Jahrbücher von Fulda: Seite 116
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in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band VII

Mainzer Fortsetzung von dem Jahre 882 bis zu dem Jahre 887.

882

Die Nordmannen zogen aus ihrer Verschanzung und drangen in die Stadt Trier ein, welche sie am 5. April gänzlich verbrannten, nachdem die Einwohner theils verjagt, theils getödtet waren. Ihnen zog Walah, Bischof von Metz, unvorsichtig mit wenigen entgegen und wurde getödtet.

Als Kaiser Karl den Tod seines Bruders gehört hatte, zog er aus Italien nach Baiern und nahm die zu ihm kommenden Edlen, die seinem Bruder gehört hatten, unter seine Oberherrlichkeit auf. Darauf nach Worms gekommen, berieth er mit den überallher eintreffenden Seinigen, wie er die Nordmannen aus seinem Reich verjagen könne. Daher kommen zu der bestimmten und unter ihnen verabredeten Zeit aus den verschiedenen Provinzen unzählige Männer zusammen: allen Feinden furchtbar, hätten sie einen geeigneten und ihnen gleichgesinnten Führer gehabt, d. i. die Franken, Noriker,  Alamannen, Thuringier und Sachsen, und in gleicher Absicht zogen sie kampfbegierig gegen die Feinde. Dorthin gekommen, belagerten sie die Festung jener, welche Ascloha heißt. Als bereits die Festung fallen mußte und die drinnen aus Furcht verzweifelten, dem Tod entrinnen zu können, ging Einer von den Räthen des Augustus, Namens Liutward, ein Pseudo-Bischof, ohne Wissen der übrigen Räthe, welche dem Vater des Kaisers gewöhnlich zur Seite standen, im Verein mit dem betrügerischen Grafen Wicbert den Kaiser an, und durch Geld bestochen, brachte er ihn von der Bezwingung der Feinde ab,
und stellte ihren Führer Gotafrid dem Kaiser vor: diesen empfing der Kaiser nach Weise Achabs, wie einen Freund und machte mit ihm Frieden, für welchen von beiden Seiten Geiseln gegeben wurden; was die Nordmannen als Omen annahmen. Und damit kein Zweifel wäre, daß der Friede ihrerseits gültig sei, hängten sie nach ihrer Sitte einen Schild in die Höhe und öffneten die Thore der Festung. Die Unsrigen aber, unbekannt mit ihrer Hinterlist, kamen in diese Festung, theils um zu handeln, theils die Festigkeit des Ortes anzusehen. Aber die Nordmannen wandten sich zu ihrer gewohnten Hinterlist, nahmen den Schild des Friedens herab und alle unsere Leute, soviel deren innerhalb zu finden waren, tödteten sie entweder oder bewahrten sie, mit eisernen Ketten gebunden, zum Loskauf auf. Aber der Kaiser achtete eine so große, seinem Heere zugefügte Schmach nicht einen Pfifferling werth, und hob den vorgenannten Gotafrid aus der Taufquelle, und den, welcher seines Reiches größter Feind und Verräther gewesen war, setzte er zum Genossen des Reiches ein. Denn die Grafschaften und Lehen, welche der Nordmann Rorich, ein Getreuer der Frankenkönige, in Kinnin gehabt hatte, vermachte er diesem Feind und seinen Leuten zum Wohnsitz; und worin noch größere Schuld liegt: von welchem er Geiseln empfangen und Tribut eintreiben mußte, diesem ist er nach dem Rath Schlechter, gegen die Gewohnheit seiner Vorfahren, nämlich der fränkischen Könige, Tribut zu zahlen, nicht erröthet. Denn er nahm nun die Schätze der Kirchen fort, welche aus Furcht vor den Feinden verborgen waren, und gab von reinstem Gold und Silber 2412 Pfund zu seiner und des ganzen Heeres Schande, an dieselben Feinde. Ueberdieß befahl er, daß jeder, wer von seinem Heere zur Vertheidigung der heiligen Kirche aus Eifer für Gott, einen der Nordmannen tödtete, die in das Lager zu dringen versuchten, entweder solle hingerichtet oder ihm die Augen ausgestochen werden. Worüber das Heer sehr betrübt war und beklagte, daß solcher Fürst über sie gekommen sei, welcher die Feinde begünstigte und ihnen den Sieg über die Feinde entzog; und gar sehr beschämt kehrten sie in ihre Heimath zurück. Die Nordmannen aber beluden mit den Schätzen und einer Anzahl Gefangener 200 Schiffe, die sie in ihr Vaterland schickten; sie selber aber hielten sich in dem sicheren Ort, eine gelegene Zeit zum Raub zu  erwarten.

Von dort abgezogen, kam der Kaiser nach Mainz, und von da zum Flecken Tribure und verweilte daselbst mehrere Tage. Auch hielt er zu Worms einen Landtag und beschloß wenig Nützliches. Die Nordmannen verbrannten den Hafen, welcher in friesischer Sprache Taventeri heißt, wo der heilige Liobomus ruht, und brachten sehr viele um. Der römische Pontifex Johannes verschied, an seine Stelle wurde Marinus, vormals Bischof, gegen die canonischen Statuten eingesetzt. Ein gewisser Gregorius mit Namen, welchen die Römer Superista nannten, sehr reich, wurde in dem Paradies des heiligen Petrus von seinem Collegen getödtet und das Pflaster der Kirche, durch welche er geschleppt wurde, ganz mit seinem Blute besudelt.