Das Leben des Grafen Gottfried von Kappenberg.
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Kapitel 2.

 
Als er nun auf der Burg Namens Kappenberg, einem weit sichtbaren und durch seine Lage selbst sehr gesunden und angenehmen Orte, wohnte, wurde von dem Herrn durch verschiedene Offenbarungen zuverlässiger Visionen über diesen Ort geoffenbart, daß er einmal dem göttlichen Dienst übergeben werden sollte. Ein Priester nämlich, Namens Wichmann, sah in einer Erscheinung des Nachts gleichsam eine goldene Säule in Kappenberg sich erheben und die Höhe des Himmels selbst durchdringen. Aus dieser Erscheinung merkte er einsichtiger Weise, daß daselbst der Glanz des Lobes Gottes geübt werden würde, und verkündete den Umstehenden wahrheitsgetreu lange vorher, was geschehen würde. - Als ferner einer von den Freunden des glückseligen Grafen Namens Egbert, auf einer Reise zum Grafen unterwegs war, sah er in der Nacht Kappenberg wie eine Stadt, weißer als Schnee, welche bis in die Höhe der Wolken aufsteigend den Gipfel des Himmels selbst mit dem Scheitel zu berühren schien. - Was soll ich von der Tochter seines Oheims, Gerberg, berichten, welche
Aebtissin des Klosters von Münster war? Da diese wegen ihrer Frömmigkeit verehrungswürdige Frau den seligen Mann innig liebte und sowohl für ihn, als für seine Untergebenen in häufigem Gebet die Nächte wachend zubrachte, sah sie zu einer Zeit, als der Schlaf sie ein wenig übermannt hatte, einen Jüngling mit leuchtendem Antlitz sie überstrahlen, welcher öfter diese Worte in ihr Ohr sprach: "Wie geeignet wäre der Kappenbergische Wohnsitz für einen Convent einer geistlichen Genossenschaft!" Als jene dies zu ihrer Freude gehört hatte - denn sie selbst hatte das schon längst gewünscht - und es dem seligen Manne gemeldet hatte, antwortete dieser klug und demüthig folgendermaßen: "Liebste Base, Gott, der Herr, hat Macht, dies nach seinem Willen einzurichten; denn ich vermag keineswegs, das aus eigener Macht zu erfüllen." Und in der That erfüllte die göttliche Vorsehung dies den Worten
desselben entsprechend und betrog den seligen Mann nicht um den frommen Wunsch seines Herzens. Denn ungefähr um diese Zeit erschien in Westfalen ein herrliches Licht der Kirche, jener berühmte Verkündiger Gottes, Norbert, ein Mann nämlich von wunderbarer Begnadung, herzgewinnender Beredtsamkeit, höchster Enthaltsamkeit, der Einrichter und Ausbreiter des klösterlichen Lebens, Versammler der Knechte Christi, Begründer zahlreicher Klöster, in seinem Aeußern wie in seinen Worten ein gewaltiger Prediger der wahren Buße und in Allem der Vollstrecker jenes Befehls des Propheten: "Bereitet dem Herrn den Weg, machet richtig die Steige unseres Herrn in der Einöde."  Wenn Jemand weiter über die Heiligkeit von dessen Lebenswandel, über seine erzbischöfliche Würde, auch über die Seligkeit seines Hinganges vollständig sprechen wollte, wird es wahrhaftig des Umfanges eines besonderen, bloß dazu eingerichteten Buches bedürfen. Während also der Ruhm dieses gewaltigen Predigers sich überall ausbreitete, ging der selige Mann zugleich mit seinem Bruder, dem  verehrungswürdigen Herrn Otto, verlangend zu dem Verkündiger des Heils und nahm von ihm in Demuth das Wort der Ermahnung an; und es geschah durch Gottes Erbarmen, daß auch genannter Otto allmälig und Schritt vor Schritt die Welt zu verachten anfing und denselben Vorsatz zu einem heiligen Leben faßte, der in seinem seligen Bruder schon längst hervorleuchtete. Was halte ich mich  mit vielen Worten auf? Beide vertauschten bald darauf ihre  weltliche Kleidung und nahmen die Tonsur der Mönche mit der Kleidung des heiligen Bekenntnisses an; beide gelobten unter der  Regel des heiligen Augustinus und im Gehorsam gegen den genannten Bruder Norbert Gott zu dienen. Der Gott würdige Mann Gottfried bewirkte auch durch fromme und heilsame Ermahnungen, daß seine Gattin, die Tochter des Grafen Friedrich, den heiligen Schleier nahm. Und da er selbst der ältere war, so übertrug er mit Zustimmung seines Bruders das Schloß Kappenberg selbst und alle seine Habe gläubig Gott am Tage der heiligen Jungfrau Petronella  und bestimmte es für den Gebrauch der Armen  Christi, indem er nämlich die drei Klöster errichtete: Kappenberg, Varlar, Elofstad, die er, jedes für sich, aus seinen Gütern reichlich ausstattete und sie unter die Fürsorge des genannten Vaters
Norbert stellte.
