Tochter des Herzogs Friedrichs II. von Ober-Lothringen
und der
Mathilde von Schwaben, Tochter von Herzog Hermann II.
Lexikon des Mittelalters: Band I Seite 1745
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Beatrix von Tuszien
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wohl vor 1020, + 18. April 1076
Pisa
Tochter Friedrichs II. von Ober-Lothringen und der Mathilde von Schwaben [Schwester der Kaiserin Gisela]
1033 verwaist, wurde sie von der Kaiserin Gisela, ihrer Tante, adoptiert. Die zwischen 1036 und 1038 geschlossene Ehe mit dem spätestens 1032 mit Tuszien belehnten Bonifaz von Canossa lag auch im Interesse KONRADS II. Bonifaz wurde 1052 ermordet, die Kinder Friedrich (+ 1055), Beatrix und Mathilde waren unmündig, so dass nun Beatrixüber Güter und Lehen des Bonifaz gebot. Beatrix hatte gute Beziehungen zu Papst Leo IX. und seinem Reformkreis, sie kannte früh Hildebrand (Gregor VII.) und Petrus Damiani. 1054 heiratete sie ohne Wissen HEINRICHS III. Gottfried den Bärtigen von Ober-Lothringen, der sich mehrfach gegen den Kaiser erhoben hatte. 1055 setzte HEINRICH III. den nach Lothringen ausgewichenen Gottfried ab und nahm Beatrixund Mathilde in Haft. Gottfrieds Bruder, Kardinaldiakon Friedrich von Lothringen, verzichtete auf sein Amt und trat in Montecassino ein. Viktor II. wurde von HEINRICH III. das Herzogtum Spoleto und die Mark Fermo, wohl auch als Gegengewicht gegen das Haus CANOSSA, verliehen. Viktor gelang die Aussöhnung Gottfrieds mit dem Hof, so dass Gottfried und Beatrix 1056 wieder über ihre Güter und Lehen verfügten. Beide förderten 1058 die Wahl Gerhards von Florenz zum Papst (Nikolaus II.). Beatrixverlegte 1062 Cadalus-Honorius II. den Weg nach Rom; Gottfriedveranlaßte die Überprüfung der schismatischen Wahl und sicherte die Synode zu Mantua 1064, die Alexander II. bestätigte. Nach Gottfrieds Tod (1069) konnte Beatrixbis zu ihrem Tod mit Mathilde als zuverlässige Stütze der Reformpartei, anwesend 1073 bei der Weihe Gregors VII., regieren. 1074 war Beatrixbereit, die Pläne Gregors gegen Sarazenen und Normannen militärisch zu unterstützen. Das Kloster Frassinoro unter dem Appeninenpaß Foce della Radici ist ihre Gründung (Dotation 29.8.1071).
Literatur:
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DBI VII, 352-363 [Lit.] - H. Bresslau, JDG K II., 1879-1884
[Nachdruck 1967] - E. Steindorff, JDG H III., 1874-1880 [Nachdr. 1963]
- G. Meyer v. Knonau, JDG H IV., Bd. I und II, 1894-1894 [Nachdr. 1964]
- A. Overmann, Gfn. Mathilde v. Tuszien, 1895 [Nachdr. 1965]
VIII, 59 = VIII, 97
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Beatrix
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* c 1020/25, + 1076 IV 18
a oo 1036/40 Bonifatius I., Markgraf von Tuszien
+ 1052 V 6
b oo 1054 Gottfried II. der Bärtige, 1065 Herzog
von Nieder-Lothringen
+ 1069 XII 21
Vgl. Brandenburg X, 25.
X. 25 b. Beatrix
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* ca. 1025, + 1076
Gemahl:
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a) 1036/40 Bonifatius I., Markgraf von Tuszien
+ 1052 6.V.
b) 1054 Gottfried Herzog von Nieder-Lothringen 1065
+ 1069 XII (siehe X. 120)
Anmerkungen: Seite 133
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X. 25. Beatrix
siehe besonders Breßlau, Konrad II. I, 431f.
Ergänzungen (Wolf): Beatrix von Ober-Lothringen
+ 1076
Gemahl:
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Bonifaz Markgraf von Canossa
Kinder:
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XI Friedrich
XI Beatrix
XI Mathilde
* ca. 1046, + 1115 Markgräfin von Tuszien
Gemahl:
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a) 1069 Gottfried der Bucklige (siehe XI 209)
b) 1089 Welf (siehe X 62) (vgl. Lex. MA)
In den Quellen erscheint Beatrix
von Lothringen erstmals am 5. Oktober 1040 als Bonifaz'Gemahlin.
Aus den Urkundenmaterial läßt sich erschließen, dass Richildeim
Frühjahr 1036 starb und Bonifazim
darauffolgenden Juli Beatrixin
Nijmwegen traf, wo er der Hochzeit des Kaiser-Sohnes
HEINRICH III. mit der Tochter König
Knuts von Englandund Dänemark beiwohnte und an der anschließenden
Versammlung der Großen des Reichs teilnahm. Manche vermuten, dass
der von Bonifaz eingegangene Ehebund auf Wunsch
Kaiser
KONRADS II. zustande gekommen war, der damit zwei Mächtige
des Reichs noch stärker an sich binden wollte.
Beatrixgehörte
einer der angesehensten Familien des Reichs an: Ihre Eltern waren Herzog
Friedrich von Ober-Lothringen und Mathilde, die Tochter des
Herzogs Hermann II. von Schwaben und Gerbergas,
der Tochter des Königs von Burgund.
Nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1033 wurde Beatrixzusammen
mit ihrer Schwester Sophie von ihrer Tante Gisela,
der Gemahlin KONRADS II., aufgenommen.
