THÜRINGEN
 

Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 749
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Thüringen, Thüringer
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I. DAS KÖNIGREICH DER THÜRINGER

Die Thüringer, die sich im 4./5. Jh. in dem Raum zwischen Thüringer Becken, unterer Saale und Mulde, mittlerer Elbe und nördlichem Harzvorland als neuer gentiler Großverband formierten, wobei sie möglicherweise an den Namen der hier im 1./2. Jh. ansässigen Hermunduren anknüpften, treten erstmals Ende des 4. Jh. in der schriftlichen Überlieferung als Toringi entgegen. Nach 454, von vorübergehender hunnischer Oberherrschaft befreit und in engen Kontakten mit den Ostgoten und Langobarden stehend, stiegen sie rasch zum mächtigsten germanischen Reich außerhalb der ehemaligen Reichsgrenzen auf. Mit ihrem weiten Herrschaftsgebiet zwischen Donau, oberem Maintal, Werraraum, mittlerer Elbe, Braunschweiger Gegend und Altmark bildeten sie in dem ostgotischen Bündnissystem Theoderichs des Großen den wichtigsten Machtfaktor östlich des Rheins gegen das expandierende Frankenreich. Das enge ostgotisch-thüringische Zusammengehen wurde um 510 mit der Heirat König Herminafrids, des ranghöchsten der drei Söhne der ersten sicher bezeugten thüringischen Königs Bisin, und Theoderichs Nichte Amalaberga besiegelt. Als Theoderichs Tod 526 den Thüringern den ostgotischen Rückhalt nahm, unterwarfen die merowingischen Könige Theuderich I. und Chlothar I. 531 die Thüringer nach einer vernichtenden Niederlage an der Unstrut der fränkischen Herrschaft. Die Königsfamilie wurde durch Flucht, Deportation (Herminafrids Nichte Radegunde) und Mord (Herminafrid 534 in Zülpich) ausgelöscht. Die Folgen für Thüringenwaren weitreichend: Zerschlagung des Thüringer-Reiches, dauerhafter Verlust der politischen Selbständigkeit, Verkleinerung des Siedlungs- und Herrschaftsgebiets auf den seitdem als Thuringia bezeichneten Raum zwischen Harz, westlichen Werraraum, Thüringer Wald und Saale, Zwangsumsiedlung großer Bevökerungsteile und Umorientierung vom gotisch-langobardischem zum galloromanisch-fränkischen Kulturhorizont.

