Anstatt für Hedwig von Bayern,
eine Nichte König
OTTOS I., entschied sich Romanos II.
für die Tochter eines peloponnesischen Schankwirts,
die den Namen Theophano
angenommen
hatte, den Prototyp einer Frau, die alles erreicht, was sie will. Sie muß
eine atemberaubende Ausstrahlung gehabt haben. Man nimmt Leon
Diakonus durchaus ab, dass er sie für die "liebreizendste Frau
ihrer Zeit hält". Sie war außerdem ehrgeizig und
kannte,
soweit sich das beurteilen läßt, keine großen Skrupel;
offenbar schreckte sie vor nichts zurück, auch nicht vor Mord, wie
sich noch zeigen wird, um ihre Ziele durchzusetzen. Obwohl sie erst achtzehn
Jahre alt war, als Romanos II.
den
Thron bestieg, beherrschte sie ihn vollkommen. Sie tolerierte weder Rivalinnen
noch Rivalen, und dies bekamen ihre Schwiegermutter und fünf Schwägerinnen
sofort zu spüren, als sie erst Kaiserin war. Helene
quartierte sie in einen abgelegenen Winkel des Palastes um, wo sie im September
961 starb; die fünf Prinzesinnen mußten den Schleier nehmen.
Sie schickten sich keineswegs freiwillig darein: tagelang soll der Palast
von ihren Klagen widerhallt haben; vergeblich sollen Mutter Helene
und Bruder Romanos für sie gebeten
haben; die junge Kaiserin blieb fest. Sie soll grimmig dabeigestanden haben,
als Patriarch Poleuktos die fünf jungen Frauen eigenhändig
kahlschor, und entsandte sie, um das Maß voll zu machen, in fünf
verschiedene Klöster. Man kann sich nur wundern über die Macht,
die sie offenbar auf den ganzen Hof in einer relativ kurzen Zeit gewonnen
hat.
Romanos II. war am
15. März 963 gestorben, und schon am folgenden Morgen ging das Gerücht
um, Kaiserin Theophano
habe ihn vergiftet. Die schöne junge Kaiserin hatte in den
dreieinviertel Jahren seit
Romanos'
Thronbesteigung den Ruf erworben, zu allem fähig zu sein, so dass
kaum jemand ihr ein solches Verbrechen nicht zugetraut hätte. Es besteht
kein Grund zur Annahme, sie habe ihren Ehemann nicht geliebt; sie hatten
vier gemeinsame Kinder, das jüngste, eine Tochter, hatte
sie nur zwei Tage vor seinem Tod zur Welt gebracht. Solange er lebte, konnte
auch sie ihre Machtstellung halten; ihre Zukunft wie auch die ihrer Kinder
schien gesichert. Nun, da er tot war, schwebten alle in Gefahr. Sie selbst
erholte sich noch von der Geburt; ihre beiden Söhne, Thronfolger
und Mit-Kaiser Basileios
und Konstantin, waren sechs beziehungsweise
drei Jahre alt; das Beispiel ihres Schwiegervaters illustrierte klar genug
die Gefahr, die aus einer langen Unmündigkeit von Thronfolgern entstehen
konnte, vor allem wenn ein paar ehrgeizige Feldherren auf eine günstige
Gelegenheit lauerten.
Vorerst brauchte sie jedoch Schutz, und zwar durch einen,
der sich durchzusetzen verstand. Heimlich - Bringas hätte sie
mit Sicherheit daran gehindert - sandte sie einen dringlichen Apell an
Nikephoros Phokas im Osten, sogleich
zurückzukehren. Mit einer kleinen Begleitmannschaft traf er Anfang
April in der Hauptstadt ein. Nikephoros
begab sich sogleich nach den Osterfeierlichkeiten zu seinem Heer nach Anatolien.
Die geheimen Unterredungen mit der Kaiserin hatten zu einer Übereinkunft
geführt, die - jedenfalls kurzfristig - sich für beide als sehr
vorteilhaft erwies. Nikephoros sollte
für die Rechte und den leiblichen Schutz der beiden Kindkaiser einstehen
und dafür zum Kaiser ausgerufen werden und mit ihnen den Thron teilen.
Am Morgen des 3. Juli 963 wurde Nikephoros von
seinen Befehlshabern zum Kaiser ausgerufen und kehrte an der Spitze
seiner Truppen nach Konstantinopel zurück. Am 16. August 963 zog Nikephoros
nach einem Volksaufstand gegen Bringas in die Hauptstadt ein und
wurde in Anwesenheit der beiden Kindskaiser zum Kaiser gekrönt.
