Isaak I. Komnenos                        Kaiser von Byzanz (1.9.1057-25.12.1059)
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um 1007 1061
 

Sohn des Manuels Erotikos Komnenos; Begründer der KOMNENEN-Dynastie
 

Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 665
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Isaak I. Komnenos, byzantinischer Kaiser
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* um 1007, Ende 1060

In einer Familie des kleinasiatischen Militäradels

  oo ca. 1025 Aikatherina,

Tochter des letzten bulgarischen Herrschers Ivan-Vladislavc (Neffe des Zaren Samuel)

Hatte wohl schon frühzeitig ein Militäramt in Kleinasien inne, von dem ihn Kaiserin Theodora 1054 absetzte, während ihn ihr Nachfolger Michael VI. bald wieder mit einem Militäramt betraute. Am 8. Juni 1057 rief ihn das Heer zum Gegen-Kaiser aus; am 3. September betrat er Konstantinopel und wurde am folgenden Tag gekrönt. Am 21. (oder 22.) November 1059 dankte er ab und trat ins Studiu-Kloster ein, wo er etwa Ende 1060 starb. Aus der Ehe mit Aikatherina (die wohl erst nach dem Tod ihres Mannes ins Myrelaion-Kloster eintrat und zuletzt 1063 erwähnt ist) gingen zwei Kinder hervor: Manuel (kinderlos verheiratet) und Mara (Nonne). Die Begründung einer Dynastie war erst Isaaks Neffen, Alexios I., vergönnt.
Die kurze Regierungszeit (Hauptquelle Psellos) war gekennzeichnet von einer Festigung der militärischen Lage des Reiches und einer rigorosen Finanzpolitik, die auch vor Kirchenbesitz nicht haltmachte. Die Auseinandersetzung mit Patriarch Kerullarios, seine Absetzung (1058), die daraus entstehende Opposition kirchlicher Kreise, der Hofbeamten und auch des Volkes standen im Mittelpunkt der Innenpolitik und trugen entscheidend zur Abdankung bei.



BERTELSMANN Lexikon Geschichte: Seite 372
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ISAAK I. KOMNENOS, Kaiser 1057-1059
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    1061

Erster Kaiser der KOMNENEN-Dynastie, sicherte die Reichsgrenzen, trat wegen Krankheit zurück.



Thiele, Andreas: Tafel 199
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband"

ISAAK I. KOMNENOS
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* um 1007, 1061

Isaak I. Komnenos war der typische Vertreter des Militäradels.
Er wurde 1042 Statthalter (Domestikos) von Anatolien, 1054 Magistratos und durch die Rebellion von 1057 zuerst Gegen-Kaiser und dann offiziell Kaiser, womit der Militäradel erstmals die Herrschaft vom bisher dominierenden städtischen Beamtenadel gewann. Er ernannte den bedeutenden Philosophen und Historiker Michael Psellos (seit 1045 Leiter der neugegründeten Philosophenhochschule von Byzanz) zum Senatspräsidenten und damit zum eigentlichen Leiter der Staatsgeschäfte. Er geriet schroff gegen den Patriarchen Michael Kerullarios, da er Kirchengüter zur Sicherung der Finanzen konfiszierte. Isaak I. verbannte ihn, der in Wirkung, Bedeutung und Zielsetzung für die Ostkirche dem zeitgenössischen Papst Gregor VII. gleichzusetzen war. Er war erfolgreich gegen Petschenegen und Ungarn auf dem Balkan, wurde 1059 von Psellos und kirchlichen Kreisen zur Abdankung bewogen und wurde Mönch.

  oo KATHARINA VON BULGARIEN, Tochter des Zaren Johannes Wladimir
              als Nonne



Die mißtrauische Kaiserin Theodora entzog ihm 1055 sein Kommando in Asien. Dafür stellte ihn nach deren Tod die griechische grundbesitzende Partei als Gegen-Kaiser auf gegen Theodoras Nachfolger Michael VI. Am 8.6.1057 wurde Isaak auf der Ebene von Gunaria zum Kaiser proklamiert und zwang nach einem Sieg bei Nikäa Michael VI., am 31.8.1057 abzudanken. Am 1.9. gekrönt, begann Isaak mit starker Hand die seit 30 Jahren eingerissenen Mißstände zu beseitigen und überall zu reformieren. Er versuchte durch Güterkonfiszierungen, die auch die Kirche betrafen, die riesigen Schenkungen seiner Vorgänger rückgängig zu machen. Doch erkrankte er schon 1059, so dass er seinen Finanz-Minister Konstantin Dukas zum Nachfolger ernannte und sich ins Kloster zurückzog.