II. THÜRINGEN IN FRÄNKISCHE ZEIT

Trotz überaus lückenhafter Quellenlage lassen schriftliche und archäologische Zeugnisse bereits in merowingischer Zeit ein enge politische und kulturelle EinbindungThüringens in das Frankenreich erkennen. Mehrfache Heereszüge unter königlicher Führung nach Thüringen (555/56,562,596), die Mitwirkung thüringischer Truppen bei den innerfränkischen Auseinandersetzungen 612/13, der Aufenthalt König Dagoberts mit Bischof Arnulf von Metz in Thüringen 623/29, Dagoberts Maßnahmen gegen die Wendengefahr seit 631, Gräber hochgestellter Franken inThüringen sowie die seit Ende des 6. Jh. zunehmenden fränkischen Einflüsse auf das thüringische Grab- und Gebrauchsinventar bezeugen das Gewicht Thüringens als fränkische Grenzregion gegen die zur Saale nachrückenden Slaven und Avaren. Bereits damals dürfte Erfurt zentrale Funktionen für des fränkische Königtum eingenommen haben. Als Herzogtum begegnet Thüringen erstmals mit dem vor 634 von Dagobert I. eingesetzten, wohl fränkischen dux Radulf, der nach seiner siegreichen Empörung gegen den austrasischen König Sigibert III. 641 eine selbständige, quasi königliche Stellung in Thüringen behauptete. In den folgenden Jahrzehnten innerfränkischer Wirren entglitt Thüringen weiter der fränkischen Oberherrschaft. Spätestens um 700 gelangte es unter Einfluß des in Würzburg residierenden Herzogs Heden, der eine Mainfranken, das Grabfeld und Thüringenumfassende Herzogsherrschaft ausübte und 704/16 durch Schenkungen in Inner-Thüringen (Arnstadt, Großmonra) und im Grabfeld den angelsächssichen Bischof Willibrord zur Missionsarbeit in Thüringen zu gewinnen suchte.
Nach dem gewaltsamen Ende Hedens 717/19 wurde Thüringenunter den KAROLINGERN erneut und weit intensiver von fränkischer Herrschaft erfaßt. An die Stelle politisch-administrativer Zusammenfassung unter einem dux trat wohl noch vor 780 die Einführung der Grafschaftsverfassung. Seit 722/25 schuf Bonifatius mit päpstlicher Vollmacht und im Zusammenwirken mit der christianisierten thüringischen Oberschicht und den karolingischen Hausmeiern die Grundlagen der thüringischen Kirchenorganisation und der Einbeziehung Thüringens in die fränkische Reichskirche. Folgenreich war neben dem Bau von Klöstern und Kirchen (Ohrdruf, Erfurt, Sülzenbrücken) vor allem die Gründung eines für Thüringen bestimmten Bistums in Erfurt. Seine kurz nach 700 von Bonifatius selbst vorgenommene Aufhebung und Eingliederung in die Diözese Mainz und bildete den Ausgangspunkt für die spätere Territorialherrschaft des Mainzer Erzbischofs in Thüringen. Großen Anteil an der kirchlichen Erschließung Thüringensbesaßen auch die 744 bzw. 769/75 gegründeten Kloster Fulda und Hersfeld. Sie bildeten nach ihrem Übergang an KARL DEN GROSSEN 774/75 eine wesentliche Stütze des Königtums, das mit einem dichten Netz von Königsgütern, mit fränkischer Siedlung und mit einem Burgensystem im Hochseegau die fränkische Herrschaft in Thüringen zum Schutz gegen die vordringenden Sachsen und Sorben weiter verstärkte. Der "locus regalis" Erfurt fungierte als wichtigste königliche Pfalz und als zentraler, 805 der Aufsicht eines Königsboten unterstellter Kontrollort für den fränkisch-slavischen Handel. Der große, 786 von Thüringen ausgehende Hardrad-Aufstand und die Aufzeichnung der Lex Thuringorum 802/03 im Auftrag KARLS DES GROSSEN zeigen, dass trotz vielfältiger fränkischer Einflußnahme starke gentile Traditionen in Thüringen fortlebten und einen politischen Faktor bildeten. Möglicherweise trug auch dies dazu bei, dass Thüringen bei den zahlreichen Reichsteilungensprojekten und tatsächlichen Teilungen des 9. Jh., obgleich zunächst weder als regnum noch als ducatus zusammengefaßt, durchweg einen klar definierten Reichsteil darstellte. Mit der wachsenden inneren Instabilität des großfränkischen Reiches, dem zunehmenden Druck von Slaven und Ungarn auf die östlichen Grenzen und mit der Verfestigung des Ostfränkischen Reiches Ludwigs des Deutschen nach 833/34 gewann Thüringen als Grenzregion und als integraler ostfränkischer Reichsteil erneut an politischem Gewicht. Schon 839 wurde Thüringen als ducatus zusammengefaßt und unterstand gemeinsam mit den vorgelagerten Marken - diese wurden seit 849 als Sorbenmark bzw. limes Sorabicus neu organisiert - bis 908 kontinuierlich hohen Amtsträgern im Range eines dux oder marchio. Anders als in den Nachbarräumen entstammten die thüringischen Markherzöge des 9./frühen 10. Jh. fast druchweg landfremden Adelsfamilien, zuletzt den rivalisierenden ostfränkischen BABENBERGERN und KONRADINERN. Neben diesen griffen seit dem Tode Ludwigs des Deutschen (876) von Norden her zunehmend auch die mit den KAROLINGERN und BABENBERGERNversippten sächsischen LIUDOLFINGER (OTTONEN) nach Thüringen aus. Sie verfügten nicht nur über Hausgüter im nördlichenThüringen und im Eichsfeld, sondern gewannen unter Herzog Otto von Sachsen (+ 912) mit dem Laienabbiat des Klosters Hersfeld erheblichen Einfluß im gesamten thüringischen Raum. Damit war die Stellung der LIUDOLFINGER in Thüringen so stark geworden, dass seit Herzog Otto und dessen als "Saxonum et Turingorum praepotens dux" bezeichneten Sohn und künftigen König HEINRICH I. das thüringische Markherzogtum nicht mehr erneuert wurde. Thüringen als ein Raum, in dem sich möglicherweise wegen der mächtigen Stellung des Königs der Klöster Fulda und Hersfeld sowie des Mainzer Erzbischofs keine Familie von Herzogsrang formieren konnten, bildete somit zu Beginn des 10. Jh., das heißt in der Entstehungszeit des sogenannten "jüngeren Stammesherzogtums", die einzige Großregion des Ostfränkischen Reiches auf gentiler Grundlage, die weder als Dukat zusammengefaßt noch von einer eigenen Führungsspitze politisch repräsentiert wurde.

