JOHANNA I. Königin von
Neapel
-----------------
* 1326, † 27.7.1382 ermordet
28.10.1344 in Neapel zur Königin gekrönt (regina Sicilie). Ostern 1351 Krönung von Johanna und Ludwig von Tarent.
Eltern:
---------
Karl, Herzog von Kalabrien
(† 9.11.1328),
Sohn des Königs von
Neapel,
Robert
von Anjou, und Maria
von Valois († 1329),
Tochter des Karl
von Valois und der Margarete
von Anjou
1. oo 31.3.1342
in
Neapel
ANDREAS
VON UNGARN
* 30.11.11327, † 18./19.7.1345 ermordet
Eltern:
--------
Karl Robert von Anjou
("Caroberto")
(* 1288, † 16.7.1342), König von Ungarn,
und Elisabeth Lokietek
(* 1305, † 29.12.1380), Tochter des
Königs
von Polen
2. oo 22.8.1347
LUDWIG,
Fürst von Tarent
* 1320,
† 24.5.1362
Eltern:
--------
Fürst Philipp von Tarent
(† 26.12.1331) und Katharina
von Valois, Titular-Kaiserin des
Lateinischen
Kaisereiches
3. oo 14.12.1362
in
Avignon
(per procuram)
JAKOB
IV. (Titular-)König von Mallorca
* 24.8.1336, † 16.1.1375
Eltern:
--------
König Jakob III. von
Mallorca
(* 5.4.1315, † 25.10.1349) und Konstanze
von Aragon (* 1318/22, † 1346)
4. oo 28.12.1375
in
Avignon
(per procuram)
OTTO, Herzog von Braunschweig
* 1319/20, † zwischen 16. und 19.4.1399
Vater:
-------
Herzog Heinrich II. von
Braunschweig-Grubenhagen
Die Nachkommen Johannas
AUS DER 1. EHE
1. KARL
MARTELL, Herzog von Kalabrien
* Dezember
1345,
† als Kleinkind in Ungarn
Neapel
Aus der 2. Ehe
Zwei Töchter, die beide
vor
Vollendung des ersten Lebensjahres starben.
Die Herrrschaftsansprüche weiterer Mitglieder
der
königlichen Familie und des Papsttums.
Beide bestimmen nicht nur die Regierung
Johannas, sondern führen auch zu ihrer Exkommunikation,
Entmachtung und Ermordung. Die nachhaltige Durchsetzung beider Element,
verwandtschaftliche Machtansprüche und Papsttum, hat drei
Ursachen,
auf die im folgenden einzugehen ist:
Erstens: Die Geschichte der ANJOU
in
Süd-Italien
Zweitens: Das nicht unumstrittene Testament König
Roberts für seine Enkelin
Johanna.
Drittens: Die Unfähigkeit der Regierung von
Neapel, sich vom überholten guelfischen Bündnisgedanken zu
trennen
und sich nach außen und innen neu zu profilieren.
Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach Johannas
Bedeutung im politischen Geschehen, auf das sich das historische Urteil
erstrecken soll, nachgegangen werden. Von hier aus sind Johannas
Möglichkeiten
und ihr Selbstverständnis als Herrscherin zu klären - soweit
dies die Quellenlage zuläßt. Denn darin liegt das
eigentliche
Problem zur Forschung Johannas I. von Anjou.
Die ANJOU-Register, untergebracht
im
Staatsarchiv von Neapel, lagen E. Leonard, seinen eigenen Angaben
zufolge,
für die Regierunsgzeit Johannas
lediglich für die Jahre 1343 bis 1352 vor, die Register von 1353
bis
1382 fehlten. Im Zweiten Weltkrieg wurden die ANJOU-Register
mit anderen Beständen in die Villa Maontesano bei Nola
ausgelagert,
die bei Kämpfen im Raum Neapel von einem deutschen Pioniertrupp am
30.9.1943 angezündet wurde.
Die Herrschaft der ANJOU
in Sizilien beginnt mit Karl I. von Anjou († 1285),
dem jüngeren Sohn des französischen
Königs Ludwig VIII. († 1226). Von seinem Vater erhielt
Karl
I. die westfranzösische Grafschaft Anjou als Apanage,
und
seiner Gemahlin Beatrix,
Gräfin
von Provence, brachte ihm die Grafschaft Provence als
Mitgift
ein. Die Päpste hatten Karl
nach
Sizilien geholt, da für sie nach dem endgültigen Bruch mit
Kaiser FRIEDRICH II. († 1250)
"die französische
Monarchie
das bevorzugte Königshaus" (Herde) wurde. Mit dieser
Maßnahme
wollte die Kirche einer weiteren Umklammerung des Kirchenstaates, wie
sie
durch die STAUFER geschehen war,
in
Zukunft Einhalt gebieten. Karl,
der
am 30.4.1265 von Papst Clemens IV.
(† 1268)
mit dem Königreich
Sizilien belehnt worden war, besiegte die letzten STAUFER
Manfred († 1266) und Konradin († 1268)
und
sicherte seine Herrschaft im Königreich Sizilien durch eine
zentralistische
Staatsführung nach innen und eine expansive Politik nach
außen
ab. Die wichtigen Ämter der von den STAUFERN
übernommenen Zentralverwaltung und die großen Lehen vergab
er
in der Regel an Franzosen und Provenzalen. Dabei wurde auftretender
Widerstand
oft grausam und brutal niedergeschlagen. In seinem Machtstreben wandte
er sich nach Konstantinopel und Jerusalem, nach Ungarn sowie nach
Mittel-Italien
und führte seine Heiratspolitik in ebenso weitreichenden
Dimensionen
durch. Eine Wende markierte die "Sizilianische Vesper" im Jahre 1282,
in
dem die Aragonesen die Herrschaft über die Insel Sizilien von den
ANJOU
übernommen
hatten. Der Franzose und päpstliche Lehnsherr, Martin IV. (†
1285),
stand auf der Seite der ANJOU und
exkommunizierte
die Aragonesen. So waren sich in der Folgezeit Karl
II. von Anjou († 1309) und die römische Kirche
darüber
einig, daß eine Trennung zwischen Insel und Festland nicht hatbar
sei.
Bereits um 1300 war in Italien von einer pro-angiovinischen
und pro-französischen Stimmung nicht mehr viel zu spüren. Nur
gegen den deutschen
Herrscher HEINRICH VII.
(† 1313)
und seinem Italienzug lebte seit 1310 der guelfische Gedanke erneut
auf.
Papsttum, freie Kommunen und der angiovinische
Herrrscher in Neapel, König Robert,
schlossen sich noch einmal zusammen. Der Bruch der französischen
Hegemonie
durch den Hundertjährigen Krieg, der Bankrott der Florentiner
Banken
(1340) und die Wahl des papstnahen, in Frankreich aufgewachsenen KARL
VON LUXEMBURG zum römischen König (1346), zogen
den
endgültigen Zerfall des guelfischen Blockes nach sich. Doch
während
Florenz die veränderte politische Situation für sich nutzte,
um sich vom alten Bündnissystem zu lösen, versäumte es König
Robert, basierend auf eigenen Kräften, eine effiziente
Politik zu gestalten, die auf kontinuierliche päpstliche
Unterstützung
verzichtete. So bezeichnet G. Galaso
die letzten Regierungsjahre König
Roberts als "quasi
in tronco staccato dalol linea
storica
progressiva della vita italiana".
In seinem Testament vom 16.1.1343 setzte König
Robeert, der nach dem Tode seines Sohnes Karl
(† 1328)
keine anderen direkten Erben hatte,
seine
erstgebortene
Enkelin Johanna als
Haupterbin
ein:
Inprimis
quia testamenti cuiuslibet institutio principum esse dignoscitur sive
caput,
instituit sibi haeredem universalem Joannam
Ducissam
Calabriae, neptem ejus primogenitam, clarae memoriae inclyti
Domini Caroli Ducis Calabriae,
eiusdem
Domini Regis primogeniti in Regno Siciliae ultra citraque Pharum, nec
non
Comitatibus Provinciae et Forcaquerii et Pedemontis, ac omnibus aliis
terris,
locis, dominiis, iurisdictionibus, locis et rebus suis stabilibus et
mobilibus,
ubisumque sistentibus, sibi competentibus, et quomodolibet competituris.