Die erste Maßnahme, die er Theophano
betreffend veranlaßte, nimmt sich auf den ersten Blick besehen merkwürdig
aus, verwies er sie doch aus dem Palast und in die alte Festung im Petrion,
wo sie einen Monat und vier Tage lang in einer gefängnisartigen Unterkunft
ausharren mußte, während sich Nikephoros
streng und asketisch, wie immer, in den kaiserlichen Gemächern einrichtete.
Am 20. September aber heirateten die beiden in der Pfalz der Nea.
Es scheint unzweifelhaft, in Theophanos
zeitweiliger Verbannung eine von beiden im voraus verabredet Maßnahme
zur Wahrung der Form und zur Vermeidung von unerwünschtem Klatsch
zu sehen, wenn auch nicht einleuchtet, warum die Kaiserin ausgerechnet
an einem so unwirtlichen Ort und nicht in einem der zahlreichen Paläste
in der Umgebung der Hauptstadt untergebracht wurde. Interessanter ist jedoch
die Frage nach den Motiven für diese Ehe. Einige zeitgenössische
Quellen, wenn auch nicht gerade die verläßlichsten, behaupten,
Nikephoros
sei, geblendet von der außerordentliche Erscheinung der Kaiserin,
in leidenschaftlicher Liebe zu ihr entbrannt. Diese Theorie haben zahlreiche
spätere Chroniken nur allzu bereitwillig übernommen; der Grund
ist nicht schwer zu erraten: der Vorstellung vom rauhbeinigen, unbeugsamen
alten Feldherrn, der plötzlich Kopf und Herz an die lieblichste
- und lasterhafteste - Frau ihrer Zeit verliert, kann man sich nicht
entziehen. Ist dies aber auch wahrscheinlich?
Nikephoros
war aufgrund seines Naturells und seines frömmelnden Wesens ein Asket;
er hatte nach dem Tod seiner ersten Frau Keuschheit gelobt und sein ganzes
Leben hindurch kaum eine Gelegenheit ausgelassen, seinen Leib noch mehr
abzutöten. Hätte er sich also, so fragt man sich in anderen Studien,
so leicht einwickeln lassen? Könnte es sich nicht eher um eine Übereinkunft
gehandelt haben, welche die beiden gemeinsam in langen persönlichen
Sitzungen ausgehandelt hatten, nach der er ihr und ihren Kindkaisern Schutz
garantierte und dafür mit der Kaiserkrone belohnt wurde?
Für sie wird es sicher nichts weiter gewesen sein.
Mann kann sich einfach nicht vorstellen, dass dieser außergewöhnliche
und den Annehmlichkeiten des Lebens sicherlich nicht abgeneigte junge Kaiserin
nach einer glücklichen, wenn auch kurzen Ehe mit dem fraglos attraktiven
Romanos
für einen frömmelnden Puritaner, der doppelt so alt war, wie
sie, etwas anderes als Widerwillen empfunden haben könnte.
Hätte seine Frau ihm nichts bedeutet, wäre
Nikephoros
wohl darauf eingegangen. Sich dem Kirchenrecht bereitwillig zu unterwerfen
und damit Theophano im Kloster verschwinden
zu sehen, hätte ihn nicht nur wieder in den Stand göttlicher
Gnade versetzt, sondern ihm außerdem einen guten Vorwand geliefert,
sich einer lästigen Verpflichtung zu entledigen - wenn sie ihm denn
lästig war. Doch er unterwarf sich nicht. Damit war der Kaiser exkommuniziert,
das Zerwürfnis zwischen Kirche und Staat besiegelt. Aber auch diesmal
gab Nikephoros nicht klein bei. Obwohl
sein Seelenheil auf dem Spiel stand, wollte er Theophano
nicht verlassen.
Damit ist das Stichwort gegeben für einen weiteren
Auftritt der liebreizenden und für den Gang der Dinge schicksalträchtigen
Kaiserin
Theophano. So unwahrscheinlich es ist, dass sie - oder überhaupt
eine Frau - sich von Nikephoros angezogen
fühlte, so wenig kann ein Zweifel daran bestehen, dass sie sich irgendwann
im Verlauf der vergangenen sechs Jahre in seinen ehemaligen Kollegen, den
ausgesprochen properen Domestikos Johannes
Tzimiskes
verliebte. Wie heiß der drahtige, unwiderstehliche
Armenier diese Leidenschaft erwiderte, ist dagegen nicht bekannt: in ihm
regten sich viele andere Gefühle - Ehrgeiz, Neid, Ressentiments gegen
Nikephoros,
die ihn zu dem trieben, was er schließlich tat. Aber
Theophano hatte sich schon früher als sehr einnehmende
Persönlichkeit bewiesen, und ob er nun etwas für sie empfand
oder nicht: ganz kalt können ihn ihre Umarmungen gewiß nicht
gelassen haben.