Man weiß nicht genau, wie alt die Braut war, aber sicherlich war
sie jünger als der Bräutigam. Erbin eines beträchtlichen
Vermögens und den Ränken ihres Vetters Gottfried, des
Herzogs
von Nieder-Lothringen, ausgesetzt, suchte Beatrixbei
Bonifaz
die
Sicherheit, die ihr dieser als einer der Mächtigen im Reich und dazu
noch im höchstem Maße kaisertreu, bieten konnte. Sie brachte
nicht nur "Diener und Mägde", sondern auch "Länder und Burgen"
mit in die Ehe, wie Donizo bezeugt. Overmann stellt bei seinem Versuch,
die geographische Lage der Herrschaften und Besitztümer der
CANOSSAzu
rekonstruieren, folgende Liste der lothringischen Güter zusammen:
+ die Burg Briey nordwestlich von Metz
+ Gebiete, die an Luxemburg grenzen, in denen Mathildespäter
die Abtei Orval gründete, weitere Ortschaften im heutigen Belgien
(Cyricihof zwischen Lüttich und Namur)
+ im nördlichen Frankreich (unter anderem die Burg
Merevaux und der Wald von Woevre, die Mathilde
der
Kirche von Verdun schenkte) und am Rhein.
Wenn man der in der Vatikanbibliothek aufbewahrten Donizo-Handschrift
Glauben schenken darf, war Beatrixsehr
schön: Sie besaß eine würdevolle Haltung, große kluge
Augen und rotes Haar, das sich wohl an Mathilde
vererbte, wie man nach der Öffnung des Sarkophags der Markgräfin
im 17. Jahrhundert feststellen konnte.
Ihre Intelligenz und starke Persönlichkeit zeigen
sich nicht zuletzt darin, wie sie sich ihrem Gatten Bonifazgegenüber
verhielt und mit welchem Geschick sie nach dessen Tod lavierte, um ihre
Herrschaft zu bewahren. Die Forschung vertritt einstimmig die Ansicht,
Beatrixhabe
Bonifaz
in seinen letzten Lebensjahren zu manchen wichtigen Entscheidungen bewogen
und - was noch bemerkenswerter ist - einen Wandel in seinem Verhalten gegenüber
den kirchlichen Institutionen herbeigeführt, so dass er von seinen
früheren simonistischen Praktiken abließ.
Nach der Ermordung ihres Gatten Bonifaz'
suchte
Beatrix daher Anlehnung an die
Kirche und baute zwischen den CANOSSAund
den Päpsten eine Beziehung auf, die auf Zusammenarbeit und gegenseitiger
Unterstützung basierte, was in den folgenden Jahren von großer
Bedeutung für die Dynastie sein sollte. Diese Beziehungen, die durch
das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Beatrixund
Papst Leo IX. (er war ihr Onkel) erleichtert wurde, sah jedoch als Gegenleistung
für den Schutz der Päpste vor, dass die Herren von Canossa die
von Bonifazden Kirchen entzogenen
Güter zurückerstatten und Kanonikerhäuser und Klöster
noch stärker fördern sollten. Unter diesem Gesichtspunkt muß
also die erste erhaltene Urkunde gedeutet werden, in der Beatrixnach
dem Tod ihres Mannes allein agiert: eine Schenkung des Fronhofs Volta Mantovana
an die Kathedrale von Mantua. Diese Urkunde ist entweder auf den 3. oder
auf den 10. Januar datiert. Beatrixagierte
im Namen ihres noch minderjährigen Sohnes Friedrich,
des legitimen Nachfolgers von Bonifaz,
und verband damit natürlich die Fürbitte für das Seelenheil
ihres Mannes. Am 21. Februar 1053 kam Leo IX. nach Mantua, um eine Reform
des Klerus durchzusetzen, wurde aber durch einen "Volksaufstand" vertrieben,
der in Wirklichkeit von den städtischen Arimannen ausging. Eine gegen
Ende jenes unruhigen Jahres in Felonica ausgestellte Urkunde, einer am
Po zwischen Mantua und Ferrara gelegene ländliche Ortschaft, wo Bonifazein
Benediktiner-Kloster gegründet hatte, gibt jedoch Zeugnis für
eine sehr schwierige Phase in Beatrix'
Leben. Am 17. Dezember machte Beatrix
in der Nähe des Friedhofs von Santa Maria die Felonica an das Kloster,
dessen Abt Petrus war, die Schenkung über die Kirche Santa Maria di
Badigusala (in der Ortschaft Raigusa im Bologneser Gebiet), "für Bonifaz'Seelenheil
und für die Seelen meines Sohnes und meiner Tochter". Die Urkunde
nennt keine Namen, aber die darin erwähnten Kinder waren sicherlich
Friedrich
und Beatrix, Mathildes
Geschwister, die beide in eben dem Jahr gestorben
waren, bevor das Dokument ausgestellt wurde, vielleicht sogar in Felonica
selbst. Es konnte nicht ausbleiben, dass so mancher, wie Bonizo von Sutri,
der Chronist des Investiturstreits, von einem gewaltsamen Tod sprach, dessen
Urheber unbekannt war, und der durch ein maleficium, vielleicht Gift, verursacht
worden war.
Noch schwieriger und wechselvoller war für sie das
Jahr 1054:
Beatrixhatte erkannt, dass
es über ihre Kräfte ging, weiterhin allein ihre Herrschaftsgebiete
zu verwalten. Als ihr Sohn noch lebte, war es ihre Pflicht gewesen, ihre
Herrschaftsgebiete vor Zersplitterung zu bewahren, um ihm die Nachfolge
zu sichern. Aber da nun Friedrich
gestorben
war, mußte man eine Lösung finden, die ihr und ihrer Tochter
Sicherheit bieten konnte.