Im Falle von Johannas
Tod ohne direkte Erben, sollte deren
Schwester Maria,
die mit zahlreichen Gütern belehnt wird, oder deren Nachkommen die
Nachfolge auf dem Königsthron antreten. Bei ihrem Mann Andreas
von Ungarn bliebe nach Johannas
Tod lediglich das Fürstentum Salerno. Maria
sollte mit König
Ludwig von Ungarn († 1382),
dem erstgeborenen Sohn von König Roberts
älterem
Bruder Karl Robert ("Caroberto") († 1342),
verheiratet werden.
Als zweite Möglichkeit bestimmte
Robert
Marias Heirat mit dem erst- bzw. zweitgeborenen Sohn König
Philipps VI. von Frankreich. Johanna
bzw. ihre Schwester dürfen nicht vor ihrem 25. Lebensjahr ohne
Kenntnis
oder Zustimmung eines Personenkreises regieren, den König
Robert namentlich aufführte: An erster Stelle steht
die
Königin-Witwe
Sancha, Tochter
König
Jakobs II.
von Mallorca († 1311), es folgen der Vizekanzler Filippo,
der
Bischof von Cavailon, Filipp di
Sanguineto als Seneschall der Provence
und als Mitglied der königlichen
Familie Robert
von Artois.
König Robert mußte
sich bewußt gewesen sein, daß seine folgenschweres
Testamant
zugunsten seiner Enkelin Johanna
keinesfalls
unangefochten bleiben würde. Mit der Wahl Johannas
hatte er sich für die Weitergabe der Königswürde in der
eigenen Linie entschieden. Das legitimistische Problem lag in der
Fragwürdigkeit
einer weiblichen Nachfolgeschaft, obwohl eine solche durch Papst
Clemens
IV. in der Belehnungsurkunde für Karl
I.
von Anjou und dessen Nachkommen (1265) keinesfalls
ausgeschlossen
worden war. Doch waren die Regelungen hinsichtlich einer
männlichen
oder weiblichen Erbfolge und hinsichtlich einer Primo- oder
Secundogenitur
in der Bulle Bonifaz' VIII. "Incumbit nobis non" vom
24.2.1297 neu und
weniger mißverständlich formuliert worden: Bei mehreren
männlichen
Kindern bzw. mehreren weiblichen Kindern desselben Abstammungsgrades
tritt
immer der bzw. die Erstgeborene die Nachfolge an und im Falle eines
männlichen
und weiblichen Kindes desselben Grades ist der männliche
vorzuziehen.
Komplizierter wurde die juristische Situation dadurch,
daß gleichzeitig mit dieser Präzisierung der Erbfolge eine
Ausnahme
zugunsten Roberts von Anjou festgeschrieben
wurde: Nach dem Tode Karl Martells
(1295), Erstgeborener von Karl II. von Anjou
und Maria, Tochter König
Stephans von Ungarn, entschied Bonifaz VIII. († 1303),
daß
nicht Karl Martells Erstgeborener Karl
Robert, sondern Karls II.
drittgeborener Sohn Robert, Herzog von
Kalabrien,
die Nachfolge im Königreich Sizilien antreten soll. Diese
Ausnahmeregelung
entsprach, so der Chronist de Costanzo,
der politischen Realität:
Während Karl Robert in
Ungarn
aufgewachsen war und regierte, hatte sich Robert
im
Regno "in Krieg und Frieden" hervorgetan.
Das Testament König
Roberts
verstößt gegen die Erbfolgeregelung Bonifaz' VIII. in
mehrfacher
Hinsicht:
Erstens: In der Urkunde Bonifaz' VIII. stellt
zwar Robert eine Ausnahme von der
vereinbarten
Erbfolge dar, jedoch fehlt diesbezüglich eine Aussage für
seine
Nachkommen.
Zweitens: Johanna und
Ludwig
von Anjou haben als Urenkel zu
Karl
II. von Anjou den selben Verwandtschaftsgrad. Von dieser
Sicht
aus ist Ludwig als männlicher
Nachkomme erbberechtigt. Unter diesen Voraussetzungen ist das
dynastische
Problem zu verstehen, dem Johanna
von
Beginn ihrer Herrschaft an ausgesetzt war.
Johannas Heirat mit
Andreas
von Ungarn, dem jüngsten Sohn Karl
Roberts, sollte ungarischen Übergriffen
besänftigend
zuvorkommen und das Erbfolgeprinzip in der Linie Roberts
politisch
absichern. Dieses Faktum sollte auch mit der Ehe von
Johannas
Schwester
und eventuellen Thronerbin Maria
unterstrichen
werden. Wohl fand die Erbfolge im eigenen Hause statt, doch steht an
zweiter
Stelle die ungarische Linie. Die Linien Anjou-Tarent
und
Anjou-Durazzo,
die Nachkommen der jüngeren Brüder König
Roberts,
sind von der Erbfolge weitgehend ausgeschlossen.
Eine päpstliche Bestätigung seines Testaments
hatte König
Robert nich
eingeholt.
Eine Stellungnahme des Lehnsherrn erfolgte mit der Bulle "Ex ore
sedentis"
vom 28.11.1343. Darin stellte Papst
Clemens VI. († 1352)
fest,
daß
die junge Königin teils mit Zustimmung des Personenkreises, dem
die
Regierungsgeschäfte anvertraut wurden, teils aber auch ohne dessen
Kenntnis regiere. Mit der Begründung, daß Johanna
hierfür noch zu jung sei, erklärte Clemens deren sowie der
zur
Regierung bevollmächtigten Personen Regierungshandlungen für
unwirksam. Er betraute mit dieser Aufgabe seinen Kardinallegaten Aimery
de Chatelus. Damit hatte sich zwar Papst Clemens VI. gegen eine
Herrschaft
der ungarischen ANJOU im Regno
entschieden,
doch mit der Anerkennung Johannas als
rechtmäßiger Erbin erstrebte er weitgehende
Verfügungsgewalt
über das Königreich. Am 28.8.1344 schwor Johanna
in der Kirche S. Chiara in Neapel dem Kardinallegaten den Lehnseid und
wurde mit dem Regno investiert.
Tatsächlich stammen
Johannas
erste Diplome vom April 1343 und lassen auch später - soweit dies
aus den Editionen bei M. Camera zu erkennen ist - keine Mitwirkung der
von König
Robert eingesetzten
Prokuratoren erkennen; so kann sicherlich nicht von einem
funktionierenden
"Regierungsrat" oder gar einer "Zwischenregierung" gesprochen werden,
zumal
die Königin-Witwe
Sancha im
Jahre
1344 endgültig den Schleier nahm. In bezug auf
Johannas frühe Regierungshandlungen fällt auf,
daß
sie der testamentarischen Verfügung König
Roberts, alle Offizialen am Hofe in ihrem Amte zu
bestätigen,
weitgehend nachkam. Doch sie berief auch selbständig hohe Beamte,
wie etwa Uglo de Balzo (des Baux) in das Amt des Seneschalls der
Provence
und Forcalquier, das heißt zum obersten Verwalter ihres
französischen
Stammlandes. Darüberhinaus verlieh sie eine Vielzahl weiterer
Titel
zu großzügig. Eine Auswertung der vielen Diplome auf eine
tragfähige
Rgierungsführung ist nicht mehr möglich, doch muß es
spätestens
bei Erstellung ebenso zahlreicher Diplome durch den Kardinallegaten zu
erheblichen Konfusionen am Hofe sowie in der Verwaltung der Provinzen
gekommen
sein. Da sich der Kardinallegat in den unüberschaubaren
Regierungsverhältnissen
auch nicht durchsetzen vermochte, verließ er den neapolitanischen
Hof bereits nach einem Jahr.