III. OTTONISCH-SALISCHE ZEIT

Mit dem Übergang des ostfränkischen Königtums an die LIUDOLFINGER rückte Thüringen in unmittelbare Nähe der neuen königlichen Kernlandschaften im östlichen Sachsen; zugleich wandelte es sich infolge der ottonischen Ost- und Missionspolitik von einer Grenzregion zu einem Binnenraum und wurde zur Ausgangsbasis für die politische und kirchliche Integration der neueroberten slavischen Gebiete zwischen Saale und Elbe. Dem breiten Gürtel königlicher Pfalzen von Nordhausen bis Merseburg im Norden als einer Zone unmittelbarer Königsherrschaft standen in der Mitte und im Süden Thüringensmit Arnstadt, Ohrdruf, Wechmar, Heiligenstadt, Mühlhausen, Gebesee, Erfurt, Saalfeld, Dornburg und Kirchberg (bei Jena) zahlreiche weitere. meist häufiger aufgesuchte Pfalzorte gegenüber. Die für die slavischen Missionsgebiete 968 neu gegründeten Bistümer Magdeburg, Merseburg und Zeitz wurden vom Königtum mit umfangreichen Gütern in Thüringen ausgestattet. Ihre Gründung führte zugleich zur Festlegung der im Osten noch offenen Mainzer Bistumsgrenze an der Saale und im Orlagau. Gleichfalls auf den König gingen die wichtigsten Klosterstiftungen des 10. Jh. in Thüringen, Nordhausen und Memleben, zurück. Auch unter OTTO I. und seinen Nachfolgern wurde das 908 erloschene thüringische Markenherzogtum nicht erneuert. Statt dessen kam es zur Einsetzung einheimischer Adelsfamilien als Grafen, von den als mächtigste die EKKEHARDINGER und die Grafen von Weimarauch als Markgrafen in den neu eingerichteten, 985 in der Mark Meißen zusammengefaßten Marken östlich der Saale tätig wurden. Vergleichsweise unbedeutend war demgegenüber die Rolle des Mainzer Erzbischofs. Doch scheint dieser noch vor 1021/31 in Erfurt unter ungeklärten Umständen die Königspfalz sowie die königliche Münz-, Markt- und Zollrechte erlangt zu haben. Dass das in karolingischer Zeit erkennbare, in älteren gentilen Traditionen wurzelnde thüringische Eigenbewußtsein trotz der engen Anbindung Thüringens an Sachsen und der Aufhebung des thüringischen Dukats fortlebte und Schwächephasen des ottonischen Königtums politisch wirksam wurde, zeigen die thüringische Herzogswahl Markgraf Ekkehards von Meißen um 1000 und die eigenes für die Thüringerunter Führung Graf Wilhelms II. von Weimar anberaumte Nachwahl König HEINRICHS II. 1002, bei der die Thüringer große königliche Zugeständnisse erreichten.
Gegenüber der ottonischen Zeit mit ihrer Fortsetzung und Intensivierung der in fränkischer Zeit entstandenen Macht- und Herrschaftsverhältnisse in Thüringenbrachte die SALIER-Zeit tiefgreifende Umbrüche. Die Schwierigkeiten für die salischen Könige, die bisherigen königlichen Kernräume in O-Sachsen und Thüringen zu sichern, erwiesen sich trotz des zunächst erfolgreichen Aufbaus einer Königslandschaft im Harzumland mit Goslar durch KONRAD II. und HEINRICH III. kaum mehr als lösbar, als nach dem frühen Tode HEINRICHS III. 1056 und der Minderjährigkeit HEINRICHS IV. Sachsen und Thüringenseit 1069 und vollends nach dem Ausbruch des Invesiturstreits zum Zentrum der Fürstenopposition gegen HEINRICH IV. und HEINRICH V. wurden. Nach dem sächsisch-thüringischen Bündnis von 1073 und dem auf Thüringen und Sachsen konzentrierten Gegenkönigtum RUDOLFS VON RHEINFELDEN (1077-1080) ging Thüringen dem Zugriff HEINRICHS IV. weitgehend verloren. Die Rückgewinnungsversuche HEINRICHS V. scheiterten nach anfänglichen Erfolgen endgültig 1115 mit seiner Niederlage am Welfesholz. Der sich vor 1056 andeutende, nach 1056/69 beschleunigte Rückzug des Königtums aus Thüringen öffnete anderen Kräften den Raum und legte mit Grund für die künftige territoriale Zersplitterung Thüringens. Während die führenden einheitlichen Adelsfamilien des 10. Jh. ausstarben (zuletzt 1112 die Grafen von Weimar), formierten sich seit der 2. Hälfte des 11. Jh. zahlreiche neue, vom Königtum weitergehend unabhängige gräfliche Herrschaften (wie der Grafen von Schwarzburg-Käfernburg, Tonna-Gleichen, Klettenberg, Beichlingen, Ho[h]nstein u.a.), unter denen die SCHWARZBURG-KÄFERNBURGER und vor allem die vor der Mitte des 11. Jh. als Mainzer Lehnsleute zugewanderten LUDOWINGER die mächtigsten waren. Letzteren gelang es bereits unter Ludwig dem Bärtigen (+ um 1080) und Ludwig dem Springer (+ 1123), durch geschickte Heirats- und Besitzpolitik von ihrer Rodungsherrschaft bei Friedrichsroda aus mit dem Erwerb von Sangerhausen, der Wartburg und der Neuenburg das Thüringer Becken weiträumig zu übergreifen und in Gegnerschaft zum salischen Königtum eine bedeutende Machtposition aufzubauen. Gleichzeitig hiermit verlief der Aufstieg der Mainzer Erzbischöfe zur zweiten großen territorialen Kraft in Thüringen. Ausgehend von den alten Stützpunkten Erfurt, Dorla, Heiligenstadt und Jechaburg, an denen spätestens um 1100 die fünf Mainzer Archidiakonate in Thüringen eingerichtet wurden, bauten die Erzbischöfe, allen voran Siegfried I. und Adalbert I., gezielt eine mächtige geistliche Landesherrschaft in Thüringen auf, als deren Mittelpunkt Erfurt fungierte, das spätestens Mitte des 11. Jh. ganz unter Mainzer Herrschaft gelangt war und rasch zur größten Stadt des gesamten mitteldeutschen Raumes aufstieg. Eng mit den gewandelten Herrschaftsverhältnissen und der Opposition gegen das salische Königtum verbunden war das Ausgreifen neuer monastischer Strömungen nach Thüringen. Bedeutende Klosterneugründungen waren Saalfeld, wo Erzbischof Anno II. von Köln 1071/72 das Siegburger Mönchtum einführte. St. Peter in Erfurt, da die Mainzer Erzbischöfe 1072/92 zunächst siegburgisch, dann hirsauisch reformierten, und das 1085 gegründete, hirsauisch geprägte ludowingische Hauskloster Reinhardsbrunn. In bemerkenswerter Weise blieben auch in dieser Zeit beschleunigter herrschaftliche Zersplitterung die alten gemeinschaftsstiftenden Traditionen lebendig und politisch wirksam (gemeinsames Vorgehen der Thüringer gegen die Mainzer Zehntforderungen in den 60-er/70-er Jahren des 11. Jh., große Zusammenkünfte der Thüringer auf ihrem alten Versammlungsplatz der Tretenburg beie Gebesee 1073,1123). Sie trugen entscheidend dazu bei, dass Thüringen trotz des Fehlens einer integrierenden Obergewalt weiterhin eine historisch-politische Einheit blieb.