Norwich John Julius: Band II Seite 412-415
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"Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches."

Im Frühjahr 1057 - während der alljährlichen Feiern zur Karwoche, an der der Kaiser traditionellerweise alle belohnte, die sich im vergangenen Jahr besonders verdient gemacht hatten - erhielten der gesamte Senat und alle ranghohen Magistraten und Beamten zu ihrer Überraschung einen hohen Bonus und automatische Beförderung um zwei, andere sogar um drei Ränge. Dann kam die Armee an die Reihe. Psellos, einmal Augenzeuge, beschreibt, was geschah:
Die Männer, die sich ihm präsentierten, waren angesehne Krieger, alles Männer mit gutem Ruf. Nachdem sie sich vor ihm verneigt und ihm die üblichen Ehren erwiesen hatten, hieß es, sie sollten sich auf einer Seite aufstellen. Danach hätte er sie einzeln zur Seite nehmen und ihnen mit einigen Worten danken sollen. Statt dessen aber gab er eine allgemeine Bewertung für alle ab und befahl dann den beiden Anführern Isaak Komnenos und Katakalon Kekaumenos vorzutreten. Dann wandte er sich in aller Öffentlichkeit mit einer Schimpftirade an Issak und warf ihm vor, mehr oder weniger Antiochia verloren und seine Truppen verdorben, keinerlei Zeichen von Führungsqualität gezeigt sowie öffentliche Gelder veruntreut zu haben, um seine persönliche Habgier zu befriedigen. Isaak, der Lob und Beförderung erwartet hatte, schien wie betäubt von der Heftigkeit dieser Anschuldigungen. Einige andere Feldherren versuchten etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen, aber der Kaiser verbot ihnen zu sprechen. Eine nach allen Begriffen erbärmliche Vorstellung. Es bestand nicht der geringste Anlaß für einen derartigen Ausfall gegen die beiden Feldherren; der Kaiser scheint vielmehr schlicht aus einer kindischen Rachsucht heraus gehandelt zu haben. 40 Jahre lang hatte Michael von seiten der Militäraristokratie Kränkung und Herablassung erfahren. Nun sah er sich endlich in einer Lage, ihnen seine Meinung zu sagen - und er nahm kein Blatt vor den Mund. Er bedauerte seine Handlungsweise nicht einmal. Bei einer zweiten Unterredung, die auf die Bitte der beiden Befehlshaber ein paar Tage später stattfand, hätte sich ihm eine günstige Gelegenheit geboten, sich zu entschuldigen oder zumindest einen Funken guten Willens zu zeigen. Er tat nichts dergleichen. Von da an war sein Niedergang so gut wie sicher.
Außer sich vor Empörung beschlossen die Feldherren zu handeln, waren sie doch der Ansicht, nun hätten lange genug bürokratische Angstschisser regiert, lediglich darauf bedacht, ihre Schäfchen ins trockne zu bringen, während die Armee verkümmerte und die Feinde des Reichs auf allen Seiten vorrückten. Sie fanden, die Zeit sei reif, all diesen schwachen, nichtsnutzigen kaiserlichen Oberhäuptern und den geschlechtslosen Eunuchen, die sie so lange schon manipulierten, ein Ende zu setzen. Sie wollten die alte römische Tradition des kriegerischen Imperators wiederaufleben lassen, eines Kaiser-Feldherrn, der sich persönlich an die Spitze seiner Truppen stellte und sie zum Sieg in der Schlacht führte. Aber wer war der geeignete Mann? Isaak Komnenos, naheliegendster Kandidat, weigerte sich hartnäckig, in den Vordergrund zu treten, und zog sich auf seine Güter in Paphlagonien zurück. Die Kollegen blieben jedoch - nicht ohne sich damit in Gefahr zu bringen - in Konstantinopel am Ball, um die Lage auszulotsen. Sie sahen sich schon bald ermutigt, fanden sie doch einen unerwarteten Verbündeten und erst noch den wahrscheinlich wertvollsten nichtmilitärischen Anhänger, den sie sich wünschen können: Michael Kerullarios, den Patriarchen von Konstantinopel. Anstatt die Tür der Hagia Sophia auch vor ihnen zu verschließen wie ein Jahr zuvor vor dem lächerlichen Theodosios, ließ er diese Verschwörer nachts heimlich ein.