 

Kapitel 4.

 
Doch genug davon. Von jetzt ab wollen wir wieder auf den seligen Grafen die Rede bringen und nun erzählen, wie die alte Schlange, welche seine Tugenden sah und beneidete, durch seine Diener jenem entgegenzutreten versucht hat. Sobald die Frömmigkeit des heiligen Mannes bekannt geworden war, wüthete der Graf Friedrich, ein gottloser Mann und vielmehr Antichrist als Christ, von glühender Habsucht entbrannt, suchte Lug und Trug hervor, indem er sagte, seine Tochter sei mit Ränken  hintergangen, auch sei ein Theil der schuldigen Erbschaft ihr durch betrügerische Verführung genommen. Aus dieser Veranlassung fügte er dem heiligen Manne verschiedene Beleidigungen zu, peinigte ihn mit vielen Schmähungen, worauf jedoch jener über alles die bereitwilligste Rechenschaft ablegte und den schamlosen Wahnsinn desselben, wie er es verdiente, zuversichtlich zurückwies. Da jedoch jener Unglückselige nicht ruhte und da mehr Aloe als Honig in ihm war, einst von der Schaar der Seinigen umgeben viele Drohungen gegen seinen Schwiegersohn ausstieß, während jedoch auch viele von den Umstehenden aus Ehrfurcht gegen einen solchen Mann die Thränen nicht zu halten vermochten, lachte der Mann Gottes, von dem Walle seines Gewissens, dem sich die wüthende Raserei nicht nähern durfte, geschützt, sorglos über den ganzen Ungestüm von dessen Wuth; und nachdem er dann einen von seinen Vertrauten gerufen hatte, sagte er: "Vielleicht hat jener
Unglückliche vor, mich einzukerkern; Du aber sage dem Vater  Norbert, daß er, auch wenn ich eingekerkert hin, keine Mühe, auch nicht die geringste, für meine Befreiung aufwende. Denn ich möchte für würdig befunden werden, für meines Gottes Gesetz nicht allein eingesperrt zu werden, sondern auch im Kerker zu sterben. Ich werde im Gefängniß meinen Gott um Gnade anflehen, im
Gefängniß werde ich das Mitleid und das Erbarmen desselben freudig erwarten. Ich wünsche ja, daß wie ein durch den Gebrauch abgenutzter Besen zuletzt in die Flammen geworfen wird, so mein in Christi Dienst aufgeriebener Körper nun erst durch das Feuer der Trübsal vollkommen gemacht werde." Seht die große Standhaftigkeit des heiligen Mannes! Alles beschloß er für  Christus zu erdulden, aber der fromme Gott bewahrte ihn noch zu unserem Vortheil. - Außerdem drohte Friedrich, angestachelt von unersättlicher Habsucht - denn wozu zwingt nicht der  verfluchte Hunger nach Gold die menschliche Brust  - die Burg Kappenberg zu belagern und Vater Norbert selbst vor den Mauern
aufzuhängen, - denn "was für Furcht oder Scham hat jemals ein gieriger Geizhals?" - und so weit fügte er Böses zu Bösem und häufte sich Zorn an, bis der Höchste, der ein geduldiger Vergelter ist, ihn mit würdiger Strafe traf. Ihn sah in einer Vision einer von den Brüdern, noch ehe sein Tod gemeldet war,
