Norwich John Julius: Band II Seite 321,336-339,343-378,381-388
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"Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches."

Im Jahre 996 hielt Kaiser OTTO III. um die Hand von Eudokia, Zoe oder Theodora an, Basileios' drei Nichten und Töchtern seines Bruders Konstantin, welche war ihm scheinbar gleichgültig.
Im Jahre 1001 schickte Kaiser OTTO III. eine zweite Gesandtschaft, die von Erzbischof Arnulf von Mailand angeführt wurde. Es heißt, Eudokia, die älteste der drei Nichten, sei von Pockennarben entstellt und ohnehin der Absicht gewesen, das Leben im Kloster zu verbringen; auch die jüngste, Theodora, soll ihrer Erscheinung und ihres Auftretens wegen nicht in Frage gekommen sein. Zoe aber, die mittlere, eignete sich offenbar in jeder Beziehung für die Verbindung. Der Erzbischof war höchlich angetan von ihr und zweifelte nicht daran, dass sein Gebieter sie mit ebenso großer Begeisterung aufnehmen würde. Zoe scheint sich über ihre Wünsche im klaren gewesen zu sein und nichts von dem Widerwillen empfunden zu haben, der die Abreise ihrer Tante Anna nach Kiew rund zwölf Jahre zuvor gekennzeichnet hatte. Im Januar des Jahres 1002 segelte sie ein Begleitung von Erzbischof Arnulf und seinen Leuten sowie dem einer Porphyrogennita und Kaiserin angemessenen Gefolge ihrer neuen Heimat zu. Doch es sollte ganz anders kommen. Als ihr Schiff in Bari eintraf, erwarteten sie traurige Nachrichten. Ihren Verlobten hatte ein plötzliches Fieber befallen, und er war am 24. Januar 1002 in der Burg von Paterno nahe Rom im Alter von 22 Jahren gestorben. Mit diesem Tod verpaßte Zoe viel mehr als einen zukünftigen Ehemann, ja noch mehr als die Kaiserkrone des Westens. Ein Sohn von ihr hätte zur gegebenen Zeit nicht nur das Westreich erben können, sondern in Ermangelung eines anderen männlichen Erben, auch das des Ostens, so dass die beiden Reiche zum ersten Mal vereint gewesen wären, und als Herrscher ein Gebiet kontrolliert, das sich von der Grenze Frankreichs bis nach Persien erstreckte. So läßt sich ein ganz anderer Verlauf der Weltgeschichte denken. Von dem großen Traum wie auch von Erzbischof Arnulf Abschied nehmend, machte sich Zoe auf demselben Schiff wieder auf, auf dem sie hergekommen war.
Seit dem Tode ihres Bräutigams OTTO III. führte sie ein zurückgezogenes Leben in den Frauengemächern des kaiserlichen Palastes in Gesellschaft ihrer jüngeren Schwester Theodora. Diese war weit intelligenter, aber weniger attraktiv, und Zoe verstand sich mit ihr offenbar überhaupt nicht. Obwohl erst Mitte vierzig, zeigte Theodora bereits altjüngferliche Züge. Zoe dagegen, die auf die fünfzig zuging und wohl keine Kinder mehr bekommen konnte, malte sich noch immer aus, was sie durch die Ehe, die ihr vergönnt gewesen war, alles hatte erreichen können und sehnte sich nach Befreiung aus ihrem goldenen Käfig im Palast. Sie wußte jedoch - und das  gereichte ihr zum Trost -, dass diese Befreiung früher oder später erfolgen mußte, war sie doch Erbin ihres Vaters, so dass das kaiserliche Diadem, wenn auch nicht an sie, so zumindest über sie auf einen Ehemann übergehen würde. In der heißen Diskussion am Lager des sterbenden Kaisers tauchte zunächst der Name des Patrikios Konstantin Dalassenos auf, der aber von der Beamtenschaft durch einen eigenen Kandidaten ersetzt wurde: den etwas über 60-jährigen Senator Romanos Argyros. Romanos entstammte einer alten Adelsfamilie Konstantinopels und war mit Kaiser Konstantin VIII. entfernt verwandt. Man brachte sie vor den Kaiser und stellte sie schlicht vor die Wahl: entweder sie ließen sich augenblicklich scheiden, so dass Romanos Zoe heiraten konnte - in diesem Falle sollte er Cäsar und später Basileus werden -, oder er mußte sein Augenlicht drangeben. Romanos Argyros hing offenbar wirklich an seiner Frau; jedenfalls war er wie gelähmt; sie jedoch zögerte keinen Augenblick, sondern soll sich unter Tränen das Haar geschoren und sich bereit erklärt haben, um seinetwillen ins Kloster einzutreten, was denn auch sogleich geschah. Schon am nächsten Tag, dem 10. November, wurde Romanos, wenn auch nur widerstrebend, in der Pfalzkapelle des Palastes mit Zoe verheiratet [3 Laut Zonares soll Konstantin ursprünglich beabsichtigt haben, Argyros seiner jüngeren Tochter Theodora anzutrauen, da sie intelligenter war und als jüngere Frau noch einen Sohn zur Welt bringen konnte. Diese habe sich aufgrund der Blutsverwandtschaft jedoch kategorisch geweigert. Zoe scheint dagegen positiv reagiert zu haben.]. Am 11. November stand er am Bett seines Schwiegervaters, als dieser sein Leben aushauchte, und am 12. November wurde er als Romanos III. neben der strahlenden Zoe auf den Kaiserthron gesetzt.
