Jaksch, August: Seite 146,165-166,177,179,184-186
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"Geschichte Kärntens bis 1335."

Statt eines Grafen in Kärnten finden wir nunmehr deren drei, wie schon 975 Graf Ratold von Friesach einer derselben ist. Die Grafschaft umfaßte Mittel-Kärnten nördlich der Drau, bestehend aus den späteren Landgerichten Dürnstein, Grades, Straßburg, Albeck, Althofen, Eberstein, Osterwitz, MariaSaal, Rollenburg (nördlich der Drau), Reifnitz, Sternberg, Landskron, Wernberg, Treffen, Afritz, Himmelberg, Glanegg, Karlsberg, Annabichl, Nußberg, Kraig und vielleicht auch Reichenau. Als Ratolds Nachfolger haben wir den 1016 uns begegnenden Grafen Wilhelm II. anzusehen, Hemmas Sohn. Auch das Gebiet des späteren Klosters St. Lambrecht lag in dieser Grafschaft.
Nachdem Theophanu dem Kaiser im Sommer 980 den langersehnten Thronerben OTTO III. geschenkt hatte, brach der Kaiser im Oktober nach Italien auf. Am Wege dahin, zu Konstanz am 24. Oktober, belohnte der Kaiser die treuen Dienste des Grafen Wilhelm I. auf dessen Bitten hin durch Schenkung von Königsgut zu freiem Eigen.
Der Besitz, welchen der Gatte der Gurker Stifterin Hemma erhielt, lag in Unter-Steiermark, daher in Karantanien, wenn das auch nicht besonders hervorgehoben ist, in der Grafschaft Rachwins zwischen den Bergen Dobritsch, Stenitz und Wresen und dem Eigengut des Grafen Marchward, begrenzt von der Grafschaft Sanntal. Es ist die spätere Gurker Herrschaft Weitenstein (nördlich Cilli).
Wurde 1014 die enge Verbindung zwischen Kärnten und Bamberg angeknüpft, welche, sich weiterentwickelnd, bis 1759 bestand, so muß es auffallen, daß der Kaiser die wichtigen nach Italien führenden Kärntner Alpenübergänge nicht dem Landes-Herzog Adalbero, sondern dem jungen Bistum Bamberg anvertraute, noch dazu ohne Adalberos hiebei Erwähnung zu tun. Doch haben wir schon gelegentlich der Belehnung Bischof Albums von Brixen durch Kaiser OTTO II. 979 mit Villach die Auffälligkeit hervorgehoben, daß damals nicht der Landes-Herzog Otto diesen wichtigen Ort zu Lehen erhielt. Etwas Ähnliches spielte sich jetzt ab mit dem Unterschiede, daß der Landes-Herzog nicht wie 979 durch Fürbitte seine Zustimmung zum Ausdrucke brachte. Es war übrigens kluge Politik der deutschen Herrscher, die wichtigen Übergänge lieber in der wechselnden Hand von Bischöfen, als in der dauernden weltlicher Geschlechter zu sehen, wie zum Beispiel die wichtige Brennerstraße durch lauter bischöfliche Grafschaften ging.
Bereits im Mai 1013 saß Herzog Adalbero, mit dem Kosenamen Azo genannt, bei Verona in seiner Eigenschaft als Markgraf zu Gericht und wieder im Jänner 1017 zu Asolo (Treviso), woselbst ein Graf Wilhelm II. als Zeuge auftritt, vermutlich der Sohn Wilhelms I., welcher zuletzt 980 erwähnt wurde, und Hemmas, der späteren Stifterin von Gurk. Zwischen Herzog Adalbero und Graf Wilhelm II. herrschten damals (1017) noch gute Beziehungen. Dieser wie jener erfreuten sich der besonderen Gunst Kaiser HEINRICHS II., welcher zu Bamberg im April 1016 auf Bitten seiner Gattin Kunigunde, des Erzbischofs Heribert von Köln und des Bischofs Eberhard von Bamberg den Grafen Wilhelm II. reich beschenkt hatte. Zunächst, am 15. April, erhielt Graf Wilhelm II. in seiner Grafschaft Sanntal dreißig Königshuben in der Drachenburger Gegend und außerdem allen königlichen Besitz zwischen den Flüssen Save, Sann, Sottla und Neiring in Unter-Steiermark und Unter-Krain. Es sind dies die späteren bischöflich Gurker Herrschaften Windisch-Landsberg, Peilenstein, Wisell und Nasenfuß mit Rohitsch, Montpreis, Hörberg und Königsberg südlich von dem 980 seinem Vater Wilhelm I. geschenkten Weitensteiner Gebiet. Wichtiger noch ist die zweite Urkunde vom 18. April. Wilhelm II. empfing vom Kaiser Markt- und Zollrecht für einen ihm beliebigen Ort in seiner Grafschaft Friesach, welche hier das erstemal namentlich genannt wird und Mittel-Kärnten nördlich der Dran umfaßte. Zwentibold, der Ahnherr Wilhelms II. mütterlicherseits, hatte 898 von Kaiser ARNOLF den Hof Gurk (den heutigen Markt) und sonst Besitz im Gurktale sowie Zeltschach, ferner die nachmaligen Herr