Zunächst einmal galt es, ihren Ehemann davon zu
überzeugen, dass er seinem früheren Freund Unrecht getan habe
- ihm verdanke er doch wohl die Krone -, und ihn dazu zu bringen, den Bannspruch
aufzuheben. Dies war nicht so schwierig, wie man denken könnte. Wenn
sie etwas wirklich wollte, konnte sie es praktisch immer durchsetzen -
vielleicht ein weiteres Anzeichen dafür, dass er sie wirklich geliebt
hat, oder aber für ihre Klugheit. Auf alle Fälle erklärte
er sich mit Tzimiskes' Rückkehr
einverstanden, vorausgesetzt, dass er das Haus seiner Familie in Chalkedon
auf der asiatischen Bosporusküste nicht verließ und nach Konstantinopel
nur mit einer Sondererlaubnis kam. Für ein Liebespaar war dies natürlich
alles andere als ideal, aber man traf entsprechende Vorkehrungen, und schon
nach kurzer Zeit setzte der drahtige Feldherr nachts im Schutz der Dunkelheit
über die Meerenge und huschte in einen entlegenen Winkel des Palastes,
wo ihn die Kaiserin erwartete - und wo beide neben weniger verwerflichen
Beschäftigungen sich kaltblütig mit einem Plan zur Ermordung
des Ehemannes beschäftigten. Mitverschworene ließen sich unschwer
finden. Am 10. Dezember 969 ermordeten die Verschwörer Kaiser
Nikephoros in seinem Schlafgemach.
Wenig später schon saß Johannes
Tzimiskes auf dem Thron, ihm zur Seite Theophano
und
ihre beiden Söhne, während seine Mitverschworenen und eine ständig
anwachsende Menge von Höflingen ihm als Kaiser huldigten.
Der Patriarch knüpfte an die Krönung des Thronräubers
bestimmte Bedingungen. Die erste Bedingung betraf Theophano.
Das Liebespaar hatte zweifellos gehofft, dass mit dem Mord an Nikephoros
nicht nur der Weg zum Thron frei werde, sondern auch ihrer Verbindung nichts
mehr im Weg stehe. Dies aber, so erklärte der Patriarch streng, komme
überhaupt nicht in Frage. Johannes Tzimiskes'
Krönung könne im Gegenteil erst stattfinden, wenn die Kaiserin
aus dem Weg geräumt sei und sich in Konstantinopel nie mehr blicken
lasse.
Wie bereits angedeutet, hat Johannes
Tzimiskes Theophano vielleicht niemals wirklich geliebt und
sie von Anfang an lediglich als Mittel zur Verwirklichung seiner skrupellos-ehrgeizigen
Pläne benutzt. Er zögerte jedenfalls keinen Augenblick, um seine
Wahl zu treffen. Gedemütigt und frustriert wurde die Kaiserin auf
die Insel Proti im Marmarameer verfrachtet, die bevorzugte Abstellkammer
für kaiserlichen Überschuß.
Sie erschien noch ein letztes Mal in Konstantinopel:
Wenige Monate später entwischte sie aus ihrem Gefängnis und suchte
Zuflucht in der Hagia Sophia. Von dort wurde sie auf Befehl des Parakoimomenos
Basileios gewaltsam entfernt und in ein noch entlegeneres Exil
im fernen Armenien verbannt. Als einziges Entgegenkommen
wurde ihr zugestanden, Johannes Tzimiskes
ein letztes Mal zu sehen. Es überrascht vielleicht, dass
Johannes dem Treffen zustimmte; Theophano
sagte ihm lautstark und deutlich die Meinung. Dann wandte sie sich Basileios
zu, der auf seiner Anwesenheit bestanden hatte. Dies hat er wohl spätestens
bereut, als sie tätlich wurde: sie ging mit Fäusten auf ihn los
und schlug ihn windelweich, was einiges über ihre Wut - und ihren
Mut - aussagt. Erst dann gelang es seinen Dienern, sie zu entfernen.