IV. THÜRINGEN IN LUDOWINGISCHER ZEIT

Auf die derart umschriebene und zusammengehaltene "provincia"Thüringen bezog sich die 1130/31 von König LOTHAR III. neu geschaffene Landgrafschaft Thüringen. Sie diente nach dem weitgehenden Rückzug des Königtums der königlichen Stellvertretung in Thüringen in der Landfriedenswahrung und er höchsten Gerichtsbarkeit. 1131 dem LUDOWINGERLudwig I. (+ 1140) als erbliches Reichslehen übertragen, zielte sie zugleich darauf ab, die dominierende Stellung der LUDOWINGER, die 1122 durch den Erwerb umfangreicher Herrschaftsrechte in N-Hessen weiter angewachsen war, zu legitimieren und in die Herrschaftsordnung des Reiches zu integrieren. Mit der Landgrafschaft war erstmals seit langem wieder eine Obergewalt für Thüringen geschaffen. Als Inhaber dieser übergräflichen, herzogsähnlichen Würde wurden die LUDOWINGER, die spätestens um die Mitte des 12. Jh. in den Kreis der Reichsfürsten aufstiegen, für über ein Jahrhundert zur bestimmenden politischen Kraft. Der Übergang Landgraf Ludwigs I. 1138 auf die staufische Seite und die Heirat (um 1150) seines Sohnes Landgraf Ludwig II. mit einer Halbschwester FRIEDRICHS I. leiteten ein enges staufisch-ludowingisches Zusammengehen ein, das mit kurzen Unterbrechungen bis 1243 anhielt. Während das staufische Königtum unter FRIEDRICH I. mit gezielter Königsgutpolitik im nördlichen Thüringen (Kyffhäuser), dem städtischen Ausbau von Mühlhausen, Nordhausen und Saalfeld (seit 1180) sowie mit der verstärkten Inanspruchnahme von Erfurt als bevorzugtem Aufenthaltsort sein Interesse an Thüringenbekundete, stieg der weite ludowingischeHerrschaftskomplex zum wichtigsten Machtfaktor in der Mitte des Reiches auf und gewann im Konflikt Kaiser FRIEDRICHS I. mit Heinrich dem Löwen, im staufisch-welfischen Thronstreit und im Kampf Kaiser FRIEDRICHS II. mit dem Papsttum größtes politische Gewicht. Landgraf Ludwig III. (1172-1190) konnte 1179/80 als Lohn für seine STAUFER-Treue die Pfalzgrafschaft Sachsen (im wesentlichen den Hassegau) als zweites Reichslehen erwerben. Sein Bruder Landgraf Hermann I. (1190-1217) suchte nach 1198 durch häufigen staufisch-welfischen Parteiwechsel territoriale Gewinne zu erzielen, machte aber Thüringen zum Schauplatz der meisten militärischen Auseinandersetzungen des Thronstreits. Das 1211 mit den Königen von Böhmen und Ungarn und den ANDECHS-MERANIERN geschlossene anti-welfische Bündnis, in dessen Zusammenhang Hermanns Sohn Ludwig IV. (1217-1227) mit der ungarischen Königs-Tochter Elisabeth verlobt wurde, leitete die Wende zugunsten FRIEDRICHS II. ein. Ludwig IV. erwirkte 1226/27 von FRIEDRICH II. für sich bzw. seinen Sohn Hermann II. die Eventualbelehnung mit den Marken Meißen und Lausitz und eröffnete damit die Aussicht auf ein ludowingischesHerrschaftsgebiet zwischen Oder und oberer Lahn. Sein Bruder HEINRICH RASPE (1227-1247) stand nach dem erneuten Ausbruch des päpstlich-kaiserlichen Konflikts 1237/38 zunächst auf seiten FRIEDRICHS II. Dieser bestellte ihn 1241 zum Reichsverweser und sicherte ihm 1243 in einer Eventualbelehnung für Heinrich dem Erlauchten den Übergang der ludowingischen Reichslehen an die in weiblicher Linie von den LUDOWINGERN abstammenden wettinischenNachkommen zu. Durch päpstliche Vergünstigungen, finanzielle Leistungen und die Aussicht auf die Königswürde zum Parteiwechsel gewonnen, wurde HEINRICH RASPE nach der 1245 erfolgten Absetzung FRIEDRICHS II. am 22. Mai 1246 von wenigen geistlichen Reichsfürsten zum König gewählt. Mit seinem kinderlosen Tod am 16. Februar 1247 auf der Wartburg starben die LUDOWINGER im Mannesstamm aus.
Trotz ihrer wachsenden reichspolitischen Bedeutung waren die Landgrafen innerhalb Thüringens von einer geschlossenen Landesherrschaft weit entfernt. Da sich die Mainzer Erzbischöfe mit ihrem umfangreichen Territorium und Erfurt als wichtigstem städtischen Zentrum dem landgräflichen Herrschaftsanspruch entzogen, konnten die zahlreichen kleineren Herrschaftsträger in Thüringen dank einer geschickten Schaukelpolitik ihre Unabhängigkeit weitgehend bewahren. Dennoch gelang den LUDOWINGERN unter allen Herrschaftsträgern in Thüringen einschließlich des Erzstiftes Mainz der wirkungsvollste Aufbau einer Territorialherrschaft. Als bevorzugtes Mittel dienten ihnen neben zahlreichen, fast das gesamte Thüringen erfassenden Kirchen- und Klostervogteien ein gezielter Burgenerwerb und eine planmäßige, eng auf die Burgen bezogene Städte- und Städtegründungspolitik. Eng damit verbunden war der Aufbau einer umfangreichen, über die gesamte Landgrafschaft verteilten Ministerialität, an deren Spitze die Inhaber der erstmals 1178 bezeugten Hofämter standen. Das fürstliche Selbstverständnis der Landgrafen dokumentierten der an kaiserlichen Pfalzbauten orientierte Ausbau der Wartburg, Runneburg (Weißensee) und Neuenburg seit der 2. Hälfte des 12. Jh. und das literarische Mäzenatentum Hermanns I. Während sich die Landgrafen gegenüber den von ihren territorialen Rivalen geförderten Zisterziensern (Walkenried, Volkenroda, Georgenthal) eher zurückhaltend verhielten, traten sie im 13. Jh. als wichtigste Förderer des Deutschen Ordens (zwei thüringische Hochmeister: Hermann von Salza, Landgraf Konrad) auf. Das rasche Vordringen der neuen religiösen Armutsbewegungen des 13. Jahrhunderts nach Thüringen, wo sie ihr Zentrum seit den 20-er Jahren in den großen Mendikantenkonventen und Beginengemeinschaften Erfurts fanden, wird am Beispiel der Landgräfin Elisabeth (1207-1231) am eindruckvollsten sichtbar. Ihre Heiligsprechung 1235 und feierliche Ergebung 1236 schuf mit der Deutschordensniederlassung an ihrer Grablege in Marburg nach Reinhardsbrunn das zweite große religiöse Zentrum der LUDOWINGER. Außerhalb der Landgrafschaft gelegen, wurde es nach HEINRICH RASPES Tod mitsamt den hessischen Territorien der LUDWOWINGER von Thüringen losgelöst.