Noch am selben Abend trafen sich die militärischen Anführer in der Dunkelheit des großen Kirchenraumes zu einer zu einer geheimen Sitzung, um den Sturz von Michael dem Alten zu planen und über seine Nachfolge zu entscheiden. Angesichts der offensichtlichen Abneigung von Isaak Komnenos fiel ihre Wahl zunächst auf die andere Zielscheibe für den Zorn Kaiser Michaels, Katakalon Kekaumenos, der außerdem den Vorzug besaß, dass er um einiges jünger war. Doch dieser schüttelte den Kopf. Isaak sei der einzige, der in Frage komme, erklärte er. Er überrage alle anderen weitaus an imponierender Präsenz und außergewöhnlicher Persönlichkeit. Wie sollte er ablehnen können, wenn man ihn in aller Form bitte und ihm erkläre, dass die Wahl einmütig auf ihn gefallen sei. Und sogeschah es, dass Isaak Komnenos am 8. Juni 1057 auf seinem Gut in Paphlagonien zuließ, dass man ihn zum römischen Kaiser ernannte. Einen Monat später stieß Katakalon zu ihm; aufgebrochen in seinem Geburtsort Kolonea, marschierte er nun an der Spitze von nicht weniger als acht Bataillonen, die er unterwgs ausgehoben hatte, und zwar fünf byzantinischen und drei aus fremden, nämlich warägischen, fränkischen und normannischen, Söldnern bestehenden.
Die von Isaak Komnenos geführte Bewegung gegen Michael den Alten oder Stratiotikos war mehr als nur ein Aufstand. Sie hatte nichts mit den Revolten militärischer Anführer wie Georgios Maniakes oder Leon Tornikes gemein, wie eindrucksvoll diese auch gewesen sein mögen. Das hier artete zu einem regelrechten Bürgerkrieg aus, in dem praktisch das ganze asiatische Heer gegen den Kaiser marschierte, unterstützt von einem beachtlichen Teil der byzantinischen Bevölkerung aus allen sozialen Schichten und Lebensbereichen. Nachdem die Soldaten Isaak zum Kaiser ausgerufen und in alter Tradition auf einen Schild gehoben hatten, berief er sich zudem darauf, einen viel legitimeren Anspruch auf den Thron zu haben als Michael, kam er doch nicht als Prätendent, sondern als der sowohl in den Augen seines Gefolges als auch in seinen eigenen rechtmäßige Basileus; bereits ließ er in seinem Namen Steuern einziehen. Unter diesen Voraussetzungen überrascht es nicht, dass man ihm kaum nennenswerten Widerstand entgegensetzte, als er mit Katakalon Richtung Westen nach Konstantinopel drängte. Bei jedem Zwischenhalt sammelten sich mehr und mehr Ortsansässige unter seinem Banner, Zivilisten wie Soldaten. Sie kamen in so großer Zahl, dass mehrere Male ein Chaos auszubrechen drohte. Zum Glück besaß Isaak offenbar ein bemerkenswertes Organisations- und Befehlstalent. Es heißt, dass ein Blick von ihm genügte, um jeden Widerspruch verstummen zu lassen, und dass starke Männer erbebten, wenn er nur die Stirn runzelte. So ließ er an Ort und Stelle härteste Tests durchführen, denen jeder Rekrut sich unterziehen mußte. Wessen Fähigkeiten oder Loyalität als nicht über jeden Zweifel erhaben schien, erhielt eine Aufgabe hinter der Front, während die erprobten Haudegen, die alle Befehle gehorsam ausführten, in neue Kompanien und Regimenter eingeteilt wurden. jede Einheit hatte ihren festen Platz im Lager und auch beim Marschieren, jeder Mann innerhalb seiner Einheit. Dank der eingetriebenen Steuern konnte man den Soldaten den Sold pünktlich und in voller Höhe auszahlen.
Ein paar Wochen lang lagerten die beiden Heere in einem Abstand von ungefähr acht Kilometern zwischen Nikomedia und Nikäa. In dieser Zeit versuchten die Soldaten beider Lager anläßlich inoffizieller Treffen auf Streifzügen ihre jeweils widerwilligen Gegner zu überreden, die Seite zu wechseln, im großen und ganzen erfolglos. Am 20. August kam es schließlich zur Entscheidungsschlacht. Sie endete nicht in der schweren Schlappe, die man hätte erwarten können. Die Soldaten Theodors und Aarons kämpften ausdauernd; es gab schlimme Verluste auf beiden Seiten. Isaak Komnenos wurde im Gerangel von seinem Heer getrennt und von vier russischen Hünen angegriffen; er kam nur knapp mit dem Leben davon. Dennoch war der Ausgang eindeutig, und das geschlagene Heer Michaels des Alten eilte schließlich in wilder Hast nach Konstantinopel zurück, wo seine beiden Oberbefehlshaber ihrem Herrn offiziell den Rücktritt anboten.
Für Kaiser Michael den Alten lag nun die letzte Hoffnung in den Mitteln der Diplomatie. Vielleicht ließ sich mit geschickten Verhandlungen noch etwas retten. Ein, zwei Tage später brach eine von ihm persönlich zusammengestellte Delegation zu KOMNENOS' Lager auf. Ihr gehörten Michael Psellos, der ehemalige erste Minister Konstantin Leichudes sowie der Proedros Leon Alopos an. Das Angebot lautete einfach genug. Isaak solle sich in Frieden nach Konstantinopel begeben; er werde dort sogleich zum Cäsar gekrönt mit der Garantie, dass er bei Michaels Tod die Thronfolge antreten könne. Die drei Gesandten trafen am 25. August ein und wurden ganz ohne Förmlichkeit empfangen. Beinahe ungezwungen für Psellos' Geschmack, beschränkte sich Isaak Komnenos doch zunächst darauf, ihnen Erfrischungen anzubieten und sich höflich zu erkundigen, ob sie eine gute Reise hatten. Am zweiten Tag sah der Empfang jedoch ganz anders aus:
