es hervorgerufen hat. Aber es herrscht bei dieser Begenung zwischen den unversöhnlichen Gegnern eine solche Angst, eine solche Nervosität, ein solcher Argwohn herüber und hinüber, daß die unschuldigste Geste die Katastrophe provozieren kann. An der ersten Barriere findet Johann Ohnefurcht die Leute des Dauphin, die ihm sagen: 'Monseigneur erwartet Euch.' Dann passiert er die zweite Barriere, die man mit dem Schlüssel hinter ihm abschließt. Auf der Brücke begenet er Tanneguy du Chatel, dem er freundschaftlich auf die Schulter schlägt.
Monstrelet berichtet weiter: "Und so passierte er weiter bis nahe zu dem besagten Dauphin, vor dem er, um ihm Ehre und Reverenz zu erweisem, sich auf ein Knie niederließ, um ihn untertänig zu grüßen; worauf der Dauphin irgendwie antwortete, ohne ihm etwas zu zeigen, was nach Zuneigung aussah und ihm vorwarf, daß er sein Versprechen schlecht gehalten habe und nicht mit dem Krieg aufgehört noch seine Leute aus den Garnisionen abgezogen habe, wie er es versprochen hatte. Inzwischen faßt ihn Herr Robert de Loire beim rechten Arm und sagte ihm: 'Steht auf, Ihr seid nicht sonderlich ehrenhaft' und der besagte Herzog war, wie oben angeführt, auf einem Knie und hatte sein Schwert umgegürtet. Dieses war ohne seinen Willen zu sehr nach hinten gerutscht, während er hingekniet war, so daß er es mit der Hand faßte, um es zurecht zu rücken, daß es ihm bequemer sitze, und darauf sagte der erwähnte Herr Robert de Loire zu ihm: 'Legt Ihr die Hand an Euer Schwert in der Gegenwart des Herrn Dauphin?' Unter diesen Worten nähert sich von der anderen Seite Herr Tanneguy de Chatel, der macht ein Zeichen und sagt 'Es ist Zeit' und er hieb dem besagten Herzog mit einer kleinen Axt, die er in der Hand hielt, über das Gesicht so schroff, daß er in die Knie brach und ihm das Kinn zerschlug. Als der Herzog den Schlag spürte, legte er die Hand ans Schwert, um es zu ziehen, und versuchte sich zu erheben, um sich zu verteidigen, aber vergeblich, wegen des besagten Tanneguy wie einiger anderer, erhielt noch einige Stöße und fiel zur Erde wie tot. Und geschwind stieß ihm ein gewisser Olivier Layet mit der Hilfe von Pierre Fratir ein Schwert durch sein Panzerhemd ganz in den Leib."
Die Edelleute seines Gefolges versuchen, den Herzog zu verteidigen, werden aber, durch die Übermacht bewältigt, ebenfalls getötet oder verwundet. Der Dauphin, der der Szene wie erstarrt zugesehen hat, wird von seinen Begleitern wegegeführt. Die Nacht bricht herein. Auf der Brücke von Montereau liegt die Leiche des mächtigsten Mannes von Frankreich, aus vielen Wunden blutend, seines Schmuckes und der Oberbekleidung beraubt. Lähmendes Entsetzen zieht über das Land.

Saller Martin: Seite 267
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"Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron."