Nach der Vertreibung ihres Mannes Gottfried der
Bärtigenach Lothringen waren Beatrixund
Mathilde
nun wieder ohne Schutz. Am 31. Mai 1055 - falls die Urkunde echt ist -
verkaufte die Markgräfin, die das schlimmste befürchtete, weit
unter dem Wert Güter im Gebiet von Lucca, die sie 1044 erworben hatte.
Sie brauchte dringend und rasch Bargeld. HEINRICH
III. hatte sie nämlich zu einer Synode nach Florenz gerufen,
die in Anwesenheit von Papst Viktor II. vom 4. bis zum 14. Juni 1055 abgehalten
wurde. Dort bewahrheiteten sich ihre Befürchtungen: Der Kaiser nahm
sie und ihre Tochter Mathilde, die noch keine 10
Jahre alt war, in Haft. Als er später nach Deutschland zurückkehrte,
führte er seine beiden Gefangenen mit sich. Ein Mathilde nahestehender
Chronist berichtet über den wenig später erfolgten Tod HEINRICHS
III.:
"Kaum hatte er die fränkische
Seite des Rheins erreicht, wurde er von einem heftigen Fieber ergriffen.
Da rief er den erhabenen
Herzog Gottfried zu
sich, gab ihm seine Gemahlin und die Tochter des Bonifaz
zurück sowie alle Besitzungen, die ihnen gehörten, und
bat ihn dringend, er möge seinem Sohn, dem schon designierten König,
die Treue halten. Wenige Tage danach ereilte ihn der Tod. Sein Leichnam
wurde mit allen Ehren in Speyer, im Grab seines Vaters, beigesetzt, und
sein Sohn übernahm gemeinsam mit der Mutter die Regierung des Reichs."
So schildert Bonizo von Sutri das Geschehen. Andere behaupten
jedoch, dass das Herrscherpaar von Canossa erst nach dem Tod HEINRICHS
III. wieder zusammenkommen konnte und erst dann seine Herrschaftsgebiete
zurückerhielt.
Goez Elke:
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"Beatrix von Tuszien"
Jugendjahre Seite 11-13
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Der genaue Zeitpunkt der Geburt von Beatrixist
nicht bekannt; er muß jedoch zwischen 1013 und 1026 gelegen haben.
Das gleiche gilt für ihre Schwester Sophie, die zwar erst geraume
Zeit nach Beatrix starb, deshalb aber
nicht die jüngere der beiden Schwestern gewesen zu sein braucht. Ihr
einziger Bruder fand bereits 1032 oder 1033 den Tod. Obwohl Sophie und
Beatrixerstmals
im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters am 18. Mai 1033 erwähnt werden,
ist Glaesener überzeugt, dass Beatrix1036
20 Jahre alt gewesen sei, somit also 1016 geboren wurde. Diese Behauptung
ist durch keine Quelle zu belegen und basiert allein auf Spekulationen
über das heiratsfähige Alter, die der Vorstellungswelt des 20.
Jahrhunderts entstammen. Zudem läßt Glaesener außer acht,
dass die Töchter des verstorbenen Herzogs von einer zeitgenössischen
Quelle ausdrücklich als minderjährig bezeichnet werden.
Mit Herzog Friedrich II. erlosch die Linie
BAR des ARDENNERGRAFEN-Hauses im Mannesstamm und es unterlag
keinem Zweifel, dass Beatrixund Sophie
wegen des geringen Alters, aber vor allem wegen ihres Geschlechts dem Vater
nicht im Herzogtum nachfolgen konnten. Die beiden Waisen wurden gleich
nach 1033 durch ihre Tante mütterlicherseits, die Kaiserin
Gisela, an den Hof KONRADS II.
geholt und dort als Adoptivtöchter erzogen. Ich halte es allerdings
für höchst unwahrscheinlich, dass die beiden Mädchen beständig
mit dem Herrscher herumreisten, sondern möchte eine Ausbildung oder
doch längere Anwesenheit in einem von der Kaiserin bevorzugten Damenstift
annehmen. Eine gemeinsame Erziehung mit HEINRICH
III. ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen,
zumal der junge König 1033 bereits Mitregent war und in dieser Eigenschaft
zusammen mit seinem Vater Regierungsaufgaben zu erfüllen hatte. Allerdings
dürften sich Beatrixund HEINRICH
- letzterer geboren am 28. Oktober 1017 - im Alter tatsächlich sehr
nahegestanden haben .
Obwohl das Grab der Beatrixin
Pisa erhalten blieb, wurden Untersuchungen der Gebeine bislang noch nicht
vorgenommen, so dass wir keine Vorstellungen vom Äußeren der
Markgräfin machen können. Die schwärmerische Schilderung
Donizos über die Schönheit der Mutter seiner Herrin Mathilde
muß man als panegyrische Schmeichelei auffassen, und auch ihre Miniatur
im Donizo-Codex zeigt zweifellos kein realistisches Abbild.
Über die Jahre bis zu Beatrix'
Verheiratung
mit Bonifaz von Tuszien-Canossa ist nichts bekannt. Der im
frühen 14. Jahrhundert lebende Dominikaner Jean de Bayon erzählt
allerdings, dass Herzog Gozelo von Nieder-Lothringen der tutor der beiden
Mädchen gewesen sei. Doch dieser Geschichtsschreiber erweist sich
häufig als zu phantasievoll. KONRAD II.
ließ die beiden Erbtöchter des Herzogs Friedrich II.
an seinen Hof holen, verheiratete Sophie mit Graf Ludwig von Mousson und
Mömpelgard und gab 1037 Beatrix seinem
treuesten italienischen Vasallen zur Frau, dem seit kurzem verwitweten
Markgrafen
Bonifaz von Tuszien-Canossa.