Wie aber stand es unterdessen um Kaiserin Zoe, ohne die ihr Mann niemals an die Macht gekommen wäre, um das Geld auf diese Weise zu verschwenden? Sie war, wie fast das ganze Leben, noch immer alles andere als am Ziel ihrer Wünsche und zudem wie die Bevölkerung von Konstantinopel, nur aus anderem Grund, ebenfalls erbost über ihren Mann. Ihr Zorn rührte daher, dass er seit dem Tag, an dem er die Hoffnung auf Nachkommenschaft aufgegeben hatte, ihr Bett verschmäht und eine Mätresse genommen hatte. Es heißt, er habe einen solchen Widerwillen gegen sie verspürt, dass er sich kaum im selben Raum wie sie aufhalten mochte. Ihre eigentliche Wut aber wurde durch die Tatsache genährt, dass er ihr den Zugang zum Staatsschatz verwehrte und lediglich eine mickrige jährliche Rente zugestand, die zu überziehen ihr sogar formell untersagt war. Zu Romanos' Pech war Zoe eine sehr stolze und temperamentvolle Frau. Sie hatte sich außerdem fast fünfzig Jahre lang, im kaiserlichen Haushalt lebend, mit ihres Vaters Einverständnis alle Wünsche erfüllen können, ohne dass ihr etwas abgeschlagen worden wäre. Zuerst bekam ihre Schwester Theodora die Auswirkungen zu spüren; sie konzentrierte sich mittlerweile ausschließlich auf religiöse Dinge und verließ die Frauengemächer kaum jemals. Zoe ließ sie 1031 in ein Kloster einweisen, um, so vernehemen wir leicht verblüfft, "ihren ständigen Intrigen und ihrem skandalösen Leben ein Ende zu setzen". Bald jedoch schritt sie zu direkten Taten.
Im Jahre 1033 nahm Johannes Orphanotrophos eines Tages seinen jüngsten Bruder Michael, einen ungewöhnlich hübschen jungen Mann, mit in den Palast, um ihn anläßlich einer offiziellen Audienz bei Romanos und Zoe einzuführen. Romanos nahm kaum Notitz von ihm, Zoe dagegen erfaßte wie angerührt das heftigste Begehren nach ihm.