Der Anblick, der sich unseren Augen bot, war umwerfend. Zuerst wurden unsere Ohren vom Jubel des Heeres betäubt. Die Stimmen ertönten nicht etwa alle gleichzeitig. Zunächst bejubeite ihn die erste Reihe, dann übernahm die zweite den Schrei, dann die dritte und so weiter. Als schließlich auch die letzte Reihe ihr Hurra gebrüllt hatte, vereinte sich das ganze Heer zu einem einzigen Schrei, der uns wie ein Donnerschlag traf.
Der Kaiser [Isaak] saß auf einem Sofa, das mit zwei Kopfstützen verziert und mit Gold überzogen war; es stand auf einer hohen Plattform, mit einem Schemel zu seinen Füßen. Ein herrlicher Mantel gab ihm den Anstrich großer Würde. Er hielt das Haupt stolz erhoben und drückte die Brust heraus, wodurch eine kräftige Röte in seine Wangen stieg, während er durch einen entrückten Blick den Eindruck zu erwecken suchte, er sei in tiefste Gedanken versunken... Er war umringt von Soldaten. Unter den ihm am nächsten stehenden und wichtigsten befanden sich die ranghöchsten Adligen, Männer, welche der statuösen Großartigkeit der antiken Helden fast gleichkamen... In einem zweiten Kreis befanden sich ihre Stellvertreter und die erstklassigen Kämpfer, diese wiederum waren von den leichtbewaffneten Truppen ohne Rüstung umgeben, und hinter ihnen kamen alle Streitkräfte der barbarischen Nationen, die sich ihm angeschlossen hatten. Es gab Italiener und Skythen vom Tauros, Männer von furchteinflößendem Aussehen in fremdländischer Kleidung, die wild um sich blickten. Manche hatten die Augenbrauen ausgezupft und trugen Kriegsbematung, andere ihre natürliche Hautfarbe beibehalten ... Und schließlich gab es jene Krieger, die mit langen Speeren bewaffnet waren und ihre Streitäxte geschultert trugen.
Psellos trug das Angebot seines Herrn in einer Rede vor, die laut seinen eigenen Angaben selbst Demosthenes Ehre gemacht hätte. Zuerst, fährt er fort, habe es die unvermeidlichen Proteste von seiten der versammelten Soldatenschaft gegeben. Als er fortfuhr, sei jedoch allmählich Ruhe eingekehrt, und am Schluß seiner Rede sei klar gewesen, dass seine Argumente überzeugten. Darauf nahm ihn Isaak zur Seite und antwortete, dass er mit dem Cäsaren-Titel vollkommen zufrieden sei, unter der Bedingung, dass der Kaiser keinen anderen Nachfolger ernenne, die Ehrungen anerkenne, die er, Isaak, seinen wichtigsten Verbündeten übertragen habe und dass er ihm die Vollmacht zusichere, bestimmte militärische und zivile Ernennungen vorzunehmen. "Heute abend", so habe er geschlossen, "wirst du mit mir speisen. Morgen wirst du meine Botschaft deinem Herrn überbringen."
Man kann sich Kaiser Michaels Erleichterung, als er die Botschaft vernahm, lebhaft vorstellen. Er sandte Psellos sogleich wieder zurück ins Lager, um Isaak mitzuteilen, dass er seine Bedingungen akzeptiere. Er werde ihn in Konstantinopel wie einen Sohn empfangen und ihm so viele Ehren und Privilegien zuteil werden lassen, wie er nur wolle. Isaak war ebenso erfreut und begann unverzüghch mit den Vorbereitungen für seine Abreise. Noch am selben Abend traf jedoch ein Bote aus Konstantinopel ein: Michael sei nach einem Staatsstreich seitens einiger Senatsmitglieder unter Beteiligung des Patriarchen gewaltsam abgesetzt und gezwungen worden, in der Hagia Sophia Zuflucht zu suchen. Zuerst hielten sowohl Isaak als auch Psellos das Ganze für ein bloßes Gerücht. Als jedoch weitere Boten mit derselben Nachricht eintrafen und immer mehr Einzelheiten erzählten, ließen sie sich überzeugen. Psellos gesteht, er habe in jener Nacht kaum schlafen können. Als Vertreter des abgesetzten Kaisers, welcher sein Bestes getan hatte, um Isaak vom Thron fernzuhalten, war er so gut wie sicher, dass er keine Gnade erwarten durfte. Am nächsten Morgen begrüßte ihn Isaak jedoch mit der üblichen Freundlichkeit und soll ihn sogar gebeten haben, ihm in der Kunst des Regierens als Berater beizustehen.