1.3. Herzog Gottfried der Bärtige Seite 20-25
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Nach dem Mord an Bonifaz hatte
Beatrix
im canusinischen Herrschaftsgebiet einen schweren Stand, denn viele der
kleinen Vasallen warteten seit langem auf eine Gelegenheit, das drückende
Joch abzuschütteln, das der Markgraf ihnen auferlegt hatte. Zugleich
gab es seitens der Krone Probleme:
Beatrixbeanspruchte
als Vormund ihres minderjährigen Sohnes Friedrich das ungeschmälerte
Erbe einschließlich der umfänglichen Reichslehen. Deswegen sandte
sie die Bischöfe Arnald von Arezzo und Wido von Volterra als Unterhändler
zu HEINRICH III. Doch es gelang dem
Kaiser, durch betonte Großzügigkeit die beiden Geistlichen auf
seine Seite zu ziehen, und ihre Gesandtschaft blieb daher für Beatrixohne
Erfolg. Unglücklicherweise starben zudem binnen weniger als zwei Jahre
nach dem Attentat auf den Markgrafen auch die beiden älteren Kinder
Friedrich und Beatrix. Weder der Zeitpunkt noch die Todesursachen sind
geklärt. Bonizo überliefert in seinem weitgehend polemischen
"Liber ad amicum" das Gerücht, sie seien vergiftet worden, wofür
es allerdings keinerlei Quellenhinweise gibt. Mit Sicherheit war Friedrich
Anfang Januar 1053 noch am Leben; denn damals schenkte Beatrixfür
das Seelenheil ihres verstorbenen Mannes gemeinsam mit dem Sohn das Hofgut
Volta an die Kirche des heiligen Petrus zu Mantua. Eine Stiftung der Markgräfin
für das Marienkloster in Felonica vom 17. Dezember 1053 wurde in der
Forschung wiederholt zur Bestimmung des Sterbedatums von Friedrich und
seiner Schwester Beatrix herangezogen. Doch entgegen dem Wortlaut der älteren
Drucke, die an dieser Stelle von der handschriftlichen Überlieferung
abweichen, gab die Markgräfin dem Kloster die Marienkirche in Badigusula
propter Deum et remedium anime mee et anime de quondam Bonefacio marchio
est anime filio et filias meas. Da sie hier von ihrem Sohn und den beiden
Töchtern spricht, zugleich aber nur Bonifaz ausdrücklich
als Verstorbenen nennt, möchte ich im Gegensatz zur bisherigen Forschung
annehmen, dass die drei Kinder zu diesem Zeitpunkt alle noch am Leben waren.
Der Tod ihres Sohnes, als dessen Vormund Beatrixfungierte,
muß jedoch bald nach dem 17. Dezember 1053 erfolgt sein, da ich es
für ausgeschlossen halte, dass sie noch zu Lebzeiten eines männlichen,
somit reichsrechtlich eindeutig erbberechtigten Kindes eine zweite Ehe
eingegangen wäre. Ein bislang in der Regel übersehener Quellenbeleg
liefert dagegen nur ein Scheinargument für ein noch späteres
Sterbedatum: Angeblich schwor Rodolfo do Casola 1055 dem Bischof Guido
II. von Lugni gegen jedermann Treue, ausgenommenBeatrix
und ihren Sohn. Diese undatierte Nachricht wird allein durch den
Pontifikat des Bischofs zeitlich fixiert, der gerade für dieses Jahr
auch anderweitig bezeugt ist. Sein Vorgänger wird jedoch nur ein einziges
Mal in einer Urkunde genannt, nämlich 1039, so dass es durchaus plausibel
erscheint, dass Guido II. bereits geraume Zeit vor 1055 sein Amt antrat
und jener Eid bedeutend früher abgelegt wurde, was angesichts der
politischen Verhältnisse sogar viel einleuchtender ist.
Nach dem Tode Friedrichs drohte die Stellung der Beatrix
unhaltbar zu werden; sie mußte ernsthaft fürchten, das Erbe
des Bonifaz weder für sich noch für ihre einzige
überlebende Tochter Mathilde behaupten zu können. Nur
durch die baldige Heirat mit einem mächtigen Fürsten war Hilfe
gegen alle Anfeindungen zu erhoffen.
Vermutlich ist der aufständische, vom Kaiser abgesetzte
und geächtete
Herzog Gottfried der Bärtige von Ober-Lothringen
mit seinem Bruder Friedrich, dem späteren Papst Stephan IX., im Gefolge
Leos IX., dem an einer echten Versöhnung des Fürsten mit HEINRICH
III. gelegen war, im Winter 1049/50 nach Italien gezogen. In
diesen Zusammenhang gehört wohl auch die Behauptung des Laurentius
von Lüttich, Gottfried habe damals dem Markgrafen
Bonifaz als Gefolgsmann gedient. Steindorff tut diese Nachricht
zwar als "fabulose Vorgeschichte" ab, aber man kann sie durchaus als Hinweis
darauf deuten, dass Gottfried schon frühzeitig Kontakte
zum
Haus CANOSSA aufgenommen hatte.
Dass er seine zukünftige Frau bereits vor der Heirat bei der Bewahrung
des canusinischen
Erbes unterstützt habe, wäre zwar möglich; doch beweisen
läßt es sich nicht. Wedemann vermutet, dass es Kardinal Friedrich
gewesen sei, der die Beziehungen seines Bruders zu den CANUSINERN
in Italien vermittelte. Dass Gottfried allerdings schon 1051
der Gedanke an eine zukünftige Ehe mit Beatrixvorschwebte,
wie Dupreel meinte, muß entschieden bezweifelt werden, da Bonifaz
zu dieser Zeit ja noch lebte. Man darf jedoch angesichts ihrer Verwandtschaft
und der gemeinsamen lothringischen Heimat davon ausgehen, dass GottfriedBeatrixwohl
schon viel früher, nämlich noch als Kind kennengelernt hatte.