Soweit läßt sich zusammenfassen:
König
Robert hatte seinen wiederholt gefährdeten Frieden im
Königreiche
einer vom Papst unterstützten Erbfolge gegen den
erbfolgeberechtigten
Karl
Robert von Ungarn und einen zumindest noch zeitweise
funktionierenden
traditionell-guelfischen Bündnissystem zu verdanken. Doch er
hinterließ
ein nicht auf die neuen politischen Verhältnisse hingeordnetes
Königreich.
Mit seinem verhängnisvollen Testament setzte er die junge Enkelin
Johanna
als
Haupterbin ein, was in zweifacher Weise gegen frühere
Verträge
verstieß, und bevollmächtigte für die laufenden
Regierungsgeschäfte
einen "Rat", der nicht funtionieren konnte. Die Kirche als obersten
Lehnsherrn
hatte Robert
in seinem Testament übergangen,
die nach seinem Tod vehement in die Regierungsgeschäfte eingriff.
Die junge Königin reagierte auf diese verfahrene Situation, wie
man
es nicht anders tun konnte: Sie versuchte die Herrschaft in die eigene
Hand zu nehmen und setzte an der richtigen Stelle an, indem sie
Männer
ihres Vertrauens in die höchsten Ämter erhob.
Doch gerade die testamantarisch ausgeschlossenen
Fürsten
von Tarent, geleitet von ihrer Mutter
Katharina
von Valois, der Witwe Philipps
von
Tarent, und die Herzöge
von Durazzo, beeinflußt
von
ihrer Mutter Agnese Talleyrand-Perigord,
Witwe des Herzogs von Durazzo,
strebten nach dem Königsthron. Sie
alle bedienten sich der Erreichung ihres Zieles der Heiratspolitik.
Wenige
Monate nach dem Tod König Roberts heirateten
Karl
von Durazzo († 1348), ältester
Sohn Agneses,
Johannas
Schwester und Thronfolgerin
Maria.
Der Ehevertrag ist auf den 14.7.1343 datiert. Diese Ehe verstieß
gegen die eindeutigen testamentarischen Bestimmungen König
Roberts. Die Ehe konnte auch nicht im Sinne Johannas
sein, ließ sie doch erkennen, daß die Ereignisse am Hofe
nicht
mehr deren Kontrolle unterstanden. Schlimmer jedoch war, daß Johanna
selbst persönliche Nähe zu den Fürsten von Tarent
suchte,
während das von ungarischer Seite geschürte Machtstreben
ihres
Mannes Andreas
zunahm. Dieser
hielt
sich weniger als Ehemann Johannas als
vielmehr als Enkel des Erstgeborenen von Karl
II. von Anjou für den legitimen
Nachfolger im
Königreich
Sizilien. Umfamgreiche Geldsummen sollten den Papst bewegen, Andreas
gemeinsam mit Johanna zu
krönen.
Noch im Sommer 1343 hielt sich der Papst an die testamantarischen
Bestimmungen
Roberts,
worauf Johanna
vehement insistiert
hatte. Doch zwei Jahre später wollte Clemens VI. eine zweite
Krönung
vornehmen, die auch Andreas
miteinschließen
sollte. So heißt es in drei verschiedenen Bullen vom 10.6.1345
die
Krönung betreffend:
Reginae Siciliae conceditur ut coronetur
et
iningatur et inducitur ut unam cum ipsa coronam recepias
Andreas,
rex
Siciliae, vir eius. Andreas
sollte die Regierungsgewalt zugesprochen werden: Reginam Siciliae
inducit
ad admittendum virum suum Andream
ad
administrationem regni, non obstantibus contrariis suggestionibus.
Johanna
wurde nachdrücklich ermahnt, zur Krönung zu kommen: Eamdem
reginam hortatur ad veniendum ad praesentiam ejus pro recipienda corona.
In der Nacht vom 18. auf den 19.9.1345 wurde Andreas
ermordet. Ein Zusammenhang zwischen seiner Ermordung und seiner nahe
bevorstehenden
Krönung liegt auf der Hand. Vor einer Herrschaft des Andreas
mußten in erster Linie all jene zurückschrecken, die durch
einen
verstärkten Einfluß der ungarischen Partei am Hofe um ihre
Ämter
und Pfründen fürchteten. Auffällig ist, daß Johanna
ausschließlich
in jenen Urkunden, die nach dem Anschlag das aufgewühlte Volk
besänftigen
sollten, gemeinsam mit ihrem Cousins den feigen Mord an Andreas beklagte.
Am 30.8.1346 schrieb Clemens VI.
an seinen Kardinal Berttrand d'Embrun,
daß König
Ludwig von Ungarn und
seine Mutter, die Königin-Witwe
Elisabeth,
Johanna
und
weitere Personen am Königshofe des Mordes an Andreas
verdächtigten.
Wenig später forderte Clemens VI.
Johanna
auf, Bertrando del Balzo (des Baux), Herzog von Andria und
Montescaglioso,
sowie zwei Bürger Neapels, die das Volk von Neapel selbst zu
benennen
hatte, einzusetzen, um die Verbrecher und ihre Hintermänner
ausfindig
zu machen. Jene seien dazu angehalten, so der Papst weiter, auch gegen
Johanna
oder
andere Personen aus der königlichen Familie, wenn diese schuldig
seien,
vorzugehen. Aufgrund des Drucks von öffentlicher Seite, des Volkes
von Neapel, Ludwigs von Ungarn und
aufgrund der päpstlichen Anweisung erfolgten im Königreich
Untersuchungen,
Folterungen und Verurteilungen, die den Tod der nächsten Freunde
der
Königin forderten und sich bis in die Dauphine und Provence
erstreckten.
Johanna
mußte
sich zweimal vor einem päpstlichen Gericht verantworten und wurde
jedesmal freigesprochen (1348,1352). Der Zeitgenosse und den ungarischen
ANJOU
gewogene Matteo Villani hielt
Johanna
- aufgrund ihres weiblichen Geschlechts - am Tod des Andreas
für mitschuldig, doch kann die Frage aus heutiger Sicht nicht
geklärt
werden.
An Weihnachten 1345 wurde Johannas
Sohn Karl Martell geboren, den sie
mit dem Titel eines Herzogs von
Kalabrien investierte. Mit der Urkunde
vom 16.12.1346 bestimmte sie Karl Martell im
Falle ihres Todes zum Thronfolger.
Doch die wirklichen Nutznießer im politischen
Vakuum
waren die Fürsten von Tarent.
Am 22.8.1347, dem Jahr der ersten
Einfälle
ungarischer Krieger in das Regno, heirateten in privater Form ohne
Feierlichkeiten
Johanna
und
Ludwig
von Tarent († 1362). Gleichzeitig wurden zwei Schwestern von
Robert
und
Ludwig von Tarent zwei
Brüdern
von Karl von Durazzo versprochen.
Noch
im Jahr zuvor stand Johanna Robert,
dem ältesten der drei
Fürsten von Tarent, nahe, dem sie als administrator
regni weitreichende politische Funktionen eingeräumt hatte. Johanans
Bindung an die Tarent-Linie rief den Widerstand Ludwigs
von Ungarn hervor, und auch Papst Clemens VI. warnte
Johanna vor einer akuten Bedrohung von ungarischer Seite.
Der
Papst wünschte Johannas
Hochzeit
mit Johann von der Normandie [Persönlicher
Einwurf: der spätere König
Johann II. von Frankreich],
Sohn
des
französischen Königs Philipp VI.,
der dem Regno militärische Sicherheit hätte geben
können.
Mit der Wahl ihres Mannes hatte Johanna
politische Beratung und militärischen Schutz gesucht, ohne ihre
königlichen
Herrschaftsrechte teilen zu müssen. Doch der Berater Ludwigs,
Niccolo Acciaiuoli († 1365), hatte mit
seinem Zögling
ehrgeizigere
Pläne vor.
