Im Jahre 996 hielt Kaiser
OTTO III. um die Hand von Eudokia,
Zoe
oder
Theodora
an, Basileios'
drei Nichten
und Töchtern seines Bruders Konstantin,
welche war ihm scheinbar gleichgültig.
Im Jahre 1001 schickte Kaiser
OTTO III. eine zweite Gesandtschaft, die von Erzbischof Arnulf
von Mailand angeführt wurde. Es heißt, Eudokia,
die älteste der drei Nichten, sei von Pockennarben entstellt
und ohnehin der Absicht gewesen, das Leben im Kloster zu verbringen; auch
die jüngste,
Theodora,
soll ihrer Erscheinung und ihres Auftretens wegen nicht in Frage gekommen
sein. Zoe aber, die mittlere, eignete
sich offenbar in jeder Beziehung für die Verbindung. Der Erzbischof
war höchlich angetan von ihr und zweifelte nicht daran, dass sein
Gebieter sie mit ebenso großer Begeisterung aufnehmen würde.
Zoe
scheint sich über ihre Wünsche im klaren gewesen zu sein und
nichts von dem Widerwillen empfunden zu haben, der die Abreise ihrer
Tante
Anna nach Kiew rund zwölf
Jahre zuvor gekennzeichnet hatte. Im Januar des Jahres 1002 segelte sie
ein Begleitung von Erzbischof Arnulf und seinen Leuten sowie dem
einer Porphyrogennita und Kaiserin angemessenen Gefolge ihrer
neuen Heimat zu. Doch es sollte ganz anders kommen. Als ihr Schiff in Bari
eintraf, erwarteten sie traurige Nachrichten. Ihren Verlobten hatte ein
plötzliches Fieber befallen, und er war am 24. Januar 1002 in der
Burg von Paterno nahe Rom im Alter von 22 Jahren gestorben. Mit diesem
Tod verpaßte Zoe viel mehr als
einen zukünftigen Ehemann, ja noch mehr als die Kaiserkrone des Westens.
Ein Sohn von ihr hätte zur gegebenen Zeit nicht nur das Westreich
erben können, sondern in Ermangelung eines anderen männlichen
Erben, auch das des Ostens, so dass die beiden Reiche zum ersten Mal vereint
gewesen wären, und als Herrscher ein Gebiet kontrolliert, das sich
von der Grenze Frankreichs bis nach Persien erstreckte. So läßt
sich ein ganz anderer Verlauf der Weltgeschichte denken. Von dem großen
Traum wie auch von Erzbischof Arnulf Abschied nehmend, machte sich
Zoe auf demselben Schiff wieder auf,
auf dem sie hergekommen war.
Seit dem Tode ihres Bräutigams OTTO
III. führte sie ein zurückgezogenes Leben in den Frauengemächern
des kaiserlichen Palastes in Gesellschaft ihrer jüngeren Schwester
Theodora.
Diese war weit intelligenter, aber weniger attraktiv, und
Zoe verstand sich mit ihr offenbar überhaupt nicht. Obwohl
erst Mitte vierzig, zeigte Theodora
bereits altjüngferliche Züge. Zoe
dagegen, die auf die fünfzig zuging und wohl keine Kinder mehr bekommen
konnte, malte sich noch immer aus, was sie durch die Ehe, die ihr vergönnt
gewesen war, alles hatte erreichen können und sehnte sich nach Befreiung
aus ihrem goldenen Käfig im Palast. Sie wußte jedoch - und das
gereichte ihr zum Trost -, dass diese Befreiung früher oder später
erfolgen mußte, war sie doch Erbin ihres Vaters, so dass das
kaiserliche Diadem, wenn auch nicht an sie, so zumindest über sie
auf einen Ehemann übergehen würde. In der heißen Diskussion
am Lager des sterbenden Kaisers tauchte zunächst der Name des Patrikios
Konstantin Dalassenos auf, der aber von der Beamtenschaft durch einen
eigenen Kandidaten ersetzt wurde: den etwas über 60-jährigen
Senator
Romanos Argyros. Romanos
entstammte
einer alten Adelsfamilie Konstantinopels und war mit Kaiser
Konstantin VIII. entfernt verwandt. Man brachte sie vor den
Kaiser und stellte sie schlicht vor die Wahl: entweder sie ließen
sich augenblicklich scheiden, so dass Romanos
Zoe heiraten konnte - in diesem Falle sollte er Cäsar und
später Basileus werden -, oder er mußte sein Augenlicht drangeben.