von einem schrecklichen Löwen verschlungen werden. - Aber auch so noch nicht, nachdem gleichwohl ein Haupt abgehauen war, ließ jene Schlange von dem Gifte ihres Neides ab, indem sie dem heiligen Manne zwar Kummer und Schmerz bereitete, aber darin, wiewohl wider ihren Willen, ihm größere Gelegenheit zu einer herrlichen That gab. Denn das ist der unerforschliche Abgrund der Beschlüsse Gottes, welcher den Teufel samt seinen Gliedern zwingt, dem Vortheile der Erwählten zu dienen, dessen Tiefe auch der Apostel im Auge hatte, als er sagte: "Wir wissen, daß denen,  die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, die nach dem  Vorsatz zu Heiligen berufen sind." Denn allein die Kraft Gottes ist es, für welche auch das Böse gut ist, indem sie durch angemessenen Gebrauch desselben den Erfolg von irgend etwas Gutem hervorbringt, damit in seinem Reiche die Unbesonnenheit keine Macht habe. Dies wird in Folgendem klarer als das Licht sich zeigen. Eine Frau also, die den heiligen Schleier angenommen hatte, raubte auf Antrieb des Teufels ein Frevler Namens
Franko. Diesem begegnete der Mann Gottes zufällig ohne Waffen und hielt ihm seine große Frevelthat pflichtgetreu vor. Er aber, aufgeblasen und wohlbewaffnet, sagte: "Bist Du nicht der, von dem man sagt, er bemühe sich, mir zu schaden?" Da antwortete der heilige Mann standhaft, wie geschrieben steht: "In der Furcht Gottes ist Vertrauen auf dieTapferkeit und der  Gerechte wird getrost sein, wie ein Löwe, ohne Schrecken," und sprach: "Ich laure keineswegs auf Deinen Schaden, sondern ich wünsche vielmehr Dich den Zähnen des alten Feindes, dessen Knecht Du geworden bist, zu entreißen." Und als jener rasend sein Schwert ergriff, ich will es sagen, daß es von Neuem erfahre
der Zeiten gewaltige Reihe, ich will es sagen, wie der Mann Gottes wie ein zur Schlachtbank geführtes Lamm lautlos dastand und den Nacken sogleich hinstreckte; aber durch  Gottes Finger erschreckt vermochte jener nicht zuzuschlagen. Soll ich also diesen Mann nicht einen Märtyrer nennen, der nicht allein seinen Sinn, sondern auch seine Kehle bereitet hatte und sich so ohne Zaudern dem Märtyrertode preis gab? Wer vermöchte diesen Helden von der Liebe Christi zu scheiden? Kummer oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fahrlässigkeit, oder das Schwert? Endlich nun brachte er seine Geraubte, die er durch verschiedene weitläufige Anstrengungen wieder gewonnen hatte, in ihre Zelle zurück, und jener Räuber kam bald darauf durch einen schrecklichen Tod, welcher den Sündern eigenthümlich ist, um, indem er von einer Lanze durchbohrt wurde. - Was aber soll ich von einigen unvernünftigen Ministerialen und auch ganz niedrigen Knechten berichten, die ihn mit vielen Schmähreden belästigten und sagten, er sei wahnsinnig geworden und folge jenem Fälscher und Betrüger Norbert, er verlasse thörichter Weise den so herrlichen Glanz dieser Welt und lasse sie vereinsamt und gleichsam ohne Haupt zurück? Während indeß unser Held alle diese Angriffe aushält, bleibt seine Geduld tapfer bei allen Schauern von Geschossen, und aus des Mannes ehrwürdiger Brust  entströmen die Worte: "Wenn Ihr mich liebtet, würdet Ihr Euch gar sehr freuen, daß ich zu meinem Gotte zu kommen strebe, daß ich dem Verderben dieser Welt zu entgehen wünsche, daß ich meinem Schöpfer zu nahen mich sehne." - Am Tage der Himmelfahrt der hochheiligen Jungfrau Maria  aber,  welcher für uns der höchste Festtag ist, an dem auch die Mauern dieses Ortes vom Bischof geweiht sind, wer möchte würdig erzählen, was für Angriffe der Versuchungen, wie