Treffen von Montereau
Am Südufer der Yonne hat der Dauphin mit seinem Gefolge Quartier in der Stadt Montereau bezogen, bei der auch seine rund 20.000 Mann starke Streitmacht lagert. Herzog Johann, den nur eine etwa 3.000 Mann starke Abteilung begleitet, hat sein Hauptquartier am Nordufer des Flusses in der Burg. Für die Begegnung der Vettern ist in der Mitte der Yonne-Brücke eine Plattform vorbereitet, die Holzbarrieren mit kleinen Durchlässen abgrenzen. Auch die beiden Brücken-Zugänge sind mit Barrieren abgesperrt. Die Berater Johanns sind beunruhigt über das mächtige Truppenaufgebot am Gegenufer, und sie beargwöhnen auch die Barrieren auf der Brücke, die zu einer Falle werden können. Sie warnen den Herzog sich nicht in einen Hinterhalt zu begeben; auch sein Astrologe kündigt ihm Gefahr. Doch Johann fehlt es nicht an persönlichem Mut. Auch drängt ihn seine Favoritin, Madame de Giac, deren Bruder auf der Gegenseite steht, zu einem neuen Versöhnungsversuch.
Am späten Nachmittag des 10. September findet also die Begegnung statt. Begleitet von einem Dutzend Kavalieren begibt sich Herzog Johann zur Holzplattform, wo ihn der Dauphin mit etwas zahlreicherem Gefolge schon erwartet. Der Dauphin beugt das Knie vor dem schmächtigen königlichen Jüngling mit dem traurigen Vogelgesicht und murmelt eine höfliche Begrüßung. Da entsteht schon Tumult. Ein Begleieter des Dauphin greift zur Streitaxt und schlägt Johann Ohnefurcht den Schädel ein. Bleich vor Grauen sieht Karl den Vetter blutüberströmt zusammensinken. Die Rache hat den Mörder seines Onkels - oder seines Vaters? - Ludwig von Orleans eingeholt. Der Sire Tanguy du Chatel zieht den Dauphin weg vom Schauplatz des tückischen Meuchelmordes. In dem Tumult wird auch ein Gefährte Herzog Johanns, der Sire de Navailles, niedergemacht. Die anderen burgundischen Herren fliehen, während schon Kriegsleute des Kronprinzen über die Brücke heranstürmen.
Wie sich das Drama auf der Brücke von Montereau im einzelnen abspielte, ist nicht mehr verläßlich zu rekonstruieren. Die Chronisten der Zeit überliefern widersprüchliche Versionen. Französische Historiker, die den Dauphin und dessen später siegreiche Partei vom Makel vorbedachten Meuchelmordes zu befreien suchen, sprechen von einem spontanen Totschlag im Verlauf einer hitzigen Auseinandersetzung. Der Dauphin, so heißt es, habe dem Burgunder Komplizenschaft mit den Engländern vorgeworfen, wärend ihm Johann den sträflichen Ungehorsam gegen den Vater aufgerechnet habe, ohne dessen Billigung er über keinerlei Rechte und Vollmachten verfüge. Der kritisch wertende burgundische Chronist Monstrelet berichtet hingegen, daß Herzog Johann in mechanischer Geste nach dem hinderlichen Degen gegriffen habe, als er das Knie vor dem Dauphin beugte, was der Sire Tanguy du Chatel zum Anlaß genommen habe, das Mordsignal zu geben. Es bleibt auch im Dunkeln, ob die Favoritin des Burgundes, die geheimnisvolle Madame de Giac, Kenntnis von dem Komplott hatte und inwieweit der junge Dauphin in passivem Einverständnis seine haßerfüllten Berater gewähren ließ. Gewiß ist nur, daß Karl keine Hand rührte, um den oder die Mörder und die Drahtzieher des Verbrechens zur Rechenschaft zu ziehen.

Markale, Jean: Seite 328-337
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"Isabeau de Bavarie."