1054 - als sich erste Anzeichen zu einer Aussöhnung
des Herzogs mit HEINRICH III. anzudeuten
schienen - heiratete Gottfried der Bärtige Beatrix
von Tuszien-Canossa ohne Rücksicht auf das kanonische Ehehindernis
einer zu nahen Verwandtschaft und ohne Einholung der Erlaubnis des Lehnsherrn,
also gleichsam hinter dem Rücken des Kaisers, der offenbar völlig
überrascht wurde und sich brüskiert zeigte. Die Quellen differieren
stark in der zeitlichen Einordnung der Hochzeit, was vor allem dadurch
zu erklären ist, dass sie Ereignisse, welche durch die Ehe ausgelöst
wurden, in direktem Zusammenhang mit der Vermählung berichten, was
naturgemäß zu chronologischen Ungenauigkeiten führte. Die
überaus heftige Reaktion Kaiser HEINRICHS
III., der 1055 nicht zuletzt deswegen persönlich nach Italien
zog, um "kompromißlos... diesen Versuch einer neuen Machtbildung
in Italien" zu durchkreuzen und die ihm unliebsame Verbindung zu trennen,
ist ein zusätzliches Argument dafür, dass die Hochzeit nicht
bereits im Jahr 1053 stattfand, da der Herrscher schwerlich zwei Jahre
tatenlos dieser Verbindung zugesehen hätte. Bemerkenswert ist die
Tatsache, dass HEINRICH III. bei dem
Italienzug bereits am 22. März 1055 Brixen erreichte. Die seit langem
geplante Reichssynode zu Pfingsten 1055 in Florenz hätte eine solche
Eile nicht erfordert. Man darf daher annehmen, dass Beatrixund
Gottfried
im Sommer oder Herbst 1054 heirateten und
HEINRICH
III. sofort Gegenmaßnahmen einleitete, nachdem ihn die
Nachricht erreicht hatte. Die neuerliche Kränkung und Mißachtung
seiner Rechte mußten HEINRICH III.
daher um so empfindlicher treffen; denn auch Gottfried der Bärtige
und Beatrix hatten es versäumt,
den lehnsrechtlich vorgeschriebenen Ehekonsens des Kaisers einzuholen,
mit dessen Gewährung sie freilich niemals hätten rechnen dürfen.
HEINRICH
III. konnte und wollte in Oberitalien keine Machtkonzentration
in den Händen eines bereits wiederholt rebellischen und gemaßregelten
Feindes dulden. Die klandestine Hochzeit mochte manchen Zeitgenossen wie
offener Verrat erscheinen. Ob Gottfried allerdings tatsächlich
Oberitalien vom Reich abspalten wollte oder ein antikaiserliches Bündnis
mit den Normannen plante, wie eine einzelne Quelle behauptet, ist eher
unwahrscheinlich. Doch insgeheim hatten Beatrix
und Gottfried wohl darauf gehofft, dass HEINRICH
III. durch die damaligen Krisen im Reich zu stark in Anspruch
genommen sein würde, um in Italien aktiv werden zu können. Aber
sie hatten sich getäuscht. 1055 zog der Kaiser über die Alpen,
wo er lokale Revolten augenblicklich niederwarf, und Gottfried
ergriff die Flucht.
Nun war Beatrixwiederum
auf sich allein gestellt. Die einzige Möglichkeit, die canussinische
Stellung vielleicht doch noch zu retten, bestand in der Unterwerfung
unter die Gnade des siegreichen Kaisers. So bezog sie in Begleitung ihrer
noch minderjährigen Tochter
Mathilde, die zu diesem Zeitpunkt
vermutlich bereits mit dem gleichnamigen Sohn Gottfrieds des Bärtigen
verlobt war, nach Florenz, wo HEINRICH III. mit
dem Papst ein Konzil veranstaltete. Noch auf der Reise versuchte Beatrix,
durch eine Veräußerung mit Rückkaufsrecht binnen Jahresfrist
wenigstens eine besonders wichtige Besitzung vor den drohenden Verlust
zu retten. Auffälligerweise nennt sie sich in dieser Urkunde nicht
in der sonst üblichen Weise Markgräfin oder gar Herzogin, sondern
erwähnt nur ihre Abstammung von Herzog Friedrich. Sie wollte offenbar
vermeiden, durch eine fürstliche Intitulatio, die - wenn überhaupt
- reichsrechtlich nur ihrem Gemahl zustand, den Kaiser noch mehr zu reizen.
Zu Beatrix'Unglück war ihr Fürsprecher
und naher Verwandter Leo IX., der sich bislang stets für Gottfried
den Bärtigen eingesetzt hatte, im Jahr zuvor gestorben, und
von Viktor II. hatte sie keine Hilfe zu erwarten. Lampert von Hersfeld
berichtet, dass Beatrixsich mit einer
Rede vor dem Kaiser ausführlich zu rechtfertigen suchte, aber sie
hatte damit keinen Erfolg. HEINRICH III.
ließ sie und ihre Tochter in Haft nehmen und führte sie mit
sich über die Alpen nach Deutschland. Damit schien zugleich eine der
letzten
KONRADINER-Erbinnen
ausgeschaltet. Auch Friedrich, der Bruder
Gottfrieds blieb
vor dem Zorn des Kaisers nicht verschont.
In dieser geradezu aussichtslos anmutenden Situation
rettete Gottfried und Beatrixder
plötzliche Tod
HEINRICHS III.
Ausschließlich
die Tatsache, dass sie den Kaiser überlebten, ermöglichte es
ihnen, in ihre Herrschaftsgebiete südlich der Alpen zurückzukehren.
Gleichsam mit einem Schlag zählten sie wieder zu den wichtigsten Fürsten
des Reiches.
2.1. Die lothringischen Besitzungen Seite 35-41
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Beatrix selbst hat
indessen nur in geringem Umfang über ihren lothringischen Allodialbesitz
urkundlich verfügt, so dass der Großteil der Objekte lediglich
durch die Veräußerungen oder Schenkungen ihrer Tochter Mathildeerschlossen
kann.