Romanos
Argyros hing offenbar wirklich an seiner Frau; jedenfalls war
er wie gelähmt; sie jedoch zögerte keinen Augenblick, sondern
soll sich unter Tränen das Haar geschoren und sich bereit erklärt
haben, um seinetwillen ins Kloster einzutreten, was denn auch sogleich
geschah. Schon am nächsten Tag, dem 10. November, wurde Romanos,
wenn auch nur widerstrebend, in der Pfalzkapelle des Palastes mit Zoe
verheiratet [3 Laut Zonares soll Konstantin
ursprünglich beabsichtigt haben, Argyros
seiner jüngeren Tochter Theodora
anzutrauen, da sie intelligenter war und als jüngere Frau noch einen
Sohn zur Welt bringen konnte. Diese habe sich aufgrund der Blutsverwandtschaft
jedoch kategorisch geweigert. Zoe scheint
dagegen positiv reagiert zu haben.]. Am 11. November stand er am Bett seines
Schwiegervaters, als dieser sein Leben aushauchte, und am 12. November
wurde er als Romanos III. neben der
strahlenden Zoe
auf den Kaiserthron
gesetzt.
Wie aber stand es unterdessen um
Kaiserin Zoe,
ohne die ihr Mann niemals an die Macht gekommen wäre, um das Geld
auf diese Weise zu verschwenden? Sie war, wie fast das ganze Leben, noch
immer alles andere als am Ziel ihrer Wünsche und zudem wie die Bevölkerung
von Konstantinopel, nur aus anderem Grund, ebenfalls erbost über ihren
Mann. Ihr Zorn rührte daher, dass er seit dem Tag, an dem er die Hoffnung
auf Nachkommenschaft aufgegeben hatte, ihr Bett verschmäht und eine
Mätresse genommen hatte. Es heißt, er habe einen solchen Widerwillen
gegen sie verspürt, dass er sich kaum im selben Raum wie sie aufhalten
mochte. Ihre eigentliche Wut aber wurde durch die Tatsache genährt,
dass er ihr den Zugang zum Staatsschatz verwehrte und lediglich eine mickrige
jährliche Rente zugestand, die zu überziehen ihr sogar formell
untersagt war. Zu Romanos'
Pech war
Zoe eine sehr stolze und temperamentvolle Frau. Sie hatte
sich außerdem fast fünfzig Jahre lang, im kaiserlichen Haushalt
lebend, mit ihres Vaters Einverständnis alle Wünsche erfüllen
können, ohne dass ihr etwas abgeschlagen worden wäre. Zuerst
bekam ihre Schwester Theodora
die Auswirkungen zu spüren; sie konzentrierte sich mittlerweile ausschließlich
auf religiöse Dinge und verließ die Frauengemächer kaum
jemals. Zoe ließ sie 1031 in
ein Kloster einweisen, um, so vernehemen wir leicht verblüfft, "ihren
ständigen Intrigen und ihrem skandalösen Leben ein Ende zu setzen".
Bald jedoch schritt sie zu direkten Taten.
Im Jahre 1033 nahm Johannes Orphanotrophos eines
Tages seinen jüngsten Bruder Michael,
einen ungewöhnlich hübschen jungen Mann, mit in den Palast, um
ihn anläßlich einer offiziellen Audienz bei Romanos
und Zoe einzuführen. Romanos
nahm kaum Notitz von ihm, Zoe dagegen
erfaßte wie angerührt das heftigste Begehren nach ihm.
