Sohn des Siegfried II.;
Enkel des Herrn
Siegfried I. von Canossa
Pauler Roland: Seite 67,95,109-115,117
************
"Das Regnum Italiae in ottonischer Zeit"
Bischof Sigefred II. (980/81-1014)
Sigefred hat im Verlauf
seiner Regierungszeit die Krisenjahre der Unmündigkeit OTTOS
III. und den nicht durch unmittelbares Erbrecht vorausbestimmten
Herrscherwechsel von OTTO III. zu HEINRICH
II. miterlebt, der in Italien gegen König
Arduin durchgesetzt werden mußte. Von ihm sind uns auch
wesentlich mehr Privaturkunden erhalten, die Aufschluß über
politische Wandlung oder Stabilität geben können, als aus der
Ägide Huberts.
Sigefred entstammte
dem Hause CANOSSA und war wohl ein
Neffe des Grafen
Adalbert-Atto. Ob er sein Amt allein durch den Einfluß
seiner Verwandten erhalten hat, oder ob er von OTTO
II. eingesetzzt worden ist, um die Macht des Hauses
CANOSSA noch auszubauen, läßt sich nicht mit Gewißheit
klären. Doch duiese Möglichkeit würde einerseits durchaus
in das politische Programm der OTTONEN
bzw. OTTOS II. passen, andererseits
weilte OTTO
Anfang Dezember 980 in
Pavia, und auf seinem Weg nach Ravenna, wo er Weihnachten feierte, kann
er Parma besucht und den Bischof eingesetzt haben [B.-M. 833b. Am 28. Dezember
980 stellte OTTO
den Kanonikern von
Parma eine Urkunde aus - D O II 238 -, was durchaus dafür sprechen
würde, daß OTTO Parma besucht
hat; allerdings wird in dieser Urkunde kei Bischof von Parma erwähnt.].
Dieser Spekulation könnte allerdings ein Diplom
widersprechen, das der Kaiser Sigefred
am 13. August 981 in Rocca de Cedici ausstellte, in dem er der Kirche von
Parma nur die Privilegien Karlmanns
und KARLS III. bestätigte. Es
ist schwierig, diese Bestätigungsurkunde politisch zu werten, da einerseits
eine Privilegsbestätigung generell ein positives Verhältnis zwischen
dem Kaiser und dem Beschenkten andeutet, man sich aber andererseits fragt,
warum nur diese zwei Privilegien und nicht auch die späteren, insbesondere
das von OTTO I. ausgestellte, erneuert
wurden. Die Urkunden Karlmanns und
KARLS
III. waren längst überholt und hatten für den
Bischof, der ja seit OTTO I. 'Pfalzgraf
der Stadt' war, keinerlei reale Bedeutung mehr. Es erscheint auch etwas
unglaubwürdig, daß Sigefred
nur
diese beiden Diplome vorgelegt haben soll und nicht auch das wesentlich
umfangreichere OTTOS I., zumal er sogar
nach Quedlinburg reiste, um es von OTTO III.
bestätigen zu lassen. Da in den Kaiserdiplomen keine einzige Ablehnung
einer Bitte verbrieft wurde, und es verständlicherweise auch kein
Formular für diese Möglichkeit gab, vermute ich, daß
Sigefred
zwar die Urkunde OTTOS I. vorgelegt,
OTTO
II. ihm aber die Bestätigung verweigert hat.
Der Hinweis Reinhold Schumanns darauf, daß eine
Verleihung der Stadt mit einem Umkreis von drei Meilen in etwa mit der
Verleihung der Stadt und Vorstadt, wie sie KARL
III. vorgenommen hatte, identisch sei, ändert wohl nichts
an der Tatsache, daß die Privilegierung OTTOS
II. eine Rücknahme von Rechten darstellte. Schumann vergleicht
folgende Auszüge aus den beiden Diplomen: ... tam infra civitatem
quam extra ex omni parte civitatis infra tria militaria destinata scilicet
atque determinata per fines et terminos, sicuti sunt loca villarum et nominibus
defixa castrorum ... aus dem Diplom OTTOS
I. mit: ... districtum civitatis et ambitum murorum cum integro
suburbio ... aus dem Privileg OTTOS II.
Nimmt man nun an, daß in OTTOS I.
Urkunde die Vorstadt nicht im Begriff civitas eingeschlossen war,
so könnte Schumanns These durchaus stimmen. Der Unterschied zwischen
beiden Urkunden jedoch wird erst deutlich, vergleicht man folgende Textstelle
aus der Urkunde OTTOS II. ... districtum
ipsius civitatis ambitumque murorum cum integro suburbio et omnia que de
regio seu augustali iure in eius dominium et potestatem successorum eius
ad partem predicte sue ecclesie, sicut superius insertum esse videtur,
translata sunt ... mit der entsprechenden aus OTTOS
I. Urkunde ... augmentaremus ex his, quae regiae potestati
et publiciae functioni debebantur et maxime ex his, quibus eiusdem acclesia
lacerabatur ex parte scilicet comitatus, videlicet ut res et familias tam
cuncti cleri eiusdem episcopii in quocumque comitatu inventae fuerint
... Die große Differenz zwischen beiden Urkunden liegt nicht nur
darin, daß OTTO I. Hubert die
Rechte eines Pfalzgrafen über die Stadt einräumte, sondern auch
darin, daß er dem Bischof alle, auch die vormals gräflichen
Besitzungen unterstellte, OTTO II. Sigefred
aber nur die bischöflichen und königlichen bzw. kaiserlichen;
vom gräflichen Gut ist keine Rede.
