Ewig Eugen:
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"Die Merowinger"

Die Nachfolge Dagoberts vollzog sich ohne Komplikationen. Das austrasische Teilreich wurde nördlich der Loire in den Grenzen von 561 wiederhergestellt, aus der Teilung von 567 verblieb Sigibert nur Tours. Südlich der Loire wurden die Verträge von 567 (Teilung des Charibert-Reichs) und 587 (Andelot) in stärkerem Maße berücksichtigt. Sigibert erhielt nicht nur den großen auvergnatischen Block (mit Le Puy, Javols, Rodez und Albi) und die austrasische Provence (Marseille, Uzes, Avignon), sondern auch Poitiers und Cahors. Die altaustrasischen Anteile an der Novompopulana (Wasconia) südlich der Garonne waren inzwischen baskisch geworden. Der Königsschatz wurde zwischen den beiden Söhnen und der Königin-Witwe Nanthild geteilt. Vertreter der austrasischen Seite bei der Teilung waren der Hausmeier Pippin und Kunibert von Köln.
Pippin, der mit Kunibert offenbar die Regentschaft für das beim Tod des Vaters etwa 8-jährige Kind Sigibert führte, starb 640. Sein Tod führte zu einer Krise, da Sigiberts Erzieher Otto, Sohn des domesticus Uro, als Rivale gegen Pippins Sohn Grimoald auftrat und dessen Nachfolge im Hausmeieramt blockierte. Dabei brach auch der Gegensatz zwischen dem dux Adalgisel und dem Thüringer-Herzog Radulf wieder auf. Auf der Seite der PIPPINIDEN standen außer Adalgisel und Kunibert von Köln sowie Chlodulf und Ansegisel, den Söhnen Arnulfs von Metz, der Herzog Bobo von der Auvergne und der Alamannen-Herzog Leuthari. Diese Gruppe setzte einen Feldzug gegen Radulf und den mit ihm verbündeten AGILOLFINGER Fara durch. Fara fiel oder wurde getötet. Als das Heer Sigiberts dann weiter über Rhön und Vogelsberg in Thüringen einrückte, verschanzte sich Radulf an der Unstrut. Der Thüringer-Herzog hatte unter den Truppen des Königs Freunde, darunter "die Mainzer", mit denen er in geheimen Einverständnis war. Die Opposition im Belagerungsheer war so stark, dass Grimoald und Adalgisel das Königskind gegen sie abschirmen mußten. Den Angriff auf die Festung führte am Ende nur ein Teil des Heeres aus. Radulf blieb Sieger und gewährte den Belagerern freien Abzug über den Rhein. Er sagte sich nicht vom König los, trat aber in Thüringen wie ein König auf, schloß Freundschaft mit den Wenden und "anderen benachbarten Völkern".
In den rechtsrheinischen Provinzen leitete der Sieg Radulfs den Niedergang der fränkischen Zentralgewalt ein. Doch liegen die Vorgänge in undurchdringlichem Dunkel. Da die schriftlichen Quellen völlig versiegen, ist unbekannt, ob und wie die bayrischen AGILOLFINGER auf den Untergang ihrer Verwandten westlich von Rhön und Vogelsberg reagierten, und auf welche Seite sich die mainthüringischen Herzöge schlugen. Nicht einmal auf die Neuordnung der Verhältnisse im Machtbereich Faras fällt Licht. Sicher ist nur, dass der Alamannen-Herzog Leuthari den herrschenden Gruppen am Königshof verbunden blieb. Denn ihm verdankte Grimoald 642 die Beseitigung seines Rivalen Otto, durch die der Weg zum Hausmeieramt frei wurde. Vielleicht war der junge König auch mit der Tochter eines Alamannen-Herzogs Gunzo aus dem Bodenseegebiet verlobt. Doch kam die Ehe nicht zustande, da die junge Dame namens Frideburg den Eintritt ins Kloster vorzog. Sigibert III. heiratete, als er 646 das Mündigkeitsalter von 15 Jahren erreicht hatte, Chimnechild, deren Familie leider nicht näher bekannt ist.
Die um 646 oder bald darauf geschlossene Ehe Sigiberts III. blieb offenbar mehrere Jahre hindurch kinderlos. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Gesundheit des Königs zu Befürchtungen Anlaß gab und man mit dem Eintritt des Erbfalls an den jüngeren Bruder Chlodwig rechnen mußte, der ganz unter dem Einfluß seines Hausmeiers Erchinoald stand. Wie immer dem gewesen sein mag: Grimoald erreichte, dass Sigibert III. seinen Sohn unter dem MEROWINGER-Namen Childebert zum Erben adoptierte. Beim austrasischen Königspaar stellte sich indessen dann doch noch der Kindersegen ein. Sigibert erhielt eine Tochter Bilihild und einen Sohn, dem er den Namen seines Großvaters Dagobert gab. Eine neue Wende trat ein, als der austrasische König im Januar 656 so schwer erkrankte, dass sein Hinscheiden zu erwarten war. Grimoald handelte rasch: er traf sich mit dem Bischof Desiderius/Dido von Piotiers im Hauskloster von Nivelles, um für den Todesfall die notwendigen Vorkehrungen in seinem Sinne zu treffen. Als Sigibert am 1. Februar 656 starb, nahm Dido das Kind Dagobert mit sich nach Poitiers und ließ es von dort nach Irland bringen. Der verstorbene König wurde nach Metz überführt und in der von ihm vor den Toren der Stadt gegründeten Martinsabtei beigesetzt. Bischof der austrasischen Königsstadt war damals schon Chodulf, der älteste Sohn Arnulfs. Gegen die Erhebung des von Sigibert adoptierten Grimoald-Sohnes zum König erhob sich anscheinend kein Widerstand.
Die Regierungszeit des Childebertus adoptivus (656-662) ist in tiefes Dunkel gehüllt, das bisher nicht aufgehellt werden konnte. Thüringen war der austrasischen Zentralgewalt schon unter Sigibert III. entglitten. Ob die Auflösung in den rechtsrheinischen Ländern weiter fortschritt, ist unbekannt. Äußere Gefahren bestanden an der Ostgrenze nicht mehr oder noch nicht. Das große Slawen-Reich Samos, das wohl von der mittleren Elbe bis nach Kärnten gereicht hatte, löste sich um 660 auf. Die an Theiß und Donau wieder erstarkenden Awaren haben jedoch erst in der Folgezeit die "schwächste und schmalste Stelle" des Samo-Reichs im heutigen Niederösterreich durchstoßen und damit die bayrische Grenze an der Enns erreicht.
Es scheint, dass Grimoald, der eigentliche Regent des austrasischen Reichs in diesen Jahren, zu den rechtsrheinischen Herzögen einigermaßen ausgewogene Beziehungen unterhielt. Gefährlicher war für die PIPPINIDEN jedenfalls die Opposition in Auster selbst, das heißt in den fränkischen Kernlanden des Reichs. Sie kann in der Regierungszeit des Grimoald-Sohnes nicht erloschen sein und dürfte auch Beziehungen zur neustroburgundischen Regierung aufgenommen haben, die sich jedoch erst auswirkten, als Childebertus adoptivus 662 eines - anscheinend natürlichen - Todes starb. Durch den vorzeitigen Tod des Sohnes verlor Grimoald die legale Grundlage seiner Macht. Er sah sich nun selbst gezwungen, Verbindungen mit dem neustroburgundischen Hof aufzunehmen. Dabei geriet er in einen Hinterhalt, wurde in Paris gefangengenommen und hingerichtet.