schaften Metnitz und Grades erhalten, 975 Wilhelms lI. Großmutter Imma mütterlicherseits Markt-, Münz- und Zollrecht für das in Lieding im Gurktale in der Grafschaft Ratolds, welche wahrscheinlich mit der Friesacher wesensgleich ist, zu begründende Kloster. Kam letzteres auch nicht zustande, so gingen diese Begünstigungen jedenfalls für die Familie nicht verloren. Aus späteren Urkunden wissen wir, daß der Markt, welcher auf Grund des Privilegs von 1016 begründet wurde, der Markt Friesach am linken Ufer des F1usses Metnitz, nördlich vom alten Salzburger Friesach mit dem Petersberg, war, wobei wir Friesach als Gegend, nicht als Ortsnamen zu verstehen haben. Der dann im Besitze Gurks nachweisbare Markt Friesach gehörte daher zum Zeltschacher Gebiete und stieß im Norden an die dem Herzog Adalbero gehörigen Güter, auf welchen später das Kloster St. Lambrecht begründet wurde.
Graf Wilhelm II., Hemmas Sohn, erschien Ende Dezember 1028 in Augsburg vor Kaiser KONRAD II. und bat um eine Bestätigung seines bisherigen Besitzes im Sanngau in Unter-Steiermark, besonders aber des von Kaiser HEINRICH II. 1016 verliehenen Markt- und Zollrechtes in der Grafschaft Friesach. Dieser willfahrte seinem Wunsche über Verwendung der Kaiserin Gisela, HEINRICHS III. und des Patriarchen Poppo. Wenn Adalbero schon außerhalb Karantaniens gegen Aquileja und Trient besondere Ansprüche geltend zu machen suchte, so dürfte der Herzog auch in seinem eigenen Herzogtum sich kaum ruhig verhalten haben. Um sich vor ihm zu sichern, hat Wilhelm II. wahrscheinlich das eben angeführte Privileg beim Kaiser erwirkt.
Doch Adalbero unterlag, wenn er auch noch 1036 in Kärnten einen Aufstand anzettelte und bei dieser Gelegenheit den Sohn der Gräfin Hemma, Wilhelm II., mit eigener Hand tötete. Von einem zweiten Sohn Hemmas, Hartwich, erzählt uns nur die Legende. Tief gebeugt vom Schmerz überlebte die greise Gräfin Hemma den Gatten und den Sohn. Ohne Erben beschloß sie bald darauf, all ihren reichen Eigenbesitz geistlichen Zwecken zu widmen.
Fünf Jahre waren dahingegangen, seit Gräfin Hemmas einziger Sohn Wilhelm II. durch die Hand Adalberos seinen Tod gefunden hatte, als sie sich mit Erzbischof Balduin von Salzburg, Nachfolger des 1041 verstorbenen Thietmar II., ins Einvernehmen setzte, um zu beraten, was mit ihren zahlreichen Gütern bei dem Mangel von Erben und nahen Verwandten zu geschehen habe. Jedenfalls schwebte ihr als Vorbild die Gräfin Wichpurch vor Augen, welche fast ein halbes Jahrhundert früher das Nonnenkloster St. Georgen am Längsee gestiftet hatte. Zugleich gedachte sie ihrer Mutter Imma, welche einst in Lieding 975 ein Kloster zu bauen begonnen hatte. Mit Rat Erzbischof Balduins entschloß sich Hemma, auf hrem weltabgeschiedenen großen Hofe Gurk nächst Lieding ein Nonnenkloster zu errichten und dasselbe in den Schutz der Erzbischöfe zu stellen, welche ja nicht weit davon, in der Gegend des späteren Schlosses Straßburg, geit 864 begütert waren. Außerdem gab Hemma ihren Besitz im Admonttale n der karantanischen Mark an Balduin zur Gründung eines zweiten Klosters, welches erst unter seinem Nachfolger Gebhard 1074 als Benediktinerstift ins Leben trat.