große Wogen der Erregung er da überwunden hat, indem ihn die einen von hier, die anderen von dort hin und her zogen und mit erstaunlicher Ruchlosigkeit ihm zumutheten, daß er nicht eine Burg von solchem Ansehen und solcher Bedeutung aufgeben sollte; als auch der Bischof selbst, der am Fleisch Gefallen fand und dessen Herz an der Erde hing, ihm den Tausch einer andern Wohnstätte versprach. Aber der unbesiegte und in Wahrheit auf Christus gegründete Krieger Christi ertrug wacker unter den Regengüssen und Fluthen
auch so viele Windstürme durch seine unerschütterliche Ausdauer und ließ weder vom Schrecken sich beugen noch knicken vom Sturme. Denn stark wie der Tod ist die Liebe und viele Wasser haben die Liebe nicht auslöschen können. Nichts gefiel dem Knechte Gottes von der Pracht seines reichen Besitzes, weil allein der Glanz der kostbaren Perle, d. h. der göttlichen Liebe in seinem Geiste leuchtete. Hundert und fünf Ministerialen außer anderen herrlichen Schenkungen nebst reichen Besitzungen schenkte er der Kirche von Münster außer denen, die er der Kölner Kirche und anderen Orten überwies, je nachdem sie selbst darum baten. - -
 

Kapitel 7.

 
Mit was für reiner und einfacher Frömmigkeit aber Gottfried alles verlassen hat, ist auch durch seine Antwort, mit der er den Everwin befriedigte, völlig klar gemacht. In der Zeit nämlich, in der er die von Franko geraubte Frau mit Anstrengung wiedergewann, verbreitete sich überall das Gerücht, welches
 
"Schlechtes und Trug hält ebenso fest, wie es kündet die Wahrheit,"
 
daß Graf Gottfried von Reue bewogen seine Gemahlin wieder zu sich genommen und alle Brüder aus der Burg, welche die Mönche schon in Besitz genommen hatten, schimpflich vertrieben habe. Da solche Erdichtungen sich bis zur Maas verbreitet hatten, kam aus jenen Gegenden Everwin, der Bruder unseres Heinrich, da er hoffte, daß dieser Heinrich mit ihm weggehen würde; und als er den Grafen begrüßt hatte - denn er war freundlich aufgenommen - und man ihn nach der Ursache seines Kommens gefragt hatte, sagte er: "Ich bin gekommen, Herr, um meinen Bruder, der bei Euch Mönch ist, und den ich herzlich lieb habe, zu seinem früheren Stand zurückzurufen, weil Ihr ja, wie man weit und breit verkündet, alles wiedergenommen und alle Brüder auszutreiben begonnen habt." Darauf antwortete der Mann Gottes mit heiterer Miene: "Was ist das? Gewinnst Du durch Deine eigenen Augen gegenwärtig nicht die Ueberzeugung, daß das Alles erdichtet ist? Ich wundere mich zwar sehr über so   unverschämte Erfindungen. Mit welcher unbesonnenen Frechheit könnte ich das für mich in Besitz nehmen, woran ich heute kein Eigenthum mehr habe, und was allein dem Dienste Gottes zuertheilt
ist? Du weißt, mein Gott, daß ich, auch wenn ich von jener Frau Kinder zu erziehen empfangen hätte, lieber Almosen für unsern Bedarf sammeln würde, indem ich von Thür zu Thür bettelte und die Kleinen auf meinem Rücken trüge, als daß ich irgend etwas von dem, was Gott und seinen Dienern gehört, irgendwie zu verletzen wagte." Als die Anwesenden das hörten, bewunderten sie die große Rechtschaffenheit und die tiefe Armuth eines solchen Mannes allewege nicht ohne Thränen.