Am 1. September des Jahres 1057 hielt Kaiser Isaak I. Komnenos in Begleitung von Tausenden, die zu seiner Begrüßung aus der Stadt heraus und über das Marmarameer gesegelt waren, triumphal Einzug in Konstantinopel. Michael der Alte war ein Jahr an der Macht gewesen. Es ist seinem Nachfolger als hohes Verdienst anzurechnen, dass er weder geblendet noch verbannt wurde. Es reichte vollends, dass er abdankte. Wenig später starb er als gewöhnlicher Privatmann.
Es überrascht kaum, dass sich Isaak Komnenos auf seinen Münzen mit gezogenem Schwert in der Rechten abbilden ließ. Er bestieg den byzantinischen Thron mit einer einzigen Absicht: dem Reich so die Größe zurückzugeben, die es ein halbes Jahrhundert zuvor erlebt hatte. Psellos schreibt, er habe sich noch am Abend seines Einzugs in den Palast an die Arbeit gemacht, noch bevor er ein Bad genommen oder sich auch nur umgezogen habe. Er strebte eine vollständige Militärreform an und verfolgte sein Ziel mit Effizienz und Skrupellosigkeit. Das soll nicht heißen, das Kriegsrecht einführte oder sämtliche staatlichen Schlüsselpositionen mit Militärs besetzte. Im Gegenteil, niemand verstand die Gefahr besser als er, die darin lag, wenn sich zu viele siegestrunkene Soldaten untätig in einer reichen und dichtbesiedelten Stadt aufhielten. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand deshalb darin, seine Männer auszuzahlen und nach Hause zu schicken, wo sie auf weitere Befehle warten sollten.  Außerdem verzichtete er darauf, sogleich alle zivilen Beamten und Senatoren aus ihren Ämtern zu entlassen. Er sorgte jedoch dafür, dass die Armee wieder in den Genuß der finanziellen Unterstützung gelangen würde, die ihr Zoe und ihre Familie so lange versagt hatten, und stellte rasch die straffe militärische Ordnung wieder her, in der, wie sich am Beispiel Basileios' II. bestätigt hatte, die einzige Chance für die Sicherheit des Reichs lag.
Doch all dies kostete Geld. Um den großen Schaden, den das Reich in den vorhergegangenen Jahren erlitten hatte, wiedergutzumachen, zögerte Isaak nicht, auch zu sehr radikalen Maßnahmen zu greifen. Er erschrak, als er sah, wie die großen finanziellen Reserven, die sich während der Herrschaft Basileios angehäuft hatten, von den nach ihm Herrschenden vergeudet worden waren (und zwar zur Hauptsache für Geschenke und Schmiergelder für ihre Günstlinge und Luxusartikel für sich selbst). Unverzüglich lancierte er ein großangelegtes Programm zur Enteignung von Landbesitz: Die alten legal erworbenen Besitztümer blieben unangetastet, denn er wollte die Macht seiner eigenen aristokratischen Gesellschaftsschicht ja nicht schmälern. Große Gebiete jedoch, die erst vor kurzem an Günstlinge und Opportunisten übertragen worden waren, ließ er ohne Entschädigung beschlagnahmen. Die Opfer mochten so lautstark protestieren, wie sie wollten. Sie konnten sich nicht dagegen wehren, und sie wußten es.
Dies galt jedoch nur für Ländereien in weltlichem Besitz. Als sich Isaaks Beamte auch kirchlichen Gütern zuwandten, muß ihm klar gewesen sein, dass er damit Schwierigkeiten heraufbeschwor. Michael Kerullarios, der seit seiner Berufung unermüdlich an der weiteren Stärkung seiner Stellung gearbeitet hatte, erfreute sich mittlerweile fast ebenso großer Macht wie der Basileus und vermutlich größerer Beliebtheit. Er hielt sich mit gutem Grund als für Michaels Sturz entscheidend verantwortlich. Isaak verdankte ihm den Thron, und dafür erwartete er ein gewisses Maß an Anerkennung. Der Kaiser war seinerseits auch durchaus bereit, Entgegenkommen zu zeigen, sofern seiner Meinung nach keine direkte Gefährdung der Reichsinteressen bestand. Deshalb überließ er der Kirche die Verwaltung der Hagia Sophia, die zuvor in den kaiserlichen Verantwortungsbereich gehört hatte, und versprach, sich nicht in die geistlichen Angelegenheiten des Patriarchen einzumischen, sofern dieser dasselbe für säkulare Staatsfragen versprach. Die Schwierigkeit lag jedoch in der Frage, wo denn nun genau die Grenze zu ziehen war. Zu diesem Thema hatte Kerullarios seine eigenen, unverrückbaren Vorstellungen, was konkret darin zum Ausdruck kam, dass er zum Zwecke ihrer Durchsetzung ohne Zögern die Konstantinische Schenkung anführte und Isaak mit der Absetzung drohte. Wenn man Johannes Skylitzes glauben darf, soll er bei einer Gelegenheit einmal sogar in des Kaisers Purpurstiefel geschlüpft sein.