Indessen war auf Hemmas Besitzungen in Kärnten eine ansehnliche Zahl von Kirchen begründet worden, für welche es notwendig war, wie bei den von Tessina-Rapoto 958-991 und von Heimo 991-1023 erbauten Gotteshäusern in Glantschach und St. Martin am Krappfelde, vom Erzbischof das Tauf-, Begräbnis- und Zehentrecht gegen Darangabe von Gütern einzutauschen. Hemma gab 1043 den 6. Jänner in Salzburg die Herrschaften Reichenburg an der Save (Unter-Steiermark), welche König ARNOLF 895 dem Urahnen ihres Gatten Wilhelm I., Waltuni, geschenkt, und Adegliacco in Friaul (nördlich Udine), wofür sie die genannten Rechte für folgende Kirchen ind Kapellen erhielt: im Gurktale Gurk (St. Maria), Glödnitz (St. Michael), Lieding (St. Georg und Martin); am Einfluß der Metnitz in die Gurk St. Radegund am Hohenfeld; im Metnitztale, linkes Ufer: Lorenzenberg, die von Hemma bei ihrem Markte Friesach zu bauen begonnene Kirche, vermutlich Grafendorf (St. Jakob); im Trixner Tale (nordwestlich Völkermarkt), von König ARNOLF 895 an Waltuni gegeben, St. Lambert, St. Georgen am Weinberg und St. Margareten bei Töllerberg.
Schon am 15. August 1043, am Tage der Himmelfahrt Mariens, war Hemma so weit, daß sie den Erzbischof Balduin einladen konnte, um die Weihe der Marienkirche in Gurk und der ersten Äbtissin Ita, welche aus dem Kloster Nonnberg in Salzburg berufen worden war, zu vollziehen. Nach seinem Rate hatte Hemma eine Nonnenkongregation ins Leben gerufen und, wie einst Wichpurch, dieselbe dem Schutze der Salzburger Kirche mit der Bedingung anvertraut, daß, falls ein Erzbischof nach Unterdrückung des Dienstes Gottes die Gurker Kirchengüter entweder an Dienstmannen zu Lehen geben oder für irgendeinen Zweck sich aneignen wollte, Hemmas entfernter Verwandter Aschwin das Recht haben sollte, das Kloster mit allem Zubehör um 15 Goldstücke, also dreimal so viel, als einst Wichpurch für die Wiedereinlösung von St. Georgen am Längsee festgesetzt hatte, aus der erzbischöflichen Gewalt loszukaufen und der früheren Freiheit zuzuführen. Jedenfalls erhielten die Nonnen das Recht, sich in der Folge die Äbtissinnen selbst zu wählen, welche von Fall zu Fall vom Erzbischof zu bestätigen waren, ebenso den weltlichen Vogt, was die 1170/71 verfälschte Gurker Stiftungsurkunde teilweise verschweigt. Als Vogt Hemmas wird uns bei dem Rechtsgeschäft ein sonst unbekannter Switker genannt. Hemma schenkte dem neuen Kloster ihren Gesamtbesitz in Gurk, ferner nach der Altarweihe alles Eigen in der Friesacher Gegend mit dem Markte am linken Ufer der Metnitz und im Gurktale, also auch Zeltschach, Metnitz und Grades, 898 vom Kaiser ARNOLF an Zwentibolch gegeben, ausgenommen gewisse Hörige, welche fast alle unzweilhaft deutsche Namen führen, und ausgenommen das Lehen des Dienstmannen Engildeo bei Friesach, wahrscheinlich das heutige Engelsdorf. Unter Beistand des Vogtes Aribo gab Hemma an demselben Tage (15. August) ihrem Kloster „Heistrichendorf" und den Hof unter der Burg Trixen - von ARNOLF 895 an Waltuni geschenkt -, ferner allen Besitz in Baiern, besonders „Vohendorf". Also auch dort war Hemmas Geschlecht, wie die meisten in Kärnten ansässigen Adeligen, begütert. Außerdem widmete Hemma durch die Hand ihres Vogtes Pretzlaus ihren Gesamtbesitz im Sanntale, das ist zunächst das Gebiet zwischen den Bergen Dobritsch, Stenitz und Wresen, die spätere Herrschaft Weitenstein, von Kaiser OTTO II. 980 an Hemmas Gatten Grafen Wilhelm I. geschenkt, ferner die vom Kaiser HEINRICH II. an Wilhelm II. 1016 vergabten Huben zwischen den Flüssen Save, Sann, Sottla und Neiring, in der Folge die Herrschaften Windisch-Landsberg, Peilenstein, Wisell und Nassenfuß mit Rohitsch, Montpreis, Hörberg und Königsberg in Untersteiermark und Krain, endlich die 1025 vom König KONRAD II. dem verstorbenen Sohne Hemmas, Wilhelm, gegebenen Königsbuben zwischen den Flüssen Kopreinitz, Köttnig und Wogleina in Untersteiermark und zwischen den Flüssen Gurk und Save in Krain. Ausdrücklich nahm Hemma von ihrer Schenkung die Dörfer „Terenperch", Köttnig, „Steindorf" und Sirdosege aus sowie das bereits früher an Erzbischof Balduin vertauschte Reichenburg.