 
Wie zu der Zeit, als am meisten die Verfolgung des Grafen Friedrich gegen den Mann Gottes wüthete, die Unmenschlichkeit dieser Wuth des Tyrannen, wenigstens für einige Zeit, gebrochen wurde, darf ich nicht verschweigen. Es geschah, daß in jenen Tagen in Gegenwart und auf Befehl des Kaisers Heinrich eine Versammlung von Grafen, Markgrafen und anderen Edlen zu Mastricht stattfand; dort war auch Friedrich selbst zugegen. Während also nach Verhandlung einiger Reichsangelegenheiten der Kaiser in seinem Gemach saß,"handelten unter einander von Vielem in wechselnder Rede" die draußen versammelten Fürsten, wie es zu geschehen pflegt. Siehe, da begann ein Fürst aus Schwaben, ein guter Christ, indem er sich stellte, als ob er Friedrich nicht kenne und nicht wisse, wer er wäre, jenen mit witziger Feinheit vor den Ohren jener Versammlung zu widerlegen, indem er auf folgende Weise die Bekehrung unseres Gottfried und seines Bruders darstellte: "Wollet mir, Ihr Helden und Kampfgenossen, ein wenig Euer Ohr leihen. Man hat vernommen und es ist durch häufige Rede in unseren Gegenden bekannt geworden ein merkwürdiges Wunderzeichen der göttlichen Gnade, daß nämlich die zwei Grafen von Kappenberg von göttlicher Eingebung bewogen, alle ihre Habe dem Herrn unserm Gott gegeben haben, so daß ihr gesammtes Erbe in den Besitz der Armen Christi, die Gott beständig dienen, für alle Zeit übergeht. Glücklich fürwahr und hoch zu preisen sind die Männer, denen von Gott der Edelmuth zu einer so herrlichen That gegeben und der Entschluß zu einem so hochherzigen Vorsatz vollendet ist, die in unseren Tagen allen Gläubigen Christi ein herrliches Beispiel der Heiligkeit und der freiwilligen Armuth gegeben haben, daß sie sich sogar selbst ohne Bedenken demüthig der Genossenschaft jener Armen Gottes angeschlossen haben. Aber siehe, o Frevel, ein Sohn des Teufels in jener Gegend, Namens Friedrich von Arnsberg, versuchte den Schatz einer solchen Heiligkeit, wie das Gerücht geht, uns zu rauben, und vom Nebel der Habsucht verblendet, erregt er gegen Gott selbst, wie kein Christ bezweifelt, unglückselige Kriege. Ich aber gestehe, daß ich, wenn dieser nichtswürdige Räuber unter den Sterblichen mehr vermag, als unser Gott, hinfort weniger gern Gott dienen werde, der eine solche Beleidigung seines Namens nicht hat abwehren wollen. Dennoch kann ich nicht daran verzweifeln, daß in jenem Streite Gott der Sieger sein werde."
