Begraben: Trierer Petersdom
Sohn des Erzbischofs
Liutwin von Trier
Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 627
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Milo, Bischof von Trier und Reims
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+ 761/62
Milo, Sohn und Nachfolger des Bischofs Liutwin von Trier, gehörte als WIDONE zur höchsten austrasischen Aristokratie. Verwandtschaftlich mit den Früh-KAROLINGERN verbunden, war er eine entscheidende Stütze für Karl Martell, erhielt 722/23 die Bistümer Trier und Reims. Seine weltliche Lebensführung (Verteilung von Reimser Kirchengut unter seine Kinder, Schädigung trierischer Kirchen) ist Ausdruck eines instrumanentalisierten Kirchentums. Als dessen Repräsentant konnte Milo gegen alle Entwicklungen eine weltliche Bischofsherrschaft in Trier bewahren und wurde für bonifatianische Reformpartei Prototyp ("Milo et eiusmodi similes") eines depravierten Episkopats.
Literatur:
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H. Schmidt, Trier und Reims in ihrer verfassungsrechtl.
Entwicklung bis zum Primatialstreit des 9. Jh., ZRGKanAbt 18, 1929, 1-111
- E. Ewig, Milo et eiusmodi similes (St. Bonifatius, Gedenkgabe ... 1953),
412-440 [Nachdr. 1954; Nachd.: Ders., Spätantikes und frk. Gallien,
Bd. 2, 1979, 189-219] - Ders., Treverensia, Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch.
6, 1954, 220-233 - H. H. Anton, Trier im frühen MA, 1987 (Q. und Forsch.
aus dem Gebiet der Gesch. N.F.9) - Ders., Liutwin - Bf. v. Trier und Gründer
von Mettlach, Zs. f. d. Gesch. der Saargegend 39, 1991, 21-51.
Schreibmüller, Hermann: Seite 181
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"Die Ahnen Kaiser Konrads II. und Bischof Brunos von
Würzburg, in Herbiopolis Jubilans. 1200 Jahre Bistum Würzburg."
Milo folgte seinem
Vater Liutwin als Bischof von Trier. In jener Zeit trifft
man ja nicht selten auf erbliche Familienbistümer, "Bischofsdynastien",
"Krummstabsfamilien". Der Herrscher setzte die Bischöfe aus politischen
Gründen ein, um sich einen festen Anhang zu schaffen. 717 oder 718
hatte Milo
bereits das Bistum Reims erhalten, doch übte er dort anscheinend
keine geistlichen Obliegenheiten aus, er sah in den Kirchengütern
nur eine willkommene Einkommenquelle.
Die wichtigsten Angaben über Milo hat der
vorzügliche Kenner der MEROWINGER-Zeit
und Herausgeber der Quellen jener Zeit Wilheln Levison zusammengestellt:
sie beginnen mit dem Beleg für Miloals
Diakon
aus dem Jahr 706/07; als Bischof erscheint er zuerst 723. Die Urteile über
Milo lauten fast durchweg ungünstig. Zu seinen Gunsten spricht
nur das vor 1095 verfaßte Werkchen "Miracula Liutwini": Milos
Wirken und Ende seien denkwürdig; er habe dem Kloster Mettlach viel
Gutes erwiesen und sei "gerecht" gewesen. Aber diese eine wohlwollende
Wertung aus dem reich bedachten Hauskloster wiegt nicht schwer gegenüber
den einhellig vernichtenden Urteilen anderer Quellen. Die vor dem Ende
des 12. Jahrhunderts verfaßte Gründungsgeschichte des Marienkloster
Andernach schilt wie nicht wenigeMiloals
"Tyrannen", der den Kirchen kein Hirte, sondern ein habsüchtiger Räuber
gewesen sei und sogar die Nonnenklöster völlig ausgeplündert,
die Nonnen vertriebn und die Einkünfte für seinen eigenen Unterhalt
eingezogen habe. Wir wissen zwar, daß wir den Begriff "Tyrann" mit
Vorsicht aufzufassen und nicht immer den Sinn des gewalttätig Brutalen
unterzulegen haben, aber hier scheint diese Bedeutung zuzutreffen. Sehr
anschaulich hat die damaligen sehr ungeistlich lebenden Bischöfe Albert
Hauck in seiner Kirchengeschichte geschildert, wie sie mit Schwert und
Lanze an der Spitze von Heeren in den Krieg zogen und als echte Adelige
dem Weidwerke frönten, obwohl dies durch ein Konzil von 747 den "Dienern
Gottes" verboten war. Der große Erzbischof Hinkmar von Reims im 9.
Jahrhundert urteilte über Milovöllig
absprechend: ein Kleriker sei er bloß äußerlich der Tonsur
nach gewesen, dagegen nach Charakter, Haltung und Wirken ein gottloser
Laie, der die Bistümer Reims und Trier während einer 40-jährigen
Gewaltherrschaft zugrunde gerichtet habe. Ebenso verurteilt ihn sogar das
dem Trierer Bistum gewidmete Geschichtswerk. Zunächst sei er noch
dem guten Vorbilde seines Vaters gefolgt, dann aber sei er zum "Tyrannen"
geworden, habe das Kirchengut verschleudert, Klöster zerstört
und Zucht und Ordnung untergraben, so daß Mönche und Nonnen
in wilder Gesetzlosigkeit lebten und in unerlaubten Schlupfwinkeln Zuflucht
suchten. Getreu seiner hochadeligen Herkunft fühlte er sich als Kriegsmann
und zog mit seinem gnädigen Schützer
Karl Martell zu Felde.
