LA MARCHE
Lexikon des Mittelalters:
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Marche, la
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Grafschaft im südwestlichen Mittel-Frankreich, Grenzregion
zwischen Poitou, Berry und Limousin, wurde im 10. Jh. als 'Mark'
konstituiert und war seit Mitte des 10. Jh. selbständige
Grafschaft, unter dem sogenannten »Haus CHARROUX«, dessen
Mitglieder wohl ursprünglich Vögte der großen Abtei
Charroux gewesen waren. Boso I. der
Ältere wird 958 als 'marchio'
genannt; die »Chronik von St-Maixent« bezeichnet ihn als Sohn des Sulpicius, der selber Sohn eines Gottfried war. Boso I. heiratete Emma, die Schwester des Grafen Bernhard von
Périgord; seine Söhne und Nachfolger Audebert I. († 997) und Boso II. († zwischen
1003 und 1023) waren daher zugleich Grafen von Marche und
Périgord. Auf Boso II.
geht die Gründung der Abtei Le Moutier-d'Ahun zurück. Bernhard I., Sohn des Audebert, der bis 1038 als
Graf genannt wird und vor 1047 verstarb, hatte (mindestens) sechs
Kinder, unter ihnen Audebert II.
und Audemode (Almodis), in 1. Ehe mit Hugo V. von Lusignan verheiratet. Boso III., Sohn von Audebert II. († 1088), starb 1091 kinderlos.
Die Grafschaft Marche ging vom Hause
CHARROUX an die Familie
MONTGOMERY über, aufgrund der 2. Ehe der Audemode, die zwischen 1091 und 1098
Roger von Montgomery heiratete.
Letzter Graf aus dieser Familie war
Audebert IV., der nach dem Verlust seines einzigen Sohnes und
vor dem Aufbruch zum Kreuzzug die Grafschaft 1177 an König Heinrich II. von England
verkaufte.
Obwohl Verwandte (der Graf von Angoulême, der Sire de Lusignan)
ihre Erbansprüche anmeldeten, blieb die Marche von 1177 bis 1199
bei den
PLANTAGENET (Angevinisches Reich). Nach dem Tode von Richard
Löwenherz entführte Hugo
IX. von Lusignan die Königin
Eleonore und
ließ sich die Grafschaft Marche zuerkennen, die - mit Ausnahme
der Zeit von 1202 bis 1214, in der sie König
Johann von England
besetzt hielt - für ein gutes Jahrhundert in der Hand der LUSIGNAN blieb; ihre Herrschaft
endete mit dem Tod von Yolande
(† 1314), der Schwester des letzten Grafen, Gui/Guyard († 1308).
Der spätere französische
König Karl (IV.)
hatte die Grafschaft Marche von 1314 bis zu seiner Thronbesteigung 1322
als Apanage inne, 1327 tauschte er die Grafschaft Marche mit Ludwig I., Herrn von Bourbon, gegen die
Grafschaft Clermont-en-Beauvaisis. Das Haus
BOURBON besaß
die Marche von 1327 bis 1435, doch war die Basse Marche von 1390 bis
1442, als Mitgift für Anne, die Tochter des Herzogs Jean de Berry, in der
Hand ihrer beiden Ehemänner, nämlich Jeans, Grafen von Montpensier (oo 1397),
und Ludwigs VII. von Bayern-Ingolstadt
(oo 1402) sowie des aus dieser Ehe hervorgegangenen Sohnes Ludwigs VIII. von Bayern-Ingolstadt.
1435 zog sich Jacques
II. von Bourbon in einen Franziskanerkonvent zurück und
vererbte die Marche seiner mit Bernhard
von Armagnac verheirateten Tochter
Eleonore. Beider Sohn Jacques III. (1461-1477)
wurde schließlich als Rebell gegen
König Ludwig XI.
enthauptet, die Grafschaft Marche konfisziert und 1478 an die Tochter des Königs, Anna, und ihren Gemahl Peter II. von Bourbon-Beaujeu ausgetan. Nach dem Tode des Schwagers der Beaujeu, Karls von
Bourbon-Montpensier, bei der Belagerung von Rom (1527) erfolgte
die definitive Vereinigung mit der Krone.
Die Grafschaft Marche verlor um die Mitte des 13. Jh. die Region
von Bourganeuf und Peyrat, die an eine jüngere
Linie der LUSIGNAN kam und in der Folgezeit beim Poitou
verblieb. In der gleichen Periode erfolgte andererseits der Erwerb der
Vicomté Aubusson (1262). Die Marche war zweigeteilt: Die 'Haute
Marche' umfaßte sieben Prévôtés bzw.
Châtellenies, nämlich Ahun, Aubusson, Crozant, Le Dognon
(von der übrigen Haute M. durch Gebiete des Poitou abgetrennt),
Drouilles, Felletin und Guéret, gehörte dem
(gemeinrechtlich
verfaßten) 'pays de droit écrit' an und war hinsichtlich
Justiz und Fiskalwesen (diocèse und aides) dem Limousin
angeschlossen. Die 'Masse Marche' (diese Bezeichnung tritt erstmals
1400 auf) hatte ebenfalls sechs Prévôtés: zum einen
Bellac, Rancon, Champagnac (gleichfalls 'de droit écrit' und mit
dem Limousin verbunden), zum anderen Charroux, Calais, St-Germain, Le
Dorat, die dem (gewohnheitsrechtlich verfaßten) 'pays de droit
coutumier' (Coutume) angehörten und hinsichtl. der Justiz zum
Poitou zählten, während das Fiskalwesen (diocèse,
élection) zwischen Poitou und Limousin (Le Dorat) geteilt war.
Die Grafschaft Marche wurde seit dem Ende des 12. Jh. von einem
Seneschall verwaltet.
R. Favreau