Von diesem Zeitpunkt an empfing sie den jungen Paphlagonier regelmäßig in ihren Privatgemächern und verführte ihn, nachdem er seine Schüchternheit und andere Hemmnisse überwunden hatte. In sexueller Hinsicht war Michael offenbar nicht gerade einer der eifrigsten, dafür fühlte er sich als Konkubine einer Kaiserin natürlich sehr geschmeichelt. Aber er hielt sich an die genauen Instruktionen seines Bruders, und seine eigenen, nun erwachenden Ambitionen besorgten den Rest, vor allem als Zoe von ihrer neuen Eroberung in aller Öffentlichkeit zu schwärmen anfing und ihre Absicht, ihn zum Kaiser zu machen, offen bekundete. Nach allem, was uns überliefert ist, scheint Romanos lange Zeit nichts von diesen Vorgängen geahnt zu haben. Statt Michael zu mißtrauen, ernannte er ihn vielmehr zum persönlichen Diener und ließ sich von ihm regelmäßig Beine und Füße massieren (da seine Gesundheit sich zusehends verschlechterte und das Gehen ihm immer schwerer fiel). Für seine Umgebung sah es aus, als verschlösse er bewußt die Augen vor der allmählich eklatante Formen annehmende Untreue seiner Frau. Schließlich wollte seine Schwester Pulcheria den Tratsch nicht länger ertragen und setzte ihn wortreich über das, was vorging, in Kenntnis; zudem warnte sie ihn vor einem möglichen Anschlag auf sein Leben. Erst da ließ er Michael kommen und auf mehrere Reliquien schwören, dass an dem, was ihm zu Ohren gekommen, nichts Wahres sei. Als jener keinen Augenblick zögerte, schien er völlig beruhigt.
Am Hof glaubten viele, er stelle sich nur dumm und sei sich ganz klar über die sexuelle Vitalität seiner Frau und darum gerade zu froh, dass ihr Appetit auf Michael sie vor schlimmeren Übeln bewahre. Andere behaupteten, Romanos habe, da die Epilepsie des jungen Mannes kein Geheimnis war, die Gerüchte für baren Unsinn erklärt. Mit der Zeit trat die Frage jedoch in den Hintergrund, denn niemand blieb verborgen, dass Romanos nun schwer krank war. Zwar nahm er noch an Umzügen teil, doch (nach Psellos) sah er aus wie ein wandelnder Leichnam: das Gesicht aufgedunsen, der Atem kurz und schnell, und alle paar Schritte benötigte er eine Ruhepause. Er brachte kaum einen Bissen mehr hinunter und konnte nicht schlafen. Auch im Wesen veränderte er sich. Der früher freundliche, zugängliche Mann, den man leicht zum Lachen brachte, verwandelte sich in einen reizbaren und mürrischen Kranken, der sich nur ungern stören ließ und bei der geringsten Provokation aus der Haut fuhr.
Welche Rolle Kaiserin Zoe beim Tode ihres Gatten Romanos III. spielte, ist nicht völlig klar.
Kaiserin Zoe machte keinerlei Anstalten, Zeit mit Trauer über seinen Tod zu verplempern. Im Morgengrauen des Karfreitags, des 12. April 1034, beorderte sie Alexios Studites, den Patriarchen von Konstantinopel, eilig aus der Hagia Sophia in den Palast, wo er als erstes den fast gänzlich nackten Körper des toten Kaisers zu Gesicht bekam. Kaum hatte er sich von dem Schock erholt, öffneten sich schon die beiden großen Türflügel und gaben den Blick auf das Chrystotriklinion, die große Krönungshalle, frei, wo Kaiserin Zoe in vollem Ornat thronte. Sie trug auf dem Haupt das kaiserliche Diadem, in der Hand das Szepter und um die Schultern den golddurchwirkten, schwer mit Juwelen behangenen Brokatmantel des Kaisers. Zu Alexios' unverhohlenem Entsetzen saß ihr zur Seite, auf gleiche Weise gekleidet und gekrönt, der junge Michael. Zoe gab ihre Anordnungen mit bestimmter, fester Stimme. Alexios verstand ihre Befehle nur zu gut und wagte nicht, sich ihnen zu widersetzen. Zur selben Stunde legte er deshalb die Hand der 56-jährigen Kaiserin, die erst seit wenigen Stunden verwitwet, und die ihres Mordkomplizen und Geliebten, eines epileptischen, fast 40 Jahre jüngeren Falschmünzers aus Paphlagonien, ineinander; er weihte ihn zum Basileus und rief den Segen Gottes auf beide herab.