Ganz übersehen hat Schumann in der Diskussion beider
Urkunden OTTOS I. Erweiterung der bischöflichen
Rechte durch die Befugnis, Notare zu ernennen und vor allem dadurch, daß
der Vertreter des Bischofs die Rechte eines missus imperialis erhielt;
die politische Effizienz vor allem des letzten Zugeständnisses darf
nicht unterschätzt werden.
Mathilde Uhlirz verzichtet leider ebenso wie Pelicelli
darauf, diese Rücknahme von Rechten zu diskutieren, und Mori gibt
in seinem Aufsatz über die weltliche Herrschaft der Bischöfe
von Parma einen kurzen geschichtlichen Abriß der bischöflichen
Gewalt über die Stadt, doch findet das Diplom OTTOS
I. bei ihm keinerlei Erwähnung. Da auch der Dissertation
von Graf über die weltlichen Widerstände gegen die Herrschaft
der OTTONEN und
ersten beiden SALIER
in Reichsitalien nichts über das Verhältnis der Grafen von Parma
- aus dem Hause BERARDENGA - zu OTTO II.
gezwungen.
Nach Silvio Pivano wandten sich Bernhard, Hugo und Guido,
die Söhne des Grafen Mainfred von Parma, gegen OTTO
I. und verloren ihr Grafenamt. Als Beweis für diese Aussage
führ Pivano ein placitum in Ravanna vom 17. April 967 an, in
dessen Protokoll sie ohne den Titel Graf aufgeführt wurden. Die betreffende
Textstelle lautet ab der Nennung der weltlichen Teilnehmer: ... et cum
eis ressidentibus Odbertus gloriosus marchio et comes palatio, Conradus
filius Conradus rex, Bucco dux et vassus
imperialis, Adelramus marchio, Amizo comite, Eriprando comite, Atto comite
Modenensi, Bernardus et Ugo seo Guidoni germanis filius quondam Mainfredus
comite comite (sic!) Parmensis, Gandulfus comite Veronensis, Dato Mediolanensis,
Iohannes iudex urbis Rome ... Pivanos Interpretation, die drei Brüder
seien zu diesem Zeitpunkt keine Gefahr mehr gewesen, weil nicht jeder als
Graf bezeichnet wurde, geht fehl, da sie einerseits völlig nahtlos
in der Reihe der comites genannt wurden, andererseits überhaupt
als Feinde OTTOS - die sie nach Pivano
gewesen wären - an einem Königsgericht in der Gunktion als Beisitzer
teilnahmen. Daß nicht jeder comes genannt wurde, liegt an
der Nennung mit Herkunft, der Angabe des Vaters. Auf diese Weise erklärt
sich vielleicht auch der 'Schreibfehler' comite comite im Original,
den Manaresi aus dem Urkundentext schon getilgt und nur in einer Fußnote
vermerkt hat. Das comite comite war keinesfalls ein Schreibfehler,
sondern notwendig, um sowohl den Vater als auch die Söhne als Grafen
zu bezeichnen. Als Übersetzung würde sich anbieten: ... Brüder,
Söhne des Grafen Mainfred, Grafen von Parma. Grammatikalische Bedenken
gegen diese Übersetzung haben wohl kein Gewicht, da der Gebrauch der
Casus in dieser Teilnehmerliste sowieso etwas verworren ist, und der Ablativ
comite, der hauptsächlich anstelle des Nominativs gebraucht wurde,
zu einem indeklinablen Titel geworden zu sein scheint, aus dem sich dann
ja der italienische Titel "conte" durch weitere Verschleifung entwickelt
hat. Diese Umdeutung der Teilnehmerliste ist meines Erachtens wesentlich
sinnvoller, als die Behauptung, die drei Brüder seien keine Grafen
mehr gewesen, denn Hugo wurde später zum Stammvater der Grafen von
Cornazzo, und Guido zunächst Vizegraf, dann Graf von Parma.
Nur Graf Bernhard von Parma und Pavia war aus dieser
Familie in Ungnade beim Kaiser gefallen und - sicher nach 967 - als Graf
abgesetzt worden; für ihn erscheint im Jahre 976 Markgraf Arduin Glabrio
von Turin als Graf von Pavia. Bernhards Güter - zumindest die seiner
Frau Rolinda, der Tochter König
Hugos, und seine Reichslehen - wurden ihm entzogen und zum Teil
an den Grafen Giselbert von Bergamo vergeben. Bis spätestens zum 30.