Von diesem Zeitpunkt an empfing sie den jungen Paphlagonier
regelmäßig in ihren Privatgemächern und verführte
ihn, nachdem er seine Schüchternheit und andere Hemmnisse überwunden
hatte. In sexueller Hinsicht war Michael offenbar
nicht gerade einer der eifrigsten, dafür fühlte er sich als Konkubine
einer Kaiserin natürlich sehr geschmeichelt. Aber er hielt sich an
die genauen Instruktionen seines Bruders, und seine eigenen, nun erwachenden
Ambitionen besorgten den Rest, vor allem als Zoe
von
ihrer neuen Eroberung in aller Öffentlichkeit zu schwärmen anfing
und ihre Absicht, ihn zum Kaiser zu machen, offen bekundete. Nach allem,
was uns überliefert ist, scheint Romanos
lange
Zeit nichts von diesen Vorgängen geahnt zu haben. Statt Michael
zu mißtrauen, ernannte er ihn vielmehr zum persönlichen Diener
und ließ sich von ihm regelmäßig Beine und Füße
massieren (da seine Gesundheit sich zusehends verschlechterte und das Gehen
ihm immer schwerer fiel). Für seine Umgebung sah es aus, als verschlösse
er bewußt die Augen vor der allmählich eklatante Formen annehmende
Untreue seiner Frau. Schließlich wollte seine Schwester Pulcheria
den Tratsch nicht länger ertragen und setzte ihn wortreich über
das, was vorging, in Kenntnis; zudem warnte sie ihn vor einem möglichen
Anschlag auf sein Leben. Erst da ließ er Michael
kommen
und auf mehrere Reliquien schwören, dass an dem, was ihm zu Ohren
gekommen, nichts Wahres sei. Als jener keinen Augenblick zögerte,
schien er völlig beruhigt.
Am Hof glaubten viele, er stelle sich nur dumm und sei
sich ganz klar über die sexuelle Vitalität seiner Frau
und darum gerade zu froh, dass ihr Appetit auf
Michael sie vor schlimmeren Übeln bewahre. Andere behaupteten,
Romanos
habe, da die Epilepsie des jungen Mannes kein Geheimnis war, die Gerüchte
für baren Unsinn erklärt. Mit der Zeit trat die Frage jedoch
in den Hintergrund, denn niemand blieb verborgen, dass Romanos
nun schwer krank war. Zwar nahm er noch an Umzügen teil, doch (nach
Psellos) sah er aus wie ein wandelnder Leichnam: das Gesicht aufgedunsen,
der Atem kurz und schnell, und alle paar Schritte benötigte er eine
Ruhepause. Er brachte kaum einen Bissen mehr hinunter und konnte nicht
schlafen. Auch im Wesen veränderte er sich. Der früher freundliche,
zugängliche Mann, den man leicht zum Lachen brachte, verwandelte sich
in einen reizbaren und mürrischen Kranken, der sich nur ungern stören
ließ und bei der geringsten Provokation aus der Haut fuhr.
Welche Rolle Kaiserin
Zoe beim Tode ihres Gatten Romanos
III. spielte, ist nicht völlig klar.
Kaiserin
Zoe machte keinerlei Anstalten, Zeit mit Trauer über seinen
Tod zu verplempern. Im Morgengrauen des Karfreitags, des 12. April 1034,
beorderte sie Alexios Studites, den Patriarchen von Konstantinopel,
eilig aus der Hagia Sophia in den Palast, wo er als erstes den fast gänzlich
nackten Körper des toten Kaisers zu Gesicht bekam. Kaum hatte er sich
von dem Schock erholt, öffneten sich schon die beiden großen
Türflügel und gaben den Blick auf das Chrystotriklinion, die
große Krönungshalle, frei, wo Kaiserin
Zoe in vollem Ornat thronte. Sie trug auf dem Haupt das kaiserliche
Diadem, in der Hand das Szepter und um die Schultern den golddurchwirkten,
schwer mit Juwelen behangenen Brokatmantel des Kaisers. Zu Alexios'
unverhohlenem Entsetzen saß ihr zur Seite, auf gleiche Weise gekleidet
und gekrönt, der junge
Michael.
Zoe
gab ihre Anordnungen mit bestimmter, fester Stimme. Alexios verstand
ihre Befehle nur zu gut und wagte nicht, sich ihnen zu widersetzen. Zur
selben Stunde legte er deshalb die Hand der 56-jährigen Kaiserin,
die erst seit wenigen Stunden verwitwet, und die ihres Mordkomplizen und
Geliebten, eines epileptischen, fast 40 Jahre jüngeren Falschmünzers
aus Paphlagonien, ineinander; er weihte ihn zum Basileus und rief den Segen
Gottes auf beide herab.
Sollte Zoe gehofft
haben, ihr zweiten Ehemann werde kaum mehr ein als ein gekrönter Sklave,
der ihr jede Laune nachsehe und all ihren Befehle gehorche, wurde sie schon
bald enttäuscht. Ein paar Monate hielt die angenehme Situation zwar
vor. Doch bereits lange bevor das schicksalhafte Jahr 1034 zu Ende ging,
zeigte Michael erste Anzeichen von
Ungeduld. Ob er Zoe jemals geliebt
und respektiert hat oder nicht, gelangte er nun zur Ansicht, er könne
das Reich weit besser regieren als sie. Vermutlich auf Intrigen von Michaels
Bruder
Orphanotophos hin wurde Zoe unter
ständiger Aufsicht in den Frauengemächern eingesperrt; ohne Erlaubnis
durfte sie nicht einmal Besuch von befreundeten Personen empfangen; ihre
Macht und ihre Freiheiten sowie die Verfügung über ihre finanziellen
Mittel wurden noch stärker beschnitten als zu
Romanos' Zeiten.