Zunächst ist festzuhalten, dass Beatrix
ebenso
wie ihre Schwester Sophie "le bien des allieux et de certains benefices
de leur pere" übernahm, den väterlichen Amtstitel und die damit
verbundenen Rechte und Besitzungen aber selbstverständlich einbüßte.
Das Privaterbe Friedrichs II., das laut Parisot die Grundlage der
herzoglichen Territorialherrschaft bildete, fiel nach seinem Tod offenbar
ohne größere Verluste den Töchtern zu. Die Zentren lagen
im Gebiet von Bar-le-Duc, im westlich von Briey im Department Meuse gelegenen
Gondrecourt, in Saint-Mihiel an der Maas, auf halbem Wege zwischen Toul
und Verdun, dessen Hochstiftsvogtei der Herzog besessen hatte, in Amance
nordöstlich von Nancy, in Mousson an der Mosel und rings um das Department
Meuse nordwestlich von Metz gelegene Briey mit Thionville, ein sehr ausgedehnter
Besitzkomplex. Die beiden Schwestern teilten sich den väterlichen
Nachlaß zu annähernd gleichen Teilen. Sophie erhielt Saint-Mihiel,
die Burgherrschaften von Bar und Fains, und sie verfügte - neben weiteren,
verstreut liegenden Gütern - über die Besitzungen von Saint-Denis-en-Lorraine.
Die mangelnde Geschlossenheit dieser Objekte erlaubte der Herzogstochter
und ihrem Gemahl Graf Ludwig von Mömpelgard keine kraftvolle und ausgreifende
Territorialpolitik; in dieser Hinsicht änderte sich erst für
ihre Nachkommen im Verlauf des 12. Jahrhunderts die Situation. Beatrixübernahm
dagegen die weiter nördlich "dans le Verdunois, la Woevre et l'Ardenne"
gelegene Familienbesitzungen Stenay, Mouzay, Muraut, Juvigny und Briey.
Gegenseitige Einmischungen in die jeweiligen Erbteile der Schwestern kamen
offenbar nicht vor. Selbst für das vormalige Familienkloster Saint-Mihiel
erfolgte daher niemals eine Schenkung der frommen Markgräfin oder
ihrer Tochter Mathilde.
Es ist allerdings nicht mit Sicherheit zu bestimmen,
ob Stenay und Mouzay wirklich aus dem Besitz des Großvaters oder
nicht vielmehr aus dem Erbe Gottfrieds des Bärtigen
an Mathilde kamen, möglicherweise auf dem Weg über das
nicht näher bekannte, aber vorauszusetzende Wittum der Beatrix.
Der Herzog hat nämlich auf Veranlassung seiner Gemahlin der Abtei
Gorze die Kirche St. Dagobert in Stenay urkundlich zugesprochen, wozu auch
Mouzay gehörte. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil Beatrix sonst
immer selbst und erklärtermaßen kraft eigenen Rechts aus ihrem
Privatvermögen Schenkungen tätigte. Es wäre daher denkbar,
dass nicht sie, sondern Gottfried der ursprüngliche
Besitzer von Stenay und Mouzay gewesen ist. Eine undatierte, jedoch relativ
späte Notiz des Erzbischofs Bruno von Trier (1101-1124) zugunsten
von Gorze legt allerdings nahe, dass es sich in der Tat um Allodien der
Beatrixhandelte.
Auch Parisot vermutet, dass Stenay aus der Erbmasse ihres Vaters stammte,
ohne dies belegen zu können, für Mouzay ist eine eindeutige Aussage
ebenfalls nicht möglich .
Juvigny mit dem Nonnenkloster St. Scholatica, im Department
Meuse, Arrondissement Montmedy, gelegen, besaß Mathilde zweifellos
aus dem Allod ihrer Mutter. Sie übertrug es 1079 dem Bischof von Verdun;
ob sie die Dotation nach Streitigkeiten mit diesem dann wieder annullierte,
wie Overmann meint, bleibt unklar. HEINRICH IV.
verfügte nach der Ächtung der Markgräfin und der Konfiszierung
ihrer lothringischen Güter über Juvigny, dessen Besitz er dem
Bischof bestätigte. 1096 nahm Urban II. die Abtei unter apostolischen
Schutz, indem er geltend machte, dass sie schon durch
Beatrix,
Bonifaz
und
deren Tochter Mathilde der römischen Kirche übereignet worden
war. Hier lag vielleicht ein Irrtum vor, denn Bonifaz hätte
wohl kaum eine Schenkung getätigt, in welcher nur eines seiner drei
Kinder - und zwar ausgerechnet seine zweite Tochter - namentlich genannt
wird. Es ist daher denkbar, dass diese Dotation erst durch Herzog
Gottfried den Bärtigen, Beatrix und
Mathildegeschah. Allerdings war für Papst Urban II. nur deren Erwähnung
von aktuellem Belang, so dass aus diesem Grund die Namen der beiden Geschwister
in seiner Bestätigungsbulle ausgelassen worden sein könnten.
Im gleichen Dokument wird erwähnt, dass die Schenkung noch weitere
Güter umfaßte: Remoiville, Han, Verneuille-Grand, Verneuille-Petit,
Ire-le-Pres, Mercy, Clemery, Belrupt, Velosnes, Mesancy und Sivry. Falls
diese Objekte wirklich schon durch Bonifaz und Beatrix
gestiftet worden sind, stammten sie zweifellos aus dem väterlichen
Erbe der Gemahlin des Markgrafen.