Ludwig von Ungarn,
der nach der Personalunion des ungarischen und neapolitanischen Reiches
strebte,
fiel mit dem Argument, den Mord an seinem Bruder rächen zu wollen,
im Jahre 1347 in Italien ein. Noch war das neapolitanische Heer, geeint
mit dem römischen, bei der Vertreibung von Cola di Rienzo aus Rom
erfolgreich, der sich auf die Seite der Ungarn gestellt hatte. Doch
bereits
an Weihnachten 1347 zieht Ludwig in
Aquila ein. Johanna schiffte sich
in
der Nacht vom 15. auf den 16.1.1348 in die Provence ein und Ludwig
von Tarent folgte ihr zwei Tage später, nachdem das
von
ihm geführte neapolitanische Heer bei Benevent unterlegen gewesen
war. Ludwig von Ungarn drang am
17.1.
in Aversa ein, wo ihn die zurückgebliebenen Fürsten (Robert
und
Philipp
von Tarent sowie
Karl,
Robert
und Ludwig von Durazzo) zum Regenten
des Reiches proklamierten. Doch ließ Ludwig
Karl von Durazzo enthaupten und die anderen vier Cousins in
ungarische Gefängnisse
schaffen, von wo sie erst im Jahre 1352
wieder
zurückkehrten. Am 23.1. zog Ludwig von
Ungarn
in
Neapel ein. Nach einer vandalischen Herrschaft schiffte er sich mit dem
Ausbruch der Pest im Frühjahr 1348 von Manfredonia aus in sein
Land
ein und ließ seine Truppen unter dem Kommando der Brüder
Konrad
und Ulrich Wolf zurück.
Als Johanna im
Sommer
desselben Jahres nach Neapel zurückehrrte, stand sie vor einer
komplizierteren
politischen Situation als zu Beginn ihrer Regierungszeit.
Erstens:
Das Königreich war nach wie vor
fremdbesetzt und mußte zurückerobert werden.
Zweitens:
Niccolo Acciaiuoli hatte mit Johannas
Einverständnis die Stadt Avignon für 80.000 Goldflorin gegen
die testamentarischen Bestimmungen König
Roberts, wonach die Provence oder Teile von ihr niemals
ausgegliedert
oder verkauft werden dürfen, dem apostolischen Stuhl
überlassen.
Nach dem Tode Clemens VI. bemühte
sich
Johanna
erfolglos
um einen Rückkauf.
Drittens:
Während des Aufenthaltes von Johanna
und Ludwig von Tarent in Avignon
erkannte
Clemens VI. deren Ehe an. Seit
ihrer Rückkehr nach Neapel wurde Ludwig
in
den päpstlichen Urkunden und anderen offiziellen Schreiben als
rex Sicilie titiliert.
Ludwigs
Erhebung
auf den Königsthron war nur noch eine Frage der Zeit.
Viertens:
Bei ihrer Flucht aus Neapel hatte Johanna
ihren Sohn Karl Martell
zurückgelassen.
Der Grund hierfür mochte darin liegen, daß seit
Karl Martells Geburt Ludwig von
Ungarn
die
Herausgabe des Thronerben zu dessen eigener Sicherheit gefordert hatte.
Deshalb erhoffte Johanna durch die
Päsenz des Kindes am neapolitanischen Hofe sowohl für jenes
wie
auch für sich selbst größere Thronansprüche.
Ludwig jedoch nahm Karl Martell mit
nach Ungarn, wo er im Kleinkindalter starb.
Nach einer erneuten Invasion
Ludwigs von Ungarn in Italien (1349) wurde durch
päpstliche
Intervention der Frieden für die stattliche Summe von 300.000
Goldflorin
erkauft. Dieser Frieden hätte für Johanna,
die jetzt 25 Jahre alt war, die Möglichkeit bergen können,
eine
konstante politische Führung aufzubauen.
Soweit läßt sich sagen: König
Roberts Testament hat wesentlich zum Einfall Ludwigs
von Ungarn in das Königreich Sizilien beigetragen. Er
hatte
die Ungarn in der ersten Erbfolge übergangen, räumte ihnen
aber
dennoch große Ansprüche ein. Er holte sie an den
neapolitanischen
Hof, schloß sie aber von der Herrschaft aus. Natürlich
mußten
der Ermordung ihres aussichtsreichsten Thronprätendenten die
härtesten
Maßnahmen folgen. In dieser Situation fühlte sich
Johanna überfordert, sie wandte sich den scheinbar
mächtigeren
Ludwig
von Tarent und Niccolo
Acciaiuoli zu und verlor
faktisch
ihre
Herrschaft an diese.
Die erste Aufgabe nach der Rückkehr aus dem Exil
war die Rückeroberung des Regno von den Ungarn, was auch bis 1351
mit der Ausnahme von Apulien weitgehend gelang. Das Königspaar und
mit ihr der ganze Hof begfanden sich in ritterlich-höfischer
Stimmung:
An Ostern 1351 fand unter aufwendigen Hochzeitsfeierlichkeiten die
Krönung
von Johanna und Ludwig
von Tarent statt. Tragischer Weise starb am selben Tag ihre
gemeinsame, noch nicht einmal einjährige, im Exil in Avignon
geborene
Tochter Francisca. Ostern 1352,
zum
ersten Jahrestag seiner Krönung, gründete Ludwig
einen Ritterorden, den "Ordre de avalieri del Nodo", dem 60
hochstehende
Persönlichkeiten angehörten und dem die "Statuts de l' Ordre
du saint-Esprit" zugrunde liegen. Dies Prunkhandschrift in
französischer
Sprache mit zahlreichen Miniaturen geht auf den neapolitanischen
Hofkünstler
Cristoforo Orimina zurück, der sich bereits mit der
Übersetzung
anderer lateinischer Texte und deren Ausstattung mit Miniaturen
hervortat.
Johanna stand den
künstlerischen Aktivitäten ihres Mannes keinesfalls nach. Sie
ließ die von angiovinischen Herrschern
errichtete Gerichtshalle, welche die Residenz der Herzöge von
Kalabrien
darstellte und in der ihre Hochzeitsfeierlichkeiten mit Ludwig
von Tarent stattgefunden hatten, in ein Hospital umbauen.
Dieses
Hospital wird im Gedenken an die königliche Stifterin und deren
Krönung
die "Incoronata" genannt. Sie erhielt eine Kirche, die später
sogenannte
"Corona di Spine", der die von dem bekannten Florentiner Künstler
Giotto di Bondone († 1337) ausgestattete
königliche Kapelle der
ehemaligen
Gerichtshalle inkorporiert wurde. Ebenfalls in Erinnerung an ihre und
ihres
Mannes Krönung ließ Johanna in
der "Incoronata" von dem neapolitanischen Hofkünstler Roberto d'
Oderisio
Fresken anbringen, die die Hochzeit in prunkvollen höfischen
Szenen
und in ritterlicher Kostümerie darstellen. Die "Status de l' Ordre
du Saint-Esprit" und die Fresken der "Incoranata" können als
Ausdruck
einer im Rahmen des "stile internatione" stehenden, verfeinerten
Periode
höfisch-ritterlicher Kultur gesehen werden, mit Anspruch auf
höfisch-moralischenh
Verhaltenskodex und kriegerische "aventure".
Acciaiuoli ist
nicht nur Königsmacher gewesen,
sondern
lenkte auch in der Folgezeit als großer Seneschall des Reiches
(magnus
regni nostri senescallus) dem bedeutendsten Amt nach dem
König und
der Königin, die Regierungsgeschäfte. Doch wie sah sein
politisches
Konzept aus? Vom Zeitgenossen Giovanni
Boccaccio (1375) wurde
Acciaiuoli
als Restaurator des Königreichs gefeiert und in der neuesten
Literatur
als ein "elemento prezioso di mediazione" am neapolitanischen Hofe
hochgelobt
(Galasso). Dabei wurde
übersehen oder im patriotischen Sinne
miteinbezogen,
daß Acciaiuoli in
erster Linie erfolgloser Kriegsherr in Sizilien
war. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte das
Königreich
einer inneren Reform bedurft: Klare Regierungsverhältnisse mit
einer
funktionierenden Verwaltung der Provinzen und Unterstützung des
Handels.