Doch Orphanotrophos hatte seine Entscheidung getroffen;
Michael
IV. zu überreden fiel ihm nicht schwer; Zoe
war
nicht in der Lage, sich zu widersetzen. So wurde schon bald anläßlich
eines Hochamts in der Blachernenkirche die Thronfolge seines Neffen
Michael feierlich bestätigt. Die gealterte Kaiserin,
die neben ihrem kranken jungen Mann auf dem Thron saß, adoptierte
Michael Kalaphates in aller Form als ihren
Sohn, indem sie ihn als Symbol dafür, aber auch in einer irgendwie
lächerlich wirkenden Geste auf den Schoß nahm. Der Kaiser rief
ihn dann mit schwacher Stimme zum Cäsar aus, woraufhin der
junge Mann, von dem die zahlreich Versammelten großenteils noch nie
etwas gehört hatten und den sie bei der Gelegenheit zum ersten Mal
sahen, zur altehrwürdigen Weihezeremonie schritt.
Zoe hatte von seiten
ihrer beiden Ehemänner schon reichlich viel erdulden müssen.
Aber das war nichts, verglichen mit dem, was ihr Adoptivsohn ihr nun antat.
Zum dritten Mal wurde sie in den Frauengemächern eingesperrt, ihr
der Zugriff auf den Reichsschatz versagt, der rechtmäßig ihr
gehörte, und nur gerade ein Minimum an Taschengeld zugebilligt. In
der Vergangenheit hatte man ihr außerdem nach außen hin immer
noch den ihrem Rang gemäßen Respekt gezollt. Diesmal machte
man nicht einmal mehr den Versuch, zu verheimlichen, dass sie praktisch
gefangengehalten wurde. Selbst das ohnehin seltene Auftreten in der Öffentlichkeit
- in der Regel an hohen kirchlichen Feiertagen - war ihr nun untersagt.
Man entzog ihr ihre Hofdamen und Zofen und überließ sie statt
dessen der Obhut ungebildeter, grober Wärter, die
Michael selbst aussuchte.
Aber auch damit gab er sich noch nicht zufrieden. Am
Sonntag nach Ostern, dem 18. April 1042, stürmten Soldaten in ihre
Gemächer und nahmen die glücklose Zoe
unter dem Vorwurf versuchten Königsmordes fest. Das anschließende
Tribunat, bei dem etliche falsche, bestochene Zeugen aussagten und die
Kaiserin sich nicht ein mal verteidigen durfte, war eine der schändlichsten
Farcen. Man schnitt ihr das Haar ab und brachte es, wie befohlen, direkt
zu Michael. Dann wurde sie eilig zu
einem schon wartenden Schiff gebracht und noch am selben Abend in einen
Konvent auf der Insel Prinkipo im Marmarameer geschafft.
Während des Aufstandes fanden sie Michael
V., allein, von seiner Garde verlassen, in einer Ecke kauernd.