Sollte Zoe gehofft haben, ihr zweiten Ehemann werde kaum mehr ein als ein gekrönter Sklave, der ihr jede Laune nachsehe und all ihren Befehle gehorche, wurde sie schon bald enttäuscht. Ein paar Monate hielt die angenehme Situation zwar vor. Doch bereits lange bevor das schicksalhafte Jahr 1034 zu Ende ging, zeigte Michael erste Anzeichen von Ungeduld. Ob er Zoe jemals geliebt und respektiert hat oder nicht, gelangte er nun zur Ansicht, er könne das Reich weit besser regieren als sie. Vermutlich auf Intrigen von Michaels Bruder Orphanotophos hin wurde Zoe unter ständiger Aufsicht in den Frauengemächern eingesperrt; ohne Erlaubnis durfte sie nicht einmal Besuch von befreundeten Personen empfangen; ihre Macht und ihre Freiheiten sowie die Verfügung über ihre finanziellen Mittel wurden noch stärker beschnitten als zu Romanos' Zeiten.
Doch Orphanotrophos hatte seine Entscheidung getroffen; Michael IV. zu überreden fiel ihm nicht schwer; Zoe war nicht in der Lage, sich zu widersetzen. So wurde schon bald anläßlich eines Hochamts in der Blachernenkirche die Thronfolge seines Neffen Michael feierlich bestätigt. Die gealterte Kaiserin, die neben ihrem kranken jungen Mann auf dem Thron saß, adoptierte Michael Kalaphates in aller Form als ihren Sohn, indem sie ihn als Symbol dafür, aber auch in einer irgendwie lächerlich wirkenden Geste auf den Schoß nahm. Der Kaiser rief ihn dann mit schwacher Stimme zum Cäsar aus, woraufhin der junge Mann, von dem die zahlreich Versammelten großenteils noch nie etwas gehört hatten und den sie bei der Gelegenheit zum ersten Mal sahen, zur altehrwürdigen Weihezeremonie schritt.
Zoe hatte von seiten ihrer beiden Ehemänner schon reichlich viel erdulden müssen. Aber das war nichts, verglichen mit dem, was ihr Adoptivsohn ihr nun antat. Zum dritten Mal wurde sie in den Frauengemächern eingesperrt, ihr der Zugriff auf den Reichsschatz versagt, der rechtmäßig ihr gehörte, und nur gerade ein Minimum an Taschengeld zugebilligt. In der Vergangenheit hatte man ihr außerdem nach außen hin immer noch den ihrem Rang gemäßen Respekt gezollt. Diesmal machte man nicht einmal mehr den Versuch, zu verheimlichen, dass sie praktisch gefangengehalten wurde. Selbst das ohnehin seltene Auftreten in der Öffentlichkeit - in der Regel an hohen kirchlichen Feiertagen - war ihr nun untersagt. Man entzog ihr ihre Hofdamen und Zofen und überließ sie statt dessen der Obhut ungebildeter, grober Wärter, die Michael selbst aussuchte.
Aber auch damit gab er sich noch nicht zufrieden. Am Sonntag nach Ostern, dem 18. April 1042, stürmten Soldaten in ihre Gemächer und nahmen die glücklose Zoe unter dem Vorwurf versuchten Königsmordes fest. Das anschließende Tribunat, bei dem etliche falsche, bestochene Zeugen aussagten und die Kaiserin sich nicht ein mal verteidigen durfte, war eine der schändlichsten Farcen. Man schnitt ihr das Haar ab und brachte es, wie befohlen, direkt zu Michael. Dann wurde sie eilig zu einem schon wartenden Schiff gebracht und noch am selben Abend in einen Konvent auf der Insel Prinkipo im Marmarameer geschafft.