Dies ging Isaak nun entschieden zu weit. Solange sich Kerullarios in Konstantinopel aufhielt, konnte er ihm zwar seiner Beliebtheit wegen nichts anhaben. Als er die Stadt jedoch am 8. November des Jahres 1058 verließ, um ein etwas außerhalb der Mauern gelegenes Kloster aufzusuchen, ließ ihn Isaak von den kaiserlichen Wachen ergreifen und in die Verbannung schaffen. Doch selbst in dieser Situation weigerte er sich kategorisch abzudanken. Dem Kaiser blieb keine Wahl, als für ein offizielles Absetzungsurteil zu sorgen. Die dafür erforderliche Synode berief er durchtrieben in einer Provinzstadt ein. Wie erwartet, verkehrten sich dort die Debatten in eine Verhandlung, die einen Schauprozeß gefährlich nahe kam. Die Anklageschrift - zu niemandes Überraschung von Psellos verfaßt - beschuldigte den Patriarchen jeder Art von Häresie, Blasphemie und Laster. Der hartnäckige Patriarch hätte zweifellos eine energische Verteidigung zustande gebracht. Er war aber mittlerweile ein alter Mann und die Belastung zuviel für ihn. Er starb, außer sich vor Wut, aber wohl auch mit gebrochenem Herzen, noch bevor das Urteil gefällt wurde. Zunächst sah es also aus, als wäre Isaak Komnenos als Sieger aus dem Konflikt hervorgegangen. Es zeigte sich jedoch sehr bald, dass der Kampf noch lange nicht zu Ende war. Die Bevölkerung von Konstantinopel, die ihren Zorn über die Verhaftung des beliebten Patriarchen kaum verhehlen konnte, betrachtete ihn schon bald als Märtyrer. Es kam zu Unruhen. Obwohl der "Soldaten-Kaiser" die Ordnung bald wiederherzustellen vermochte, gewann er seine frühere Popularität nie mehr zurück. So stellten sich nur knapp ein Jahr nach seiner Thronbesteigung die Kirche, die Aristokratie der Beamten und die Bevölkerung von Konstantinopel unversöhnlich gegen ihn. Nur gerade das Heer stand bis auf den letzten Mann hinter ihm. Es verteidigte für ihn mit Erfolg die Ostgrenzen, schlug einen entschlossenen Angriff von madjarischer Seite zurück und hielt selbst die gefürchteten Petschenegen in Schach.
Diesmal, schreibt Psellos, habe der Anblick von Isaaks Heer mit seinen lückenlosen Schildreihen den petschenegischen Scharen einen solchen Schrecken eingejagt, dass sie ihre übliche Taktik, den Feind rein durch ihre Zahl zu erdrücken, fallenließen und statt dessen in getrennten Gruppen angriffen. Als dies ebenfalls nichts fruchtete, zerstreuten sie sich mit der Drohung, den Kampf in drei Tagen wieder aufzunehmen. Am dritten Tag nahm Isaak I. die Herausforderung an und marschierte los, um sie zu suchen. Sie waren jedoch nirgends zu sehen. Also gab er sich damit zufrieden, ihr Lager zu plündern und zu zerstören, und kehrte dann mit Beute und Trophäen beladen nach Konstantinopel zurück.
Isaak Komnenos verblüffte alle, die mit ihm in Berührung kamen, mit seinen schier unerschöpflichen Kräften. Ob er im Palast arbeitete oder sich auf einem Feldzug befand, er schien kaum Schlaf oder auch nur eine Ruhepause zu benötigen. Sein einziges Vergnügen war die Jagd, und auch darein stürzte er sich mit demselben unermüdlichen Aktivitätsdrang wie in jede andere Beschäftigung. Gegen Ende des Jahres 1059 zog er sich auf der Jagd das Fieber zu, welches zu seinem frühen Tod führte. Zuerst tat er es als bedeutungslos ab. Sein Zustand verschlimmerte sich jedoch, und nach ein paar Tagen ließ er sich zu Schiff in das Blachernenviertel bringen. Bald stand fest, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Er wollte jedoch unbedingt in den Großen Palast zurückzukehren, bevor er starb. Psellos schreibt:
Hier bewies er, dass er nichts von seiner früheren Haltung eingebüßt hatte. Er verließ sein Gemach, ohne sich auf jemandes Arm zu stützen. Dies war typisch für die unabhängige Art dieses Mannes. Wie eine turmhohe Zypresse unter dem heftigen Schütteln einer Bö schwankte er beim Gehen. Seine Hände zitterten, doch er ging ohne fremde Hilfe. In diesem Zustand bestieg er sein Pferd. Wie es ihm auf dem Ritt erging, weiß ich nicht, denn ich nahm eilends einen anderen Weg, um vor ihm dort einzutreffen. Als er den Palast erreichte, sah ich, dass er außerordentlich aufgeregt war und kurz davor zusammenzubrechen. Alle Familienmitglieder saßen um ihn herum und klagten. Wenn es möglich gewesen wäre, wären sie freiwillig mit ihm gestorben.