Sie erkannten, dass sie nur dann eine Überlebenschance hatten, wenn
sie Kaiserin Zoe
aus dem Exil zurückholten. Also sandten sie eilig ein Boot aus, sie
zu holen. Als Kaiserin
Zoe eintraf, war die Verteidigungstruppe fast am Ende. Sie befand
sich indes in einem ähnlichen Zustand. Auch jetzt noch fürchtete
sie Michael Kalaphates und seinen Onkel,
und das mit Recht. Sie war gewiß weit davon entfernt, über ihn
und das Schicksal, das er selbst über sich gebracht hatte, zu frohlocken,
und zwar vor allem deshalb, weil es ganz so aussah, als würde sie
es mit ihm teilen müssen. Sie stimmte daher allem zu, was man von
ihr verlangte, insbesondere, sich dem Volk als die gesetzmäßige
Herrscherin zu zeigen - und noch einmal mit ihrem Adoptivsohn gemeinsame
Sache zu machen. Zofen entkleideten sie hastig ihrer rauhen, wollenen Kutte
und ersetzten sie durch ein Purpurgewand; man setzte ihr das kaiserliche
Diadem so auf, dass es, so gut es ging, die Haarstoppeln bedeckte, die
nach dem Kahlscheren nun zu sehen waren. Danach schritten Michael
und
Zoe,
mit ihren Nerven am Ende, zur Kathisma, der kaiserlichen Loge im Hippodrom,
zu der es einen direkten Zugang vom Palast aus gab. Die führenden
Aufständischen, wollten jedoch von den beiden nichts wissen. Zoe
hätten
sie wohl akzeptiert, aber die Anwesenheit von Michael
an
ihrer Seite reichte aus, um sie davon zu überzeugen, dass sie praktisch
immer noch seine Gefangene war. Aus ihrer Sicht konnte es keine Lösung
der Krise geben, solange Michael auf
dem Thron saß. Plötzlich durchzuckte die Menge ein neuer Gedanke:
Theodora.
Nunmehr fünfzehn Jahre zuvor hatte Zoe ihre
jüngere Schwester offenbar in einer ungerechtfertigten Anwandlung
von Konkurrenzneid in das Petrionkloster einweisen lassen. Theodora
war
nicht wieder aufgetaucht und inzwischen weitgehend vergessen.
Michael befand sich
jetzt in einer äußerst prekären Lage. Vier Stunden lang
hatten er und Konstantin in der Kathisma, hoch über dem wütenden
Tumult unten im Hippodrom, sich Gehör zu verschaffen versucht, wobei
sie sich hinter der bedauernswerten Zoe
verschanzten und sich im vergeblichen Versuch, die Menge davon zu überzeugen,
dass Zoe die Macht in Händen halte
und nicht sie, immer wieder vor ihr niederwerfen. Aber der Lärm schwoll
an, und als der Mob anfing, Steine zu werfen und sogar Pfeile auf sie abzuschießen,
mußten sie sich wieder in den Palast zurückziehen, wo man ihnen
bald darauf die Nachricht von Theodoras
Ankunft und Krönung hinterbrachte.
Zoe schlug sich unterdessen
allein im Palast durch, aber es dauerte nicht lange, bis die Aufständischen
sie fanden und auf den Schultern zum kaiserlichen Thron hinübertrugen.
Nach Michaels und Konstantins Flucht
hatte sie die Fassung wieder einigermaßen gewonnen. Obwohl dankbar
für diesen plötzlichen Schicksalsumschwung, geriet sie doch außer
sich, als sie von der Ankunft und anschließenden Krönung Theodoras
hörte. Sie hatte wohl fest geglaubt und gehofft, ihre Schwester nie
wiedersehen zu müssen. Zuerst wollte Zoe
sie sogleich wieder in den Konvent zurückschicken, den sie niemals
hätte verlassen sollen, und erst die Hochrufe vor der Hagia Sophia
vernahm und man ihr sagte, sie gälten ihrer Schwester, schätzte
sie die Situation allmählich richtig ein: der zurückgezogenen,
altjüngferlichen Theodora, an
die noch vor wenigen Stunden kaum jemand gedacht hatte, jubelte die Bevölkerung
plötzlich unerklärlicherweise zu wie einem langersehnten Idol.
Widerstrebend und sicherlich auch recht ungnädig ließ sich
Zoe auf die Partnerschaft ein, kam es ihr doch immer noch gelegener,
als Mit-Kaiserin zu regieren als gar nicht.
Während Michael V.
am Dienstag, dem 20. April 1042, abends sein Schicksal ereilte, harrte
Kaiserin
Theodora noch immer in der Hagia
Sophia. Über 24 Stunden lang hielt sie sich dort auf und weigerte
sich unverwandt, den Palast zu betreten, bevor ihre Schwester sie nicht
dazu auffordere. Erst am Morgen danach aber überwand sich
Zoe und sandte ihr die langerwartete Einladung. Bei Theodoras
Eintreffen
umarmten sich die beiden vor einer großen Versammlung Adliger und
Senatoren zum Zeichen der Versöhnung, wenn auch eher kühl. Dann
richteten sie sich auf ihre geradezu unwahrscheinlich anmutende Aufgabe
ein, gemeinsam das Römische Reich zu regieren. Alle Familienmitglieder
des ehemaligen Kaisers und ein paar seiner leidenschaftlichsten Anhänger
schickten sie in die Wüste, die überwiegende Mehrzahl jener aber,
die ranghohe Positionen im zivilen oder militärischen Bereich innehatten,
bestätigten sie in ihren Ämtern. Zoe
kam als der älteren von Anfang Vorrang zu; ihr Thron stand etwas weiter
vorn als der Theodoras, die immer etwas
zurückhaltender gewesen war und mit ihrem untergeordneten Status ganz
zufrieden schien. Psellos beschreibt das kaiserliche Zweigespann sehr anschaulich
wie folgt:
Zoe besaß eine
rasche Auffassungsgabe, konnte ihre Gedanken aber weniger schnell formulieren.