V. THÜRINGEN IM SPÄTMITTELALTER

Heinrich dem Erlauchten gelang es, seine mit der Eventualbelehnung von 1243 erworbenen Erbansprüche im sogenannten thüringisch-hessischen Erbfolgekrieg gegenüber dem thüringischen Adel dem Erzbischof von Mainz und Sophie von Brabant, Tochter Ludwigs IV., durchzusetzen und die landgräfliche Oberhoheit und das ludowingisches Erbe in Thüringen für die WETTINER zu gewinnen. Für die Landgrafschaft und damit in vieler Hinsicht auch für Thüringen bedeutete dies den Verlust der fürstlich-dynatische Selbständigkeit, die Loslösung von Hessen und die Umorientierung nach Osten auf die wettinischen Kernräume östlich von Saale und Elbe. Die Durchsetzung der wettinischen Vorherrschaft in Thüringen gestaltete sich als ein langwieriger Prozeß, der sämtliche anderen politischen Kräfte Thüringens sowie lange Zeit auch das Königtum miteinbezog, die territoriale Zersplitterung des thüringischen Raumes allerdings keineswegs aufheben konnte. Andererseits blieb auch in wettinischer Zeit die Landgrafschaft über alle politischen Wechselfälle und territorialen Verschiebungen hinweg die wichtigste Klammer für den Zusammenhalt Thüringens als geographisch-historische Einheit.
Nachdem inner-wettinische Streitigkeiten 1277 zur Einschaltung des Königtums, 1286 zur Einrichtung eines königlichen Landfriedens in Thüringen und 1289/90 zum unmittelbaren Eingreifen König RUDOLFS VON HABSBURG (Hoftag in Erfurt) geführt hatten, bot 1294 der Verkauf der Landgrafschaft Thüringen durch Landgraf Albrecht den Entarteten, Sohn Heinrichs des Erlauchten, an König ADOLF VON NASSAU dem Königtum die Möglichkeit, Thüringen unmittelbar für das Reich einzubehalten. Dies führte unter ADOLF VON NASSAU 1294/95 und ALBRECHT VON HABSBURG nach 1304 zu massiven königlichen Eingriffen inThüringenund zeitweilig zu fast völliger Verdrängung derWETTINER. Die Niederlage königlicher Truppen gegen ein wettinisches Aufgebot 1307 bei Lucka und die König HEINRICH VII. gewährte wettinische Zustimmung zum Übergang Böhmens an die LUXEMBURGER bewirkten 1310 die Annullierung des Kaufgeschäfts von 1294 und den definitiven Verzicht des Königtums auf Thüringen. Für die WETTINER, das heißt für Albrechts des Entarteten Sohn und Alleinerben Friedrich den Freidigen (+ 1323), seit1307/08 faktischer Inhaber der Landgrafschaft Thüringen, des Pleißenlandes und der Mark Meißen, waren erst jetzt die Voraussetzungen für den kontinuierlichen Aufbau einer Oberherrschaft in Thüringengesichert.
In den folgenden Jahrzehnten bildete das nur kurzzeitig 1368/72 getrübte, enge Verhältnis der wettinischen Landgrafen zu den Kaisern LUDWIG DEM BAYERN und KARL IV. eine der wichtigsten Grundlagen, die Vorherrschaft in Thüringenzu erringen und den thüringischen Herrschaftsbereich erheblich über die Grenzen Thüringenszu erweitern. Das von den WITTELSBACHERN 1349 betriebene Gegenkönigtum Graf GÜNTHERS XXI. VON SCHWARZBURG gegen KARL IV. blieb Episode. In den Fehden, die Thüringen angesichts der unsicheren inneren und äußeren Situation und der vielen Herrschaftsträger nahezu das gesamte 14. Jh. hindurch heimsuchten, setzten Landgraf Friedrich der Freidige und sein ab 1328 selbständig regierender Sohn Friedrich der Ernsthafte (+ 1349)zunächst vor allem das Mittel des Landfriedens (1308,1310,1315,1338) ein. Endgültig gesichert war die wettinischeVorherrschaft aber erst, nachdem sich Friedrich der Ersthafte mit Hilfe Erfurts im sogenannten Grafenkrieg 1342-1346 gegen den fast geschlossenen Widerstand der übrigen Kräfte Thüringens unter Führung des Erzbischofs von Mainz durchgesetzt hatte. Während sich Mainz bis auf seine Stellung in Erfurt weitgehend aus Thüringen zurückzog und sich auf das Eichsfeld konzentrierte, die Grafen von Schwarzburg ihre Positionen an der mittleren Saale verloren und die Grafen von Gleichen und von Weimar-Orlamünde zur Bedeutungslosigkeit herabsanken - Weimar fiel 1346 an die WETTINER -, bauten die WETTINER, die zuvor schon an der mittleren Saale das Erbe der Herren von Lobdeburg an sich gebracht hatten, ihre territorialen Rechte in Thüringen weiter aus. Gleichzeitig kam es zu erheblichen territorialen Gewinnen außerhalb der Landgrafschaft: Coburg (1347), Hildburghausen (1374), Plessenland (mit Altenburg) seit 1370 und endgültig 1372/73. Wichtigste Kräfte des herrschaftlichen noch immer sehr zersplitterten thüringischen Raumes neben den WETTINERN waren die auf mehrere Linien verteilten Grafen von Schwarzburg, die 1356 durch Erbverbrüderung mit den Grafen von Honsteinim nördlichenThüringenSondershausen und Frankenhausen erwarben, sowie die 1304 aus den größten thüringischen Städten Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen gegründete thüringische Dreistädtebund. mehr noch als in territorialer Hinsicht erwies sich Erfurt dank seiner Wirtschaftskraft und geistigen Blüte als das alles überragende städtische Zentrum. 1392 wurde die Erfurter Universität gegründet.