Treffen von Montereau
In diesem Fall spielt die Szene in Pouilly-le-Fort, zwischen Melun und Corbeil. Am 8. Juli trifft Johann Ohnefurcht, Herzog von Burgund und Enkel Johanns des Guten, mit Karl, Graf von Ponthieu, Herzog von Touraine, Dauphin von Frankreich und Urenkel Johanns des Guten, zusammen. Beide betreten mit ihren Vertrauten - denn stets müssen Zeugen dabei sein - die separaten Zelte, die man für sie jeweils auf dem äußersten Ende einer langgestreckten Erhöhung errichtet hatte. Dann schreiten seie einander ohne Begleitung entgegen und treffen sich in der Mitte der Straße in einer aus Flechtwerk gebauten und innen mit Tapisserien verkleidete Hütte. Die Unterredung dauert fünf Stunden. Drei Tage später werden sie sie fortsetzen, und diesmal endet sie mit Umarmungen und Jubel. Herzog Johann schenkt seinem Cousin eine mit Diamanten besetzte Schnalle, und um ihm nicht nachzustehen, sendet der Dauphin, der nur knapp bei Kasse ist, dem Herzog von Burgund eines seiner schönsten Pferde.
In der Übereinkunft, die ihr Abkommen besiegelt, beschließen die beiden Unterzeichnenden, die Zwistigkeiten der Vergangenheit zu vergessen, und überschütten sich mit inbrünstigen Gelöbnissen. Der Herzog von Burgund verpflichtet sich, dem Dauphin treu zu dienen, "seinen Stand und seine Vorrechte zu schützen und zu wahren" und ihn im Falle eines Krieges mit all seiner Macht zu unterstützen. Der Dauüphin gelobt seinerseits, Herzog Johann als loyalen Verwandten zu behandeln und erklärt, "daß wir sein Gut, seine Ehre, seinen Wohlstand wünschen und vermehren und Übel und Schaden von ihm wenden werden."
Beide schwören, sich für die "Zurückdrängung der Engländer", die Wiederherstellung des Landes und die Anwendung eines Programms zur Gesundung der sozialen Lage einzusetzen, woraus im übrigen hervorgeht, daß beide gleichermaßen besorgt sind, Abhilfe gegen das Elend des Volkes sowie gegen die wirtschaftliche Rezession zu schaffen. Und schließlich verpflichten sie sich, von bestehenden Verträgen zurückzutreten, die sich gegen die Interessen einer der beiden Parteien richten könnten. Um ihren Akt noch mehr feierlichkeit zu verleihen, haben sie auch die Seigneurs aus ihrem Gefolge unterzeichnen lassen. Sofindet man darauf von seiten des Dauphins insbesondere die Unterschrift des unvermeidlichen Tanguy du Chastel sowie von Barbazan und Louvet, dem künftigen Minister Karls VII., und seitens des Herzogs von Burgund als weitere Unterzeichner den Grafen von Saint-Pol, Johann von Luxemburg, Sire de Navailles (der bei dem Attentat von Montereau ebenfalls umkommen wird) sowie Pierre de Giac.
Vom 13. bis 15. Juli empfängt Johann Ohnefurcht den Dauphin in Corbeil und führt mit ihm die Gespräche fort, um zu konkretisieren, was man zuvor theoretisch beschlossen hatte.
Während der zweiten Julihälfte herrscht ein reger Verkehr zwischen der Residenz der Königin und Mantes, wo Johann Ohnefurcht über eine Delegation aus vier seiner wichtigsten Berater mit dem König von England in Kontakt steht. Diese geheimen Verhandlungen sind so intensiv, daß sie niemand verborgen bleiben. Mit Müh und Not gelingt es Johann, sich zu rechtfertigen, doch dann wird ihm klar, daß seine Lage ungemütlich wird. Ermuß um jeden Preis ein definitives Abkommen mit dem Dauphin zuwege bringen und diesen nach Paris zu seinem Vater zurückbringen. Daher erklärt sich Johann Ohnefurcht zu einem zweiten Treffen mit Karl bereit. Diese Begegnung soll in Montereau statfinden.
Tanguy du Chastel erscheint in Begleitung von Louis de Scorailles und Jacques du Peschin, dem Onkel (oder Bruder?) der Dame de Giac, um mit ihm die Formalitäten dieser Unterredung zu regeln. Mehr denn je entschlossen, mit dem Dauphin Frieden zu schließen, hat Johann Ohnefurcht die Verhandlungen mit den Engländern abgebrochen. Er weiß, daß er nun keine andere Wahl mehr hat, als seine Truppen gegen Heinrich V. zu führen, aber noch zögert er und drückt sich herum. Er trifft sich immer häufiger zu Besprechungen mit der Königin und ihren Räten. Was er nämlich unbedingt erreichen will, ist ein Frieden, der durch die Rückkehr des Thronerben an den Hof König Karls VI. und Isabeau de Baviere seinen persönlichen Triumph besiegeln wird. Doch er wird von düsteren Vorahnungen geplagt. Das Treffen von Montereau war für den 18. August festgesetzt, er läßt es auf den 26. August, dann auf den 10. September verschieben. Diese Unsicherheit, dieses Zögern läßt erkennen, in welch trancehaften Ängsten der Herzog von Burgund schwebt: Er weiß, daß er sich am Scheideweg befindet. Und seine Entourage diskutiert hin und her und nörgelt herum, was auch nicht dazu angetan ist, ihn zu ermutigen.
Da er ohnehin von mißtrauischer Natur ist, hat der Herzog ein offenes Ohr für diejenigen, die ihn vor den hinterhältigen Absichten des Dauphin gegen ihn warnen. Die besonders Argwöhnischen versuchen, ihn von der Unterredung abzubringen, denn sie sei von den Leuten des Dauphins gegen ihn warnen. Die besonders Argwöhnischen versuchen, ihn von der Unterredung abzubringen, denn sie sei von den Leuten des Dauphins beschlossen und organisiert, und diese hätten völlig freie Hand, um einen Hinterhalt zu legen. Sie befürchten, Charles de Touraine könne von einstigen Dienern des Hauses ORLEANS umgeben sein, die den alten Haß gegen den Mörder des Herzogs Ludwig wachhielten. Und vor allem ist da noch der Wahrsager Mousque, den Johann Ohnefurcht stets zur Seite hatte und "welcher ihm dringend riet, auf keinen Fall hinzugehen, und wenn er dennoch hinging, käme er nicht mehr zurück." (Juvenal des Ursins).
Doch unter den Ratgebern befindet sich, angeführt von der Dame de Giac, ein ganzer Clan, der sich ungeduldig zeigt und dem Herzog wegen seines blamablen Zögerns auf dem Weg zu einem für Land so notwendigen Frieden Vorwürfe macht.
Die Dame de Giac scheint entscheidend dazu beigetragen zu haben, daß sich der Herzog von Burgund schließlich doch entschied. Welches Spiel spielte sie eigentlich genau? Hatte sie ein weiteres Mal den Avancen von Tanguy du Chastel und Jacques du Peschin nachgegeben? Welche "Transaktionen" hatte es zwischen ihr un dem einstigen Stadtpräfekten von Paris, einer ergebenen Kraetur der Königin von Sizilien, gegegeben? Niemand wird dies je erfahren. Auf alle Fälle soll Johann Ohnefurcht nach einem langen Gespräch mit der Dame de Giac erklärt haben: "Also gut, dann brechen wir auf! Wire müssen dorthin gehen, wohin es Gott gefällt, uns zu führen. Ich will nicht, daß man mir vorwirft, der Friede sei durch meine Feigheit gescheitert."
Am Morgen des 10. September macht er sich, nachdem er in Bray noch die Messe gehört hat, auf den Weg. Er wird begleitet von 500 Kriegsknechten und 200 Bogenschützen und schlägt sein Lager vor den Mauern des Schlosses von Montereau auf, das der Dauphin, den in Troyes getroffenen Vereinbarungen entsprechend, als Beweis für seinen guten Willen geräumt hat. Sofort schickt der Herzog von Burgund Pierre de Giac los, um sich zu vergewissern, daß der für die Begegnung vorgesehene Ort, nämlich die Brücke über dem Zusammenfluß von Yonne und Seine, den vereinbarten Maßnahmen entsprechend vorbereitet ist und keine Falle bietet. Pierre de Giacs Meldung fällt günstig aus: alles sei in Ordnung.
Und doch war die Stelle, die man für das Treffen vorgesehen hatte, mehr als sonderbar beschaffen. Der Dauphin hatte seinem Zimmermann Regnault le Normand befohlen, auf der Brücke, die das Schloß mit der Stadt Montereau verbindet, eine Holzkonstruktion, bestehend aus drei Abteilungen, zu errichten: zwei Vorräume, die jeweils zum Schloß bzw. zur Stadt hin offen waren und durch die man von beiden Seiten aus in den Mittelraum gelangte, der für die Unterredung vorgesehen war. Der Herzog von Burgund sollte von der Seite des Schlosses, der Dauphin von der Seite der Stadt her zum Treffpunkt kommen. Diese seltsame Konstruktion stellt die Historiker immer noch vor ein Rätsel hinsichtlich ihres eigentlichen Zwecks: Handelte es sich um eine schützende Deckung gegen einen möglichen Angriff seitens des Burgunders, oder war es eine Mausefalle, die man aufgestellt hatte, um den Mörder des Herzogs von Orleans zu bestrafen? Und weshalb hat Pierre de Giac gemeldet, alles sei in Ordnung, nachdem er die Örtlichkeiten besichtigt hatte, ausgerechnet jener Pierre de Giac, den wir nur wenig später im Lager des Dauphins wiederfinden?
Auf alle Fälle begab sich Tanguy du Chastel um drei Uhr nachmittags zum Schloß, um dem Herzog zu melden, daß der Dauphin bereit sei, ihn zu empfangen.