Bei Theodora war es genau umgekehrt:
sie verbarg ihre innersten Gedanken; hatte sie sich aber einmal auf eine
Diskussion eingelassen, zeigte sie sich beredt und informiert. Zoe
war
eine Frau von leidenschaftlicher Anteilnahme, die dem Tod mit derselben
Intensität ins Auge sah wie dem Leben. Darin erinnerte sie mich an
die Wellen der See, die ein Schiff einmal hochheben und es dann wieder
tief hinabsenken. Solche Extreme gab es bei Theodora
nicht. Sie war ausgeglichen veranlagt, man könnte fast sagen langweilig.
Zoe war verschwenderisch, von der Art jener, die an einem
einzigen Tag ein ganzes Meer von Goldstaub ausgeben können; die andere
zählte die Münzen, wenn sie Geld ausgab, zweifellos weil ihre
beschränkten Ressourcen sie ihr Leben lang vom leichtsinnigen Ausgeben
abgehalten hatten, zum Teil jedoch auch, weil sie sich von Natur aus mehr
beherrschte...
In ihrem Äußeren unterschieden sie sich noch
weit stärker. Die ältere war nicht besonders groß,
aber deutlich mollig. Sie hatte große, weit auseinanderstehende
Augen unter eindrucksvollen Brauen. Die Nase war leicht gebogen
wie bei einem Adler, doch nicht allzusehr, das Haar noch immer goldblond,
und ihr ganzer Körper schimmerte von der hellen Haut. Es gab
in ihrer Erscheinung nur wenige Zeichen für ihr Alter...sie hatte
keine
Falten, ihre Haut war überall glatt und straff.
Theodora
dagegen
war größer und schlanker, ihr Kopf unverhältnismäßig
klein. Wie ich bereits erwähnte, sprach sie gewandter als Zoe,
und sie bewegte auch behender. Es lag nichts Strenges in ihrem Blick, im
sie wirkte fröhlich und lächelte und suchte gerne nach einer
Gelegenheit, sich zu unterhalten.
Über die Frage, wie gut die beiden Frauen das Reich
regierten, gibt es zweierlei Ansichten. Für Psellos grenzte
das Paar an eine Katastrophe. Ihm zufolge verstanden sie weder etwas von
Finanzen noch von Politik und waren schlicht unfähig, zwischen ernsthaften
Staatsgeschäften und den "höchst eitlen Zerstreuungen des Gynäceums"
zu unterscheiden; dazu habe Zoe mit
ihrer unsinnigen Freigebigkeit die Staatskasse geleert. Johannes
Skylitzes erzählt dagegen eine ganz andere Version, verweist auf
die kaiserlichen Erlasse gegen den Ämterhandel, die Verbesserungen
in der zivilen und militärischen Verwaltung und mehrere bewunderungswürdige
Ernennungen in Konstantin Kabasilas zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte
im europäischen Teil des Reichs und, was noch wichtiger war, jene
vom Georgios Maniakes zum Kapetan von Italien im Rang eines Magistros,
womit er den höchsten Adelstitel außerhalb der kaiserlichen
Familie erhielt. Zudem wurde in dieser Zeit ein Tribunal einberufen, um
den Amtsmißbrauch der vorhergehenden Regierung zu untersuchen. Man
holte den Nobilissimus Konstantin zum Verhör aus seiner
Mönchszelle, und er enthüllte schließlich die Existenz
eines geheimen Verstecks in seiner Residenz; dort fanden sich die 5.300
Pfund Gold, die in der Schatzkammer fehlten. Mit welchen Mitteln ihm dieses
Geständnis entlockt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.