Während des Aufstandes fanden sie Michael V., allein, von seiner Garde verlassen, in einer Ecke kauernd. Sie erkannten, dass sie nur dann eine Überlebenschance hatten, wenn sie Kaiserin Zoe aus dem Exil zurückholten. Also sandten sie eilig ein Boot aus, sie zu holen. Als Kaiserin Zoe eintraf, war die Verteidigungstruppe fast am Ende. Sie befand sich indes in einem ähnlichen Zustand. Auch jetzt noch fürchtete sie Michael Kalaphates und seinen Onkel, und das mit Recht. Sie war gewiß weit davon entfernt, über ihn und das Schicksal, das er selbst über sich gebracht hatte, zu frohlocken, und zwar vor allem deshalb, weil es ganz so aussah, als würde sie es mit ihm teilen müssen. Sie stimmte daher allem zu, was man von ihr verlangte, insbesondere, sich dem Volk als die gesetzmäßige Herrscherin zu zeigen - und noch einmal mit ihrem Adoptivsohn gemeinsame Sache zu machen. Zofen entkleideten sie hastig ihrer rauhen, wollenen Kutte und ersetzten sie durch ein Purpurgewand; man setzte ihr das kaiserliche Diadem so auf, dass es, so gut es ging, die Haarstoppeln bedeckte, die nach dem Kahlscheren nun zu sehen waren. Danach schritten Michael und Zoe, mit ihren Nerven am Ende, zur Kathisma, der kaiserlichen Loge im Hippodrom, zu der es einen direkten Zugang vom Palast aus gab. Die führenden Aufständischen, wollten jedoch von den beiden nichts wissen. Zoe hätten sie wohl akzeptiert, aber die Anwesenheit von Michael an ihrer Seite reichte aus, um sie davon zu überzeugen, dass sie praktisch immer noch seine Gefangene war. Aus ihrer Sicht konnte es keine Lösung der Krise geben, solange Michael auf dem Thron saß. Plötzlich durchzuckte die Menge ein neuer Gedanke: Theodora. Nunmehr fünfzehn Jahre zuvor hatte Zoe ihre jüngere Schwester offenbar in einer ungerechtfertigten Anwandlung von Konkurrenzneid in das Petrionkloster einweisen lassen. Theodora war nicht wieder aufgetaucht und inzwischen weitgehend vergessen.
Michael befand sich jetzt in einer äußerst prekären Lage. Vier Stunden lang hatten er und Konstantin in der Kathisma, hoch über dem wütenden Tumult unten im Hippodrom, sich Gehör zu verschaffen versucht, wobei sie sich hinter der bedauernswerten Zoe verschanzten und sich im vergeblichen Versuch, die Menge davon zu überzeugen, dass Zoe die Macht in Händen halte und nicht sie, immer wieder vor ihr niederwerfen. Aber der Lärm schwoll an, und als der Mob anfing, Steine zu werfen und sogar Pfeile auf sie abzuschießen, mußten sie sich wieder in den Palast zurückziehen, wo man ihnen bald darauf die Nachricht von Theodoras Ankunft und Krönung hinterbrachte.
Zoe schlug sich unterdessen allein im Palast durch, aber es dauerte nicht lange, bis die Aufständischen sie fanden und auf den Schultern zum kaiserlichen Thron hinübertrugen. Nach Michaels und Konstantins Flucht hatte sie die Fassung wieder einigermaßen gewonnen. Obwohl dankbar für diesen plötzlichen Schicksalsumschwung, geriet sie doch außer sich, als sie von der Ankunft und anschließenden Krönung Theodoras hörte. Sie hatte wohl fest geglaubt und gehofft, ihre Schwester nie wiedersehen zu müssen. Zuerst wollte Zoe sie sogleich wieder in den Konvent zurückschicken, den sie niemals hätte verlassen sollen, und erst die Hochrufe vor der Hagia Sophia vernahm und man ihr sagte, sie gälten ihrer Schwester, schätzte sie die Situation allmählich richtig ein: der zurückgezogenen, altjüngferlichen Theodora, an die noch vor wenigen Stunden kaum jemand gedacht hatte, jubelte die Bevölkerung plötzlich unerklärlicherweise zu wie einem langersehnten Idol. Widerstrebend und sicherlich auch recht ungnädig ließ sich Zoe auf die Partnerschaft ein, kam es ihr doch immer noch gelegener, als Mit-Kaiserin zu regieren als gar nicht.