Daraufhin begab sich ein jeder von ihnen, begleitet von zehn Seigneurs, an den Ort, wo die Zusammenkunft stattfinden sollte. Mein genannter Herr, der Dauphin, hatte bei sich Messire Tanguy du Chastel, die Seigneurs de Barbazan und de Couvillon, den Vicomte de Narbonne, Bataille und andere bis zur besagten Anzahl. Entsprechend hatte der genannte Herzog von Burgund die Seigneurs de Saint-Georges, Thoulongeon, Seigneur de Montagu und de Novailles, den Bruder des Hauptmanns von Buch, den man für einen Engländer oder Gascogner hielt, und andere bei sich bis zur genannten Anzahl. Sie wurden auf der einen wie der anderen Seite visitiert und hatten beide, der eine wie der andere, keinen Harnisch und keine Rüstung mehr, das heißt: nur noch Kettenhemd und Degen [Juvenal des Ursins spricht als einziger zeitgenössischer Chronist von einer systematischen Durchsuchung, die angeblich auf beiden Seiten durchgeführt worden sei. Da seine Sympathien den Orleanisten gelten, klingt dieses Detail jedoch reichlich suspekt. Es scheint, als habe man diese Leiebsvisitation nur bei den Burgundern vorgenommen. Abgesehen davon werden aber in Juvenals Bericht über dieses Ereignis, der aufgrund der präzisen Aussagen, die die Zeugen des Dramas lieferten, mit einer gewissen Distanz verfaßt wurde, die verschiedenen, von einander abweichenden Darstellungen und sogleich vorgenomenen Deutungen berücksichtigt. ]. Als sie eingetreten waren, stellten sie, ein jeder von seinen Leuten, Wachen an den beiden Eingängen auf. (Juvenal des Ursins)