Zu diesem Zeitpunkt äußerte der sterbende Kaiser den Wunsch, in den Kirchendienst einzutreten. Seine bulgarische Frau Katharina, Tochter von Johannes Wiadislaw, machte heftige Einwände dagegen, aber er wollte seine Meinung nicht ändern und bestand darauf, sofort einen Nachfolger zu bestimmen. Der einzige Sohn war noch im Kindesalter gestorben. Es blieben seine Tochter Maria, sein Bruder Johannes und fünf Neffen. Seine Wahl fiel jedoch auf niemanden von all diesen, sondern er ließ Konstantin Dukas holen, den aristokratischsten Vertreter aus der Gruppe Intellektueller, die an der Wiederbelebung der Universität ein paar Jahre zuvor an verantwortlicher Stelle mitgewirkt hatten, und vertraute ihm feierlich das Reich an. Darauf ließ er sich ins Studioskloster tragen, zog sich die Mönchskutte über und starb schon wenige Tage später. So zumindest lautet Psellos' Version der Ereignisse. Andere Chronisten erzählen eine leicht unterschiedliche Geschichte, nach der Isaak I. nicht erst auf dem Totenbett, sondern aus freien Stücken abdankte, möglicherweise in einem Anfall von Depression, weil ihm die politischen Probleme über den Kopf zu wachsen drohten. Die Wahrheit läßt sich wie so oft nicht rekonstruieren. Man kann nur sagen, dass die These der freiwilligen Abdankung nach allem, was uns von ihm berichtet wird, kaum zu Isaaks Charakter passen will, und dass Psellos' Schilderung mit ihrem Reichtum an wesentlichen Einzelheiten authentisch zu klingen scheint. Dagegen stellt sich eine viel entscheidendere Frage. Weshalb wählte Isaak nicht einen Soldaten zu seinem Nachfolger auf dem Thron, einen Mann, bei dem er darauf vertrauen konnte, dass er seine Politik weiterfahren würde (zumindest was die Armee anging), die bereits Wirkung gezeigt hatte, statt die Macht einem hoffnungslos unpraktischen und wirrköpfigen Bürokraten zu übergeben, der - wie er gewußt haben muß - alles wieder umkrempeln und die alten Zustände, die unter der Herrschaft von Konstantin IX. herrschten, wiederherstellen würde?
Einmal mehr läßt sich hinter der Geschichte unschwer Psellos' Hand ausmachen. Eine Rückkehr des Beamtentums an die Macht wäre noch zwei Jahre zuvor undenkbar gewesen, nun aber aufgrund der Unbeliebtheit von Isaak Komnenos und des Todes von Michael Kerullarios plötzlich wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Konstantin Dukas war einer seiner ältesten und engsten Freunde - er beschreibt ihn in seiner Geschichte als einen wahren Ausbund an Tugend -, zudem sprach für ihn, wie Psellos uns reichlich hinterfotzig informiert, ein weiterer Umstand für ihn: Andere mögen von seinen herrlichen Erfolgen sprechen, für mich dagegen gibt es nur eine Überlegung, die alles andere überwog: die Tatsache, dass dieser Mann, der ebenso bewundernswert war, wie er zu sein schien, mehr Vertrauen in mein Urteil hatte als in die Intrigen meiner Rivalen. Ob er mehr Beweise für meine Weisheit in meinen Ansichten sah als in denen der anderen oder ob er vielleicht meinen Charakter bewunderte, kann ich nicht sagen. Er war mir jedoch so zugetan, liebte mich soviel stärker als die anderen, dass er jedem Wort aufmerksam zuhörte, dass ich sagte, für geistigen Rat völlig von mir abhing und seine wertvollsten Besitztümer meiner persönlichen Fürsorge übergab. Psellos kann unmöglich dieselbe Macht über Isaak Komnenos gehabt haben wie über Konstantin Dukas, aber er besaß eine ungewöhnliche Überredungsgabe. Wir können praktisch sicher sein, dass den sterbenden (oder, wenn wir das vorziehen, den vollends demoralisierten Kaiser mit irgendwelchen Mitteln dazu brachte, Konstantin zu seinem Nachfolger zu ernennen. Wenn diese Hypothese zutrifft, läßt sich dazu nur eins sagen: dass er sich damit eine große Schuld aufbürdete. Denn es gibt keinen Kaiser in der ganzen Geschichte des Spätrömischen Reichs, dessen Thronbesteigung so verheerende Folgen zeitigte. Man stelle sich vor: Isaak Komnenos wäre gesund geblieben und hätte 20 Jahre regiert statt nur zwei, die Stärke des Heeres wieder auf das Niveau zur Zeit von Basileios II. gehoben und dieses somit zu einem ebenbürtigen Gegner des Feindes gemacht, der an der Ostgrenze bereits seine Kräfte sammelte - und dann das Byzantinische Reich ungeschlagen und in unverminderter Größe direkt seinem Neffe Alexios übergeben können; dann sähe der 3. Band dieser Geschichte ganz anders, viel positiver aus. Doch es sollte nicht sein. Isaaks unzeitiger Tod und die letztlich unerklärliche Wahl seines Nachfolgers machte die erste der beiden großen Katastrophen, die den Fall von Byzanz besiegelten, endgültig unabwendbar.
 
