Exkurs I
Das Erbe der Grafen von Zutphen
1121 zieht LOTHAR
mit Hermann von Winzenburg gegen Münster, um Bischof Dietrich zu helfen.
Nur daraus hat man auf enge Verwandtschaft zwischen Hermann und Dietrich
geschlossen. Winzenburg - das bedeutet die Familien REINHAUSEN und FORMBACH.
Wer käme, so überlegt man sich, als verwandtschaftliches Bindeglied
zwischen den ZUTPHENERN und den REINHAUSEN-WINZENBURG-FORMBACHERN
in Frage? Die Frau Ottos des Reichen (+ 1113) von Zutphen
hieß
Judith
(+
1118). Ihre Herkunft ist unbekannt. Wir suchen, ob sich vielleicht
Beziehungen finden lassen. Verbindungen zu Bayern waren gegeben, seit Konrad,
der Sohn des Pfalzgrafen Ludolf
und der Mathilde von Zutphen,
unter HEINRICH III. Herzog von Bayern
geworden war. Konrad brachte ganz Bayern in Aufruhr gegen den Kaiser und
ging dann ins Exil nach Ungarn. Zu den aufständischen Herren gehörten
die SCHWEINFURTER und auch die FORMBACHER, die im 11. Jahrhundert zum Teil
ausgesprochen kaiserfeindlich eingestellt waren; der FORMBACHER Ekbert
wird sich 1077 ebenfalls nach Ungarn retten. Auf diese Weise fände
auch der bayerische Name des
Grafen Rupert von
Zutphen eine Erklärung. Er könnte dann neben Heinrich,
dem Letzten des Geschlechts, und Bischof Dietrich als möglichem
ZUTPHENER ein dritter Sohn von Otto und Judith sein,
der aber wohl um 1120 ebenfalls gestorben sein muß. Aber diese Hypothese
ist darum sehr fragwürdig, weil ein
Graf
Rupert bereits im 11. Jahrhundert im Zusammenhang mit Zutphen
vorkommt.
Auffallend ist noch, dass
Otto von Zutphen enge Beziehungen zum
Bistum Paderborn hat; er finanziert dem Kloster Aldinghof den Kauf der
Externsteine. Dass Bischof Dietrich von Münster erblichen Besitz in
Untermeiser, einem alten Gebiet der REINHAUSENER hat, könnte auch
über die "potentielle" Mutter Judith
zu erklären sein.
Im übrigen scheint mir eine direkte winzenburgische Abkunft Bischof
Dietrichs nicht nur deshalb zweifelhaft, weil ihn der so gut unterrichtete
Abt von Reinhausen nicht erwähnt. Die Zutphener Fälschungen mit
dem Namen Dietrichs als Bischof von Münster sind schon Ende des 12.
Jahrhunderts angefertigt worden, also etwa 60 Jahre nach dem Tode des Bischofs
(+ 1127), da die ZUTPHENER über die Genealogie ihres großen
einstigen Herrscherhauses eigentlich noch gut Bescheid wissen mußten.