Von da an gehen die Berichte über das, was wirklich geschah, auseinander.

Nach dem Moment, als alle eingetreten waren, erzählt und berichtet man unterschiedlich und auf mehrere Weise. Denn diejenigen, die der Partei Burgunds angehörig und verbunden waren, sagen, der Herzog von Burgund habe, als er Monseigneur le Dauphin erblickte, das Knie gebeugt und ihm die Huldigung und Ehre erwiesen, die ihm gebührte, und habe gesagt: "Monseigneur, ich bin erschienen auf Euren Befehl. Ihr wißt Bescheid um das Elend dieses Königreiches und Eurer künftigen Domäne. Schafft Abhilfe dagegen. Was mich betrifft, so bin ich bereit und gerüstet, mich mit meinem Leib und meinen Gütern sowie denen meiner Vasallen, Untertanen und Verbündeten dazu zu verwenden." Dann habe Monseigneur le Dauphin seinen Hut vom Haupt genommen, ihm gedankt und befohlen, er möge sich erheben; und als er sich erhob, habe er denen, welche bei ihm waren, ein Zeichen gegeben. Und da sei Messire Tanguy de Chastel hinzugetreten, habe ihn an den Schultern zurückgestoßen und gerufen "Hinweg mit Euch", wobei er ihm mit einer Streitaxt [Wäre die Personendurchsuchung tatsächlich auf beiden Seiten vorgenommen worden, dann hätte am Tatort niemand eine Streitaxt besessen. Dennoch wurde Johann Ohnefurcht mit einem Axthieb getötet, aber es scheint unmöglich, daß der Schlag von Tanguy du Chastel ausgeführt wurde.] auf das Haupt geschlagen und ihn auf diese Art getötet habe. Und ein anderer, namens Sire de Novailles, sei ebenfalls zu Tode getroffen worden, so daß er nach drei Tagen sein Leben aushauchte. (Juvenal des Ursins)