 
 
 

vor 1057
  oo Katharina von Bulgarien, Tochter des Zaren Johannes Wladimir
             nach 1063 als Nonne
 
 
 
 
 

Kinder:

  Manuel Komnenos
          wohl 1057

  Maria Nonne
        † 
 
 
 
 

Literatur:
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BERTELSMANN Lexikon Geschichte 1991 Seite 372 - Browning Robert: Byzanz. Roms goldene Töchter. Die Geschichte des Byzantinischen Weltreiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH Bergisch Gladbach 1982 Seite 94,135 - Bünemann, Richard: Robert Guiskard 1015-1085. Ein Normanne erobert Süditalien. Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln 1997 Seite 35 - Frischler Kurt: Das Abenteuer der Kreuzzüge. Heilige, Sünder und Narren. F:A. Herbig Verlagsbuchhandlung München-Berlin 1973 Seite 265 - Heilig, Konrad Josef: Ostrom und das Deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Erhebung Österreichs zum Herzogtum 1156 und das Bündnis zwischen Byzanz und dem Westreich, in Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters, Anton Hiersemann Stuttgart 1944 Seite 129,230,241 -
Kashdan A.P.: Byzanz und seine Kultur. Akademie-Verlag Berlin Seite 54 - Norwich John Julius: Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1993 Band II Seite 412-415 - Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge, Sonderausgabe in 1 Band Verlag H.C. Beck München 1978, Seite 54,58 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band III Europäische Kaiser-, Königs- und Fürstenhäuser Ergänzungsband, R.G. Fischer Verlag 1994 Tfel 199 -