Hatte sich das Ausbleiben von Erb- und Länderteilungen nach 1263/88 für die WETTINER fast ein Jahrhundert hindurch als stabilisierender Faktor erwiesen, so folgte mit der durch den Tod Friedrichs des Strengen (1381) bedingten Chemnitzer Teilung von 1382 ein bis zur Leipziger Teilung von 1485 reichendes Jahrhundert dynastischer Teilungen und häufiger wettinischer Herrscherwechsel. Sie führten zusammen mit den seit den 30-er Jahren zunehmenden Einfällen der Hussiten auch im 15. Jh. zu großer politischer Instabilität. 1382 ging die Landgrafschaft Thüringen mit Ausnahme weniger, der osterländischen Linie geleisteten Abtretungen (Freyburg, Dornburg, Jena, Orlamünde) unverändert als selbständiges Fürstentum an Landgraf Balthasar (+ 1406) und dessen Sohn Friedrich den Friedfertigen (+ 1440) über. 1440 fiel sie an die Brüder Friedrich II. (+ 1464) und Wilhelm III. (+ 1482) aus der allein überlebenden 1423 mit Kursachsen (Wittenberg) belehnten osterländisch-kursächsischen Linie. Die Altenburger Teilung 1446 und der sogenannte Sächsische Bruderkrieg 1446-1451 brachten die Landgrafschaft Thüringen zusammen mit den hennebergischen Erwerbungen (Coburg) und Teilen des Osterlandes (Weißenfels, Jena) an den jüngeren BruderWilhelm III. Dessen erbenloser Tod 1482 führte 1485 in Leipzig zu einer erneuten, nunmehr definitiven Teilung unter Friedrichs II. Söhnen Ernst (+ 1486)und Albrecht (+ 1500). Sie wies Herzog Ernst als Begründer der ernestinischen Linie neben Kursachsen und dem Westteil des Osterlandes (Altenburg, Weida, Plauen) den Großteil der Landgrafschaft Thüringen zu; Herzog Albrecht erhielt von der Landgrafschaft einen schmalen, von Ekkardsberga über Weißensee bis Langensalza reichenden nördlichen Streifen. Die Leipziger Teilung sprengte damit erstmals die Grenzen der alten Landgrafschaft Thüringen, löste Thüringen aus der Gemeinschaft der wettinisch-meißnischen Länder und bildete die Grundlage für die Ausbildung der frühneuzeitlichen sächsisch-ernestinischen Staaten.
Bis auf die Schwarzburger Grafschaften, die zusammen mit dem großen Erfurter Territorium gleichsam einen Riegel in der Mitte Thüringens bildeten, sowie die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen und einige kleinere geistliche und weltliche Territorien umfaßte die wettinische Landgrafschaft im 15. Jh. einen Großteil des thüringischen Raumes. Der Schwerpunkt verlagerte sich dabei von Eisenach/Wartburg, das um 1390/1425 vor allem mit Johannes Rothe das Zentrum thüringischer Landesgeschichtsschreibung bildete, über Gotha nach Weimar, das im 15. Jh. zur Hauptresidenz aufstieg. Dank der seit Mitte des 14. Jh. systematisch ausgebauten Ämterverfassung, als deren Mittelpunkte vor allem die zahlreichen landgräflichen Burgen und Stäte dienten, gelang eine weitgehend geschlossene Landesherrschaft. Sie schloß auch zahlreiche nicht landesherrliche Klöster und Stifte innerhalb der Landgrafschaft mit ein und führte, begünstigt durch die territorialpolitischen Entmachtung des Mainzer Erzbischofs, namentlich unter Wilhelm III., zu einem von religiösen Reformbemühungen getragenen landesherrliches Kirchenregiment, für das unter anderem die Landesordnung von 1466, das sogenannte Sittenmandat von 1452 und Reformmandate für geistliche Gemeinschaften kennzeichnend waren. Die Erfurter Universität, das Erfurter Kartäuserkloster, die reformierten Augustinereremiten und das  1447/51 reformierte Erfurter Peterskloster (wichtigstes Zentrum der Bursfelder Kongregation) schufen ein Klima religiöser Erneuerung und kirchlicher Reform, das im Zusammenwirken mit dem weiterentwickelten wettinischen Kirchenregiment eine der wesentlichen Grundlagen für die Entstehung und rasche Ausbreitung der Reformation in Thüringen bildete.

