Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 957
********************
Trapezunt
-------------
II. DAS REICH VON TRAPEZUNT
Kräfte eines regionalen Separatismus, der durch die
Gabraden-Herrschaft gestärkt worden war, nutzten die Eroberung Konstantinopels
durch die Kreuzfaherer (1204) zur Schaffung eines selbstaändigen pontischen
Staates aus, des Reiches von Trapezunt (1204-1461). Die Gründer
waren die Enkel des Kaisers
Andronikos I. Komnenos (†
1185),
Alexios und David († 1214),
die den Titel ‚Großkomnenen‘ angenommen hatten und
starke militärische sowie politische Unterstützung der mächtigen
Königin von Georgien,
Thamar, genossen. Dennoch waren die Großkomnenen von
Trapezunt zur erhofften Restauration des Byzantinischen Reiches nicht
imstande; nach Niederlagen (1205-1214) gegen die Selqugen und den erfolgreicheren
Kaiser
von Nikaia, Theodor I. Laskaris,
gingen ihnen Sinope, das den Selqugen überlassen wurde, und die Städte
von Paphlagonien, die an Nikaia fielen, verloren. Kerngebiete des Reiches
von Trapezunt war die Küste Nord-Anatoliens von der Mündung des
Flusses Coruh bis Amisos; in der 1. Hälfte des 13. Jh. unterstand
dem Reich von Trapezunt auch die Südküste der Krim mit Chersonesos.
Die konkurrierenden Ansprüche der Rum-Selqugen wurden hier durch den
Sieg Kaiser Andronikos'
I. von Trapezunt (1223) zurückgewiesen. Trapezunt erkannte
die Oberhoheit der nach Kleinasien vordringenden Mongolen (Tataren) an
(1243) und eroberten (wohl mit mongolischer Hilfe) für kurze Zeit
Sinope zurück (1254-1256).
Seite 1260-1280 setzte eine Annäherung der Großkomnenen
an das von Nikaia restaurierte Byzantinische Reich ein. Der Patriarch von
Konstantinopel anerkannte gewisse Sonderrechte des Metropoliten von Trapezunt
(1216); Kaiser Johannes
II. von Trapezunt verzichtete zugunsten der Annahme des Despotentitels
offiziell auf seine byzantinischen Thronansprüche und vermählte
sich (1281/82) mit der Tochter von Kaiser
Michael VIII. Palaiologos. Aber im 14. Jh. kehrten die Großkomnenen
zum Gebrauch eines (regional begrenzten) Kaisertitels zurück.
Nach der Entstehung des Großreichs der mongolischen
Ilchane (1256) und der Verlegung der Orienthandelsroute von Bagdad nach
Täbriz und Trapezunt wurde Trapezunt seit 1270/80 zum wohl bedeutendsten
Zentrum, der abendländischen Kaufleute im Fernhandel mit Persien,
Mittelasien und China. Nach 1280 entstanden hier genuesische, 1319 venezianische
Faktioreien. Das Reich von Trapezunt entfaltete eine ertragreiche Agrarproduktion
(Wein, Rosinen, Öl, Oliven, Honig, Wachs, Haselnüsse). Neben
Viehhahltung wurde auch Getreideanbau betrieben (unter anderem in den südlichen
Gebieten, die aber bereits in der 2. Hälfte des 13. Jh. von den Türken
besetzt wurden); Brotgetreide war knapp und mußte (wie Salz und Fisch)
großtenteils aus den westlichen und nördlichen Schwarzmeergebieten
importiert werden. Als Kaufleute spielten Italiener und Angehörige
der lokalen griechischen Bevölkerung eine dominierende Rolle. Hohe
Beamte und große Grundbesitzer nahmen am Handel zwar nicht unmittelbar
teil, partizipierten aber stark an den reichen Fiskaleinnahmen des Kommerkion.
