1085 geschah es dann, daß der damalige Pfalzgraf
Friedrich III. in der Nähe von Zscheiplitz ermordet wurde.
Darüber berichten zwar erst Chroniken, die nicht vor dem 12. Jh. geschrieben
sind, doch sind ihre Mitteilungen trotzdem glaubhaft. Denn die Chroniken
entstanden teilweise in Klöstern, die von den LUDOWINGERN abhängig
waren, und sehen den Drahtzieher des Mordes in Ludwig dem Springer bzw.
der Gemahlin des ermordeten Pfalzgrafen, Adelheid,
deren Geliebter Ludwig war. Es ist unwahrscheinlich, daß die Chronikschreiber
gegen ihren Klostervogt bzw. gegen dessen Vorfahren zum eigenen Nachteil
falsches Zeugnis geredet hätten, und so wird es stimmen, daß
der Nebenbuhler oder die ungetreue Gattin den Pfalzgrafen aus dem Wege
räumen ließ. Die Motive sehen die Chronisten lediglich in den
Liebesbeziehungen zwischen Ludwig und Adelheid. Sie mögen ihren
Anteil daran besessen haben, denn kurze Zeit später gingen beide die
Ehe ein. Doch wäre auch zu fragen, ob machtpolitische Interessen ebenfalls
eine Rolle spielten. Wenn es Ludwig dem Springer gelang, neben den Zentren
um die Schauenburg und die Wartburg im Südwesten Thüringens noch
das Stammgebiet der sächsischen Pfalzgrafen im Nordosten Thüringens
zu erwerben, hatte er zwei Eckpfeiler in der Hand, die ihm die Vorherrschaft
in Thüringen bringen konnten. Ein solches strategisches Denken ist
Ludwig dem Springer durchaus zuzutrauen, und so werden die Motive nicht
nur in der persönlichen Sphäre gelegen haben.
Die Ermordung des Pfalzgrafen verknüpfen bis auf
die "Historia brevis" die Chroniken, die sich mit der Frühzeit der
LUDOWINGER beschäftigen, mit einem Ereignis, durch das Ludwig der
Springer neben dem Wartburgbau bis heute am stärksten der Nachwelt
in Erinnerung geblieben ist. Es ist seine Einkerkerung auf der Burg
Giebichenstein bei Halle, der er sich durch einen kühnen Sprung
aus dem Burgverlies in die Saale entzog. Nach diesem angeblichen Sprung
gaben ihm spätere Chronisten den Beinamen. Die Einkerkerung soll erfolgt
sein, weil die Blutsverwandten des ermordeten Pfalzgrafen sich bei HEINRICH
IV. beschwert hätten. Der Kaiser habe daraufhin Ludwig
gefangengenommen und nach Giebichenstein gebracht. Zeitgenössische
Quellen bestätigen dieses Ereignis nicht. In einer im 12. Jh. im Kloster
Goseck angefertigten Chronik heißt es sogar, die Mörder des
Pfalzgrafen seien straffrei geblieben. Es ist möglich, daß den
Berichten von Ludwigs Haft auf Giebichenstein eine Verwechslung zugrunde
liegt. Wie noch ausgeführt wird, kam Ludwig der Springer zu Beginn
des 12. Jh. zweimal in Gefangenschaft HEINRICHS
V., des Sohnes und Nachfolgers HEINRICHS
IV. Diese Haft, von der wir nicht wissen, wo sie abgebüßt
wurde, dauerte damals zwei bis drei Jahre, und die gleiche Zeit wird in
den Chroniken auch für Giebichenstein genannt. Deshalb ist es zweckmäßig,
Ludwigs angeblichen Aufenthalt auf Burg Giebichenstein nach der
Ermordung des Pfalzgrafen im Bereich der Sage zu lassen, zumal der direkte
Sprung von der Burg in die Saale sowieso nicht möglich gewesen sein
kann.
Wichtiger als der Giebichensteiner Saalesprung aber war
der territoriale Gewinn, den Ludwig aus der Heirat mit Adelheid
zog und den wir genauer betrachten wollen. Auch diesmal sind wir, wie schon
so oft in den bisherigen Darlegungen, auf Mutmaßungen und Kombinationen
angewiesen. Als der Mord am Pfalzgrafen erfolgte, war Adelheid schwanger.
Nachdem das Kind zur Welt gekommen war, versuchte Ludwig als Stiefvater,
die pfalzgräflichen Rechte wahrzunehmen. Das gelang jedoch nicht.
Bis zu seinem Tode 1088 behauptete der Vater des Ermordeten die Pfalzgrafschaft,
und danach ging sie nicht an den dreijährigen Enkel über, sondern
an eine Seitenlinie der bisherigen Pfalzgrafen, an die Grafen
von Sommerschenburg [Die Burg lag südöstlich von Helmstedt,
weitab von Thüringen. Im Raum der unteren Unstrut behaupten die neuen
Pfalzgrafen anscheinend so gut wie keinen Besitz.]. Hinzu kam, daß
Ludwigs Stiefsohn, nachdem er herangewachsen war, sich gegen den Stiefvater
wandte, um das väterliche Erbe zu erhalten [Die mit dem pfalzgräflichen
Amt verbundenen Lehen gingen an die Nebenlinie; die alten Stammbesitzungen
des Geschlechts, die an der unteren Unstrut lagen, waren zwischen Ludwig
und dem Stiefsohn strittig.]. Die Auseinandersetzungen führten nach
1110 zu einem Kompromiß, bei dem Ludwig einige Gebiete der alten
Pfalzgrafenlinie behauptete. Womöglich waren es diejenigen, die Adelheid
als Witwenbesitz überlassen worden waren. Es hat den Anschein,
daß Ludwig ähnlich wie im Falle der Wartburg bereits den Ausbau
der dortigen Herrschaft begonnen hatte, ehe klare rechtliche Verhältnisse
geschaffen worden.