In der Nähe von Juvigny, dicht bei Neufchateau liegt
auch Longlier, das Gottfried und seine Frau vermutlich 1055/57
an die Abtei Florennes gaben. Damit wäre die Dotation kurz nach dem
Tod
HEINRICHS III. erfolgt, als sich
Gottfried
und
seine Gemahlin noch in Deutschland befanden. Dies ist wahrscheinlicher
als eine Stiftung im Jahr 1064, woran Bertholet glaubte, da Beatrix
zu dieser Zeit nachweislich bereits wieder in Italien weilte.
Der heute nicht mehr genau zu lokalisierende Hof Donceel
(domus Cyrici) gehörte ebenfalls Beatrix.
Zweifellos lag diese Besitzung im Komitat von Huy. In einem als Insert
überlieferten Brief bestätigte Mathilde1083 den Verkauf
des Allods durch Rangerius von Briey an Abt Robert von Saint-Jacques in
Lüttich. Es ist anzunehmen, dass das weit abgelegene Donceel nur mit
großer Mühe zu behaupten gewesen wäre, der Verkauf daher
eine Maßnahme im Sinne einer vernünftigen Gebietspolitik war,
um besser verwaltbare Besitzkomplexe zu schaffen und Unhaltbares abzustoßen.
Die Herrschaft Briey, nordwestlich von Metz gelegen,
und der dazugehörende Ort Standalmont stammten gleichfalls aus dem
Erbe Herzog Friedrichs II. Ein Burgenvogt Odouin ist dort 1055 als
Vasall der Beatrixnachweisbar. Der
später mehrfach genannte Albert von Briey gehörte zu den lothringischen
Ministerialen Mathildes, die 1096 das Kloster Saint-Pierremont in dem ausgedehnten
Besitz um Briey neu errichtete und unter anderem mit Standelmont ausstattete.
Muraut, das wohl mit dem Burgenkomplex Mereveaux identisch
ist, gelangte zusammen mit dem Wald von Woevre aus dem Besitz der Beatrix
an die bischöfliche Kirche von Verdun.
Aus dem väterlichen Erbe besaßBeatrix
ferner Besitz in Waleswilre, dessen Lage bis heute ungedeutet blieb, und
in Stetten, das nördlich von Albisheim im Kreis Kirchheimbolanden
(Rheinland-Pfalz) zu lokalisieren ist. Höchstwahrscheinlich befand
sich auch Waleswilre in der Nähe dieses Ortes. Beider Güter wurden
von Beatrix
und Mathilde 1072
oder 1073 auf Bitten des Grafen Friedrich von Mömpelgard an das schon
seit 872 bestehende Nonnenkloster Münsterdreisen geschenkt. Weit abseits
vom alten Herrschaftszentrum Herzog Friedrichs II. von Ober-Lothringen
lagen ferner Titinesheim und Lutera. Es könnte sich also hierbei möglicherweise
um konradinischesErbe aus dem Nachlaß
von Beatricens
Mutter Mathilde gehandelt
haben. Titinesheim ist mit Deidesheim an der Weinstraße zu identifizieren.
Bei Lutera handelt es sich offenbar um Lauterburg. Auch diese Güter
wurden während des Investiturstreites durch HEINRICH
IV. konfisziert; er schenkte Deidesheim 1086 dem Stift St. Guido
und Lutera der bischöflichen Kirche in Speyer. Doch Mathilde hat diese
Verfügung nicht anerkannt und gab ihrerseits den erstgenannten Ort
um das Jahr 1093 an das Schwarzwald-Kloster St. Blasien. Es ist anzunehmen,
dass sie sich dessen bewußt war, diesen Teil ihres mütterlichen
Erbes, der in Streulage im Osten bis an den Rhein reichte, ohnehin nicht
auf Dauer sichern zu können, und sie ihn daher abstieß, anderweitig
dagegen möglichst geschlossene Besitzkomplexe zu behalten suchte:
ein ähnlicher Vorgang wie in Donceel.
Hart an der Grenze zum heutigem Luxemburg lagen Besitzungen,
auf denen - allerdings vermutlich erst von Mathilde - die Abtei Orval gestiftet
wurde. Die Gründungsgeschichte des berühmten belgischen Klosters
ist sehr schlecht dokumentiert; die Weiheurkunde vom 30. September 1124,
welche detaillierte Nachrichten über die Frühzeit enthält,
ist nämlich eine Fälschung. In der Nähe von Orval saßen
die Grafen von Chiny, welche in Quellen aus dem frühen 12. Jahrhundert
als Vasallen Mathildes bezeugt sind. Ob ihre dortigen Güter
aus dem Erbe der Mutter oder aus dem ihr von Gottfried dem Buckligen ausgesetzten
Wittum stammten, ist nicht zu entscheiden.
Unsicher und kaum beweisbar ist auch die Vermutung von
Grosdidier de Matons, dass Beatrixbei
ihrer zweiten Hochzeit folgende Güter als Witwengut erhalten hätte:
"Lanfroicourt, Aboncourt, Salone qui etait siege d'un prieure de l'abbaye
de Saint-Mihiel, Malancourt, Dehne, Solzeling, Morsberg, Insming, Sarreguemines,
Farchsweiller, Theding, Ausmacher, Bliesgerwiller, Bliedersdorf. Ces villae
qui appartenaient a Saint-Denis ont peutetre ete donnes en douaire a Beatrice".
Da keiner dieser Orte jemals bei Beatrix
oder Mathilde eine Rolle spielte und nirgends in ihren Urkunden
genannt wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass es sich tatsächlich
um das Wittum der Markgräfin handelte, weil ein völliger Verlust
gleich nach ihrem Tod angesichts der ansehnlichen Güter, die Mathilde
nachweislich aus dem mütterlichen Erbe behaupten konnte, unglaubhaft
ist. Ein beträchtlicher Teil der genannten Liegenschaften gehörte
zwar zweifelsfrei den Eltern von Beatrix,
wurde aber vermutlich gar nicht an sie, sondern an ihre Schwester vererbt.