Mit neuem Selbstbewußtsein hätte Neapel, eines der
größten
Königreiche der Zeit, entsprechend seinen eigenen
Bedürfnissen,
seine Bündnispartner selbständig wählen können und
Chancen gehabt, in seiner gesamten Substanz politisch und territorial
zu
überleben.
Der Rückeroberungsversuch des
Insel-Königreiches
Sizilien durch Ludwig von Tarent und
Niccolo Acciaiuoli ist vor dem
Hintergrund der politisch-historischen
und
rechtlichen Situiation der Insel zu verstehen: Mit der "Sizilianischen
Vesper" (1282) hatten die Aragonesen den sizilianischen Thron von den
ANJOU übernommen,
die ihre Ansprüche darauf
keineswegs
aufzugeben gedachten. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen
dem
Aragonesen Friedrich III. († 1337)
und Karl II. von Anjou fanden im
endgültigen
Friedensschluß zwischen Caltabellotta und Sciacca vom 24. bis
29.8.1302
ihr Ende, der dem Aragonesen die Insel bis zu seinem Tode beließ.
Dieses "Provisorium" stellte weitgehend einen Triumph Friedrichs
dar, da er an der aragonesischen Teilingskonzeption festgehalten hatte.
Wohl mußte Friedrich den
Papst
als Lehnsherrn anerkennen und einen jährlichen Zins entrichten,
doch
hatten "faktisch sowohl die ANGIOVINEN
als auch die Kurie ihre Zustimmung zur Teilung des Regni gegeben"
(Kiesewetter).
Alle rechtmäßigen Versuche König
Roberts von Anjou, Sizilien nach dem Tode
Friedrichs III. zurückzuerobern, scheiterten. Als im
Jahre
1346 die Sizilianer Milazzo und im Jahre 1347 Lipari eroberten und eine
Offensive auf Neapel nicht ausgeschlossen werden konnte, drängte
die
Regierung von Neapel auf einen Friedensschluß, der am 8.11.1347
am
Sizilianischen Hof unterschrieben wurde. Dieser Akt wiederholte die
Beschlüsse
von Caltabellotta und sanktionierte noch einmal die Trennung zwischen
Sizilien
unn Neapel.
Dennoch wurde der Krieg in Sizilien zu Beginn des
Jahres
1354 aufgenommen. Aufgrund der Verwüstung im Regno durch die
Ungarn
und die Pest waren die Mitte für die Aufrüstung derart
gering,
daß dies den Spott vieler Zeitgenossen einbrachte und Pisa sich
weigerte,
sich an diesem aussichtslosen Unternehmen zu beteiligen. Um so
überraschender
waren die Anfangserfolge, die auf die Unterstützung einer
"lateinischen"
Partei, deren Bürgerkrieg seit dem Tode Friedrichs
III. von Sizilien (Trinacria)
gegen die "katalanische"
Partei
erneut aufgeflammt war, zurückzuführen sind. Am 20.4.1354
wurde
Palermo eingenommen, am selben Abend noch der Sieg mit viel Freude
gefeiert
und in den folgenden Tagen als Dank an das Volk von Neapel viele hohe
Ämter
und Würden verliehen. Als Stellvertreter des obersten Justitiars
des
Insel-Königreiches und somit Hauptverantwortlichen für die
Rückeroberung
Siziliens, Federico Chiaramonte,
wurde Angelo Acciaiuoli, ältester
Sohn von Niccoli Accaiuoli, berufen.
Mit anhaltendem Erfolg wurde bis zum Sommer desselben
Jahres ganz Sizilien mit der Ausnahme von Messina und dem Val Demone
mit
Catania, wo der Aragonese Ludwig II. von
Sizilien
(Trinacria) († 1355) residierte, eingenommen. Die
Rückeroberung
der Insel durch die neapolitanischen ANJOU
stand im Einklang mit der päpstlichen Haltung in der
Sizilienpolitik.
In seinem Schreiben vom 13.5.1354 an Niccolo
Acciaiuoli bedankte sich
Papst
Innozenz VI. für die Rückführung vieler
Städte und
vieler Adliger des Insel-Königreiches unter die Herrschaft Ludwigs
von Tarent und Johannas I. von
Neapel,
und spornte Acciaiuoli an,
seinWerk zu vollenden und die gesamte Insel
der Herrschaft der Könige von Neapel und jedem Gehorsam der
römischen
Kirche zu unterstellen.
Der Tod des jungen Ludwigs
II.
von Sizilien (Trinacria) im
Oktober 1355, dem sein
unmündiger
Sohn Friedrich IV. († 1377) nachfolgte,
sowie der Tod von Ludwigs engstem
Betrater
und Haupt der "katalanischen " Partei, Blasco
d' Alagona, im selben
Jahr
verhalfen Acciaiuoli zu einem
letzten Erfolg. Im September 1356 wurde
Messina
eingenommen und die sich dort befindlichen Schwestern Friedrichs
IV., Bianca und Violante,
als Faustpfand an den neapolitanischen Hof geschickt. An Weihnachten
desselben
Jahres zogen Johanna und Ludwig
in
Messina ein.
Der Rückschlag der neapolitanischen ANJOU
im Krieg um das Insel-Königreich stand in engem Zusammenhang mit
der
Wiederannäherung der beiden Zweige
des Hauses
ARAGON. Eleonore von Sizilien
(Trinacria),
Schwester Friedrichs IV. von Sizilien
(Trinacria)
und seit 1349 Ehefrau König Peters IV.
von
Aragon, gelang die Verheiratung ihrer Tochter Konstane
mit
Friedrich
IV. (1361). Damit wurden de älteren Verhandlungen
zwischen
Johanna
und Friedrich bezüglich
dessen
Verheiratung mit Johannas Nichte
Johanna
von Durazzo und die damit einhergehenden, bedeutsameren
Verhandlungen
zu einer Beilegung des Sizilienkrieges, ausgesetzt. Die Verhandlungen
wurden
wieder aufgenommen, als die Infantin Konstanze
im Jahre 1363 zu früh verstarb, doch konnten sie Friedrichs
IV. Rückgewinnung von Messina und einiger Messina
nahegelegener
Städte nicht verhindern. Zum Verlust der eroberten Gebiete -
letztlich
blieb das Königreich Neapel nur die Insel Lipari - trugen auch der
erneute Friedensschluß der "lateinischen " und "katalanischen"
Partei
und ihrer beiden führenden Familien, Chiaramonte und Ventimiglia
und
deren Unterwerfung unter die Herrschaft Friedrichs
IV., sowie der unerwartete Tod Ludwigs
von Tarent am 24.5.1362 bei.
Während man mit der Einnahme und mit der
erfolglosen
Verteidigung des Insel-Königreichs beschäftigt war, wurden
das
neapolitanische Königreich und zeitwiese auch die
französischen
Stammlande in ihrem territorialen und infrastrukturellan Bestand durch
Söldnerheere, Revolten, Aufstände des Fürsten von Tarent
und des Herzogs von Durazzo sowie
durch die nicht einlösbaren
Verpflichtungen
gegenüber der Kirche bedroht. Daß ein planmäßiges
Konzept zum Sizilienkrieg und zur gleichzeitigen Bewältigung der
kontinentalen
Probleme von Anfang an gefehlt hatte, zeigte sich besonders darin,
daß
Papst Innozenz VI. († 1362) bereits im
ersten Kriegsjahr Ludwig
von Tarent aufforderte, den begonnen Krieg zügig zu
Ende
zu führen, um sodann in das von Übergriffen bedrohte
Kalabrien
zurückzukehren und es militärisch zu sichern.