Haupttyp des Grundeigentums waren kleinere und mittlere Erbgüter (sowohl
weltliche, als auch klösterliche). Die größeren Besitzungen
standen zumeist im Besitz des Kaisers und einiger mächtiger Aristokratenfamilien
(Kabasitai, Tzanichtai, Scholarioi und andere). Krisenfaktoren wie die
ungünstige Landverteilung, die Störungen des Handels um die Mitte
des 14. Jh. und die Einfälle der Turkmenen führten 1340-1355
zur zeitweiligen Schwächung der Königsgewalt, zu Aufständen
der Aristokratie und Bürgerkriegen. Eine Wiederherstellung der zentralen
Regierungs- und Verwaltungsstrukturen vollzog sich durch die Konsolidierung
der kaiserlichen Domäne unter Alexios III.
(1349-1390), der auch die Reichsgrenze festigte und dynastische
Bündnisse mit turkmenischen Emiren schloß. Zu Anfang des 15.
Jh. erkannte das Reich von Trapezunt die Oberhoheit Timurs
an
und unterhielt seitdem enge dynastische Beziehungen mit den Aq-Qoyunlu.
Seit Mitte des 15. Jh. war Trapezunt jedoch der wachsenden Bedrohung durch
das Osmanische Reich augesetzt. Versuche, mit westeuropäischen Staaten
und regionalen Gewalten (Aq-Qoyunlu, anatolische Emirate, georgische Fürstentümer)
eine antiosmanische Koalition zu bilden, blieben erfolglos. 1461 ergab
sich das von den Truppen Mehmeds II.
belagerte Trapezunt; das Reich von Trapezunt war gefallen. Trapezunt wurde
zum Sitz eines Vilayets des Osmanischen Reiches.
Kaiserreich von Trapezunt
Das Kaiserreich von Trapezunt entstand anders als jene
von Nikäa und Epiros nicht als Folge des Falls von Konstantinopel.
Es war bereits im April 1204, also nur wenige Tage nach der Katastrophe,
von Alexios und David
Komnenos gegründet worden, Enkeln
Kaiser Andronikos'
I. über seinen Sohn Manuel
und
eine mit ihm verheiratete georgische Prinzessin; sie hatte ihre
beiden Kinder nach dem Sturz Andronikos'
1185
zur Sicherheit nach Georgien bringen lassen, wo sie am Königshof erzogen
wurden. Im Bestreben, die Dynastie der KOMNENEN
im Gegensatz zu den ANGELOI zu erhalten,
hatten Alexios und David
im
April 1204 mit Hilfe der georgischen Königin
Thamar Trapezunt erobert. Noch im selben Jahr zog
David
die
Schwarzmeerküste entlang westwärts und nahm mit einem Heer aus
georgischen und anderen Söldnern Paphlagonien bis Heraklea ein, doch
der größte Teil dieses Territoriums ging dem Reich schon bald
wieder verloren. Die meiste Zeit seiner 257-jährigen Geschichte -
das Reich von Trapezunt blieb nach der Wiedergewinnung von Konstantinopel
erhalten und fiel erst 1461 an das Osmanenreich - bestand es aus einem
schmalen, kaum 600 Kilometer langen Küstenstreifen zwischen dem Pontischen
Gebirge und dem Meer.
| Alexios I. | 1204-1222 |
| Andronikos I. Gidos | 1222-1235 |
| Johannes I. Axouchos | 1235-1238 |
| Manuel I. | 1238-1263 |
| Andronikos II. | 1263-1267 |
| Georg | 1267-1280 |
| Johannes II. | 1280-1284; 1285-1297 |
| Theodora | 1284-1285 |
| Alexios II. | 1297-1330 |
| Andronikos III. | 1330-1332 |
| Manuel II. | 1332 |
| Basileios | 1332-1340 |
| Irene Paläologina | 1340-1341 |
| Anna Anachoutlou | 1341; 1341-1342 |
| Michael | 1341; 1344-1349 |
| Johannes III. | 1342-1344 |
| Johannes Alexios III. | 1349-1390 |
| Manuel III. | 1390-1412 |
| Alexios IV. | 1412-1429 |
| Johannes IV. Koloiohannes | 1429-1458 |
| David | 1458-1461 |