Soweit die burgundische Version. Diejenige der Armagnacs liest sich etwas anders:

Aber andere berichten gar anderes, nämlich daß Monseigneur le Dauphin, als sie in der Einfriedung eingetroffen waren, als erster das Wort ergriff und zum Herzog von Burgund sagte: Beau Cousin, Ihr wißt, daß wir in dem Friedensvertrag, den wir kürzlich in Melun zwischen uns schlossen, übereingekommen waren, daß wir uns in einem Monat an einem estimmten Ort veersammeln werden, um über die Belange dieses Königreiches zu beraten; indes habt Ihr geschworen und versprochen zu tun; und so ward dieser Ort erwählt, an dem wir pünktlich am (vereinbarten) Tage erschienen und ganze fünfzehn Tage auf Euch gewartet haben, dieweil unsere Leute und die Euren dem Volk viel Schaden anrichten und unsere Feinde ständig Land gewinnen. Daher bitte ich Euch, laßt uns beraten, was getan werden kann. Ich halte den Frieden, der von uns schon gänzlich hergestellt ist, wie wir bereits versprochen und geschworen haben. Daher laßt uns nun ein Mittel finden, den Engländern zu widerstehen." Da erwideret der Herzog, man könne nichts beschließen oder tun, außer in Gegenwart des Königs, seines Vaters, und er müsse sich zu ihm begeben [Gemeint ist: nach Troyes. Wie wir wissen, wollte Johann Ohnefurcht den Dauphin unbedingt nach Troyes bringen, wo der König und die Königin residierten.]. Darauf sagte Monseigneur le Dauphin in sehr sanftem Ton zu ihm, er werde sich zu seinem Herrn Vater begeben, wann es ihm beliebe und nicht nach dem Willen des Herzogs von Burgund; und man wisse sehr wohl, daß das, was sie beide tun würden, dem König genehm wäre. (Juvenal des Ursins)

Man hat den Eindruck, als ginge es hier um eine völlig andere Unterredung, so stark weichen die berichteten Gespräche voneinander ab.

Anschließend fiel noch manch weiteres Wort; dann trat der genannte Novailles an den Herzog heran, der rot anlief und sprach: "Monseigneur, jedermann mag sehen: Ihr werdet nun zu Eurem Vater kommen", wobei er ihn mit der linken Hand berühren wollte und mit der anderen seinen Degen halb aus der Scheide zog. Doch da nahm der genannte Messire Tanguy  Monseigneur le Dauphin in seine Arme und schaffte ihn über die Eingangsschwelle der Einfriedung hinaus. Dann schlugen einige auf den Herzog von Burgund und Sire de Novailles ein, worauf beide ihr Leben aushauchten. (Juvenal des Ursins)

Kaum war Johann Ohnefurcht tot, da ergaben sich die Begleiter des Herzogs von Burgund den Leuten des Dauphins. Ein einziger, Jean de Neufchatel, konnte entkommen und erreichte das Schloß. Als die Burgunder, die sich im Schloß befanden, Lärm gehört hatten, waren sie überzeugt gewesen, der Dauphin sei ermordet worden - die Affäre ist auf der einen Seite so undurchsichtig wie auf der anderen. Jean de Neufchatel meldete ihnen die tragische Nachricht und schickte Boten nach Troyes, um die Königin zu informieren, und weitere nach Gent, um Graf Philipp von Charolais zu benachrichtigen.
 