Bliedersdorf, Theding, Farchsweiler und Saargemünd besaß nämlich
später die zweite Tochter Dietrichs, eines Sohnes der Sophie. Auch
das Priorat von Insming und der ganze Ort Solzeling befanden sich bis 1102
in dessen Besitz; Dietrich schenkte sie damals der Abtei Saint-Mihiel.
Ferner kam das Priorat Salone mit den Dörfern Aboncourt und Malancourt
durch eine Stiftung Sophies an dieses Kloster. Ganz unwahrscheinlich und
durch nichts zu begründen ist, dass diese Güter nach Beatrix'Tod
in die Hände ihrer Schwester und nicht in die ihrer Tochter gelangt
wären; sie hatten offenbar von vornherein Sophie allein gehört.
Um die Herrschaft über die lothringischen Besitzungen
aufrechterhalten zu können, mußte Beatrix
die
Beziehungen zu ihrer alten Heimat pflegen. Sie benötigte dort ansässige
Helfer, da anders die Verwaltung der Güter über eine so große
räumliche Distanz nicht möglich gewesen wäre. Wir wissen,
dass Beatrix auf
ihrer ersten Reise nach Italien einem Jungkleriker aus Saint-Hubert namens
Lambertus im Gefolge hatte, der nach dem Tod des Markgrafen Bonifaz
Italien wieder verließ und nach Lothringen zurückkehrte.
Ob dieser Tatbestand in einem Zusammenhang mit der Liegenschaftsverwaltung
steht, bleibt unklar. Vermutlich hatte
Beatrix
jedoch diesbezüglich ihrer lothringischen Interessen anfänglich
in dem mit ihr verwandten Bischof Brun von Toul, seit 1049 Papst Leo IX.,
eine Stütze, auch wenn sich hierfür keine schriftlichen Belege
finden lassen. Seit der Eheschließung mit Gottfried dem Bärtigen(1054)
oblag die Sorge um die dortigen Güter natürlich in erster Linie
dem Herzog. Nach seinem Tod dürfte
Beatrix'
Stiefsohn Gottfried der Bucklige diese Aufgabe übernommen
haben. Eine Verbindung zur alten Heimat stellte auch Graf Friedrich von
Mömpelgard sicher, der mit den lothringischen
CANUSINERN
nahe verwandt war. Erstmals ist er am 29. August 1071 bei Beatrix
nachweisbar; damals fungierte er in der Gründungsurkunde
für Kloster Frassinoro als Zeuge. Vermutlich brachte der Graf bei
dieser Gelegenheit der besorgten
Beatrix Nachrichten
über ihre hochschwangere Tochter. Mindestens bis zum 10. September
1073 blieb er im Umkreis der Markgräfin, bis er, wahrscheinlich im
Gefolge Gottfrieds des Buckligen, nach Lothringen zurückkehrte .
Zusammenfassend hat Parisse den lothringischen Besitz
der Beatrix folgendermaßen
charakterisiert: "Les comtesses Beatrice
et Mathild ont herite de leurs ancetres un ensemble de terres fiscales,
qui devaient constituer une partie du benefice de l'honor ducale confie
a Frederic I en 959: soit essentiellement des biens alignes le long de
la Meuse et de quelques affluents avec des parissses des vallees de la
Semois ert du Loison. Ce n'etait qu'un morceau d'un fisc gigantesque, dont
d'autres parties furent con fiees a l'autre branche des comtes d'Ardenne,
celle des comtes de Verdun. Le reunion des deux familles au XI siecle refit
l'unite du fisc."
Trotz des erheblichen Umfangs der lothringischen Güter
der Beatrix
blieben
diese weit hinter dem enormen Besitz des Markgrafen Bonifaz
zurück. Keinesfalls war der durch die Mitgift erzielte Zugewinn an
materiellen Werten für
Bonifazder Hauptgrund gewesen, die Lothringerin
zu heiraten, obwohl
Beatrix über
sehr beachtliche Geldmittel verfügte [Bereits 1044 Mai 14 erwarb
Beatrix mit Erlaubnis ihres ersten
Ehemannes 6 große Höfe zum Preis von 1.000 Pfund Silber. 1044
Juni 14 kaufte sie mit Zustimmung ihres Mannes für 125 Pfund Silber
den dritten Teil des Kastells Porcari.]. Für den Markgrafen war vielmehr
in erster Linie der soziale Aufstieg in die Verwandtschaft zum salischen
Königshaus wichtig, den ihm diese Ehe verschaffte.
Die größte Bedeutung erlangten die lothringischen
Güter der Beatrix allerdings erst
in der Zeit ihrer zweiten Ehe, als sie mit den Besitzungen Herzog
Gottfrieds zusammengefaßt wurden und nunmehr tatsächlich
"une veritable tete pont entre Verdun et Bouillon" darstellten.
1037
1. oo 2. Bonifaz I. Markgraf von Canossa
um 985-6.5.1052
1054
2. oo 2. Gottfried II. Herzog von Lothringen
x
-21.12.1069
Kinder:
1. Ehe
Beatrix
- vor
17.12.1053
Bonifaz II.
-
1055
Mathilde
1046-24.7.1115
Literatur:
----------
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Stuttgart Berlin Köln 1987, Seite 64,145,160,163,186,213 - Brandenburg
Erich: Die Nachkommen Karls des Großen Verlag Degener & Co Neustadt
an der Aisch 1998 Seite 7 X, 25b - Bresslau Harry: Jahrbücher
des Deutschen Reiches unter Konrad II. Verlag von Duncker&Humblot Leipzig
1879 Band I Seite 431-436 - Die Salier und das Reich, hg. Stefan
Weinfurter, Jan Thorbecke Verlag 1991, Band I, Seite 449/Band II Seite
157/Band III Seite 157,268,321,323 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter.
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132,147 -