Sohn des Grafen
Ramnulf I. von Poitou und der Bilechild von Maine, Tochter
von Graf Roriko II.
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 19
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Ramnulf II., Graf von Poitou
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+ 890
Sohn von Ramnulf I. von Poitou
Ramnulf II. und seine
Brüder behielten wohl nach dem Tode ihres Vaters noch eine Zeitlang
die Grafschaft Poitou, wurden aber 868 aus ihr verdrängt und fanden
Zuflucht am aquitanischen Hofe Ludwigs des Stammlers,
des Sohnes
KARLS DES KAHLEN. Bald nach
dem Tode KARLS wurde Ramnulf
II. als Graf von Poitou wiedereingesetzt (878); wer die
Grafschaft in der Zeit von 868 und 878 beherrschte, ist dagegen unbekannt.
Der postume Sohn Ludwigs des Stammlers,
der spätere
König Karl der Einfältige
(879), stand seit früher Jugend unter der Obhut
Ramnulfs II.
Nach dem Tode KARLS DES DICKEN
(888) versuchte sich Ramnulf II.
zumindest eines Teiles von Aquitanien zu bemächtigen; eine
Urkunde nennt ihn 'dux maximae partis Aquitaniae'.
Er starb am Hof König Odos
von W-Franken
angeblich durch Gift.
Verheiratet mit Adda
(Grabmal im Museum von Poitiers
erhalten), hinterließ Ramnulf II.
jedoch nur einen Bastardsohn,
Ebulus.
Ramnulfs Bruder Ebulus
war Abt von St-Germain-des-Pres (881), St-Denis und Jumieges (um 886)
V. Generation
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Ramnulf II. und seine
Brüder führt Brandenburg Seite 63 unter den wahrscheinlichen
Nachkommen auf, und zwar in der sechsten Generation (VI,41-43), weil er
ihre Mutter für eine Tochter Pippins I. von
Aquitanien statt Kaiser LUDWIGS DES
FROMMEN hielt, siehe oben IV,15.
Sie gehören jedoch genealogisch wie chronolisch
in die fünfte Generation.
Zu den Daten Ramnulfs siehe
Auzias 358ff., 424ff. Ebd. 440 glaubt Auzias, wie manche andere Historiker,
das Märchen von der Vergiftung Ramnulfs
durch
König Odo. Man
hat nicht gesehen, daß der Ursprung der Erfindung Ademar von Chabannes
ist, und daßes der "tic" dieses Autors war, Könige und Fürsten
an Gift sterben zu lassen, vgl. K.F. Werner, Ademar von Chabannes; Deutsches
Archiv 19 (1963) 297ff., dort 312ff., mit acht Beispielen.
Brandenburg nennt Ramnulfs
Gattin "?Irmgard" und folgte dabei A. Richard, Histoire des
comtes de Poitou 1, 1903, 43, der in einer Urkunde von 878 nach den
Grafen Ramnulf und Gauzbert,
den beiden Brüdern, eine Ermengard erwähnt fand.
Doch ist uns der Name in eienm Epitaph aus S.-Hilaire de Poitiers üerliefert
:Adda
Deo dilecta ... Ramnulfi
coniunx, sed Christi sponsa fidelis ... obiit in pace kalendas
iulli felicitor ... (Vgl. H. Gaillard, Dictionn. de Biogr. franc. 1,
1932, 509).
Alle gegen den Inhalt vorgebrachten Anzweifelungen erledigen
sich durch den Eintrag im Nekrolog von S.-Germain-des-Pres, ed. A. Molinier,
HF, Obituires I, 1, 265, zum 1. Juli, von einer Hand des 9. Jahhrhunderts:
domne,
Adde,
Ramnulfi comitisse.
Ebd.