Während Michael V. am Dienstag, dem 20. April 1042, abends sein Schicksal ereilte, harrte Kaiserin Theodora noch immer in der Hagia Sophia. Über 24 Stunden lang hielt sie sich dort auf und weigerte sich unverwandt, den Palast zu betreten, bevor ihre Schwester sie nicht dazu auffordere. Erst am Morgen danach aber überwand sich Zoe und sandte ihr die langerwartete Einladung. Bei Theodoras Eintreffen umarmten sich die beiden vor einer großen Versammlung Adliger und Senatoren zum Zeichen der Versöhnung, wenn auch eher kühl. Dann richteten sie sich auf ihre geradezu unwahrscheinlich anmutende Aufgabe ein, gemeinsam das Römische Reich zu regieren. Alle Familienmitglieder des ehemaligen Kaisers und ein paar seiner leidenschaftlichsten Anhänger schickten sie in die Wüste, die überwiegende Mehrzahl jener aber, die ranghohe Positionen im zivilen oder militärischen Bereich innehatten, bestätigten sie in ihren Ämtern. Zoe kam als der älteren von Anfang Vorrang zu; ihr Thron stand etwas weiter vorn als der Theodoras, die immer etwas zurückhaltender gewesen war und mit ihrem untergeordneten Status ganz zufrieden schien. Psellos beschreibt das kaiserliche Zweigespann sehr anschaulich wie folgt:
Zoe besaß eine rasche Auffassungsgabe, konnte ihre Gedanken aber weniger schnell formulieren. Bei Theodora war es genau umgekehrt: sie verbarg ihre innersten Gedanken; hatte sie sich aber einmal auf eine Diskussion eingelassen, zeigte sie sich beredt und informiert. Zoe war eine Frau von leidenschaftlicher Anteilnahme, die dem Tod mit derselben Intensität ins Auge sah wie dem Leben. Darin erinnerte sie mich an die Wellen der See, die ein Schiff einmal hochheben und es dann wieder tief hinabsenken. Solche Extreme gab es bei Theodora nicht. Sie war ausgeglichen veranlagt, man könnte fast sagen langweilig. Zoe war verschwenderisch, von der Art jener, die an einem einzigen Tag ein ganzes Meer von Goldstaub ausgeben können; die andere zählte die Münzen, wenn sie Geld ausgab, zweifellos weil ihre beschränkten Ressourcen sie ihr Leben lang vom leichtsinnigen Ausgeben abgehalten hatten, zum Teil jedoch auch, weil sie sich von Natur aus mehr beherrschte...
In ihrem Äußeren unterschieden sie sich noch weit stärker. Die ältere war nicht besonders groß, aber deutlich mollig. Sie hatte große, weit auseinanderstehende Augen unter eindrucksvollen Brauen. Die Nase war leicht gebogen wie bei einem Adler, doch nicht allzusehr, das Haar noch immer goldblond, und ihr ganzer Körper schimmerte von der hellen Haut. Es gab in ihrer Erscheinung nur wenige Zeichen für ihr Alter...sie hatte keine Falten, ihre Haut war überall glatt und straff. Theodora dagegen war größer und schlanker, ihr Kopf unverhältnismäßig klein. Wie ich bereits erwähnte, sprach sie gewandter als Zoe, und sie bewegte auch behender. Es lag nichts Strenges in ihrem Blick, im sie wirkte fröhlich und lächelte und suchte gerne nach einer Gelegenheit, sich zu unterhalten.
Über die Frage, wie gut die beiden Frauen das Reich regierten, gibt es zweierlei Ansichten. Für Psellos grenzte das Paar an eine Katastrophe. Ihm zufolge verstanden sie weder etwas von Finanzen noch von Politik und waren schlicht unfähig, zwischen ernsthaften Staatsgeschäften und den "höchst eitlen Zerstreuungen des Gynäceums" zu unterscheiden; dazu habe Zoe mit ihrer unsinnigen Freigebigkeit die Staatskasse geleert. Johannes Skylitzes erzählt dagegen eine ganz andere Version, verweist auf die kaiserlichen Erlasse gegen den Ämterhandel, die Verbesserungen  in der zivilen und militärischen Verwaltung und mehrere bewunderungswürdige Ernennungen in Konstantin Kabasilas zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte im europäischen Teil des Reichs und, was noch wichtiger war, jene vom Georgios Maniakes zum Kapetan von Italien im Rang eines Magistros, womit er den höchsten Adelstitel außerhalb der kaiserlichen Familie erhielt. Zudem wurde in dieser Zeit ein Tribunal einberufen, um den Amtsmißbrauch der vorhergehenden Regierung zu untersuchen. Man holte den Nobilissimus Konstantin zum Verhör aus seiner Mönchszelle, und er enthüllte schließlich die Existenz eines geheimen Verstecks in seiner Residenz; dort fanden sich die 5.300 Pfund Gold, die in der Schatzkammer fehlten. Mit welchen Mitteln ihm dieses Geständnis entlockt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.
