4. Von den Thüringerkönigen.
Bei den Thüringern herrschten damals drei Brüder:
Baderich, Herminefred
und Berthar. Und Herminefred
bezwang seinen Bruder Berthar
mit Gewalt und tödtete ihn. Und dieser hinterließ bei seinem
Tode eine Tochter Radegunde als Waise
und auch Söhne, von denen in der Folge die Rede sein wird. Amalberga
aber, das böse und grausame Weib des Herminefred,
erregte alsbald zwischen den Brüdern neuen Bruderkrieg. Denn als eines
Tags ihr Gemahl zum Mahle kam, fand er den Tisch nur halb gedeckt, und
da er sie fragte, was das bedeuten solle, antwortete sie: "Wer das halbe
Reich nicht sein nennt, muß auch den Tisch nur halb gedeckt haben."
Durch solche und ähnliche Reden aufgereizt, erhob sich
Herminefred auch gegen seinen andren Bruder und schickte im
Geheimen Boten an König Theoderich
um ihn einzuladen, mit ihm auszuziehen. "Wenn du ihn tödtest, sagte
er, so wollen wir sein Reich zu gleichen Theilen theilen."
Theoderich war erfreut, als er solches vernahm, und kam mit
seinem Heere zu ihm. Da verbanden sie sich, gelobten sich gegenseitig Treue
und zogen in den Krieg. Als es darauf zum Kampfe kam, unterlag
Baderich und sein Heer, und er selbst verlor durch das Schwerdt
sein Leben. Theoderich jedoch zog nach
dem Siege in sein Reich zurück. Sofort aber vergaß
Herminefred sein Versprechen und gedachte nicht mehr zu erfüllen,
was er dem Könige Theoderich verheißen
hatte: deshalb brach unter ihnen alsbald große Feindschaft aus.
7. Der Krieg gegen die Thüringer.
Danach rief Theoderich,
an den Treubruch des Thüringer-Königs Herminefred
gedenkend, seinen Bruder Chlothar zu
Hülfe und rüstete sich gegen jenen auszuziehen; er versprach
aber König Chlothar einen Theil
der Beute, wenn ihnen der Himmel den Sieg verliehe. Und als er die Franken
versammelt hatte, sprach er zu ihnen also: "Gedenket, ich bitte euch, voll
Ingrimm an die Schmach, die mir angethan, und an den Mord eurer Väter.
Erinnert euch daran, wie die Thüringer einst über unsere Väter
mit Gewalt hereinbrachen und ihnen viel Leid zufügten, da diese doch
ihnen Geißeln stellten und Frieden mit ihnen machen wollten. Aber
jene tödteten die Geißeln auf verschiedene Art, brachen herein
über eure Väter, nahmen ihnen alle ihre Habe, hingen die Knaben
an den Geschlechtstheilen an die Bäume auf und ließen mehr als
zweihundert Mädchen eines grausamen Todes sterben. Denn sie banden
ihre Arme auf den Nacken der Pferde und peitschten diese mit aller Gewalt,
da stoben sie nach entgegengesetzten Seiten auseinander und zerrissen die
Mädchen in Stücke. Andre legten sie auf die Wagengeleise der
Landstraßen, befestigten sie mit Pfählen am Boden und ließen
schwere Lastwagen darübergehen, die ihnen die Beine zerbrachen: dann
warfen sie die Leiber den Hunden und Vögeln zur Speise vor. Und nun
hält Herminefred mir nicht das
Versprechen, das er mir gab, und will es in keiner Weise erfüllen.
Seht, wir haben eine gerechte Sache! Laßt uns also unter Gottes Beistand
gegen sie ziehen!" Da sie das hörten, wurden sie voll Ingrimm über
solchen Schimpf, und sie zogen einmüthig alle nach Thüringen.