268 zu VIII 5 auch Ramnulfs II. Tod
richtig vermerkt (in S.-Germain war Ramnulfs
Bruder
Ebalus
Abt). Man hat nun jene Adda
mit der Witwe König
Ludwigs des Stammlers,
Adelheid,
in Verbindung gebracht und glaubte damit erklären zu können,
daß sich Adelheids Sohn, der
junge Karl III., zeitweise am Hof von
Poitiers aufhielt (siehe Exkurs 2). Das Epitaph spricht allerdings von
einer Witwe Ramnulfs, die nach dem
Tode des Gemahls ins Kloster ging, während wir von der Mutter Karls
des Einfältigen wissen, daß sie am Hofe ihres Sohnes
einflußreich wirkte. Die Identität kann jetzt, da wir den Todestag
der Königin kennen (18. November, siehe IV, 34) definitiv verneint
werden, den Adda starb laut Aussage des Epitaph und des Nekrologs
am 1. Juli. Der einzige Sohn Ramnulfs,
Ebalus
Mancer (Mancer = uneheliches Kind) stammt von einer uns unbekannten Konkubine.
Ramnulf II. verlor wegen seiner Minderjährigkeit die Herzogswürde an das Haus von Auvergne zurück, stritt daher ständig mit diesem und folgte ihm 886 als Herzog von Aquitanien wieder, führte zeitweise sogar den Königstitel. Er bekriegte die ROBERTINER und erkannte deren Königtum in Frankreich nicht an. Die Zeit großer politischer Unsicherheiten in SW-Frankreich wurde durch häufige Normanneneinfälle verstärkt. Ramnulf verlor 882 die Schlacht gegen die übel plündernden Normannen bei Brillac und fiel bei Anjou gegen sie. Zuvor hatten seine Brüder schon ihr Leben gegen sie gelassen.
Kienast Walter: Seite 175-180
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"Der Herzogstitel in Deutschland und Frankreich (9. bis
12. Jahrhundert)"
Die Erbschaft Acfreds, mit dem das Haus AUVERGNE ausstarb,
fiel an Ebalus Manzer, den Grafen von Poitou. Die Besitzungen der Dynastie
PLANTEVELUES waren, wie gesagt, auf die Auvergne mit dem Velay und vielleicht
das Limousin zusammengeschrumft.
Dem Großvater Ebals,
Ramnulf
I. (+ 866?), hatte noch LUDWIG DER FROMME
(839) die große Grafschaft Poitou, die sechs pagi umfaßte,
übergeben. Wie seine ganze Familie ein getreuer Anhänger der
KAROLINGER,
suchte er das Land vor den Normannen zu schützen, gegen die er im
Kampfe fiel (866). Sein Sohn und Nachflger Ramnulf
II. (+ 890?) griff beim Tode KARLS
III., als die Einheit des fränkischen Reiches endgültig
auseinanderbrach, in die allgemeine Geschichte ein. Urenkel KARLS
DES GROSSEN, also ausgezeichnet durch Blutsverwandtschaft mit
dem Kaiserhause, Hüter des einzigen rechtmäßigen Nachkommen
KARLS
DES HKAHLEN, des späteren
Karls
des Einfältigen, der noch im Kindesalter stand, mächtig
durch den Besitz von Poitiers, damals der reichsten Stadt des S, Vetter
und Freund Wilhelms des Frommen, des ersten Fürsten des Midi, wollte
er den Königsthron Aquitaniens besteigen. Damals drohte mit der Unterbrechung
der karolingischen Thronfolge die Monarchie
KARLS
DES KAHLEN in ihre Teile auseinanderzufallen.
GRAF
WIDO VON SPOLETO ließ sich in Langred, Odo,
der ROBERTINER, in Compiegne zum König
des W-Reiches krönen. Der WELFE Rudolf
errichtete das juranische Königreich Burgund, nachdem sich Boso
von Vienne schon nach dem Tode Ludwigs
des Stammlers zum König der Provence aufgeworfen hatte.
Aber als Odo sich
im N durchgesetzt und WIDO verzichtet
hatte, gab Ramnulf seine ehrgeizigen
Pläne auf und schwor König Odo Treue,
der Anfang 889 mit geringer Begleitung über die Loire gekommen war
und den gefährlichen Neebnbuhler mit Gunstbezeugungen überschüttete.