Bibliographie und Literatur:
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W. Leist, Landesherr und Landfrieden in Th. im SpätMA 1247-1263, 1975 - S. Lorenz, Studium Generale Erfordense. Zum Erfurter Schulleben im 13. Jh. und 14. Jh., 1989 - B. Streich, Zw. Reiseherrschaft und Residenzbildung. Der wettin. Hof im späten MA, 1989 - M. Schulze, Fs.en und Reformation, 1991 - H.M. Harnasch, Th. in der Politik Ks. Karls IV., ADipl 39, 1993, 319-326 - P. Moraw, die ältere Univ. Erfurt im Rahmen der dt. und europ. Hochschulgesch. (Erfurt. Gesch. und Gegenwart, hg. U. Weiss, 1995), 189-205.


Ehemaliges Land im Südwesten der ehemaligen DDR

Um 400 entstand das Königreich Thüringen der Hermunduren, mit denen sich eingewanderte Angeln und Warnen vereinigten; es reichte vom Harz bis über den Main. Im Jahre 531 erlag es dem Angriff der Franken und Sachsen und der größte Teil des Landes kam unter fränkische Herrschaft. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts geriet Thüringen in den Bereich der sächsischen Herzöge aus dem Geschlecht der LIUDOLFINGER, die dann auf den deutschen Thron gelangten. Im 11. Jahrhundert gelangte das Geschlecht der LUDOWINGER zur führenden Stellung im Lande; es erhielt 1130 die Landgrafenwürde. Ludwig II. der Eiserne (1140-1172), mehr durch die Sage als die Geschichte berühmt, stiftete die Klöster Georgenthal und Ichtershausen. Sein Sohn Ludwig III. der Milde (1172-1190) schloß sich, dem bisherigen Bunde mit Heinrich dem Löwen entsagend, der Bekämpfung desselben an. Der Lohn für diesen Parteiwechsel war 1180 die Verleihung der durch Adalberts von Sommerschenburgs Tod erledigten sächsischen Pfalzgrafenwürde, auf die er jedoch 1181 zu Gunsten seines Bruders Hermann verzichtete. Seine Fehde mit Markgraf Otto von Meißen schlichtete der Kaiser. Da er bei seinem Tode 1190 keine Nachkommen hinterließ, folgte ihm sein Bruder Hermann I. (1190-1217), der gegen Markgraf Albrecht von Meißen, die Erzbischöfe Konrad von Mainz und Adolf von Köln unter anderem zahlreiche Fehden führte und durch seine wiederholten Wechsel im deutschen Thronstreit Thüringen zum Schauplatz des Krieges machte. Sein jugendlicher Sohn Ludwig IV. (1217-1227) beendete als Vormund seines Neffen Heinrichs des Erlauchten die in Meißen und Osterland ausgebrochenen Unruhen, starb aber am 11.9.1227 zu Otranto an der Pest. Für seinen erst 4-jährigen Sohn Hermann II. führte dessen Onkel HEINRICH RASPE die Vormundschaft, der die Landgräfin-Witwe Elisabeth von der Wartburg vertrieb und nach Hermanns Tode 1241 selbst als Landgraf folgte. Obgleich von FRIEDRICH II. zum Reichsverweser bestellt, ließ er sich doch von der päpstlichen Partei verleiten, als Gegenkönig aufzutreten. Nachdem mit HEINRICH RASPES Tode (+ 16.2.1247) der Mannesstamm Ludwigs des Bärtigen erloschen war, ergriff Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen auf Grund seiner Abstammung von Jutta, einer Tochter Hermanns I., sowie der am 30.6.1242 von Kaiser FRIEDRICH II. erhaltenen Eventualbelehnung von der Landgrafschaft Besitz und behauptete sich in dem nun ausbrechenden sogenannten Thüringer Eebfolgestreit sowohl gegen den Widerstand des Adels als gegen die Ansprüche des Grafen Siegfried von Anhalt, ebenfalls ein Enkel Hermanns I. (Weißenfelser Vergleich 1.2.1249), während Sophie, die Gemahlin Heinrichs II. von Brabant und Tochter Ludwigs IV., sich anfangs mit den Allodien in Hessen begnügte. 