Gegen den in den schriftlichen Quellen "Landau"
genannten
Söldnerführer rief Acciaiuoli
die Stadtstaaten der Toskana
und
Kaiser
KARL IV. († 1378)
zu
Hilfe,
die beide wenig Interesse zeigten. Erst einen gemeinsamen Bündnis
von Neapel, Florenz und den norditaliensichen VISCONTI - Neapel
vermochte
nur 300 Mann zur Verfügung zu stellen - gelang es, "Landau" und
seine
2.500 Männer zum Abzug zu zwingen. Weniger leicht faßbar war
die Vielzahl kleinerer im Reich zerstreuter Söldnertruppen. Sie
stellten
die öffentliche Sicherheit in Frage, der Handel lag am Boden. Am
16.5.1358
trafen sich die Wächter der Plätze Neapels und
überreichten
der Königin die stattliche Summe von 25.000 Goldflorin pro
expulsione
emulorum qui tunc Regnum nostrum invaserunt. Im Laufe des Jahres
1363
wurde der in Mittel-Italien erfolgreiche Condottiere Galeazzo Malatesta
di Rimini zu Hilfe gerufen. Mit Sorge berichtete der Bischof von
Neapel,
daß Johanna diesen Mann auch
noch zum Leiter einer Gerichtsreform im Regno ernannt habe. Doch das
Problem
löste sich von selbst: Galeazzo
Malatesta war mit seinem Sold
nicht
einverstanden und trat zurück.
Hatte sich der Widerstand der königlichen
Verwandten
bisher auf hofinterne Machenschaften begrenzt, so übten sie jetzt
offene Rebellion. Als sich Ludwig und
Robert
von Durazzo auf die Stammlande der Durazzo, den
Gargano
mit dem Monte Sant' Angelo, zurückgezogen um von dort aus
Raubzüge
zu unternehmen, unterstützte Ludwig von
Tarent
die Ausdehnung der Pippino in Apulien gegen die Durazzo,
1355 griff
Robert von Durazzo das als
sicher geltende Chataux des Baux in der Provence an, dessenmEntsetzung
von Papst Innozenz IV.
unterstützt wurde. Robert
flüchtetete an den französischen Königshof und starb ein
Jahr später in der Schlacht bei Poitiers. Ludwig
von Durazzo machte sich zum Haupt des ungarischen
Söldnerheeres
und vereinigte sich zeitweise mit der "Grande Compania" des "Landau".
Im
Jahre 1362 wurde
Ludwig von Durazzo
im Castel dell' Ovo gefangengesetzt, wo er wenige Wochen nach Ludwigs
von Tarent, der seine Erbfolge durch die Heirat seines
Bruders
Philipp
mit Maria von Anjou abgesichert
hatte
(1356), starb.
Neben weniger gefährlichen Revolten, wie der
Einnahme
von Pont-Saint-Esprit durch Giannino
Guiccio und deren Entsetzung durch
den Papst und Anhänger des französischen Königs sowie
der
Einnahme des Piemont durch die alten Gegner Saluzzo und Montferrat und
dessen Rückeroberung, stellte die Invasion des Arnold von Cervole,
der den Beinamen "Archipretre" trägt, eine reale
Bedrohung
für
die Provence dar. Der französische Hof begann, die Provenzalen,
die
an den Grenzen durch die Truppen des Archipretre
von ihren
Nachbarländern
abgeschnitten waren, zu versorgen. Dem Seneschall
der Provence, Foulque
d' Agout, war der im
Regno miitärisch wenig erfolgreiche Philipp
von Tarent († 1374) zur Seite gestellt worden, doch konnten
sie sich nicht durchsetzen und Hilfe aus Neapel blieb aus. Allein von
ihren
Städten Marseille, Aix und anderen ausgehenden Widerstand der
Provenzalen
gegen die Invasoren ist schließlich die Entsetzung des Feindes zu
verdanken. Als Johanna und Ludwig
von Tarent in den Kriegswirren unfähig waren, die
gewohnte
jährliche Summer für ihren pästlichen Lehnsherrn
aufzubringen,
wurden sie im Jahre 1355 exkommuniziert. Ludwigs
Bittschreiben an den apostolischen Stuhl um Aussetzung der Zahlungen
fanden
kein Gehör. Erst nachdem es Johanna
gelang, den Justitiaren der Provinzen eine angemessene Summe
abzuringen,
wurde das Interdikt Ende 1359 aufgehoben. Aus einer Urkunde
Johannas aus dem Jahre 1355 ging hervor, daß der
apostolische
Stuhl die Stadt Benevent mit ihrem gesamten Umland in Besitz nehmen
wollte.
Mit Recht verwies Johanna auf
"frühere
Urkunden" - damit wird vor allem der Vertrag vom 30.4.1265 zwischen
Karl I. von Anjou und Papst
Clemens IV. gemeint sein -
wonach
zwar die obengenannte Stadt Territorium des Kirchenstaates, das Umland
aber Besitz des Königreiches ist. Ebenfalls im Jahre 1359 ging
Neapel
nochmals ein Bündnis mit Florenz ein, dem sich aufgrund des
bevorstehenden
Romzuges Kaiser
KARLS IV. Bernabo
Visconti
anschloß. Erfolgreich war dieser Block jedenfalls in der
Vertreibung
des obengenannten Söldnerführers "Landau", doch wiedersparch
er päpstlichen Maßnahmen, die sich seit dem Jahre 1354 mit
der
Reorganisation des Kirchenstaates beschäftigten: Der hierzu
beauftragte
Legat Ägidius Albornez
schloß gerade die VISCONTI gegen
deren
Vordringen in die Romagna von einem Bündnissystem
grundsätzlich
aus. Anders holte dich die Regierung Neapels bei einem Antrag König
Peters IV. von Aragon († 1387), eine Konföderation
zwischen
aragonesischer und neapolitanischer Krone zu schließen, zuerst
die
päpstliche Zustimmung ein (13.3.1359); erst danach trat Neapel dem
Bündnis bei.
Als Ludwig am
24.5.1362
im Alter von 42 Jahren starb, reiste
Acciaiuoli aus Sizilien an den
neapolitanischen
Hof. Johanna bestätigte ihn
in
seinen Ämtern und verlieh ihm zwei Jahre später umfangreiche
Besitztümer. Als Niccolo
Acciaiuoli am 8.11.1365 starb, war die
sizilianische
Frage faktisch bereits entschieden. Nach der Rückkehr aus der
Provence
war versäumt worden, einer ersten äußeren
Stabilisierung
des Reiches eine innere Reform folgen zu lassen. Ein guelfisches
Bündnis,
zuletzt personifiziert im großen Seneschall
des Reiches, Niccolo
Acciaiuoli, hatte nicht mehr existiert. Statt dessen erfolgte
eine
einseitige
Anlehnung an das avignonesische Papsttum. Durch den erfolglosen
Sizilienkrieg
war das Land soweit demontiert worden, daß im Regno und den
französischen
Stammlanden offene Anarchie herrschte.
Nach dem Tode Acciaiuolis
versuchte Johanna
erneut, die Regierungsgeschäfte in die eigene Hand zu nehmen, doch
aufgrund der unzureichenden Quellenlage lassen sich fortlaufende
Regierungshandlungen
nicht rekonstruieren. Nach einer Urkunde vom 9.7.1365 unterstellte
Johanna erneut die politische Gewalt in den Provinzen
entsprechend
dem bewährten angiovinischen Verwaltungsaufbau
den Justitiaren. Auch in Aufbau und Organisation der Hofämter, an
deren Spitze der große Seneschall und der Kämmerer standen,
setzte Johanna eine seit Karl
II. von Anjou bestehende Institution fort. Dabei
modofizierte
Johanna
geringfügig,
wenn sie die Anzahl der Hofbeamten erweiterte und die meisten
Ämter
mit Italienern und nur wenigen Provenzalen besetzte. Niccolo Spinelli
(† 1396)
wurde 1367 als Nachfolger des Acciaiuoli
der mächtigste Mann
nach der Königin im Regno, und 1370, auf Betreiben Papst Urbans
V.,
Seneschall der Provence. Wie
aus Rechnungsbüchern hervorgeht,
verteilte
Johanna großzügig Almosen an bedürftige
Familiare,
Kleriker, Bettler und unterstützte unter anderem Hospital- und
Kirchenbau.