 
 
 

12.4.1385
   oo Margarete von Bayern-Holland, Tochter des Herzogs Albrecht I.
       1363-24.1.1424
 
 
 
 

Kinder:

  Margarete
  1393-2.2.1441

    1412
  1. oo Dauphin Ludwig von Guyenne
          22.1.1396-18.12.1415

 10.10.1423
  2. oo Arthur III. Herzog von Bretagne
          24.8.1393-26.12.1458

  Maria
  1394-30.10.1463

 1406
  oo 2. Adolf IV. Herzog von Kleve
          2.8.1373-23.9.1448

  Philipp der Gute
  13.6.1396-15.6.1467

  Anna
  1404-14.11.1432

 17.4.1423
    oo 1. John Lancaster Herzog von Bedford
            1389-14.9.1435

  Agnes
  1407-1.12.1476

17.9.1425
    oo Karl I. Herzog von Bourbon
        1401-4.12.1456

  Isabella
        -   1412

1406
  oo Olivier Graf von Penthievre
            -28.9.1433

  Katharina
        -   1414

  Illegitim

  Guido zu Kruybeke
         -   1436
          bei Calais

  oo Johanna von Bayern, Tochter des Herzogs Albrecht I.
             -

                 Agnes von Croy
  Johann VI. Bischof von Cambrai (1440-1480)
  1404-   1480

  mindestens 17 illegitime Kinder

  Anton Johanniter
         -

  Philippotte
       -

  oo Anton de Rochebaron, Baron de Berze-le-Chatel
              -
 
 
 
 

Literatur:
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Calmette, Joseph: Die großen Herzöge von Burgund. Eugen Diederichs Verlag München 1996 Seite 86-154,157,160,166,176,182,186, 192,195,201,203,230,237,250,258,265,298,309,351 - Ehlers Joachim: Geschichte Frankreichs im Mittelalter. W. Kohlhammer GmbH 1987 Seite 278,287-293,296-306,321,326,328 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996 Seite 307,309,311,314,318,323 - Erbe Michael: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1993 Seite 61,64,66 - Favier, Jean: Frankreich im Zeitalter der Landesherrschaft 1000-1515. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1989 Seite 362,366, 378,380-392,402,412 - Hoensch, Jörg K.: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung 1308-1437. Verlag W. Kohlhammer 2000 Seite 206,224,227,240,245,250,252,255,263 - Hoensch, Jörg K.: Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1368-1437. Verlag C.H. Beck München 1996 Seite 18,82,86,169,177,199,222,228,235,239,242,268,271, 276,353,531,562 - Jurewitz-Freischmidt Sylvia: Die Herrinnen der Loire-Schlösser. Königinnen und Mätressen um den Lilienthron. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 1996 Seite 26,32-34,37-40,48 - Kendall Paul Murray: Ludwig XI. König von Frankreich 1423-1483 Verlag Callway München 1979 Seite 39 - Leo Heinrich Dr.: Zwölf Bücher niederländischer Geschichten. Eduard Anton Verlag Halle 1832 - Markale, Jean: Isabeau de Bavarie. Eugen Diederichs Verlag München 1994 - Martin Jean-Joseph: Die Valois. Edition Rencontre Lausanne 1969 - Saller Martin: Königin Isabeau. Die Wittelsbacherin auf dem Lilienthron. Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München 1979 Seite 31,70,118,147,154-159,166-174,177-194,196-207,209-215,218-221,226,230-237,240-245,250-255,257-272,274, 303,307,321- Schaab Meinrad: Geschichte der Kurpfalz. Verlag W. Kohlhammer 1988 Seite 126 - Schelle, Klaus: Karl der Kühne. Burgund zwischen Lilienbanner und Reichsadler. Magnus Verlag Essen Seite 19,22,24,42,48,52,194 - Schnith Karl: Frauen des Mittelalters in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1997 Seite 362,364-366,373-375 - Tamussino Ursula: Margarete von Österreich. Diplomatin der Renaissance Verlag Styria Graz Wien Köln 1995 Seite 14,235 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 199,203,209 - Tuchmann Barbara: Der ferne Spiegel. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1995 Seite 402,466,492,514,517 - Vossen Carl: Maria von Burgund. Des Hauses Habsburg Kronjuwel. Seewald Verlag Stuttgart 1982 Seite 22,90,170 -



Erwerbungen:

Tonnerre Grafschaft - als Pfandschaft Graf Ludwigs II. von Chalon
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


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