Wipos Leben Konrads II.
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4. Von der Hofeinrichtung und der Königin.
 

Wie man nun dem Könige Treue schwur, darüber zu sprechen halte ich nicht besonders für nöthig, da ja der oft wiederkehrende Brauch zeigt, daß alle Bischöfe, Herzöge und die übrigen Fürsten, die Bannerherrn und die gemeine Ritterschaft, ja sogar alle Freien, wenn sie von einiger Bedeutung sind, den Königen den Eid der Treue leisten; ihm jedoch unterwarfen sich alle durch einen um so aufrichtigeren Schwur, je lieber sie ihn leisteten. Desgleichen auch bei der Hofordnung, wen der König zu seinem Hausmeier bestimmte, welche er zu Kammerherrn, welche zu Truchsessen, zu Mundschenken und zu den übrigen Hofbeamten ernannte, brauchen wir nicht länger zu  verweilen, da ich mit einem Worte sagen kann, daß ich mich nicht erinnere oder gelesen habe, es sei bei irgend einem seiner Vorgänger für die Hofämter geschickter und ehrenvoller gesorgt worden. Das meiste that hierzu der Scharfblick des Bischofs Bruno von Augsburg und der Rath des Bischofs Werner von
Straßburg; so auch der des Werner, eines Kriegsmannes, an welchem der König schon lange vorher die Vorsicht im Rathe und die Kühnheit im Kriege durch häufige Erfahrungen schätzen gelernt hatte. Ueber diesen allen stand des Königs geliebte Gemahlin Gisela mit ihrer Einsicht und Klugheit. Ihr Vater war Hermann, Herzog von Alamannien; ihre Mutter war Gerberga, die Tochter Konrads, des Königs von Burgund, dessen Vorfahren dem Geschlechte Karls des Großen entsprossen waren.
Daher hat der Unsern einer in einem Büchlein, das er "Tetralog" betitelt, und später dem Könige Heinrich III, als er in der Stadt Straßburg das Geburtsfest des Herrn feierte, überreicht hat, unter andern diese zwei Verse geschrieben:

Wenn zu dem zehnten Geschlecht du rechnend das vierte hinzufügst, Wird von Karl entstammend die Giesel, die kluge geboren. Obgleich sie von so hohem Adel und von der anmuthigsten Schönheit war, blieb sie frei von aller Ueberhebung; im Gottesdienste voll Ehrfurcht, beständig im Gebet und im
Almosengeben, und das so geheim sie konnte, merkend auf jenes Wort des Evangeliums: "Lasset eure Gerechtigkeit nicht offenbar werden vor den Menschen". Denn sie war hohen Sinnes, von
vorzüglicher Einsicht, nach Ruhm verlangend, nicht nach eitlem Lob, sie liebte die Sittsamkeit, lag mit Beharrlichkeit ihrem weiblichen Berufe ob, nie unnützer Weise verschwendend spendete sie in ehrbaren und nützlichen Dingen überaus reichlich, sie war reich an Gütern und verstand es die höchsten Ehrenstellen wohl zu verwalten. Durch den Neid gewisser Menschen, der ja oft von den niederen zu höheren wie ein Rauch hinaufsteigt, wurde sie einige Tage lang an ihrer Weihe verhindert.
Ob sie übrigens jenen Haß mit Recht oder Unrecht zu ertragen hatte, ist noch fraglich; jedoch siegte bei der Frau des Mannes Tüchtigkeit, und auf übereinstimmendes Verlangen der Fürsten geweihet  folgte sie als nothwendige Gefährtin dem Könige. Dies habe ich denn inzwischen kurz über die Königin berichtet mit Unterbrechung der Thaten des Königs, zu denen ich jetzt zurückkehre.
 

13. Von dem Aufstand in Ravenna.
 

Zu derselben Zeit zog König Konrad in Ravenna ein und regierte daselbst mit großer Macht. Eines Tages erregten die unglücklichen Ravennaten Streit mit dem Heere des Königs, und wagten im Vertrauen auf ihre große Anzahl den Versuch, das Heer des Königs aus der Stadt zu vertreiben, während sie zugleich vermöge der Enge eines Thoreinganges die da draußen verhinderten, denen da drinnen zu Hülfe zu kommen. Nachdem der Aufstand einmal ausgebrochen war, begann der
Kampf auf allen Seiten. Manche griffen ihre Gäste in den Häusern an, andere kämpften auf den Straßen, andere besetzten die Thore; mehrere kämpften von den Mauern, viele von hohen Thürmen herab feiger Weise mit Steinen und Balken. Die Deutschen dagegen wehrten sich mit Waffen und Klugheit, schlossen einzelne Züge bildend von vorn und von hinten die Ravennaten ein und, indem sie dann mit grimmigem Schwerte sich zu einander Bahn brachen, ließen sie die, welche zwischen
ihnen gestanden hatten, todt oder verwundet oder flüchtig zurück. Ein Graf Namens Eppo, ein trefflicher Kämpfer aus Baiern, ging mit der Fahne in der Hand zur Stadt hinaus und überwältigte die, welche auf der Brücke standen; die meisten derselben wurden durch ihn allein von der Brücke herabgestürzt und fanden in dem Wasser ihren Tod. Der König Konrad aber greift auf die Kunde von diesem Aufstande so wie er war, in seinem Gemache zu den Waffen, verlangt ein Pferd, und sobald er aus dem Hofe sprengend bemerkte, daß die Ravennaten im Kampfe überwunden sich zu den Kirchen flüchteten und von allen Seiten her Verstecke aufsuchten, erbarmte er sich ihrer, weil es ja auf beiden Seiten die Seinigen waren, rief sein Heer von der Verfolgung der Bürger zurück und begab sich selbst wieder in seinen Palast. Am frühen Morgen aber erschienen die Ravennaten so viele ihrer noch übrig waren, in härenem Gewande, mit nackten Füßen und bloßen  Schwertern, so wie es ihr eigenes Gesetz von überwundenen Mitbürgern verlangt, vor dem König, und leisteten, ganz wie er gebot, auf jede Art Genugthuung. Hier zeigte König Konrad in gewohnter Art seine außerordentliche Freigebigkeit gegen einen verwundeten Deutschen, welchem der Fuß sammt einem großen Theile des Beines oberhalb des Knöchels im Kampfe vollständig abgehauen war: dessen lederne Stiefel ließ der König herbringen, beide mit Geld füllen und sie auf das Bett des verwundeten Kriegsmannes neben ihn hinlegen.