So nimmt es nicht wunder, daß im Jahre 731 Papst
Zacharias an Bonifatius schrieb: Milo
und seinesgleichen seien wüste Kirchenschädlinge; zugleich aber
mahnte er ihn bezeichnenderweise, dem Milobloß
zu predigen und ihn seiner eigenen Verantwortung zu überlassen - ein
deutlicher Beweis für die große politische Macht des Hocharistokraten
Milo,
der zu fürchten war. Schon 724 hatte Papst Gregor II. an Bonifaz geschrieben
"vom Bischof N.(illo), mit dem jener in Hessen infolge mangelnden Missionseifers
in Schwierigkeiten geraten war; während man bisher an Gerold in Mainz
gedacht hatte, scheint man jetzt Classens Ansicht angenommen zu haben,
daß Milogemeint war. Dieser war
"der landeskirchliche Hauptwidersacher und Gegenspieler des Bonifaz; er
durfte es sogar wagen, beim Konzil 742 nicht zu erscheinen, da er der von
Bonifaz betriebenen kirchenpolitischen Organisierung widerstrebte. In die
Zeit Milos
verlegt L. Duchesne die
Fälschung der Akten des Kölner Konzils von 346.
Bezeichnenderweise kam der weltgesinnte Bischof bei einer
Eberjagd
ums Leben - in welchem Jahr, ist unbekannt, wahrscheinlich
757.
Der beschönigende Verfasser der Miraculi Liutwini findet freilich
dieses Ende des "frommen Erben" seines Vaters "nicht unrühmlich".
Begraben wurde er zunächst im Sterbeort Ehrang bei Trier, später
im Trierer Petersdom.
Nach der Untersuchung Heinrich Schmidts bietet Milo
das Bild einer kraftvollen, durchaus unkirchlichen, vielmehr
ausgeprägt politischen, besitzgierigen Persönlichkeit, die dank
der durch große Verdienste erworbenen unwandelbaren Gunst Karl
Martells und seiner beiden Söhne 40 Jahre lang (717-757)
die beiden Bistümer Trier und Reims innehatte. In Reims übte
er keine geistlichen Funktionen aus, genoß vielmehr nur die Eigengüter
des dortigen Bischofs Rigobert, der aus politischen Gründen von Karl
Martell abgesetzt worden war; die Überlieferung in Reims
kannte daher nur den "Tyrannen" Milo,
während er tatsächlich, dank Karl Martell,
im Recht war. Dieser muß sich Milogegenüber
aufs allerstärkste verpflichtet gefühlt haben, denn er wagte
es nicht, gegen ihn aufzutreten, ebensowenig hatte dieser den Mut, Bonifaz,
dessen Streben, die fränkische Kirche zu reorganisieren, in Milo
den Hauptgegner fand, entgegenzutreten.
Alles in allem: es macht den Eimdruck, als ob Milo
eine so maßgebende Persönlichkeit war, daß er sich vielmehr
erlauben durfte und zum Beispiel bei Synoden nicht erschien.
Vermutlich versetzte Milo seinen
Bruder Wido mit Werinhar in den Bliesgau und wurde so zum Bahnbrecher
für die spätere Stellung der SALIER
am Oberrhein. Im 10. Jahrhundert gewahren wir bei den SALIERN
ein Obereigentumsrecht an Burg und Herrschaft Stauf im pfälzischen
Eistal, das auf alten Besitz der Trierer Kirche zurückgeht.
Werner Karl Ferdinand: Seite 365,387,389
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"Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000"
Milo, der nach den Worten eines Zeitgenossen "nur
der Tonsur nach Geistlicher war", aber einen früheren Bischof von
Trier zum Vater hatte, erhielt von Karl Martell
nach 719 die beiden Metropolitansitze der Belgica, Reims und
Trier.
Dagegen behielt im Machtbereich Pippins
Milo seinen Bischofssitz Trier und sogar die Kontrolle über Reims.
Voller Bitterkeit beklagte Bonifatius seine Machtlosigkeit gegenüber
"Milo und seinesgleichen", die von Pippin
geschützt wurden, aber auch vom Klerus unter Chrodegangs Leitung.
Diese von Pippin
gegen die Bretonen eingerichtete Mark wurde dem gleichen Trierer Adelsgeschlecht
übertragen,
dem auch Milo angehörte. Einer der "Markgrafen" dieser neuen
Mark hieß Roland.
Literatur:
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Riche, Pierre: Die Karolinger, Deutscher Taschenbuch
Verlag München 1991, Seite 56,82 - Schieffer, Rudolf: Die Karolinger,
Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln Band 411, 1992, Seite 38,55
- Schreibmüller, Hermann: Die Ahnen Kaiser Konrads II. und
Bischof Brunos von Würzburg, in Herbiopolis Jubilans. 1200 Jahre Bistum
Würzburg. Festschrift zur Säkularfeier der Erhebung der Kiliansreliquien
Würzburger Diözesangeschichtsblätter 14/15 1952 Seite 181
- Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum
Jahr 1000, Deutscher Taschenbuch Verlag München 1995, Seite 365,387,389
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