Ramnulf II.                                                Graf von Poitou (866-890)
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852-5.8.890
       bei Anjou

Sohn des Grafen Ramnulf I. von Poitou und der Bilechild von Maine, Tochter von Graf Roriko II.
 

Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 19
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Ramnulf II., Graf von Poitou
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     + 890

Sohn von Ramnulf I. von Poitou

Ramnulf II. und seine Brüder behielten wohl nach dem Tode ihres Vaters noch eine Zeitlang die Grafschaft Poitou, wurden aber 868 aus ihr verdrängt und fanden Zuflucht am aquitanischen Hofe Ludwigs des Stammlers, des Sohnes KARLS DES KAHLEN. Bald nach dem Tode KARLS wurde Ramnulf II. als Graf von Poitou wiedereingesetzt (878); wer die Grafschaft in der Zeit von 868 und 878 beherrschte, ist dagegen unbekannt. Der postume Sohn Ludwigs des Stammlers, der spätere König Karl der Einfältige (879), stand seit früher Jugend unter der Obhut Ramnulfs II.
Nach dem Tode KARLS DES DICKEN (888) versuchte sich Ramnulf II. zumindest eines Teiles von Aquitanien zu bemächtigen; eine Urkunde nennt ihn 'dux maximae partis Aquitaniae'.
Er starb am Hof König Odos von W-Franken angeblich durch Gift.
Verheiratet mit Adda (Grabmal im Museum von Poitiers erhalten), hinterließ Ramnulf II. jedoch nur einen Bastardsohn, Ebulus.
Ramnulfs Bruder Ebulus war Abt von St-Germain-des-Pres (881), St-Denis und Jumieges (um 886)


Werner Karl Ferdinand: Seite 455
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"Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"

V. Generation
17
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Ramnulf II. und seine Brüder führt Brandenburg Seite 63 unter den wahrscheinlichen Nachkommen auf, und zwar in der sechsten Generation (VI,41-43), weil er ihre Mutter für eine Tochter Pippins I. von Aquitanien statt Kaiser LUDWIGS DES FROMMEN hielt, siehe oben IV,15.
Sie gehören jedoch genealogisch wie chronolisch in die fünfte Generation.
Zu den Daten Ramnulfs siehe Auzias 358ff., 424ff. Ebd. 440 glaubt Auzias, wie manche andere Historiker, das Märchen von der Vergiftung Ramnulfs durch König Odo. Man hat nicht gesehen, daß der Ursprung der Erfindung Ademar von Chabannes ist, und daßes der "tic" dieses Autors war, Könige und Fürsten an Gift sterben zu lassen, vgl. K.F. Werner, Ademar von Chabannes; Deutsches Archiv 19 (1963) 297ff., dort 312ff., mit acht Beispielen.
Brandenburg nennt Ramnulfs Gattin "?Irmgard" und folgte dabei A. Richard, Histoire des comtes de Poitou 1, 1903, 43, der in einer Urkunde von 878 nach den Grafen Ramnulf und Gauzbert, den beiden Brüdern, eine Ermengard erwähnt fand. Doch ist uns der Name in eienm Epitaph aus S.-Hilaire de Poitiers üerliefert :Adda Deo dilecta ... Ramnulfi coniunx, sed Christi sponsa fidelis ... obiit in pace kalendas iulli felicitor ... (Vgl. H. Gaillard, Dictionn. de Biogr. franc. 1, 1932, 509).
Alle gegen den Inhalt vorgebrachten Anzweifelungen erledigen sich durch den Eintrag im Nekrolog von S.-Germain-des-Pres, ed. A. Molinier, HF, Obituires I, 1, 265, zum 1. Juli, von einer Hand des 9. Jahhrhunderts: domne, Adde, Ramnulfi comitisse. Ebd. 268 zu VIII 5 auch Ramnulfs II. Tod richtig vermerkt (in S.-Germain war Ramnulfs Bruder Ebalus Abt). Man hat nun jene Adda mit der Witwe König Ludwigs des Stammlers, Adelheid, in Verbindung gebracht und glaubte damit erklären zu können, daß sich Adelheids Sohn, der junge Karl III., zeitweise am Hof von Poitiers aufhielt (siehe Exkurs 2). Das Epitaph spricht allerdings von einer Witwe Ramnulfs, die nach dem Tode des Gemahls ins Kloster ging, während wir von der Mutter Karls des Einfältigen wissen, daß sie am Hofe ihres Sohnes einflußreich wirkte. Die Identität kann jetzt, da wir den Todestag der Königin kennen (18. November, siehe IV, 34) definitiv verneint werden, den Adda starb laut Aussage des Epitaph und des Nekrologs am 1. Juli. Der einzige Sohn Ramnulfs, Ebalus Mancer (Mancer = uneheliches Kind) stammt von einer uns unbekannten Konkubine.