Welche Version auch immer der Wahrheit entsprechen mag, scheint doch eines zuzutreffen: dem gemeinsamen Regime fehlte es an einer eindeutigen stabilen Richtung, ohne die das Vertrauen des Volkes nicht zu erlangen ist. Da im Verlauf der Wochen immer deutlicher wurde, dass die beiden Schwestern nicht am gleichen Strick zogen, sahen sich Beamte und Senatoren unweigerlich gezwungen, Stellung zu beziehen, und die Regierung zeigte erste Anzeichen einer potentiell gefährlichen Polarisierung. Nach nicht allzu langer Zeit herrschte unter ihnen die einmütige Meinung, dass sie eine feste Männerhand am Ruder brauchten, damit es weitergehen könne. Eine solche zu etablieren, konnte jedoch nur auf eine Art geschehen: mittels einer kaiserlichen Heirat. Theodora weigerte sich nach über 50 Jahren Ehelosigkeit kategorisch, einen solchen Schritt auch nur in Erwägung zu ziehen. Was dagegen Zoe betraf, entsprach dies auch ihren Wünschen. Obwohl ihre ersten beiden Ehen eindeutig fehlgeschlagen waren und dritte Ehen, wie wir bereits gesehen haben, in der Ost-Kirche als ein Greuel galten, begann sie sich unverzüglich nach einem passenden Ehemann umzusehen.
Als erstes fiel ihr Blick auf den - vor kurzem aus dem Gefängnis entlassenen - vornehmen und stattlichen Konstantin Dalassenos, der, wie man sich erinnert, im Jahre 1028 Wunschkandidat ihres sterbenden Vaters war, bevor die Zivilbeamten ihn überredeten, es sich noch einmal zu überlegen. Zur einhelligen Entrüstung aller erschien er am Hof in Zivil und verhielt sich Kaiserin Zoe gegenüber so kühl und überheblich, dass sie ihn umgehend wieder wegschickte. Der nächste Anwärter war ein gewisser Konstantin Artoklines, ein Hofbeamter (ebenfalls bemerkenswert attraktiv), der ihr schon immer zugesagt hatte, so sehr in der Tat, dass es dreizehn Jahre zuvor, zur Zeit ihrer Verbindung mit Romanos Argyros, Gerüchte einer amourösen Beziehung zwischen den beiden gab. Aber ach, er kam unter geheimnisvollen Umständen wenige Tage, bevor die Hochzeit hätte stattfinden sollen, ums Leben. Es hieß sofort, seine gegenwärtige Frau habe ihn vergiftet, weil sie sich zweifellos an die Umstände erinnerte, die mit Romanos' Heirat einhergegangen waren, und eine Wiederholung mit allen Mitteln vermeiden wollte. Enttäuscht, aber ungebrochen wandte sich Zoe einem dritten Konstantin zu, Mitglied der alten, adligen Familie MONOMACHOS. Auch er war ein außerordentlich schöner Mann - was Zoe schon immer zu schätzen gewußt hatte -, und er stand im Ruf, ein charmanter Herzensbrecher zu sein, außerdem elegant, kultiviert und sehr reich. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau hatte er Romanos Argyros' Nichte geheiratet, lange bevor jener den Thron bestieg.
Nach sieben Jahren Exil auf Lesbos konnte er in Konstantinopel unter dem Jubel der Menge in vollem Staat einziehen. Am 11. Juni wurden Zoe und er in der Kapelle der Nea getraut. Die Tatsache, dass sich der Patriarch strikte weigerte, die - für Braut und Bräutigam dritte - Trauung vorzunehmen, überschattete zwar die Feierlichkeiten um ein weniges, aber zum Glück sprang einer der kaiserlichen Hofgeistlichen ein. Und am folgenden Tag hatte der Patriarch seine Skrupel auch schon überwunden und zelebrierte ohne Widerrede die Krönungsmesse.
Im Unterschied zu seinen Vorgängern machte er nicht den leisesten Versuch, Zoes großzügigem Umgang mit finanziellen Mitteln Einhalt zu gebieten, sondern gab im Gegenteil noch mehr aus als sie. Seit Konstantin VII. Porphyrogennetos hatte Konstantinopel keinen solchen Luxus und Pomp mehr erlebt. War es diesem aber gelungen, das ganze aufwendige Zeremoniell bewußt als politisches Mittel einzusetzen, um sein Ansehen zu heben, erreichte Monomachos, der nicht vorgab, Geld für etwas anderes auszugeben als zu seinem persönlichen Vergnügen, genau das Gegenteil.