Juni 976 rehabilitierte sich Bernhard allerdings bei OTTO
II., da er an diesem Tag die Güter seiner Frau Rolinda
zurückerhielt und im Gegensatz zur Urkunde OTTOSI.
für Graf Giselbert comes genannt wurde. Es fällt auf, daß
OTTO
die späte Rückgabe der Güter als Schuld der Feinde Bernhards
bezeichnete und nicht mehr wie
OTTO I. von
einem Verbrechen gegen die Majestät des Kaisers, sondern von einer
magna
accusatio sprach, der Bernhard zum Opfer gefallen war. In diesem Diplom
könnte der Grund für eine bevorzugte Behandlung der Familie der
BERARDENGA liegen, da OTTO II.
die
Verdammung Bernhards gleichsam als einen Justizirrtum beklagte, den er
wiedergutmachen wollte und zwar auch ob remedium nostris genitoris,
was durchaus nachdenkenswert, da nicht unbedingt formularüblich ist.
Zunächst wurde nur selten pro remedio ... etwas für Weltliche
geschenkt, sondern hauptsächlich für kirchliche Einrichtungen,
da man dadurch den Schatz im Himmel vergrößern zu können
glaubte, sodann schenkte man nur selten etwas allein zum heil des Vaters;
man schloß üblicherweise auch weitere Vorfahren und Verwandte
sowie seine Frau und sich selbst mit ein. Schließlich lautete drittens
die normale Formel pro remedio animae alicuius. Da in diesem Fall
das animae weggelassen wurde, könnte man annehmen, daß
OTTO
die Urkunde nicht ausstellte, um das Seelenheil des Vaters zu sichern,
sondern um eine ganz konkrete Schuld, die Enteignung des Grafen, zu sühnen.
Betrachtet man die Rücknahme der Rechte für
den Bischof von Parma nochmals vor dem Hintergrund dieser Urkunde OTTOS
II. für Graf Bernhard, so könnte man sie als eine
Art Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht zugunsten der Grafenfamilie
werten.
Die Auswirkungen der Urkunde OTTOS
II. für die Kirche von Parma lassen sich leider nur theoretisch
behandeln, da keine Quelle über die tatsächlichen Veränderungen
Auskunft gibt. Der einzige weitere Quellenbeleg für Sigefred
in
der Zeit OTTOS II. ist eine Urkunde,
in der der Bischof eine Livellarpacht vergab; sie wurde nach Herrscherjahren
datiert. Bis zum November 995 wurden die zahlreichen Privaturkunden
Sigefreds
ohne Herrscherjahr datiert, obwohl der Bischof am 5. April 989 in Quedlinburg
von OTTO III. eine Bestätigung
von OTTOS I. Diplom erwirkt hatte;
realpolitische Hintergründe hatte diese Datierungsformel also nicht.
Wenn wir Sigefred auch sonst kein weiteres Mal bei König
bzw. Kaiser OTTO finden, so hängt
das wohl nicht mit einer Abneigung oder gar Feindschaft gegenüber
dem jungen Herrscher zusammen, zumal er Anfang Februar 997 an der Synode
des aus Rom vertriebenen Papstes Gregor V. teilnahm, auf der Crescentius
gebannt wurde.
Wie sehr Sigefred
den deutschen Herrschern verbunden war, zeigt, daß er, bevor noch
HEINRICH
II. zum König von Italien gekrönt worden war, nach
Deutschland aufbrach, wo ihm von HEINRICH II.
am 28. Februar 1003 die Abtei Nonantola geschenkt wurde. Sigefred steuerte
somit den gleichen politischen Kurs wie sein Cousin Thedald,
Markgraf von Canossa, der ja zu den Vorkämpfern der
Herrschaft
HEINRICHS II. in Italien
gehörte. Am 31. Mai 1004 erhielt Sigefred
sodann von HEINRICH die Bestätigung
der rechte und Besitzungen seiner Kirche, wie sie ihm von OTTO
I. verliehen und von OTTO III.bestätigt
worden war. Die Erneuerung der alten Rechte kann ohne Zweifel als ein Lohn
für die Treue gewertet werden, und es verwundert nicht, daß
sämtliche Urkunden Sigefreds aus
der Folgezeit nach
HEINRICH II. datiert
wurden, wobei mit Sicherheit zumindest in einer, vielleicht sogar in zwei
Urkunden von ihm die Herrschaftsjahre nach HEINRICHS
Krönung in Aachen berechnet wurden. Siegefreds
Kanzlei paßt ihre Jahresberechnung damit der Datierungsweise der
königlichen an, was ein Indiz dafür ist, daß der Bischof
den deutschen König schon ab seiner Krönung in Deutschland auch
staatsrechtlich als König von Italien anerkannte.
Die letzte Urkunde Bischof Sigefreds
wurde am 4. März 1014 ausgestellt, und sein Nachfolger Heinrich ist
erstmals am 3. Janaur 1015 als Bischof von Parma belegt.