Für Sigibert
und besonders Grimoald komplizierte sich die derart geregelte austrasische
Nachfolgefrage, als Sigibert doch noch
ein eigener Sohn geboren wurde, der natürlich vor
Childebert
Herrschaftsansprüche geltend machen konnte. Sigibert
soll auch nach Angaben der im 11. Jahrhundert von Sigibert von
Gembloux geschriebene Vita Sigeberti Childebert
nur als Erben eingesetzt haben, si ipsum contingeret sine liberis obire.
Nach Dagoberts Geburt aber habe der
König seine frühere testamentarische Verfügung widerrufen
und den eigenen Sohn seinem Hausmeier Grimoald zur Erziehung übergeben,
ut
eius potentia contra omnes tutus sublimaretur in Austrasiorum regno.
Diese Nachrichten decken sich zum Teil mit solchen der Herigeri gesta episcoporum
Leodiensium, deren Abfassungszeit zwischen 972 und 980 angesetzt wird.
Danach sah der sterbende König in seinem Hausmeier mit Recht den für
die Nachfolgeentscheidung maßgeblichen Mann, dem er seinen Sohn anvertraute
und den er vielleicht durch einen Eid zusätzlich band. Trotz dieser
Nachrichten bleibt ein Skepsis, ob Erbansprüche eines zum Zweck der
Herrschaftsnachfolgeregelung Adoptierte so eindeutig widerrufen werden
konnten, zumal wenn die merowingische
Namengebung den Adoptierten auch als MEROWINGER
auswies. Zusätzlich kann verwiesen werden auf das Beispiel König
Guntrams, der im Jahre 577 gelobt
hatte, seinen Adoptivsohn
Childebert auch
im Falle, daß er "noch Söhne bekommen sollte", "doch gleich
wie einen von ihnen (zu) halten". Da auch die sehr zuverlässige Vita
Boniti Childebert den Adoptierten und
Dagobert II.
gemeinsam als Söhne
Sigiberts
III. anspricht, die zur Zeit der Erhebung Childerichs
II. (in Austrasien 662) bereits tot waren, ergibt sich als ziemlich
sicher, daß Grimoalds Sohn neben Dagobert
II. Erbansprüche auf das nach SigibertsTod
verwaiste Ost-Reich rechtens geltend machen konnte. Dadurch fällt
auf Grimoalds sogenannten Staatsstreich ein etwas anderes Licht.
Gleichzeitig läßt sich die ca. 6 Jahre währende Königsherrschaft
Childeberts
des Adoptierten in ihrer relativ langen Dauer bis zu Grimoalds
Sturz natürlich ebenfalls besser erklären.
Für die Situation nach Sigiberts
III. Tod ist der im Jahre 727 geschriebene Liber historiae Francorum
die Hauptquelle, deren Angaben zugrundegelegt werden müssen, obwohl
entscheidende chronologische Ansätze nicht haltbar sind: Gleich nach
des Königs Tod ließ Grimoald dessen
filium parvolum
nomine
Dagobertum zum Mönch
scheren und durch Bischof Dido von Poitiers in ein fern gelegenes Kloster
nach Irland bringen, während er seinen eigenen Sohn,
Sigiberts
Adoptivsohn
Childebert, in die Königsherrschaft
einsetzte. "Darüber waren die Großen des neustrischen Nachbarreiches
empört, möglicherweise weil ihre eigenen westlichen Einigungsbestrebungen
durchkreuzt worden waren. Sie schritten zu politischen Gegenmaßnahmen.
Dabei gelang es im Bündnis mit einer austrasischen Opposition, Grimoald
gefangen zu nehmen und angeblich zu Chlodwig II.
nach Paris zu schaffen, wo der Hausmeier hingerichtet wurde. Aus verschiedenen
Gründen schwankt nun die Datierung seiner Entmachtung zwischen 656/57
(liber hist. Franc.) mit Chlodwigs II. Tod
zwischen dem 11. September und dem 16. November 657 als terminus ante
und dem durch die jüngste Forschung glaubhafter gemachten Ansatz auf
das Jahr 661. Entscheidend für letzteren gegen den Liber historiae
Francorum ist letztlich, daß sich der Grimoald-Sohn Childbert
nach dem Fall des mächtigen Vaters noch bis 661 in der austrasischen
Königsherrschaft behauptet hatte".
Während noch Ebroin für den falschen
Chlodwig
im West-Reich Kriege führte, war im Osten Sigiberts
III. Sohn Dagobert II. zum
König erhoben worden. Lange Zeit war es ein strittiges Forschungsproblem,
ob Dagoberts II. Erhebung von 675/76
eine zweite Regierungszeit begründete oder ob nur mit einer einzigen
zu rechnen sei. Hatten noch vor allem Krusch, Levison, Dupraz und Fischer
für zwei Herrschaftsabschnitte von 656-661 und 675-679 plädiert,
so dürften nunmehr die Hinweise von Ewig und Debus den Streit zugunsten
einer einmaligen Regierungszeit gültig gelöst haben. Dagoberrts
Geschichte klingt abenteuerlich. Der Biograph und ehemalige Gefährte
des Erzbischofs von York berichtet, Dagoberts
Freunde und Verwandte hätten etwa zur Zeit nach Childerichs
Tod von Seeleuten erfahren, daß der von Grimoald tonsurierte und
zur
peregrinatio nach Irland bestimmte
Dagobert
noch lebe und in seinem besten Alter stünde. Darauf
hätten sie sich an den Erzbischof von York gewandt mit der Bitte,
er solle Dagoert aus Irland zu ihnen
einladen und ihn als König (bzw. als König für sie schicken).
Erzbischof Wilfiried entsprach der Bitte, nahm den aus Irland anreisenden
Dagobert
bei sich feierlich auf, stattete ihn mit allem Notwendigen (und stattlichem
Gefolge) aus, wie es einem König wohl gebührte, und verabschiedete
ihn glanzvoll zur Reise ins ein Reich.
Nach etwa vierjähriger Herrschaft in Austrasien
wurde Dagobert II. am 23. Dezember
679 bei Stenay ermordet. Er war das Opfer einer Verschwörung der
duces
geworden,
die sich mit den Bischöfen verbündet hatten. Die gewiß
auch tendenziöse Darstellung unseres angelsächsischen Gewährsmannes
stellt Dagoberts Ermordung als tückischen
und hinterhältigen Akt dar. Von einer förmlichen Verlassung des
Königs wird man daher kaum sprechen könen. Ansprechend ist die
Vermutung, daß die mit dem Metropoliten Reolus von Reims verbündete
arnulfingische Partei den Anschlag auf
Dagobert
durch
Abmachungen mit dem neustrischen Hausmeier Ebroin gesichert haben
wird. Dazu gehörte wohl auch der Sturz des austrasischen Hausmeiers
Wulfoad, der nach Dagoberts Tod
nirgends mehr erwähnt wurde. Aus Andeutungen im Liber historiae Francorum
und in der Fortseztzung der Fredegar-Chronik läßt sich ziemlich
sicher erschließen, daß König
Dagobert II. einen einzigen Sohn
besaß, der aber etwa gleichzeitig mit seinem Vater umgebracht worden
sein muß. Das Motiv für seine Ermordung lag gewiß in der
begründeten Annahme, er könne oder würde - trotz wahrscheinlicher
Minderjährigkeit - seinem Vater Dagobert
II. in der Herrschaft über Austrasien nachfolgen, was also
verhindert werden sollte.