Nicht genug an dem, entäußerte sich Hemma nach Jahresfrist, also 1044, abermals einer Anzahl von Gütern zugunsten des Gurker K1osters. Unterstützt von ihrem Vogt Aribo gab sie einen alten Hof und den Hof St. Georgen an der Gurk mit Gebäuden und Hörigen, einem weiblichen Arbeitshause (giniceum), wodurch ein Stock von Laienschwestern gewonnen wurde, und 40 Zinsbuben, ferner die Weinberge in der Herrschaft Trixen und bei Osterwitz (nächst Launsdorf), ausgenommen die im Orte „Panch", und endlich Greilach bei Nassenfuß in Unter-Krain.
Jedenfalls hat Hemma fast all ihren Besitz zugunsten Gurks, sofern dieser nicht für Admont bestimmt war, aufgeopfert. Nur hat die Stiftungsurkunde von 1043/44, welche 1170/71 verfälscht wurde, einige Güter, welche damals nicht mehr der Gurker Kirche gehörten, ausgelassen, so zum Beispiel Zeltschach 898, Ingering (Steiermark), von ARNOLF 895 an Hemmas Vorfahren geschenkt, und die Huben im Kirchdorfer Tale in Ober-Österreich, welche einst Ludwig das Kind an Zwentibolch gegeben.
Wie bescheiden war gegen diesen riesigen Großgrundbesitz, dessen sich die Gurker Nonnen zu erfreuen hatten, die Ausstattung des St. Georgner Klosters gewesen: außer den wenigen Kärntner Besitzungen noch etliche im Pustertale. Während die Verwaltung derselben den St. Georgner Nonnen keine besonderen Schwierigkeiten gemacht haben wird, stand es da mit Gurk ganz anders. Der Besitz umfaßte in Kärnten die späteren Landgerichte Albeck, Grades-Metnitz, Straßburg, Dürnstein und Waisenberg und dazu noch die bereits erwähnten, weit entfernt liegenden Herrschaften in Unter-Steiermark, Unter-Krain, Ober-Österreich und Baiern. Wie sollten hilflose Frauen imstande sein, eine solche Güterfülle ordentlich zu verwalten? Beide, sowohl die St. Georgner als auch die Gurker, konnten dies nur mit Hilfe von Männern tun, an deren Spitze der Vogt des betreffenden Klosters stand. Aber je größer der Besitz war, desto mehr Verwaltungsbeamten, Edlinge und Dienstmannen bedurfte es, welche auf den Verkehr mit den Nonnen angewiesen waren und von ihnen, ganz besonders von der Äbtissin, ihre Befehle erhielten. Darin lagen große sittliche Gefahren. Stammte auch die erste Vorsteherin jedes der beiden Klöster aus dem alten Kloster Nonnberg und war für ihren strengen geistlichen Beruf wohl ausgebildet, daher gegen Verführungen der Welt gefeit, so war es bei den jungen neu aufgenommenen Nonnen nicht der Fall, ebensowenig bei den später aus ihren Konventen erwählten Äbtissinnen. Daher wird es begreiflich, daß nur allzubald die Klosterdisziplin in St. Georgen und Gurk gelockert wurde und die Nonnen sich schwere sittliche Verfehlungen zuschulden kommen ließen, in Gurk um fast fünfzig Jahre früher als in St. Georgen.
Am 29. Juni eines unbekannten Jahres, jedenfalls bald nach der Stiftung von Gurk, ist Hemma gestorben. Von ihren Bauten daselbst hat sich nichts erhalten. Doch wurde ihr Leichnam 1174 in die neue Krypta des Gurker Domes übertragen. Der 1925 unter ihrem Grabmonument vom Jahre 1720 entdeckte Steinsarg mit drei rohen, merkwürdig ornamentierten Köpfen dürfte sich im Original erhalten haben. Bei der zwischen Hemmas Familie und den EPPENSTEINERN bestandenen Feindschaft wird es begreiflich, daß letztere gar keinen Anteil an der Gründung des Klosters Gurk nahmen.