Wie bedeutend Ramnulfs Stellung eingeschätzt
wurde, zeigt der Titel, den ihm ein Geschichtsschreiber gab: Herzog des
größten Teiles von Aquitanien, in geographischer Hinsicht sicher
eine Übertreibung, verglichen mit dem viel ausgdehnteren Territorien
Wilhelms des Frommen. Was den "dux" angeht, so wird das Wort hier genauso
unbestimmt verwendet wie im Munde von Chronisten auch sonst. Es bedeutet
nur Markgraf, großer Graf. Weder wurde Ramnulf
der
Titel vom König "verliehen", noch hat er ihn selbst "usurpiert". Ein
zweiter Herzog von Aquitanien wäre übrigens notwendig ein Feind
Wilhelms des Frommen gewesen, dem Ramnulf
in enger Freundschaft verbunden war. Karolingische
Amtsherzöge konnte es in Aquitanien mehrere zugleich geben. Ein feudaler
"Herzog der Aquitanier duldete keinen zweiten neben sich.
Für das Königtum Odos
blieb Ramnulf eine
ständige Gefahr. Als er, der einer Einladung des ROBERTINERS
an den Hof gefolgt war, dort plötzlich starb (890?), trug das
dem König bei einem späteren Chronisten den grundlosen Vorwurf
des Giftmordes ein.
Dümmler Ernst: Seite 103
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"Die Chronik des Abtes Regino von Prüm"
Hiernach zog König Odo nach Aquitanien gegen Ramnulf [Ein Verwandter des oben (zum Jahre 867) erwähnten Ramnulf, der sogar nach Karls III. Absetzung den Königstitel annahm. Als Odo in diesem Winter nach Aquitanien zog, war Ramnulf bereits gestorben und auch die beiden anderen Häupter fanden bald den Untergang.] und dessen Bruder Gozbert und gegen Abt Ebulo vom Kloster des heiligen Dionysios, sowie einige andere, die sich weigerten, seinen Geboten zu gehorchen, um ihren Übermut zu dämpfen.
Ehlers Joachim: Seite 19
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"Die Kapetinger"
Schon Anfang des nächsten Jahres suchte und erhielt Odo die Anerkennung der aquitanischen Großen, was schon deshalb geboten war, weil der junge Karl sich in der Obhut des Grafen Ramnulf von Poitiers befand und mindestens indirekt in die Vereinbarung über Odos Königtum einbezogen werden mußte.
Dümmler Ernst: Seite 317,381
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"Geschichte des Ostfränkischen Reiches"
Außer der Bretagne hielten sich auch Graf Wilhelm
von der Auvergne und von Gothien, und der mächtige Herzog
Ramnolf von Aquitanien,
dem sogar der Königstitel beigelegt wird, ganz unabhängig
von dem Erwählten der Neustrier, dessen Macht daher zunächst
nicht über die Loire hinausreichte [Nur die Ann.Fuld. 888 erwähnen
Ramnolf
in
der Reihe der neuen Thronbewerber: deinceps Rannolfus
se regem haberi statuit, in den Ann. Vedast. 889 heißt
er Ramnulfus dux maximae partis Aquitaniae].
An Karl, das rechte Königskind
aber, das sich in Ramnolfs
Obhut befand, dachte zunächst niemand.
Aquitanien, durch seine Volkstümlichkeit von Francien
scharf geschieden, gehorchte Odo so
gut wie gar nicht, wenngleich sich Herzog Ramnolf
ihm
im Jahre 889 unterworfen hatte.
Hlawitschka Eduard: Seite 66,86,116
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"Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen
Geschichte"
Odo, Sohn Roberts,
nahm das Land bis zur Loire bzw. Aquitanien für sich Anspruch; und
schließlich wollte auch Ramnulf (von Aquitanien)
als König gelten [Ann. Fuldens. ad 888 Seite 116].
Odo konnte ja erst
im Frühjahr 889 die Unterwerfung Ramnulfs,
der über den größten Teil Aquitaniens gebot, erreichen.
