Sohn des N.N.
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 219
********************
Hunfridinger
----------------
Ihr zu den 'primores' KARLS DES
GROSSEN zählender erster Vertreter Hunfrid
verwaltete zu Beginn des 9. Jh. die Mark Istrien, amtierte um
807 in Rankweil als Graf in Rätien und war 808 als missus KARLS
in Italien tätig. Mit dem Reichenauer Abt Waldo erwarb er eine Heilig-Blut-Relique
für den Kaiser, konnte sie aber für das von ihm gegründete
Frauenkloster Schänis in Gaster in Besitz nehmen. Dieser Hunfrid
(oder sein gleichnamige Sohn?) begegnet 823/24 als 'comes
Curiensis' bzw 'dux super Redicam' und römischer Gesandter
LUDWIGS DES FROMMEN. In jener Zeit
erfuhr die Herrschaftsbildung der frühen HUNFRIDINGER
in Rätien offenbar Konkurrenz durch den vielleicht den
WELFEN zugehörenden rätischen
Grafen Roderich und den nach Rätien ausgreifenden Argen- und Linzgaugrafen
Rudbert (UDALRICHINGER).
Tellenbach Gerd: Seite 55
**************
"Der großfränkische Adel"
Hunfrid erscheint
807 als reciarum comes in Rankweil; nach der translatio sacri sanguinis
reiste er im Auftrage des Kaisers nach Korsika, um die Reliquien zu holen.
Er war so tapfer - berichtet unser Gewährsmann - dass er sich auf
das Meer hinauswagte, während der Kaiser selbst große Angst
davor hatte - ut semper solebat in aquis esse formidolosus - und drei Tage
suchen und bitten mußte, bis sich jemand zur Seereise bereitfand.
808 ging Hunfrid mit dem Grafen Helmgaud,
einem der hervorragendsten Staatsmänner KARLS
DES GROSSEN, zu Papst Leo III. nach Rom und Ravenna, und 823
war er abermals in höchst schwieriger Mission zusammen mit dem Abt
Adalung von St. Vaast in Rom. Bei dieser Gelegenheit wird er comes curiensis
genannt, und die Villa in Rankweil bei Feldkirch, wo sich
LOTHAR I. auf der Rückreise aus Italien aufhielt und für
Como urkundete, wird villa Unfredi comitis genannt. Hunfrids
Stellung muß also ziemlich umfassend gewesen sein. Über
seinen Aufgabenbereich wissen wir nichts Genaueres.
In der Nachkommenschaft Hunfrids
gibt
es alemannisch-rätische, italienische und offenbar auch westfränkische
Grafen. Es ist auffallend, wie stark in dieser Familie der Zusammenhang
der Reichsteile in Erscheinung tritt.
Borgolte Michael: Seite 219-224,226-228
**************
"Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer
Zeit"
Erster Graf war Hunfrid,
der von ca. 806 bis 823/24 regierte. Sein Nachfolger wurde Roderich, der
- da er nicht aus der Familie Hunfrids
hervorgegangen war - eine materielle Grundlage für seinen Comitat
schuf, indem er die Bischofskirche von Chur beraubte.
Die Rolle Hunfrids
in der rätischen Grafschaft des frühen 9. Jahrhunderts wurde
kürzlich auch durch Karl Schmid geprüft. Mit Einträgen im
Reichenauer Verbrüderungsbuch konnte Schmid zeigen, daß Graf
Hunfrid wohl noch über 824 hinaus gelebt hat.
In der Überlieferung ist Hunfridzum
ersten Mal durch eine widersprüchlich datierte Privaturkunde belegt
[Zu Unrecht löst Perret (s. A.19) das Datum bestimmt als 807 II 7
auf, siehe Borgolte, Chronolog. Stud. 162 mit A. 464 - Die Quellen über
Hunfrid
sind schon übersichtlich zusammengestellt bei Hlawitschka, Franken
in Oberitalien 206f. Nr. XCV, vgl. Tellenbach, Der großfränkische
Adel 55.
Zur Verleihung der Grafschaft vgl. Notkeri Balbuli Gesta
Karoli Magni 51 c. II.2.]. Am 7.2.806,807 oder 808 hat demnach Unfredus,
vir inluster, Reciarum comis, in Rankweil Gericht gehalten.
Kurz darauf, im März/April 808, weilte er als Gesandter KARLS
DES GROSSEN zusammen mit dem Grafen Helmgaud in Italien, und
zwar in Rom bei Papst Leo III., am Hofe König
Pippins und beim Erzbischof von Ravenna. Die beiden Königsboten
hatten wohl den Auftrag, einen Streit zwischen KARLS
Sohn, dem Unterkönig von Italien, und dem Papst zu schlichten. Danach
fehlt, und das ist bemerkenswert, von Hunfrid
jeder Nachweis bis 823. Am 4. Juni dieses Jahres stellte aber Kaiser
LOTHAR I. auf seiner Reise zum Vater Uenomnia villa Unfredi
comitis, in Rankweil, der villa des Grafen
Hunfrid, ein Diplom aus. Auf dem im Mai/Juni 823 abgehaltenen
Frankfurter Reichstag wurde Hunfridus comes Curensis
erneut zum kaiserlichen Legaten nach Rom bestimmt. Mit
dem Abt Adalung von St. Vaast sollte er die Umstände klären,
unter denen zwei Anhänger Kaiser LOTHARS
ermordet worden waren. Auf dem Reichstag in Compiegne vom November 823
erstatteten die Gesandten LUDWIG DEM FROMMEN
Bericht.