1250 übertrug sie ihm zu Eisenach nebst der Vormundschaft über ihren zweiten Sohn Heinrich zugleich Hessen und die Wartburg und durch den Ottstädter Vergleich vom 16.5.1254 erhielt er vorläufig auch die Mainzer Lehen in Thüringen. Als Sophie später mit weitergehenden Ansprüchen hervortrat, kam es zu einer neuen Fehde in Thüringen; doch mußte Sophie nach der Niederlage und Gefangennahme ihres Schwiegersohnes Albrecht von Braunschweig (27.10.1263) allen weiteren Ansprüchen auf dieses Land entsagen. Heinrich übertrug die Verwaltung Thüringensseinem Stiefbruder Hermann von Henneberg, später die Landgrafschaft selbst seinem ältesten SohnAlbrecht dem Entarteten. Dieser geriet jedoch in Streitigkeiten mit seinem Bruder Dietrich und seinem Vater, sowie mit seinen Söhnen Friedrich dem Gebissenen und Diezmann. König RUDOLF VON HABSBURG übertrug 1277 den Herzögen von Sachsen und von Braunschweig die Verweserschaft über alle Reichsgüter in Thüringen, nahm 1289 ein Jahr lang seinen Aufenthalt in Erfurt und schützte den Landfrieden mit Strenge. Sein Nachfolger ADOLF VON NASSAU benutzte die Zerwürfnisse im landgräflichen Hause, um sich 1294 von Albrecht die Nachfolge in Thüringen gegen 12.000 Mark Silber zusichern zu lassen und durch einen Krieg dem jungen Landgrafen das Land zu entreißen. Nach ADOLFS Sturz hielt auch sein Nachfolger ALBRECHT I. den Anspruch auf Thüringenaufrecht, aber der Sieg bei Lucka (31.5.1307) und ALBRECHTS baldiger Tod ermöglichten es den BrüdernFriedrich undDiezmann, sich wieder in den BesitzThüringenszu setzen, und im Vertrag von Prag vom 13.12.1310 erkannte HEINRICH VII. FriedrichsErbrecht auf Thüringen und Meißen feierlich an. Doch mußte Friedrich noch 1310-1312 den Widerstand der Städte Erfurt (das nur unter der Schutzherrschaft der Landgrafen stand, während der Erbherr der Stadt der Erzbischof von Mainz war), Nordhausen und Mühlhausen brechen. Sein Sohn Friedrich der Ernsthafte (1324-1349) verdankt seinen Beinamen dem Ernst und der Energie, womit er in der sogenannten Grafenfehde die Grafen von Weimar-Orlamünde, von Schwarzburg und andere thüringische Große zur Unterwerfung unter die landgräfliche Landeshoheit zwang. Von seinen drei Söhnen erwarben Friedrich der Strenge (1349-1381) undBalthasar (1349-1406)durch Heirat, jener mit Katharina von Henneberg, dieser mit Margareta, der Tochter des Burggrafen Albert von Nürnberg, die hauptsächlichsten Teile der Grafschaft Henneberg, die Pflege Coburg, die Ämter Hildburghausen, Heldburg, Ummerstadt und so weiter; Balthasar erbte auch die Grafschaft Käfernburg. In Gemeinschaft mit ihrem dritten Bruder Wilhelm dem Einäugigen (1349-1407) entrissen sie den besiegten Vögten von Plauen 1369 Ziegenrück, Auma und Triptis, kauften die Herrschaft Sangerhausen, schlossen 1373 mit den Landgrafen Heinrich und Hermann von Hessen eine Erbverbrüderung und teilten 1379 ihre Länder so, dass Friedrich das Osterland, BalthasarThüringenund Wilhelm Meißen erhielt. AufBalthasar folgte 1406 sein Sohn Friedrich der Friedfertige, dem aus dem Erbe seines Onkels Wilhelms I. 1410 auch Dresden und ein großer Teil von Meißen zufiel. Nach seinem Tode 1440 fiel Thüringen an seines Vetters Söhne Kurfürst Friedrich II. den Sanftmütigen und Wilhelm III., die anfangs gemeinschaftlich regierten, bis sie ihre Länder durch den Altenburger Vertrag 1445 teilten, wobei WilhelmThüringen erhielt. Da auch er 1482 ohne Erben starb, fiel Thüringen an die Söhne Friedrichs des Sanftmütigen, Ernst und Albrecht, die am 26.8.1485 eine förmliche Landesteilung vornahmen.Thüringen nebst anderen Landesteilen erhielt Kurfürst Ernst. Der damals geschaffene Besitzstand wurde jedoch durch die Wittenberger Kapitulation vom 19.5.1547 gänzlich geändert. Aus diesen Veränderungen entstanden die ernestinischen Herzogtümer, die übrigen wettinischen Teile Thüringens blieben mit dem Kurfürstentum und späteren Königreich Sachsen vereinigt, bis sie 1815 davon abgetrennt wurden.
 
 

HAUS WEIMAR
 
Otto I
Wilhelm I.        -963
Wilhelm II. 963-1003
Wilhelm III. 1003-1039
Wilhelm IV. 1039-1062
Otto II. 1062-1067

LUDOWINGER
 
Ludwig I. der Bärtige
Ludwig II. der Springer 1080-1123
Ludwig I. 1123-1140
Ludwig II. der Eiserne 1140-1172
Ludwig III. der Milde 1172-1190
Hermann I. 1190-1217
Ludwig IV. der Heilige 1217-1227
Hermann II. 1227-1241
HEINRICH RASPE 1241-1247