[Daß Karl der Einfältige
in seinen Jugendjahren am Hof Ramnulfs von Aquitanien
lebte, ist aus den Ann. Vedast. ad 889 Seite 67 bekannt. Die oftmals geäußerte
Ansicht, seine Mutter Adelheid
sei mit Ramnulf in zweiter Ehe vermählt
gewesen, bestreitet neuerdings mit gewichtigen Gründen K.F. Werner
Die Nachkommen Karls d. Gr., in: Karl d. Gr. IV (1967) Seite 455 nr. 17]
Riche Pierre: Seite 258,273
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"Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."
In W-Franken kam eine Thronfolge des unmündigen Karl
nicht in Frage, der sich damals in der Gewalt von Graf
Ramnulf II. von Poitiers befand.
Graf Ramnulf II. von Poitiers,
verwandt mit den KAROLINGERN und ein
Vetter Wilhelms, hätte ein ernsthafter Rivale werden können,
aber er starb schon 890 und hinterließ nur einen Sohn im Kindesalter,
Ebalus
Manzer. Ramnulfs Bruder Ebalus, der
sich als Abt von Saint-Germain während der Belagerung von Paris ausgezeichnet
hatte, und Wilhelm der Fromme verteidigten die Rechte des unmündigen
Erben gegen die Eingriffe König Odos.
Schieffer Rudolf: Seite 183,188
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"Die Karolinger"
Die Großen des W-Reiches, unter denen Hugo der Abt
nun seine Ausnahmestellung verlor, griffen nicht auf den kleinen Karl,
Ludwigs
des Stammlers Sohn von Adelheid,
zurück, der sich mit seiner Mutter damals oder wenig später
in der Obhut des Grafen Ramnulf II. von Poitiers
befand.
Allerdings räumte WIDO
vor Odo schnell das Feld und verfolgte
seine Ambitionen seither in Italien weiter, während im aquitanischen
Süden Graf Ramnulf von Poitiers,
nach dem Tode des Bernhard Plantapilosa (885/86) der Mächtigste weit
und breit, zeitweilig ebenfalls seine Verselbständigung als König
betrieb, sich dann aber doch Odo unterwarf;
an seinem Hof hütete er übrigens den achtjährigen
Karl,
Ludwigs
des Stammlers postumen Sohn.
Schwager, Helmut: Seite 41
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"Graf Heribert II. von Soissons"
Das aquitanische Herzogtum selbst war zwischen circa 880
und 960 umstritten unter den drei bedeutendsten Territorien der Aquitania,
den Grafschaften Poitou, Auvergne und Toulouse! Ende des 9. Jahrhunderts
rivalisierten besonders zwei Fürsten um den Herzogstitel, nämlich
Graf
Ramnulf II. von Poitou (866/68,878-890), der seit 888 den Herzogstitel
trug und zudem den unmündigen KAROLINGER
Karl III. hütete, und Graf Wilhelm I. der Fromme von der
Auvergne (886-918), der auch Markgraf von Gothien war, und der sich nach
890 gegen Graf Ebalus Manzer von Poitou (890/92,902-934/35), den jungen
Sohn Ramnulfs II., als Herzog von Aquitanien
durchsetzen konnte.
oo Adda
x
-1.7. nach 890
Literatur:
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Dümmler Ernst: Die Chronik des Abtes Regino
von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung Leipzig Seite 103 - Dümmler
Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und
Humblot Berlin 1865 Seite 317,381 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger.
W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000 Seite 19 - Hlawitschka
Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte.
Anton Hiersemann Stuttgart 1968 Seite 66,86,116 - Riche Pierre:
Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag
GmbH & Co. KG, München 1991 Seite 258,273,278 - Schieffer
Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992
Seite 183,188 - Schwager, Helmut: Graf Heribert II. von Soissons.
Verlag Michael Lassleben Kallmünz/Opf. 1994 Seite 41 - Werner
Karl Ferdinand: Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000
(1.-8. Generation) Band IV in: Braunfels Wolfgang: Karl der Große
Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann Düsseldorf Seite 455 -
Werner
Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher
Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995 Seite 447 -