Thiele Andreas: Band II Teilband 1 Tafel 126
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"Erzählende genealogische Stammtafeln"

Ramnulf II. verlor wegen seiner Minderjährigkeit die Herzogswürde an das Haus von Auvergne zurück, stritt daher ständig mit diesem und folgte ihm 886 als Herzog von Aquitanien wieder, führte zeitweise sogar den Königstitel. Er bekriegte die ROBERTINER und erkannte deren Königtum in Frankreich nicht an. Die Zeit großer politischer Unsicherheiten in SW-Frankreich wurde durch häufige Normanneneinfälle verstärkt. Ramnulf verlor 882 die Schlacht gegen die übel plündernden Normannen bei Brillac und fiel bei Anjou gegen sie. Zuvor hatten seine Brüder schon ihr Leben gegen sie gelassen.

Kienast Walter: Seite 175-180
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"Der Herzogstitel in Deutschland und Frankreich (9. bis 12. Jahrhundert)"

Die Erbschaft Acfreds, mit dem das Haus AUVERGNE ausstarb, fiel an Ebalus Manzer, den Grafen von Poitou. Die Besitzungen der Dynastie PLANTEVELUES waren, wie gesagt, auf die Auvergne mit dem Velay und vielleicht das Limousin zusammengeschrumft.
Dem Großvater Ebals, Ramnulf I. (+ 866?), hatte noch LUDWIG DER FROMME (839) die große Grafschaft Poitou, die sechs pagi umfaßte, übergeben. Wie seine ganze Familie ein getreuer Anhänger der KAROLINGER, suchte er das Land vor den Normannen zu schützen, gegen die er im Kampfe fiel (866). Sein Sohn und Nachflger Ramnulf II. (+ 890?) griff beim Tode KARLS III., als die Einheit des fränkischen Reiches endgültig auseinanderbrach, in die allgemeine Geschichte ein. Urenkel KARLS DES GROSSEN, also ausgezeichnet durch Blutsverwandtschaft mit dem Kaiserhause, Hüter des einzigen rechtmäßigen Nachkommen KARLS DES HKAHLEN, des späteren Karls des Einfältigen, der noch im Kindesalter stand, mächtig durch den Besitz von Poitiers, damals der reichsten Stadt des S, Vetter und Freund Wilhelms des Frommen, des ersten Fürsten des Midi, wollte er den Königsthron Aquitaniens besteigen. Damals drohte mit der Unterbrechung der karolingischen Thronfolge die Monarchie KARLS DES KAHLEN in ihre Teile auseinanderzufallen. GRAF WIDO VON SPOLETO ließ sich in Langred, Odo, der ROBERTINER, in Compiegne zum König des W-Reiches krönen. Der WELFE Rudolf errichtete das juranische Königreich Burgund, nachdem sich Boso von Vienne schon nach dem Tode Ludwigs des Stammlers zum König der Provence aufgeworfen hatte.
Aber als Odo sich im N durchgesetzt und WIDO verzichtet hatte, gab Ramnulf seine ehrgeizigen Pläne auf und schwor König Odo Treue, der Anfang 889 mit geringer Begleitung über die Loire gekommen war und den gefährlichen Neebnbuhler mit Gunstbezeugungen überschüttete. Wie bedeutend Ramnulfs Stellung eingeschätzt wurde, zeigt der Titel, den ihm ein Geschichtsschreiber gab: Herzog des größten Teiles von Aquitanien, in geographischer Hinsicht sicher eine Übertreibung, verglichen mit dem viel ausgdehnteren Territorien Wilhelms des Frommen. Was den "dux" angeht, so wird das Wort hier genauso unbestimmt verwendet wie im Munde von Chronisten auch sonst. Es bedeutet nur Markgraf, großer Graf. Weder wurde Ramnulf der Titel vom König "verliehen", noch hat er ihn selbst "usurpiert". Ein zweiter Herzog von Aquitanien wäre übrigens notwendig ein Feind Wilhelms des Frommen gewesen, dem Ramnulf in enger Freundschaft verbunden war. Karolingische Amtsherzöge konnte es in Aquitanien mehrere zugleich geben. Ein feudaler "Herzog der Aquitanier duldete keinen zweiten neben sich.
Für das Königtum Odos blieb Ramnulf eine ständige Gefahr. Als er, der einer Einladung des ROBERTINERS an den Hof gefolgt war, dort plötzlich starb (890?), trug das dem König bei einem späteren Chronisten den grundlosen Vorwurf des Giftmordes ein.