Unter diesen höhnenden Worten des Fürsten aber wendete jener Unglückselige, von heftigster Verwirrung außer Fassung gebracht, sein Gesicht hierhin und dorthin, da er den Anblick des Redenden nicht auszuhalten vermochte und in solcher Versammlung im Bewußtsein seiner Gottlosigkeit auch nicht zu mucksen wagte. - Dieses aber haben wir erfahren und es ist sicher, daß er nach jener Versammlung nach Hause zurückgekehrt ein wenig milder zu verfahren anfing und durch einen Boten den Mann Gottes mit großer Freundlichkeit bat, er möchte nach Arnsberg zu einer  Unterredung mit ihm kommen. Da dieser hoffte, daß jener etwas über die Rettung seiner Seele verhandeln wollte, so nahm er einige von seinen Getreuen zu sich und kam am Tage der Himmelfahrt der heiligen Jungfrau Maria dreist zu jenem Orte. Als er dort sehr viele gefesselte und eingesperrte Gefangene fand, - denn der grausame Mann hatte immer einige, welche er in Ketten festhielt und peinigte - wurde er wegen dieser nach seiner Gewohnheit von herzlichem Mitleid gebeugt und trat zuerst vor allem zu ihm, um für diese zu bitten. Aber auf alle seine schmeichelnden Bitten blieb jener unbewegt, wie ein Fels im Meer, und wollte weder die Gnadenzeit eines so hohen Festes, noch die Ehrerbietung vor einem solchen Mann, noch endlich das bejammernswerthe Elend der Gefangenenberücksichtigen. Wie ist es aber zu verwundern, wenn in jener Zeit der grausame Mann keine Abhülfe von Seiten der Liebe gestattete, da er selbst in seiner Todesstunde Niemandes Bitten, Niemandes Rath zuließ und auch nicht einen einzigen Gefangenen loslassen wollte? Es starb aber der ruchlose Mann, wie man sagte, an einer Beschwerde von so entsetzlichem Geruch, daß eine Frau, welche bei ihm saß, auch selbst nach kurzer Zeit ihren Geist aufgab; und da erst wurden die Gefangenen, die sich über den Fall des Tyrannen beglückwünschten, erlöst, jedoch umsonst, weil einige von ihnen durch die lange Pein ihres Kerkers geschwächt in kurzer Zeit ihren Geist aufgaben.  - Da aber Gottfried sich bekümmerte, daß ihm der Grund, aus welchem er gerufen sei, nicht eröffnet würde, nahm ihn Friedrich zu sich und begann ihn umherzuführen, indem er ihm die Mauerbauten oder seinen übrigen mannigfaltigen Hausrath zeigte; obgleich jedoch der heilige Mann dies alles verlachte und einem von den Seinen, der mir das selbst bezeugt hat, zunickend dies in die Ohren raunte: "Dieser Mensch glaubt, daß ich mich an dergleichen eitlem Tand ergötze, aber ich werde wie aus Noth getrieben, ihm hierin zu willfahren gezwungen, obgleich ich doch für alle seine Reichthümer, die er zeigt, nicht eines faulen Strohhalms Werth vertauschen würde." Nachdem er jenen darauf mit wenigen Worten ermahnt hatte, machte er sich, ungeduldig über jeden ferneren Aufschub, zur Rückkehr fertig. Denn immer ertrug er nur höchst ungern das Getümmel der Welt, indem er die klösterliche Stille für das Paradies hielt und die Ruhe der von ihm geliebten Einsamkeit allen Reichthümern eines Crösus vorzog. Als er aber darauf den Untergang seines Verfolgers erfahren hatte, vergoß er aus wahrem Mitgefühl, eingedenk der Milde, uneingedenk der Nichtswürdigkeit Thränen, da er durch den ihm innewohnenden Geist wußte, zu welchen und wie großen Strafen eine solche Seele von dem gerechten Gerichte Gottes gestoßen würde. Es kamen auch um dieselbe Zeit einige von dessen Dienern und sagten: "Seht, Herr, eine wie große und reiche Erbschaft Euch zu Theil geworden wäre, wenn es Euch nicht gefallen hätte, den Ruhm dieser Welt, den Ihr zu besitzen die Macht hattet, freiwillig wegzuwerfen." Er aber wies sie mit unwilliger Miene zurecht und sagte: "Was ist es, was Ihr als etwas Großes rühmt? Hätte ich denn nicht auch alles verlassen müssen, wie auch jener durch seinen Tod es verlassen hat? Seht, er ist todt, und weder wird er nun alles mit sich nehmen, noch wird sein Ruhm mit ihm hinabsteigen. Du weißt, Herr Gott, daß ich, auch wenn ich ein solches Ereigniß vorausgesehen hätte, doch keineswegs die Gnade der Bekehrung  aufgeschoben haben würde, außer vielleicht um den Dienst Deines Lobes noch weiter auszubreiten. Was habe ich denn ferner Großes gethan dadurch, daß ich das verlassen habe, was durch seine natürliche Beschaffenheit selbst mit mir nicht ausdauern konnte? Ist denn nicht
 
Alles, was vollendet die Zeit, was das Ende hinwegrafft. werthlos durch eigene Kürze?"
