Eurich                                             König der Westgoten (466-484)
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um 440 28.12.484
 

Jüngster Sohn des Westgoten-Königs Theoderich I.
 

Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 104
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Eurich, König der Westgoten 466-484
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Sohn Theoderichs I. (Theudereds), erlangte durch Ermordung seines älteren Bruders Theoderich (II.) den Thron. Er brach das Foedus der Westgoten mit dem römischen Reich und leitete Offensiven ein, um den ganzen Raum südwestlich der Loire- und Rhônelinie sowie möglichst weite Teile der Iberischen Halbinsel unter seine Herrschaft zu bringen. Der gotischen Expansion in Gallien, die 469 begann, stellten sich im Berry die Bretonen, in der Gegend von Orléans fränkische Föderaten unter Childerich I. und römische Truppen des comes Paulus, im Rhônetal erst ein kaiserliches Heer aus Italien, dann die Burgunder Chilperichs I. entgegen; in Spanien setzten sich die Sueven zur Wehr. Zudem leisteten in der Tarraconensis und in der Auvergne vornehme Provinzialen energischen Widerstand. Als Arianer (Arius) mußten die Goten überdies stets mit der Feindschaft des katholischen Klerus rechnen. - Erst wurden die Bretonen entscheidend geschlagen, dann (471) die kaiserliche Armee; in Spanien mußten die Sueven in den Nordwesten zurückweichen, die Unterwerfung der Hispanoromanen gelang 472-473. In der Auvergne, wo der fähige Arverner Ecdicius und Bischof Sidonius Apollinaris Clermont verteidigten, endete der Krieg erst, als Kaiser Nepos 475 Eurichs Herrschaft über die von den Westgoten beanspruchten Gebiete westlich der Rhône und der Loire akzeptierte. 476 besetzten die Westgoten auch die südliche Provence. - Im fränkischen Ausdehnungsdrang am Niederrhein sah Eurich eine Gefahr; er reagierte mit einem erfolgreichen Einsatz seiner Atlantikflotte. Als er 484 starb, war er der mächtigste König auf ehemaligem Reichsboden.
In die Regierungszeit Eurichs, dessen legislatives Wirken Sidonius Apollinaris bezeugt (Ep. 8,3,3), setzt Isidor von Sevilla (Hist. Goth. c. 35) den Anfang der westgotischen Rechtskodifikation. In der Palimpsesths. Paris, Bibl. Nat., lat. 12161 sind aus dem 6. Jh. stammende Fragmente eines Gesetzbuchs erhalten, für das der Hg. K. Zeumer die Bezeichnung »Codex Euricianus« eingeführt hat, dessen Urheber jedoch nach Nehlsen Eurichs Sohn und Nachfolger Alarich II. war. Dieses von romanischer Juristenhand in klarem Latein abgefaßte Gesetzeswerk war für die Goten bestimmt. Es regelte auch die Rechtsbeziehungen zwischen Goten und Romanen, doch territoriale Geltung kam ihm nicht zu.

J. Prelog



Thiele, Andreas: Tafel 217
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband"

EURICH
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    + 484

Eurich rebellierte 466 gegen seinen Bruder Theoderich, ermordete ihn und folgte als König der Westgoten. Er war überzeugter Arianer, ließ grausame Christenverfolgungen durchführen und stieß auf schroffsten Widerstand des Klerus. Er knüpfte Beziehungen zu Byzanz, bekriegte Burgund, die Sueben und König Odoaker, schlug die Bretonen an der Loire zurück, eroberte Provence/Languedoc, zum Teil auch die Auvergne, im Süden das ganze Ebrobecken-Katalonien und begründete damit die westgotische Herrschaft fest in Spanien. Eurich unterstützte Syagrius gegen die Franken und schuf mit dem "Codex Euricianum" eine einheitliche Rechtsauffassung für die Westgoten. Militärischer Gegenspieler in Clermont-Ferrand war der berühmte spätrömische Dichter und Bischof Sollius Apollinaris Sidonius. Eurich verkörperte den Höhepunkt des Tolosanischen Reiches in Frankreich.



Seinen Bruder Theoderich II. ließ er ermorden. Eurich, ebenso gewaltig als Krieger wie verschlagen, schlau und zäh als Staatsmann, schuf seinem Volk die glänzendste Machtstellung, die es überhaupt erreichen sollte. Er brach mit Byzanz, griff die Anhänger des Kaisers Anthemius auf beiden Seiten der Pyrenäen an, entriß den Sueben Merida und Lissabon, den Römern Tarraco, Sevilla und Coimbra, schlug die keltischen Bundesgenossen der Römer in Aremorica an der bisherigen Nordgrenze der Goten bei Deols an der Indre und nahm ihnen die Stadt Bourges. Nachdem Odoaker dem Weströmischen Reich ein Ende gemacht hatte, benutzte der Goten-König die allgemeine Verwirrung, in Spanien einzudringen (477), Pamplona und Saragossa zu nehmen und die zusammengerafften Haufen, die der Adel der Provinz Tarraco aus eigenen Mitteln zur Verteidigung des Landes ihm entgegenführen wollte, rasch zu vernichten. Nun entrissen die Goten von den gewonnenen festen Stützpunkten aus in raschen Vordringen den Sueben und den Provinzialen die ganze Halbinsel, ausgenommen Galläcien. Schon in den nächsten Jahren erneuerte der Sieger auch seine Angriffe in Gallien, überschritt die Rhone, nahm das von seinen Vorfahren so oft vergeblich bestürmte Arles, dann Marseille (481) und die ganze Provence bis an die Kottischen Alpen. Mit einer kleinen Flotte organisierte er einen ausgedehnten Küstenschutz im Atlantik. Während seiner Regierungszeit entstand der Codex Euricianus (älteste Niederschrift eines germanischen Stammesrechts). Bei seinem Tode eroberte Chlodwig I. den Rest des römischen Galliens, ohne von westgotischer Seite etwas befürchten zu müssen. Eurich begründete die westgotische Herrschaft in Spanien und war der glänzendste und mächtigste aller westgotischen Könige und unbestreitbar der mächtigste Fürst des Abendlandes.
 
 
 
 

  oo Ragnachild, Königs-Tochter eines unermittelbaren Stammes
            
 
 
 
 

Kinder:

  Alarich II.
  um 460 507
 
 
 
 

Literatur:
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Gregor von Tours: Fränkische Geschichte. Phaidon Verlag, Essen und Stuttgart 1988 Buch II Kapitel 20,25 - Mann Golo: PROPYLÄEN WELTGESCHICHTE. Eine Universalgeschichte. Vierter Band. Rom Die römische Welt. Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt am Main - Berlin, Propyläen Verlag 1986 Seite 576,579,583,593,598,600 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 94 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband, R.G. Fischer Verlag 1994 Tafel 217 -