Welche Version auch immer der Wahrheit entsprechen mag,
scheint doch eines zuzutreffen: dem gemeinsamen Regime fehlte es an einer
eindeutigen stabilen Richtung, ohne die das Vertrauen des Volkes nicht
zu erlangen ist. Da im Verlauf der Wochen immer deutlicher wurde, dass
die beiden Schwestern nicht am gleichen Strick zogen, sahen sich Beamte
und Senatoren unweigerlich gezwungen, Stellung zu beziehen, und die Regierung
zeigte erste Anzeichen einer potentiell gefährlichen Polarisierung.
Nach nicht allzu langer Zeit herrschte unter ihnen die einmütige Meinung,
dass sie eine feste Männerhand am Ruder brauchten, damit es weitergehen
könne. Eine solche zu etablieren, konnte jedoch nur auf eine Art geschehen:
mittels einer kaiserlichen Heirat. Theodora
weigerte sich nach über 50 Jahren Ehelosigkeit kategorisch, einen
solchen Schritt auch nur in Erwägung zu ziehen. Was dagegen Zoe
betraf, entsprach dies auch ihren Wünschen. Obwohl ihre ersten beiden
Ehen eindeutig fehlgeschlagen waren und dritte Ehen, wie wir bereits gesehen
haben, in der Ost-Kirche als ein Greuel galten, begann sie sich unverzüglich
nach einem passenden Ehemann umzusehen.
Als erstes fiel ihr Blick auf den - vor kurzem aus dem
Gefängnis entlassenen - vornehmen und stattlichen Konstantin Dalassenos,
der, wie man sich erinnert, im Jahre 1028 Wunschkandidat ihres sterbenden
Vaters war, bevor die Zivilbeamten ihn überredeten, es sich noch einmal
zu überlegen. Zur einhelligen Entrüstung aller erschien er am
Hof in Zivil und verhielt sich Kaiserin Zoe
gegenüber so kühl und überheblich, dass sie ihn umgehend
wieder wegschickte. Der nächste Anwärter war ein gewisser Konstantin
Artoklines, ein Hofbeamter (ebenfalls bemerkenswert attraktiv), der
ihr schon immer zugesagt hatte, so sehr in der Tat, dass es dreizehn Jahre
zuvor, zur Zeit ihrer Verbindung mit Romanos Argyros,
Gerüchte einer amourösen Beziehung zwischen den beiden gab. Aber
ach, er kam unter geheimnisvollen Umständen wenige Tage, bevor die
Hochzeit hätte stattfinden sollen, ums Leben. Es hieß sofort,
seine gegenwärtige Frau habe ihn vergiftet, weil sie sich zweifellos
an die Umstände erinnerte, die mit Romanos'
Heirat einhergegangen waren, und eine Wiederholung mit allen
Mitteln vermeiden wollte. Enttäuscht, aber ungebrochen wandte sich
Zoe einem dritten Konstantin
zu, Mitglied der alten, adligen Familie MONOMACHOS.
Auch er war ein außerordentlich schöner Mann - was Zoe
schon immer zu schätzen gewußt hatte -, und er stand im Ruf,
ein charmanter Herzensbrecher zu sein, außerdem elegant, kultiviert
und sehr reich. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau hatte er
Romanos Argyros' Nichte geheiratet, lange bevor jener
den Thron bestieg.
Nach sieben Jahren Exil auf Lesbos konnte er in Konstantinopel
unter dem Jubel der Menge in vollem Staat einziehen. Am 11. Juni wurden
Zoe
und er in der Kapelle der Nea getraut. Die Tatsache, dass sich der Patriarch
strikte weigerte, die - für Braut und Bräutigam dritte - Trauung
vorzunehmen, überschattete zwar die Feierlichkeiten um ein weniges,
aber zum Glück sprang einer der kaiserlichen Hofgeistlichen ein. Und
am folgenden Tag hatte der Patriarch seine Skrupel auch schon überwunden
und zelebrierte ohne Widerrede die Krönungsmesse.
Im Unterschied zu seinen Vorgängern machte er nicht
den leisesten Versuch, Zoes großzügigem
Umgang mit finanziellen Mitteln Einhalt zu gebieten, sondern gab im Gegenteil
noch mehr aus als sie. Seit Konstantin VII. Porphyrogennetos
hatte Konstantinopel keinen solchen Luxus und Pomp mehr erlebt. War es
diesem aber gelungen, das ganze aufwendige Zeremoniell bewußt als
politisches Mittel einzusetzen, um sein Ansehen zu heben, erreichte Monomachos,
der nicht vorgab, Geld für etwas anderes auszugeben als zu seinem
persönlichen Vergnügen, genau das Gegenteil.
