EUROPÄISCHE STAMMTAFELN NEUE FOLGE BAND XII Tafel 85
GENEALOGISCHES HANDBUCH ZUR SCHWEIZER GESCHICHTE Band
IV
Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 1087
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Nellenburg, Grafen von ('EBERHARDINGER')
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Ihr früher Besitz im Klettgau deutet auf einen gemeinsamen
Ursprung mit den UDALRICHINGERN hin. Der erste namentlich bekannte
Vorfahre der NELLENBURGER,
Eberhard,
trat 889 als Zeuge im Zürichgau auf. Seit 950 bauten sie ihre dortige
Machtstellung durch den zeitweisen Erwerb der Grafschaft im Thurgau (erstmals
957), der Reichsvogtei von Zürich (955,964/68), der Grafschaft in
der Ostbaar (966) und der Vogteien der Klöster Einsiedeln (973-1029/30)
und Reichenau (983,1024) weiter aus. Ihre Bedeutung als Adelsfamilie spiegelt
sich auch in den im 10. Jh. eingegangenen dynastischen Verbindungen
mit den HUNFRIDINGERN, KONRADINERN
und ZÄHRINGERN wider. Schon unter den OTTONEN
zeichneten
sie sich durch große Königsnähe aus;
Graf Manegold (+
991) gilt als enger Vertrauter der Kaiserin
Adelheid. Sein Sohn Eberhard (+ 1030/34) heiratete
Hedwig,
eine consobrina Kaiser HEINRICHS II.
und Papst Leos IX., die reiche Güter im Nahegau mit in die
Ehe brachte. Zwei ihrer Söhne fielen im Reichsdienst: Manegold
1030 gegen Herzog Ernst II. von Schwaben, Burkhard
1053 gegen die
Normannen. Neben Königsnähe und ausgedehntem Besitz (vom Nahegau
bis nach Rätien) gründete sich der vornehme Rang der NELLENBURGER
vor allem auf ihr früh ausgeprägtes adliges Selbstverständnis
und Hausbewußtsein. Bald nach 1034 ließ Graf Eberhard (+
1078/80) die sterblichen Überreste seiner im Kloster Reichenau
begrabenen Verwandten und Vorfahren in die eigens dafür erbaute Grablege,
die Laurentiuskirche auf dem Mönchsfriedhof, überführen.
Seelgerätstiftungen sicherten die ungestörte mönchische
Sorge um Seelenheil und Memoria der Toten und Lebenden der Stifterfamilie.
Um 1050 verlegten die NELLENBURGER
den Herrschaftsschwerpunkt vom Zürichgau an den Hochrhein um ihre
neu geschaffenen Zentren, das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen und
die Burg Nellenburg. Der 1067 vom König verliehene Wildbann
für das Gebiet nördlich von Schaffhausen bis zum Randen förderte
die Ausbildung eines Territoriums mit dem Ziel der Landeshoheit. Das Eintreten
der NELLENBURGER für
salische Königtum endete im Investiturstreit; schon Eberhards
Sohn Udo nahm als Erzbischof von Trier (1066-1078) eine vermittelnde
Position zwischen Königtum und Papst ein. Den Anschluß der NELLENBURGERan
die süddeutsche Fürstenopposition 1077/78 ahndete
HEINRICH IV. mit dem Entzug der Grafschaft im Zürichgau.
Durch die Übertragung des Grafentitels auf ihren Besitz im Hegau schufen
sie sich eine allodiale Grafschaft, die ihren Namen seit 1080 von der Stammburg
Nellenburg ableitete. Während Abt Ekkehard von Nellenburg (1073-1088)
sein
Kloster Reichenau zu einem wichtigen Stützpunkt der gregorianischen
Partei im Bodenseeraum ausbaute, gehörte sein Bruder Graf Eberhard
von Nellenburg, zu den führenden Vertretern des Reformadels: hirsauische
Reform des Klosters Allerheiligen, Verzicht auf die Erbvogtei, Gründung
des Frauenklosters St. Agnes in Schaffhausen für seine Mutter Ida.
Nach dem Aussterben der NELLENBURGER
im Mannesstamm 1100/05 ging das reiche Erbe an ihre Neffen Graf
Dietrich von Bürgeln und Graf Adalbert von Mörsberg über.
1170 kam die Grafschaft Nellenburg
an die Grafen von Veringen, die nach einer Erbteilung 1216-1422 eine dritte
Linie der NELLENBURGER begründete.
Ihre Erben, die Herren von Tengen, verkauften die Landgrafschaft
Nellenburg 1465 an Herzog Siegmund von Österreich.
Quellen:
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Das Buch der Stifter des Kl. Allerheiligen, ed. K. Schib
(Beil. zum Jahresbericht der Kst.schule Schaffhausen, 1933/34).
Literatur:
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K. Hils, Die Gf.en v. N. im 11. Jh., 1967 - Der Landkrs.
Konstanz, Amtl. Kreisbeschreibung, I, 1968, 293-301 - Genealog. Hb. zur
Schweiz. Gesch. IV, 1980, 179-204 - A. Zettler, Die frühen Kl.bauten
der Reichenau, 1988, 118-127.
In das Licht der Geschichte tritt die Nellenburg, auf einem Bergrücken im Hegau südwestlich von Stockach gelegen, zum ersten Mal im Jahr 1056. Wer der eigentliche Erbauer der Burg ist, läßt sich nicht sicher ausmachen. Vermutlich war es Graf Eberhard, aber erst dessen Sohn Burkhard erscheint in Rechtsgeschäften als Graf von Nellenburg.