Dümmler Ernst: Seite 103
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"Die Chronik des Abtes Regino von Prüm"

Hiernach zog König Odo nach Aquitanien gegen Ramnulf [Ein Verwandter des oben (zum Jahre 867) erwähnten Ramnulf, der sogar nach Karls III. Absetzung den Königstitel annahm. Als Odo in diesem Winter nach Aquitanien zog, war Ramnulf bereits gestorben und auch die beiden anderen Häupter fanden bald den Untergang.] und dessen Bruder Gozbert und gegen Abt Ebulo vom Kloster des heiligen Dionysios, sowie einige andere, die sich weigerten, seinen Geboten zu gehorchen, um ihren Übermut zu dämpfen.

Ehlers Joachim: Seite 19
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"Die Kapetinger"

Schon Anfang des nächsten Jahres suchte und erhielt Odo die Anerkennung der aquitanischen Großen, was schon deshalb geboten war, weil der junge Karl sich in der Obhut des Grafen Ramnulf von Poitiers befand und mindestens indirekt in die Vereinbarung über Odos Königtum einbezogen werden mußte.

Dümmler Ernst: Seite 317,381
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"Geschichte des Ostfränkischen Reiches"

Außer der Bretagne hielten sich auch Graf Wilhelm von der Auvergne und von Gothien, und der mächtige Herzog Ramnolf von Aquitanien, dem sogar der Königstitel beigelegt wird, ganz unabhängig von dem Erwählten der Neustrier, dessen Macht daher zunächst nicht über die Loire hinausreichte [Nur die Ann.Fuld. 888 erwähnen Ramnolf in der Reihe der neuen Thronbewerber: deinceps Rannolfus se regem haberi statuit, in den Ann. Vedast. 889 heißt er Ramnulfus dux maximae partis Aquitaniae]. An Karl, das rechte Königskind aber, das sich in Ramnolfs Obhut befand, dachte zunächst niemand.
Aquitanien, durch seine Volkstümlichkeit von Francien scharf geschieden, gehorchte Odo so gut wie gar nicht, wenngleich sich Herzog Ramnolf ihm im Jahre 889 unterworfen hatte.