Im Königsdienst wird Hunfrid
nicht
nur durch zeitgenössische Quellen bellegt; die Translatio
Sanguinis Domini, ein Erzeugnis der Reichenauer Hagiographie aus der Mitte
des 10. Jahrhunderts, charakterisiert ihn vielmehr ebenfalls als Gesandten
KARLS
DES GROSSEN in Italien. Die Überlieferung beruht offenkundig
auf den Berichten der fränkischen Reichsannalen von 799 bis 801 über
den Gesandtenverkehr KARLS mit dem
Kalifen von Bagdad, dem Patriarchen von Jerusalem und dem muslimischen
Statthalter der spanischen Stadt Huesca; auch Notkers Gesta Karoli scheinen
benutzt worden zu sein. Angesichts der extensiven Verwertung noch vorhandener
Quellen in der Translatio erscheint zweifelhaft, daß Hunfrid,
wie der Erzähler vorgibt, noch weitere Legation nach Korsika und Sizilien
auf sich genommen hat. Wichtig und gleubwürdig ist dagegen die Nachricht,
Hunfrid
habe neben Rätien auch Istrien verwaltet. Im Mittelpunkt
der Translatio steht aber nicht die Person
Hunfrids,
sondern die Geschichte der Reichenauer Heiligblutsreliquie. Dieses Amulett,
ein Pektoralkreuz aus Gold und Edelsteinen, in dem Blut Christi und ein
Span vom heiligen Kreuz eingeschlossen waren, soll KARL
der
Präfekt von Jerusalem geschenkt und Hunfrid
nach einer gefahrvollen Expedition überbracht haben. Hunfrid,
der schon hochbejahrt gewesen sein soll, habe aber die Reliquie vom Herrscher
erbeten und für seinen treuen Dienst auch erhalten. Er habe, berichtet
der Reichenauer Anonymus weiter, in Churrätien zur Ehre des Kreuzes
das Kloster Schänis errichtet und hier zur Betreuung des Kultes eine
Schar der heiligen Frauen versammelt.
Meyer-Marthaler, Elisabeth: Seite 75-77
***********************
"Rätien im frühen Mittelalter. Eine verfassungsgeschichtliche
Studie"
807 hatte KARL DER GROSSE
die Grafschaft in Churrätien Hunfrid
übergeben, einem dem Königshause eng verbundenen Großen
von wahrscheinlich fränkischer Abstammung [Die Anschauungen darüber
sind geteilt. Die Festsetzung des Geschlechtes im rätisch-alemannischen
Gebiete bildet noch kein Zeugnis für seine alemannische Stammeszugehörigkeit,
welche etwa Tellenbach, Königtum und Stämme, Seite 51, sowie
Ders., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Fürstenstand, in
Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, hg. v. Th. Mayer,
Leipzig 1943, Seite 39 anzunehmen geneigt ist; vgl. auch H.W. Klewitz,
Das alemannische Herzogtum, in Oberrheiner, Schwaben, Südalemannen,
hg. v. F. Maurer, Straßburg 1942, Seite 90 und Anm. 25. Auffallend
sind die engen Beziehungen Hunfrids
zum Königshofe. Dagegen beruht die Bezeichnung Hunfrieds
als filius magistri palatii in einem Diplome von 891 Juli 12 auf
freier Erfindung von K. Widmer, Transsumt, im Stiftsarchiv St. Gallen,
Pfäfers, Hs. 17, Seite 66 (Bündner Ub. I, 43).]. 799 Markgraf
in Istrien, übernimmt er mehrmals wichtige diplomatische Missionen,
um dann 807 die rätischen Grafenrechte anzutreten und sie bis zu seinem
Ende
823
erfolgten Tode zu verwalten. Mit ihm hat sich die erste nicht einheimische
Beamtenfamilie in Rätien niedergelassen und damit jenen Prozeß
eingeleitet, welcher bald zur Verdeutschung des Adels und der höheren
Geistlichkeit führen sollte, denn es ist seinen Nachkommen nicht nur
gelungen, die gräfliche Würde in Rätien weiterhin zu beklieden,
sondern von dieser Grundlage aus auch eine bedeutende ostschweizerische
und alemannische Stellung aufzubauen, die in der Errichtung des Herzogtums
Schwaben ihre Krönung und ihren Abschluß fand.
oo Hitta
-
Kinder:
Hunfried II. Graf von Istrien
-
Adalbert I. Graf von Rätien und Thurgau
-
Literatur:
-----------
Borgolte Michael: Geschichte der Grafschaften
Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge und Forschungen Sonderband
31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984 Seite 205,219-224,226-228,253-
Meyer-Marthaler,
Elisabeth: Rätien im frühen Mittelalter. Eine verfassungsgeschichtliche
Studie, Verlag Leemann Zürich 1948 Seite 75-77 - Tellenbach
Gerd: Der großfränkische Adel und die Regierung Italiens in
der Blütezeit des Karolingerreichs. in: Studien und Vorarbeiten zur
Geschichte des Großfränkischen und frühdeutschen Adels
Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau 1957, Seite 55 -