Zoe erwies sich als
ebenso tolerant gegenüber ihrem neuen Mann. So brachte sie keine Einwände
gegen seine langfristige Beziehung mit der Nichte seiner zweiten Frau
vor. Diese, eine Dame, von außergewöhnlichem Charme und Enkelin
väterlicherseits des alten Bardas Skleros, des einstigen
Rivalen von Basileios II., hatte mit
ihrem Geliebten klaglos die siebenJahre des Exils geteilt. Als dieser zurückgerufen
wurde, blieb sie zunächst auf Lesbos: offenbar um ihn nicht zu kompromittieren
und seine Chancen auf den Thron beeinträchtigen. Da sie um die mit
dritten Ehen verbundenen Schwierigkeiten nur zu gut wußte, scheint
sie die Möglichkeit seiner Verbindung mit Zoe
gar nicht in Betracht gezogen zu haben. Die Nachricht von der
Eheschließung muß sie daher reichlich schockiert haben. Noch
größer war dagegen wohl die folgende Überraschung, kamen
doch Boten mit einem Brief von Kaiserin
Zoe nach Lesbos, in dem sie sie ihres Wohlwollens versicherte
und sie ermunterte, ebenfalls nach Konstantinopel zurückzukehren.
Dort wandelte sich ihr anfänglich bescheidenes Zuhause unter den Zuwendungen
des treusorgenden Konstantin allmählich
zur herrlichen Villa. Die Beziehung, zuerst mit der notwendigen schicklichen
Diskretion gepflegt, gelangte allmählich an die Öffentlichkeit,
und schließlich gab es ein offizielles Eingeständnis seitens
des Kaisers. Im Verlauf einer sehr eigenartigen Feier, an welcher der gesamte
Senat teilnahm, wurden Monomachos und
die Sklerina - wie man sie allgemein bezeichnete - mittels eines
Vertrags, den die Senatoren kriecherisch "Liebesbecher" nannten, offiziell
miteinander verbunden. Danach schloß sie sich Monomachos
und Zoe in einer offenbar harmonischen
Dreiergemeinschaft an.
Sklerina schmeichelte sich bei beiden Kaiserinnen
ein, indem sie ihnen das gab, was ihnen am meisten Freude machte. Zoe
schenkte
sie Gegenstände aus Gold, nicht damit sie sie behalte, sondern um
sie weiterzuschenken, was die alte Dame immer am liebsten machte. Außerdem
verschaffte sie ihr süße Kräuter und Gewürze aus Indien,
duftende Hölzer und Salben, hübsche kleine Oliven und Zweige
weißen Lorbeers, mit einem Wort: alle nötigen Zutaten für
ihre Lieblingsbeschäftigung, das Herstellen von Düften.
Theodora
dagegen gab sie alte Münzen und Medaillen, von denen diese Kaiserin
bereits eine große Sammlung in speziell angefertigten Bronzekästchen
angelegt hatte.
Zu ihrem Pech wurde das herzliche Einvernehmen beider
Kaiserinnen mit ihrer bezaubernden Gönnerin von Konstantinopels Bevölkerung
keineswegs geteilt. Schockiert und empört über die schamlose
Affäre, machten sie ihrem Unmut bald Luft. Psellos verschweigt
es zwar tunlichst, aber Skylitzes berichtet, wie am 9. März
des Jahres 1044 eine kaiserliche Prozession zu Ehren der Heiligen des Martyriums
von Buhrufen der versammelten Menge unterbrochen wurde. "Nieder mit der
Sklerina!" schrien sie. "Es leben unsere geliebten Mütter
Zoe und Theodora,
deren, Leben sie bedroht! "Für einen Augenblick sah es aus, als sei
Konstantins Leben in Gefahr. Das Volk zerstreute sich jedoch,
wenn auch erst nachdem sich Zoe und
Theodora
am Palastfenster gezeigt hatten. Die Prozession wurde abgebrochen. Von
da an wagte sich Konstantin nur noch
sehr selten allein in die Öffentlichkeit, sondern ließ sich
praktisch ausnahmslos von Kaiserin
Zoe zu seiner Rechten und seiner Geliebten Sklerina zur
Linken begleiten.
Kaiserin
Zoe war im Jahre 1050 gestorben; das genaue Datum
ist nicht bekannt.