Nach dem Tode der Herzöge von Durazzo blieb als
einziger männlicher Nachfolger der
1354 geborene Karl
von Durazzo († 1386), Sohn Ludwigs
von Durazzo und der Margherita
Sanseverio,
zurück. Am 18.8.1364 erwirkte Johanna von
Urban V. († 1362)
den Schutz (protectio) sowohl
für das Kind als
auch
für dessen bedeutendes Erbe. Als die ebenfalls in Apulien
beheimateten
Sanseverino die Güter des Karl
von
Durazzo
besetzten,
kam es zwischen Johanna und diesen
zu jahrelangen kämpferischen Auseinandersetzungen.
Philipp von Tarent,
der zu Lebzeiten seines Bruders Ludwig von
Tarent
zu
hohen Ämern gekommen war, geriet nach dem Tode seiner Frau Maria
von Anjou (1366) in Konfrontation mit Johanna.
In zwei Urkunden vom 30.5.1368 ermahnte ihn Urban V., ohne Zustimmung Johannas
keine Handelsgüter aus dem Königreich zu bringen, und zudem
sollten
er und Francesco de Balzo, Herzog von Andria, davon ablassen,
weitere
Söldnerheere
um sich zu scharen. Vielmehr sollten sie ihre Kräfte mit der
Kirche
vereinen und den Söldnerheeren gemeinsam entgegentreten. Nach dem
Tode Philipps von Tarent im Jahre
1374
ließ Johanna die
weitreichenden
Güter einziehen. Doch auch Francesco
del Balzo, der rmit Philipps
Schwester, Margherita von Tarent,
verheiratet
war, machte Erbansprüche geltend. Nach kämpferischen
Auseinandersetzungen,
aus denen Johanna erfolgreich
hervorging,
flüchtete Francesco mit seinem Sohn Jacopo nach Avignon,
von wo er
im Jahre 1379, um seine Ansprüche erneut geltend zu machen,
zurückkehrte.
Johannas Bemühen,
dem Sizilienkrieg durch einen Friedensschluß mit Friedrich
IV. von Sizilien (Trinacria) ein
Ende zu bereiten,
währte
mit ihren Initiativen zu einer Heirat zwischen den neapolitanischen
ANJOU
und den sizilischen ARAGONESEN bereits
seit 1360. Wie ernst Johannas
Absichten
waren, und mit welchen Mitteln sie diese betrieb, machen acht Urkunden
Papst Urbans V. aus den Jahren 1363 und 1364 deutlich. Darin
fordert
der
Papst Johanna unter Androhung der
Exkommunikation
auf, die von ihr gefangengehaltene und unter Druck gesetzte
Johanna
von Durazzo herauszugeben, auf daß sich diese freien
Willens
für einen der beiden Ehekandidaten entscheiden könne.
Entsprechend
der Ansicht kurialer Kreise sollte
Johanna von
Durazzo mit Aymon de Geneve,
Neffe des künftigen
Gegen-Papstes
Clemens VII., verheiratet werden, während Johanna
auf
eine Heirat mit Friedrich IV. (gewaltsam)
drängte. Zum Friedensvertrag von Aversa kam es erst am 31.3.1373.
Während der Vertrag von Caltabellotta ein "Provisorium"
darstellte,
da er Friedrich III. die Insel nur
bis zu seinem Tode beließ, zog der Vertrag von Aversa die
Konsequenzen
aus der politischen Realität und erkannte das aragonessiche
Teilungskonzept
de jure an. Um dies zu erreichen, unerstellte sich Friedrich
IV. im Unterschied zur Festschreibung im Vertrag von
Caltabellotta
nicht nur der Oberlehnsherrschaft des Papstes, sondern auch der
Oberlehnsherrschaft
des regnum Sicilie mit Sitz in Neapel. Hatte der Frieden von
Caltabellotta
Karl
II. von Anjou bestimmen lassen, ob Friedrich
III. von Aragon den Titel eines rex Trinacrie oder rex
insule Sicilie führen sollte, sah der Vertrag von Aversa
für
Friedrich
IV. und seine Nachfolger den Titel eines Königs von
Trinacria
vor. Im selben Jahr noch heirateten
Friedrich
IV. und Antonia de Balzo,
Tochter des Francesco del Balzo und
der Margherita
von Tarent.
Politisch unbedeutend waren die beiden letzten
Ehemänner
Johanans.
Das war ein für ihre Wahl entscheidendes Kriterium. Das zweite
Kriterium
für ihre Wahl bestand darin, daß der Kandidat alle
Voraussetzungen
besitzen mußte, um gesunde Kinder zu zeugen, das heißt er
durfte
nicht blutsverwandt sein. Beim Tode Ludwigs
von
Tarent war Johanna 36
Jahre
alt und ohne überlebende Nachkommen. Ihre drei Kinder aus erster
und
zweiter Ehe waren im Kleinkindalter gestorben. Jakob
von Mallorca († 1375) erfüllte beide Voraussetzungen.
Am
7.11.1362 erließ Urban V. den
Matrimonialdispens, am 14.12. wurde
die Ehe geschlossen. Jakob war der
Sohn
und präsumptive Nachfolger König
Jakobs
III. von Mallorca († 1349), der sich 1344 König
Peter IV. von Aragon endgültig hatte ergeben
müssen
und sein Königreich an diesen verloren hatte. Der gleichnamige
Sohn
war seit dem Fall Mallorcas bis zu seiner Flucht, die ihm wenige Monate
vor seiner Eheschließung gelungen war, in einem eisernen
Käfig
in Barcelona gefangengehalten worden. Die psychischen Schädigungen
und Probleme seiner Gefangenschaft kamen bereits in den ersten
Ehejahren
zur Auswirkung und führten zur Trennung. Johanna
hatte
ihrem Mann den Titel eines Herzogs von Kalabrien verliehen, nicht aber
den Titel eines rex Sicilie oder damit verbundene
Herrschaftsrechte.
Nach Jakobs Tod im Jahre 1375
konnte
für Johanna, die nun 49 Jahre
alt war, das Problem der Nachkommenschaft nicht mehr im Vordergrund
stehen.
Sie erwählte sich "mit Rücksicht auf die Wirren und Unruhen
innerhalb
ihres Königreichs zum neuen Gemahl einen tapferen und
kriegserfahrenen
deutschen Söldnerhauptmann aus
ebenbürtigem fürstlichen
Geschlecht, den Herzog Otto von Braunschweig, einen
jüngeren
Sohn des Herzogs Heinrich II.
von Braunschweig-Grubenhagen. Die
wesentlich
von Gregor IX. († 1378) initiierte Ehe
wurde am 28.12.1375 durch
Prokuration
geschlossen.
Bis Ende der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts hatte
Johanna zwei wichtige Ziele erreicht:
Die Durchsetzung und
Beibehaltung
ihrer persönlichen Herrschaft sowie eine zunehmende Befriedung des
Königreiches. Doch ihr ungelöstes Problem der Thronnachfolge
sowie ihre Abhängigkeit vom Papsttum sollten ihr zum
Verhängnis
werden. Als Papst Gregor IX.
im Jahre 1377 von Avignon nach Rom
zurückgekehrt
war, unterstützte ihn die neapolitanische Regierung finanziell und
militärisch - auch gegen den ehemaligen Bündnispartner
Florenz.