 
"Antwortet, bitte ich, wenn Ihr die reichste Stadt um einen Heller erwerben könntet, würdet Ihr lieber den Heller nicht für einen so vortheilhaften Handel aufwenden, indem Ihr den Heller mehr liebtet als die Stadt?" Als darauf jene antworteten: "Das zu thun, wäre sehr thöricht," sagte er: "viel thörichter und wahnwitziger ist der, welcher irgend einen reichen Besitz dieser Welt gegen das Himmelreich zu vertauschen unterläßt. Wer wird sich rühmen, ja wer wird mit Recht fordern, dafür belohnt zu werden, wenn er seinem Schöpfer zurückerstattet, was er vor ihm empfangen hat? Und dennoch pflanzte auch in uns, die wir so beschaffen sind, der väterliche Gott die Gelegenheit zum Heil was   ohne Zweifel allein durch die Würdigung seiner unerschöpflichen Güte geschieht."
 

Kapitel 9.

 
Da ferner auch der Bischof von Münster auf Anrathen sehr vieler Männer die Burg Kappenberg zu erlangen suchte, damit sie nicht den Knechten Gottes zu Theil würde, und viele Orte dem heiligen Manne unter aller Beifall zum Tausch anbot, widerstand er selbst, in Wahrheit auf einen Felsen gegründet, auf das Standhafteste und antwortete dem Bischof folgendermaßen:  "Vergebens, o Vater, bemühen sich alle, welche durch Schrecken oder Schmeicheleien unsern durch Gottes Gnade eingegebenen Entschluß betreffs der Verwandelung dieses Ortes zu hindern sich anstrengen; denn ich werde auf keine Weise dulden, daß bei meinen Lebzeiten ferner an diesem Orte der Eitelkeit der Welt gedient werde; ja vielmehr ist es nöthig, das zu erreichen, daß da, wo bisher der ungezügelte Frevelmuth der Krieger wüthete, von nun an beständig der himmlische Gehorsam eintrete. Denn es ist genug, daß wir die vergangene Zeit hingebracht haben nach dem Willen der Thörichten, welche, wie geschrieben steht, in ihren Ausschweifungen  und in ihren Lüsten wandelten. Glaubt mir, wenn Ihr auch viermal so viel an Besitzthümern als Entgelt anbötet, würde ich doch niemals meine Zustimmung dazu geben, daß diese Burg noch länger für weltliche Geschäfte in Anspruch genommen würde."
Durch solche Standhaftigkeit des heiligen Mannes und solche Entschiedenheit seiner Antworten zurückgewiesen wagte der Bischof nichts, nichts die übrigen ferner in Betreff dieser Sache zu  unternehmen.