Zoe erwies sich als ebenso tolerant gegenüber ihrem neuen Mann. So brachte sie keine Einwände gegen seine langfristige Beziehung mit der Nichte seiner zweiten Frau vor. Diese, eine Dame, von außergewöhnlichem Charme und Enkelin väterlicherseits des alten Bardas Skleros, des einstigen Rivalen von Basileios II., hatte mit ihrem Geliebten klaglos die siebenJahre des Exils geteilt. Als dieser zurückgerufen wurde, blieb sie zunächst auf Lesbos: offenbar um ihn nicht zu kompromittieren und seine Chancen auf den Thron beeinträchtigen. Da sie um die mit dritten Ehen verbundenen Schwierigkeiten nur zu gut wußte, scheint sie die Möglichkeit seiner Verbindung mit Zoe gar nicht in Betracht gezogen zu haben. Die Nachricht von der Eheschließung muß sie daher reichlich schockiert haben. Noch größer war dagegen wohl die folgende Überraschung, kamen doch Boten mit einem Brief von Kaiserin Zoe nach Lesbos, in dem sie sie ihres Wohlwollens versicherte und sie ermunterte, ebenfalls nach Konstantinopel zurückzukehren. Dort wandelte sich ihr anfänglich bescheidenes Zuhause unter den Zuwendungen des treusorgenden Konstantin allmählich zur herrlichen Villa. Die Beziehung, zuerst mit der notwendigen schicklichen Diskretion gepflegt, gelangte allmählich an die Öffentlichkeit, und schließlich gab es ein offizielles Eingeständnis seitens des Kaisers. Im Verlauf einer sehr eigenartigen Feier, an welcher der gesamte Senat teilnahm, wurden Monomachos und die Sklerina - wie man sie allgemein bezeichnete - mittels eines Vertrags, den die Senatoren kriecherisch "Liebesbecher" nannten, offiziell miteinander verbunden. Danach schloß sie sich Monomachos und Zoe in einer offenbar harmonischen Dreiergemeinschaft an.
Sklerina schmeichelte sich bei beiden Kaiserinnen ein, indem sie ihnen das gab, was ihnen am meisten Freude machte. Zoe schenkte sie Gegenstände aus Gold, nicht damit sie sie behalte, sondern um sie weiterzuschenken, was die alte Dame immer am liebsten machte. Außerdem verschaffte sie ihr süße Kräuter und Gewürze aus Indien, duftende Hölzer und Salben, hübsche kleine Oliven und Zweige weißen Lorbeers, mit einem Wort: alle nötigen Zutaten für ihre Lieblingsbeschäftigung, das Herstellen von Düften. Theodora dagegen gab sie alte Münzen und Medaillen, von denen diese Kaiserin bereits eine große Sammlung in speziell angefertigten Bronzekästchen angelegt hatte.
Zu ihrem Pech wurde das herzliche Einvernehmen beider Kaiserinnen mit ihrer bezaubernden Gönnerin von Konstantinopels Bevölkerung keineswegs geteilt. Schockiert und empört über die schamlose Affäre, machten sie ihrem Unmut bald Luft. Psellos verschweigt es zwar tunlichst, aber Skylitzes berichtet, wie am 9. März des Jahres 1044 eine kaiserliche Prozession zu Ehren der Heiligen des Martyriums von Buhrufen der versammelten Menge unterbrochen wurde. "Nieder mit der Sklerina!" schrien sie. "Es leben unsere geliebten Mütter Zoe und Theodora, deren, Leben sie bedroht! "Für einen Augenblick sah es aus, als sei Konstantins Leben in Gefahr. Das Volk zerstreute sich jedoch, wenn auch erst nachdem sich Zoe und Theodora am Palastfenster gezeigt hatten. Die Prozession wurde abgebrochen. Von da an wagte sich Konstantin nur noch sehr selten allein in die Öffentlichkeit, sondern ließ sich praktisch ausnahmslos von Kaiserin Zoe zu seiner Rechten und seiner Geliebten Sklerina zur Linken begleiten. Kaiserin Zoe war im Jahre 1050 gestorben; das genaue Datum ist nicht bekannt.