Als Gregor IX. am 27.3.1378
starb, kam es am 8.4. und 20.9.1378 zu
eienr
zweifachen Papstwahl. Aus der ersten ging Bartolomeo Prignano,
Erzbischof
von Bari, der den Namen Urban
VI. († 1389)
annahm, und aus der zweiten
Kardinal Robert de Geneve,
der den Namen Clemens VII. († 1394) annahm,
als Päpste hervor. Mit dem erstgewählten Urban VI. - durch
seine
Herkunft Johannas Untergebener im
Königreich
- verband Johanna große
Hoffnungen
und unterstützte ihn maßgeblich. Doch kam es zwischen beiden
zur Entzweiung: Am 21.4.1380 erklärte der Papst
Johanna als Schismatikerin,
Häretikerin,
Majestätsverbrecherin
und entzog ihr alle Herrschaftsrechte. Am 11.5.
erklärte er
Johanna für abgesetzt.
Zweifelsohne hatte sich
Johanna zuvor dem Gegen-Papst
Clemens VII. angenähert.
Diese für Johanna und das
Königreich
ebenso folgenreiche wie fatale Entscheidung hat bereits viele
Erklärungsversuche
erfahren. Bestimmend für Johannas
Handeln war weniger eine gegen Urban
VI. gelenkte Politik ihres den
französischen
Päpsten und Avignon verpflichteten Seneschalls Niccolo Spinelli
gewesen,
als vielmehr ein kirchenrechtlicher Standpunkt.
Weitaus schlimmer als Johannas
Absetzung wog jedoch, daß Urban
VI. wenige Monate später Karl
von Durazzo die Krone des Königreiches anbot, der sie
annahm
(Krönung am 1.6.1381). Johanna
hatte Karl von Durazzo, der
für
sie ein Gegengewicht zu der immer noch mächtigen Linie der
Fürsten
von Tarent darstellte, am Hofe Neapels unter ihrem besonderen
Schutz
erziehen lassen. Nach dem Tode von Karls Vater
holte Ludwig von Ungarn, der zu
dieser
Zeit noch ohne Nachkommen war, den jungen Karl
an seinen Hof. Durch die Heirat mit
seiner Cousine Margherita
von Durazzo (1370), einer
Tochter von Johannas
Schwester
Maria,
sowie durch den Tod des letzten männlichen Mitgliedes der Tarent-Linie
(1374)
steigerten sich
Karls Ansprüche
auf eine Vereinigung der ungarischen mit der neapolitanischen Krone.
Seine
Chancen verringerten sich, als Ludwig von
Ungarn
Vater dreier Töchter wurde und Johanna Otto
von Braunschweig heiratete. Das Anerbieten Urbans VI. mochte er wie
eine Gutmachung an seiner Familie und als Erfüllung seiner
frühen
Erziehung empfunden haben. Noch bevor Karl
von
Durazzo nach Rom zog, adoptierte
Johanna
in ihrer Urkunde vom 29.6.1380 Ludwig, Herzog
von Anjou († 1384), Bruder König
Karls V. von Frankreich, und erklärte ihn zu
ihrem
Universalerben.
In diesem Vertrag, der zugleich die vorausgegangene Zustimmung des
Lehnsherrn
Papst Clemens VII. wiedergab,
wurde nicht mehr zwischen einer
Erbfolgeregelung
nach Verwandtschaftsgraden oder zwischen einem männlichen bzw.
weiblichen
Erbfolgeberechtigten unterschieden. Erbberechtigt waren nun alle
Abkämmlingenm
von Karl I. von Anjou: Quod
nullus
in dicto Regno succedere possit, nis sit de descendentibus a
dictodomino
Carolo
[I.].
Somit lebten Name und Herrschaftsanspruch der
Dynastie
in der französischen "jüngeren Linie ANJOU"
fort.
Am 24.6.1381 besiegte Karl
von
Durazzo das Heer Ottos von Braunschweig bei Anagni
und
zog am 16.7. in Neapel ein. Im September wurde
Johanna im Castel dell' Ovo gefangengesetzt
und am 7.7.1382
in Muro Lucano in Apulien ermordet.
Ludwig
von
Anjou, in die französischen Thronkämpfe seit dem
Tode
seines Bruders Karl V. († 1380) verwickelt,
erreichte Nord-Italien erst im Frühjahr 1384 und starb, ohne
Neapel
jemals
erreicht zu haben. Seine Nachfolge in Anjou nd Provence trat sein Sohn
als Ludwig II. von Anjou († 1447) an.
Karl
von Durazzo überwarf sich mit Urban VI. und wurde im
September
1385 gebannt und abgesetzt. Im Dezember 1385 wurde er in Buda zum
König
von Ungarn gekrönt, starb aber schon im darauffolgenden Februar
eines
gewaltsamen Todes. Ihm folgte sein
Sohn Ladislaus
von Durazzo († 1414) auf den neapolitanischen Thron, diesem seine Schwester Johanna
II. († 1435).
Die direkte Linie Karls I. von Anjou war
mit der Ermordung Johannas I. im
Königreich
Sizilien erloschen, mit Johanna II. starb
im Jahre 1435 die Linie Anjou-Durazzo aus.
Die Möglichkeiten und Grenzen der Herrschaft Johannas
I. von Anjou im Königreich Sizilien können wie
folgt
zusammengefaßt werden: Von ihrem Großvater war mit dem
Thron
eine problematisches Erbe auf Johanna
gekommen:
Erstens:
Im Spannungsfeld von geistlicher und
weltlicher Gewalt, Papsttum und Kaisertum, standen die frühen ANJOU
in Italien in einem weitreichenden Bündnissystem von
französischem
Königshaus, römischer Kirche, und freien Kommunen. Mit
päpstlicher
Unterstützung im gemeinsamen Block italienischer Kommunen
vermochte
König
Robert sein Reich zwar vor bedrohlichen Invasionen
deutscher
Herrscher zu schützen, versäumte es aber in seinen letzten
Regierungsjahren,
sein Reich den neuen Gegebenheiten innerhalb der sich wandelnden
politischen
Kräfteverhältnisse anzupaassen.
Zweitens:
König
Roberts Testament sicherte die Erbfolge der eigenen Linie,
während
die Erbansprüche der ungarischen ANJOU übergangen
wurden. Dennoch wurden die Ungarn an den neapolitanischen Hof gehlt, wo
sie in Johannas ersten
Regierungsjahren
im Kampf um die Macht mit der Linie Anjou-Tarent und Anjou-Durazzo
in Konflikt gerieten. Da auch die päpstlichen Ansprüche wenig
zur Sicherung von Johannas
Regierung
hatten beitragen können, kam es im Jahre 1348 zur Invasion
König Ludwigs von Ungarn.
Den politischen
Erfordernissen
nicht gewachsen, verlor Johannas de
facto ihre Herrschaftsrechte an ihren zweiten Ehemann Ludwig
von Tarent und dessen Berater, den Florentiner Niccolo
Acciuoli.
An alten Strukturen festhaltend, allein im Bündnis mit dem
Papsttum,
kämpften diese erfolglos um die Rückeroberung der Insel
Sizilien,
während im Reich Anrachie (Söldnerheere, Revolten der Durazzo,
Aufstände der Barone) herrschte.
Noch in den letzten Lebensjahren Ludwigs
von Tarent bemühte sich Johanna
um Friedensverhandlungen mit Friedrich IV.
von
Sizilien, die erst im Jahre 1373 mit der Festschreibung der
Beschlüsse von Caltabellotta ihren Abschluß fanden. Bis auf
die
ungelöste Erbfolge gelang es Johanna weitgehend,
das Land zu befrieden. Ihre enge Verbindung zum avignonesischen
Papsttum
machte ihre Haltung zu Beginn des Großen Abendländischen
Schismas
verständlich, was schließlich ihre Absetzung und
Exkommunikation
zur Folge hatte. Zu spät schaffte Johanna
klare Verhältnisse und adoptierte Ludwig
von Anjou, der auch nach ihrer Ermordung niemals Neapel
erreichte.