Theoderich aber nahm seinen Bruder Chlothar
und seinen Sohn Theodebert
zur Hülfe mit sich und rückte ins Feld. Als die Franken nun heranzogen,
stelleten die Thüringer ihnen eine Falle. Auf dem Felde nehmlich,
wo der Kampf entschieden werden mußte, gruben sie Löcher; deren
Oeffnungen wurden mit dichten Rasen bedeckt, so daß es eine gleiche
Fläche zu sein schien. In diese Löcher nun stürzten viele
der Fränkischen Reiter, als es zum Schlagen kam, und konnten so nicht
von der Stelle; nachdem man aber die List gemerkt hatte, fing man
an, achtsam zu sein. Als aber die Thüringer sahen, daß sie großen
Verlust erlitten hatten, wandten sie, da auch ihr König Herminefred
schon die Flucht ergriffen hatte, den Rücken und kamen bis zum Unstrut-Fluß.
Dort wurden so viele Thüringer niedergemacht, daß das Bett des
Flusses von der Masse der Leichname zugedämmt wurde, und die Franken
über sie, wie über eine Brücke, auf das jenseitige Ufer
zogen. Nach diesem Siege nahmen diese sofort das Land in Besitz und brachten
es unter ihre Botmäßigkeit. Chlothar
führte Radegunde, die Tochter
König Berthars, bei seiner Rückkehr
als Gefangene mit sich und nahm sie alsdann zum Weibe. Da er aber später
ihren Bruder ungerechter Weise durch schändliche Menschen tödten
ließ, wandte sie sich zu Gott, legte das weltliche Gewand ab, baute
sich ein Kloster in der Stadt Poitiers und that sich durch Gebet, Fasten,
Wachen und Almosengeben so hervor, daß sie einen großen Namen
unter dem Volke gewann.
Als aber die erwähnten Könige noch zusammen
im Thüringerlande waren, machte Theoderich
einen Anschlag, seinen Bruder Chlothar
zu tödten. Er hielt im Geheimen bewaffnete Männer in Bereitschaft,
und ließ jenen zu sich rufen, gleich als ob er im Vertrauen etwas
mit ihm verhandeln wolle. In dem Theile des Hauses aber, wo sie zusammenkommen
sollten, ließ er einen Vorhang ausspannen von einer Wand zur andern
und stellte hinter demselben die Bewaffneten auf. Der Vorhang war jedoch
zu kurz, und die Beine der Bewaffneten wurden sichtbar. Als
Chlothar dies in Erfahrung brachte, ging er mit den Seinen bewaffnet
in das Haus und Theoderich erkannte,
jener habe Kunde von Allem. Da ersann er sich eine Ausflucht und sprach
bald von Diesem, bald von Jenem. Dieweil er aber endlich doch nicht wußte,
wie er seinen Trug weiter beschönigen sollte, gab er ihm ein großes
silbernes Becken zum Geschenk. Chlothar
sagte ihm Lebewohl, dankte ihm für das Geschenk und kehrte in seine
Wohnung zurück. Theoderich aber
beklagte sich bei den Seinigen, daß er so ohne alle Ursache sein
Becken habe dahingeben müssen, und sprach zu seinem Sohne Theodebert:
"Gehe zu deinem Oheim und bitte ihn, er möchte das Geschenk, was ich
ihm gemacht, dir aus gutem Herzen wiedergeben." Theodebert
ging und erhielt, warum er bat. In solchen Ränken
war Theoderich sehr bewandert.
8. Vom Ende Herminefreds.
Als er in seine Heimath zurückgekehrt war, ließ
er Herminefred zu sich kommen, und
gab ihm sein Wort zum Pfande, daß ihm Nichts geschehen solle. Er
überhäufte ihn auch mit Ehrengeschenken. Da sie aber eines Tags
auf die Mauer der Stadt Zülpich standen und mit einander sprachen,
erhielt Herminefred von einem Unbekannten
einen Stoß, stürzte von der Mauer zur Erde und gab seinen Geist
auf. Wer ihn von dort herabgestürzt hat, wissen wir nicht; man
behauptet aber, daß ganz gewiß eine Hinterlist Theoderichs
dabei im Spiele gewesen sei.