 
Aber auch der Tyrann, den wir schon oft genannt haben, erprobte den furchtbaren Blitzstrahl seiner Worte, da er ein Mann von denen war, von denen es heißt, "wenn Jemand ihnen schaden will, geht Feuer aus ihrem Munde und wird ihre Feinde verzehren." Denn während Gottfried der angebornen Freiheit  eingedenk aus Verachtung der Welt den Leviathan gegen sich  erweckte, erschraken alsbald die Fürsten von Edom, Zittern kam die Gewaltigen von Moab an, alle Einwohner von Canaan wurden feig. Der bedeutendste von diesen, Friedrich, von der Flamme der Habsucht entbrannt - denn der Athem des Teufels setzt Kohlen in Brand - strebte im Namen seiner Tochter nach den Besitzungen des Grafen, drang darauf, führte ein Heer gegen den Grafen, zog ihn häufig vor Gericht und erwies ihm Ruchlosigkeit statt brüderlicher Liebe. Als daher an einem bestimmten Tage vor einer zahlreich versammelten Menge viele Reden hin und her gehalten waren, wendete endlich der Mann Gottes, durch die Reinheit seiner Unschuld hervorragend und voller Freimüthigkeit zerschmetternde Geschosse des heiligen Geistes gegen jenen, indem er sagte: "Wehe, Du armer Mensch, wasbist Du
um so niedrige und hinfällige Dinge in so leidenschaftlicher  Aufregung? Was stellst des Nachbars Gütchen Du nach, nicht achtend des Feldrains? Willst Du denn etwa allein in Mitten der Erde wohnen? Willst Du die ganze Welt verschlingen? Es sei; und was nützt es Dir dann, wenn Du die ganze Welt gewinnest und Schaden nimmst an Deiner Seele? Du führst zwar zum Vorwand Deine Tochter an, aber wir alle wissen, daß die gewaltige Krankheit unersättlicher Habgier Dich ergriffen hat, der Du, wie die ganze Welt bezeugt, auch nicht die Tochter Deines verstorbenen Bruders geschont hast, sondern rasend durch dieselbe Habgier, sie in ungerechte Gefangenschaft gesetzt hast." Bei diesen Worten ergriff er mit erstaunlicher Keckheit zur Verwunderung vieler das Kinn desselben, und indem er es schüttelte, fügte er noch diese Worte hinzu: "Siehe, Dein Gesicht beginnt bereits mager zu
werden, siehe, das Fleisch in Deinem Gesicht beginnt schon zu schwinden; ob Du willst oder nicht willst, schon naht die Zeit, wo Du in Staub zerfallen wirst und wo Dein Nacken in Erde verwandelt werden wird. Fürst und einer unter den Ersten dieser Welt wirst Du geheißen vom Munde des Volkes; aber ich glaube, es ist zu befürchten, daß Du in der zukünftigen Welt nicht unter die ersten, sondern unter die letzten und verachtetsten gerechnet  werden wirst." Darauf antwortete jener höhnisch, doch mit Furcht: "Ihr nun, o Herr, seid nicht so sehr von Gott mit Gottes Geist erfüllt, daß ich nicht selig ebenso gut zu werden vermöchte, wie Ihr und jener Euer Knecht, der Verführer Norbert." So brannte
und verzehrte also, wie ich gesagt habe, das vom geistigen Himmel herabsteigende Feuer den Feind der Wahrheit, es peinigte ihn und  erleuchtete ihn nicht. - Und bald darauf starb jener Unglückliche, und die Welt, von solcher Pest befreit, athmete auf. Denn  indem er die gesammten Brüder bald bedrohte, bald mit bewaffneter Macht sich ihren Grenzen näherte, hatte er sie einmal mit solchem Schrecken erschüttert, daß sie einmüthig zugleich mit Gottfried und Vater Norbert einander beichteten und wie die Schafe den Nacken zum Todesstoß bereiteten, und freiwillig nach Oeffnung der Thore den Märtyrertod ohne Bedenken und freudig erwarteten. Aber der Herr, der seine Knechte, die er durch die Gefäße der Ungerechtigkeit erprobt, aus den Versuchungen zu reißen, die Ungerechten aber für den Tag des Gerichts zur Pein aufzubewahren weiß, verlachte den Auszug, Wahnsinn und Uebermuth desselben durch seine Macht, legte einen Ring ihm in die Nase und einen Zaum auf seine Lippen und zwang ihn, nachdem er alle seine Mühe zwar vereitelt sah, seinen Willen aber nicht verändert hatte,
auf demselben Wege, auf dem er gekommen war, umzukehren. Jener also suchte für die genannten Armen Christi, wie Saul für David, Böses an allen Tagen; dennoch gab sie der Herr nicht in seine Hände, indem er sie durch Trübsal prüfte, die  Nichtswürdigkeit jenes aber verachtete, indem er sie auf wunderbare Weise ertrug.