Hlawitschaka Eduard: Seite 166
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"Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte
des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands"
Auch hat man sowohl Gebhard, den Sohn des 979 als Klostervogt von Einsiedeln bezeugten Eberhard wie desgleichen den 991 verstorbenen und als Graf im Zürichgau sowie als Einsiedler Klostervogt bezeugten Grafen Manegold als Vater Eppos wahrscheinlich gemacht. Für letzteres könnte, was bislang wenig beachtet worden ist, besonders sprechen, dass die für Manegold 987 ausgestellte Urkunde OTTOS III. als Original gerade im Schaffhauser Klosterarchiv überliefert worden ist, die Schaffhauser Klostergründer also tatsächlich Manegolds Nachkommen und Erben gewesen sind, und dass Eberhard der Selige auch einen Bruder Mangold hatte. Da nun einerseits Gebhard (geb. ca. 960/65), der Sohn eines Eberhard und einer Gisela war, deren Namen ebensowenig wie die Namen Gebhard und Manegold bei den Kindern Herzog Konrads/Kuno vorkommen, und andererseits Graf Mangold (geb. um 940/50) den Zürichgaugrafen Burchard (+ ca. 968) oder dessen Bruder und Züricher Reichsvogt Uto (+ ca. 964) als Vater gehabt haben soll, diese Namen aber nicht bei Konrads/Kunos Kindern auftreten, kann Eppo von väterlicher Seite auch kein Enkel und kein Urenkel Herzog Konrads/Kunos gewesen sein.
Trillmich Werner: Seite 109
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"Konrad II. und seine Zeit"
Den Grafen von Buchhorn und Bregenz standen die NELLENBURGER nahe im Linz- und Hegau, am Hochrheine zwischen Stein und Schaffhausen sowie im südlichen Schwarzwald. Ihre namengebende Stammburg lag bei Stockach nahe dem Überlinger See. Als Vögte von Kloster Reichenau, das ihre Familiengruft barg, verfügten sie über zahlreiche Kirchenlehen. Eigengüter und Grafenrechte gehörten ihnen auch im Thurgau und in Rätien, dazu die Vogtei über Kloster Einsiedeln.
GENEALOGISCHES HANDBUCH ZUR SCHWEIZER GESCHICHTE Band
IV
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Kläui Hans: Seite 179
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"Die Grafen von Nellenburg"
Die Grafen von Nellenburg,
die erst nach der Mitte des 11. Jahrhunderts unter dieser Bezeichnung erscheinen,
würde man wegen des in ihrem Geschlecht am häufigsten vorkommenden
Leitnamens richtiger die "EBERHARDINGER"
nennen. Während sich der Ursprung der NellenburgerGrafen
in der Einmaligkeit des frühen Mittelalters verliert, stellt die markante
Schwerpunktverlagerung vom Zürichgau in den Hegau ihre besonderen
Probleme. Sie erfolgte nicht erst, als den"EBERHARDINGERN"
im Verlauf des Investiturstreits die Grafschaft im Zürichgau entzogen
wurde (1077), sondern wahrscheinlich schon, nachdem Graf Eppo
1029/30
durch sein gewalttätiges Vorgehen die der Familie zustehende Schirmvogtei
über das Kloster Einsiedeln verloren hatte. Zunächst kündigte
sich der Ausgriff nach Norden in einer Annäherung an die Abtei Reichenau
an; endgültig aber wurde die Verlagerung von Macht und Besitz durch
den Bau der Nellenburg auf dem Nenzinger Berg bei Stockach und die
Gründung des Klosters Allerheiligen bei Schaffhausen.
Was die Beziehung der "EBERHARDINGER"
zu anderen Dynastengeschlechtern des Früh- und Hochmittelalters betrifft,
so wurde in neuerer Zeit vor allem durch Theodor Mayer die Wahrscheinlichkeit
eines gemeinsamen Ursprungs mit dem im Bodenseeraum mächtigen UDALRICHINGERN
betont. Hierfür spricht die verschiedentlich zu beobachtende Verzahnung
des Grundbesitzes der EBERHARDINGER
und UDALRICHINGER. Demgegenüber wäre einzuwenden, dass Besitzrechte
an gleichen Orten und in gleichen Räumen auch durch Allianzen zustandekommen
können; nicht zuletzt bei den älteren EBERHARDINGERNsind
uns die Ehegattinnen völlig unbekannt. In Betracht zu ziehen wäre
sodann eine Abstammung von den frühesten HUNFRIDINGERN, die als Grafen
und Markgrafen in Rätien wirkten. Dafür spräche, dass von
872 und 876 ein Hunfrid, von 877 bis 885 dessen Bruder Rudolf als Grafen
im Zürichgau amteten, und dass auf sie jener Eberhard folgte,
den wir als Stammvater der NELLENBURGER
betrachteten. Diese besaßen zudem einige Güte in Rätien
(Maienfeld, Malans und Fläsch). Dennoch läßt sich ein Beweis
für männliche Aszendenz nicht erbringen; auch müßten
sich durch die Tatsache, dass die EBERHARDINGERIN
Reginlind
(Nr. 2) die Gattin des HUNFRIDINGERS Burkhard I., des Herzogs von Schwaben
(917-926), war, gewisse Schwierigkeiten ergeben.