Hinzu kommt, dass die Grafen bis zu ihrem Aussterben Vögte des Hochstifts
Münster, von St. Mauritz und Überwasser gewesen sind, also einen
massiven Einfluß auch auf die Besetzung des Bistums gehabt haben
können. Die Suche nach Tatsachen, die Ende und Erbschaftsteilung der
Grafen von Zutphen erklären würden, scheint also zu keinem
Erfolg zu führen. Geschehen ist beides, das ist nicht zu bestreiten,
aber mit welcher verwandtschaftlichen Begründung die Erbteilung erfolgte,
wissen wir nicht. Der WINZENBURGER - falls er als Verwandter möglich
gewesen wäre - war bereits 1122 durch den Tod als Bewerber ausgeschieden
- der Name Jutta kommt in der Familie vor. Und die RAVENSBERGER
und die TECKLENBURGER? Hömberg versuchte eine Erklärung, indem
er Judith von Zutphen, Frau
Ottos des Reichen, die ja als
Bindeglied vorrangig in Frage kommen müßte, mit einer in Urkunden
bezeugten Jutta von Limburg identifizierte, geborene Gräfin von Geldern
und späteren Gemahlin Herzog Walrams von Limburg als deren Schwiegersohn
Ekbert von Tecklenburg bezeugt ist. Ihre mit Ekbert verheiratete Tochter,
in den beiden entsprechenden Urkunden ohne Namen geführt, sonst aber
unter dem Namen Adelheid bekannt, sei eine Tochter aus der 1. Ehe der
Jutta mit Otto von Zutphen. Nach dem Tode Ottos habe
sie dann Walram von Limburg geheiratet. Da die Frau des erbenden Hermann
von Ravensberg Jutta hieß, so scheint es Hömberg sicher, dass
sie ebenfalls eine Tochter aus der ersten Ehe Juttas gewesen sei.
Aber diese Rechnung geht nicht auf. An eine zweite Ehe Juttas von Zutphen
ist darum nicht zu denken, weil sie dem Alter nach gar nicht möglich
ist. Jutta von Geldern müßte mindestens 1075 geboren sein, ihr
Sohn Heinrich ist schon 1107 voll handlungsfähig, 1113 stirbt der
Vater, 1114 kämpft er in der kölnischen Fronde gegen HEINRICH
V. Er wäre demnach um 1090 geboren. Mutter Jutta also mindestens
39 Jahre alt gewesen, als sie sich frühestens 1114 mit Walram von
Limburg verheiratete und dann noch, nach Hömberg, zwei Söhne
und eine Tochter bekam, die zwischen 1115/20 geboren sein würden.
Beim Tode der alten Gräfin Jutta
1151 sind aber schon erwachsene
Enkelkinder vorhanden, auch von der limburgischen Tochter Beatrix. Wir
müssen also von den Zutphener Erbtöchtern Adelheid und
Jutta Abschied nehmen.
Auch die Limburger Heirat Ekberts von Tecklenburg führt
uns nicht weiter. Ekbert - das hat Bauermann bewiesen - war der Neffe des
großen Adalbert von Mainz. Ekbert wird Heinrich und Walram von Limburg
in den gemeinsamen Kämpfen gegen HEINRICH
V. kennengelernt und in den Jahren 1115/16 eingeheiratet haben.
Damals kann auch die mögliche enge Freundschaft zwischen Gottfried
von Cappenberg und Ekbert entstanden sein. Wir müssen uns also damit
begnügen, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein erheblicher Teil des reichenZutphener
Erbes - Allodien sogar im fernen Sauerland, westfälische Grafschaften
und Vogteien - in den 20-er Jahren des 12. Jahrhunderts an die Grafen von
Ravensberg und Saarbrücken/Tecklenburg gelangt sind. Dazu gehört
auch die Vogtei über corveyische Güter im Emsland, die die Grafen
von Zutphen einstmals vom billungischen Herzog zu Lehen hatten und die
sich auf die TECKLENBURGER weiter vererbten. Läwen sah sie seinerseits
als Beweis für oberhoheitliche Gerichtsfunktionen Heinrichs des Löwen
an. Petke läßt in seinem neu erschienenen Buch das Problem der
zutpheneischen
Erbschaft unberücksichtigt und kann so auch mit der Existenz der Grafen
von Tecklenburg als Verwandten des Erzbischofs Adalbert I. und "Teilerben"
des zutphenischen Besitzes nichts anfangen.
Aber es ist eine geschichtliche Tatsache, dass das reiche Geschlecht der
Grafen von Zutphen um 1120 ausgestorben ist und dadurch territoriale Veränderungen
entstanden sind, die in der Territorialpolitik des sächsischen Herzogs
damals eine wichtige Rolle gespielt haben müssen.