Hlawitschka Eduard: Seite 66,86,116
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"Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte"

Odo, Sohn Roberts, nahm das Land bis zur Loire bzw. Aquitanien für sich Anspruch; und schließlich wollte auch Ramnulf (von Aquitanien) als König gelten [Ann. Fuldens. ad 888 Seite 116].
Odo konnte ja erst im Frühjahr 889 die Unterwerfung Ramnulfs, der über den größten Teil Aquitaniens gebot, erreichen.
[Daß Karl der Einfältige in seinen Jugendjahren am Hof Ramnulfs von Aquitanien lebte, ist aus den Ann. Vedast. ad 889 Seite 67 bekannt. Die oftmals geäußerte Ansicht, seine Mutter Adelheid sei mit Ramnulf in zweiter Ehe vermählt gewesen, bestreitet neuerdings mit gewichtigen Gründen K.F. Werner Die Nachkommen Karls d. Gr., in: Karl d. Gr. IV (1967) Seite 455 nr. 17]

Riche Pierre: Seite 258,273
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"Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."

In W-Franken kam eine Thronfolge des unmündigen Karl nicht in Frage, der sich damals in der Gewalt von Graf Ramnulf II. von Poitiers befand.
Graf Ramnulf II. von Poitiers, verwandt mit den KAROLINGERN und ein Vetter Wilhelms, hätte ein ernsthafter Rivale werden können, aber er starb schon 890 und hinterließ nur einen Sohn im Kindesalter, Ebalus Manzer. Ramnulfs Bruder Ebalus, der sich als Abt von Saint-Germain während der Belagerung von Paris ausgezeichnet hatte, und Wilhelm der Fromme verteidigten die Rechte des unmündigen Erben gegen die Eingriffe König Odos.

Schieffer Rudolf: Seite 183,188
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"Die Karolinger"

Die Großen des W-Reiches, unter denen Hugo der Abt nun seine Ausnahmestellung verlor, griffen nicht auf den kleinen Karl, Ludwigs des Stammlers Sohn von Adelheid, zurück, der sich mit seiner Mutter damals oder wenig später  in der Obhut des Grafen Ramnulf II. von Poitiers befand.
Allerdings räumte WIDO vor Odo schnell das Feld und verfolgte seine Ambitionen seither in Italien weiter, während im aquitanischen Süden Graf Ramnulf von Poitiers, nach dem Tode des Bernhard Plantapilosa (885/86) der Mächtigste weit und breit, zeitweilig ebenfalls seine Verselbständigung als König betrieb, sich dann aber doch Odo unterwarf; an seinem Hof hütete er übrigens den achtjährigen Karl, Ludwigs des Stammlers postumen Sohn.

Schwager, Helmut: Seite 41
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"Graf Heribert II. von Soissons"

Das aquitanische Herzogtum selbst war zwischen circa 880 und 960 umstritten unter den drei bedeutendsten Territorien der Aquitania, den Grafschaften Poitou, Auvergne und Toulouse! Ende des 9. Jahrhunderts rivalisierten besonders zwei Fürsten um den Herzogstitel, nämlich Graf Ramnulf II. von Poitou (866/68,878-890), der seit 888 den Herzogstitel trug und zudem den unmündigen KAROLINGER Karl III. hütete, und Graf Wilhelm I. der Fromme von der Auvergne (886-918), der auch Markgraf von Gothien war, und der sich nach 890 gegen Graf Ebalus Manzer von Poitou (890/92,902-934/35), den jungen Sohn Ramnulfs II., als Herzog von Aquitanien durchsetzen konnte.
 
 
 
 

  oo Adda
  x          -1.7. nach 890
 
 
 
 

Literatur:
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Dümmler Ernst: Die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung Leipzig Seite 103 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Seite 317,381 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite 19 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968 Seite 66,86,116 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 258,273,278 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 183,188 - Schwager, Helmut: Graf Heribert II. von Soissons. Verlag Michael Lassleben Kallmünz/Opf. 1994 Seite 41 - Werner Karl Ferdinand: Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation) Band IV in: Braunfels Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann Düsseldorf Seite 455 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995 Seite 447 -
 
 
 
 
 
 
 
 


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