Wenzel II.                                      König von Böhmen (1278-1305)
-------------                                     König von Polen (1300-1305)
17.9.1271-21.6.1305
Prag          Prag

Begraben: Zisterzienser-Kloster Zbraslav (Königssaal)

Einziger Sohn des Königs Przemysl Ottokars II. von Böhmen aus seiner 2. Ehe mit der Kunigunde von Kiew, Tochter von Herzog Rostislaw
 

Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 2188
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Wenzel II.,  König von Böhmen 1278-1305
-------------  König von Polen seit 1300
* 1271, + 21. Juni 1305

Begraben: Zisterzienser-Kloster Zbraslav (Königssaal)

Einziger Sohn König Otakar II. Premysl und Kunigunde, Enkelin König Belas IV. von Ungarn

  1. oo Guta (+ 1297), Tochter König RUDOLFS VON HABSBURG

  2. oo Rixa-Elisabeth (+ 1335), Tochter König Przemysls II.

Kinder: von 1.: Wenzel III., außerdem mehrere Töchter und uneheliche Kinder

Nach dem Tod seines Vaters (1278) stand Wenzel II. einige Jahre unter Vormundschaft seines Onkels, Markgraf Ottos IV. von Brandenburg. Erst seit 1283 regierte Wenzel II. selbständig, wobei seine Herrschaft bis 1290 unter dem Einfluß rivalisierender Adelsgruppen stand, besonders der WITIGONEN (Zawisch von Falkenstein, hingerichtet 1290) und der Gruppe um Bischof Tobias von Bechyn und Purkart von Janowitz. Doch erlangte der König von Böhmen bald wieder eine wichtige Rolle in der Politik Mitteleuropas. Dazu trug die Heirat mit der Tochter RUDOLFS VON HABSBURG bei. Wenzels II. Haltung beeinflußte das Ergebnis der deutschen Königswahlen in den Jahren 1292 und 1298. Mit Rücksicht auf die Interessen der HABSBURGER konzentrierte sich die böhmische Politik damals auf Meißen, das Pleißenland und besonders auf Polen. Wenzel II.profitierte von der politischen Zersplitterung Polens, festigte seine Macht zuerst in Oberschlesien (1289) und beherrschte bald Kleinpolen mit Krakau (1291). Im Wettbewerb um die polnische Krone unterlag Wenzel II. - unter dem Druck der päpstlichen Kurie - zunächst dem großpolnischen Fürsten Przemysl II. (1295). Als dieser 1296 ermordet wurde, konnte er sich bald darauf in Prag zum König krönen lassen (1297), die zeitgenössischen Chroniken berichten von dieser äußerst kostspieligen Festlichkeit. Diplomatisch und militärisch abgesichert sowie durch die Heirat mit Przemysls Tochter vorbereitet, gelang Wenzel II. im Sommer 1300 der Einzug in Polen, dem Wenzels Gegner, der PIAST Wladyslaw I. Lokietek, keinen Widerstand leisten konnte; im August wurde Wenzel II. in Gnesen zum König von Polen gekrönt. Als 1301 die ungarischen ARPADEN ausstarben, gewann Wenzel II. für seinen gleichnamigen Sohn Wenzel III. die ungarische Krone. Von dem raschen politischen Aufstieg der premyslidischen Macht, die nun die drei ostmitteleuropäischen Königskronen vereinte, fühlten sich nicht nur die HABSBURGER, sondern auch die päpstliche Kurie bedroht. Schon 1304 sah sich Wenzel II. gezwungen, in Ungarn zu intervenieren, um seinen Sohn sicher nach Böhmen zurückzuholen. Bald darauf mußte sich Wenzel II. gegen militärische Interventionen wehren. Im Herbst 1304 drang König ALBRECHT VON HABSBURG mit seinen ungarischen Verbündeten bis nach Kuta Hora (Kuttenberg) vor. Zwar konnte Wenzel II. den Angriff mit Hilfe des böhmischen Adels zurückschlagen, doch war die böhmische Herrschaft nicht nur in Ungarn, sondern auch in Polen erschüttert. Obwohl der böhmische König als einer der reichsten Herrscher Europas galt, brachten ihn die Bezahlung des Heeres und die Unterstützung der polnischen und ungarischen Magnaten mit riesigen Summen in finanzielle Schwierigkeiten. Die PREMYSLIDEN verzichteten auf die ungarische Krone, um die polnische Krone zu retten. Angesichts der Probleme der HABSBURGER in Österreich und im Deutschen Reich hofften die PREMYSLIDEN, doch erkrankte Wenzel II. im Frühjahr 1305 und starb am 21. Juni.
Wenzel II. war nicht nur einer der bedeutendsten Könige aus dem Hause der PREMYSLIDEN, sondern auch eine der hervorragendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Mit Hilfe von Diplomatie und militärischer Stärke verfolgte er konsequent seine politischen Ziele und wählte dabei mit Bedacht seine Ratgeber und Helfer aus, häufig Kleriker und zugewanderte Gefolgsleute. Im Unterschied zu seinem Vater Otakar II. Premysl hatte Wenzel II. dennoch ein recht gutes Verhältnis zum böhmischen Adel. Er war bemüht, die wirtschaftliche und kulturelle Lage des Königtums zu bessern. Wenzel II. führte eine Münzreform durch (1303) und ließ die grossi Pragenses prägen. Er unterstützte den Aufschwung des Bergbaus (besonders im Gebiet von Kuttenberg) und erließ die Kuttenberger Bergordnung. Nur sein Versuch, in Prag eine Universität zu gründen, blieb infolge des Widerstands des Adels erfolglos. Gegen Ende seiner Regierung überschätzte er jedoch die politischen und ökonomischen Möglichkeiten seines böhmischen Königreiches.



Thiele, Andreas:
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"Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1"

Wenzel II. folgte seinem Vater unter der Regentschaft Ottos von Brandenburg und seines Stiefvaters. Er mußte 1278 alle Reichslehen und Eroberungen herausgeben und Mähren für 10 Jahre verpfänden. Im Jahre 1283 übernahm er selbst die Regierung, die von Kämpfen zwischen pro- und anti-habsburgischen Geschlechtern erfüllt. Am 24.8.1290 ließ er seinen Stiefvater, Zawisch von Falkenstein, den Exponenten der anti-habsburgischen Adelsgruppierung, hinrichten. In den Jahren 1291 und 1292 eroberte er Krakau und Sandomierz, Großpolen und Pommern und erreichte im Jahre 1300 in Gnesen seine Krönung zum König von Polen. Er versuchte Österreich und Steiermark zurückzugewinnen, was ihm die erbitterte Feindschaft Albrechts von Habsburg einbrachte. Wenzel verhinderte 1291 dessen Wahl zum deutschen König und wählte ADOLF VON NASSAU mit. Er geriet auch 1290 mit ALBRECHT wegen Ungarn in Konflikt. Bei den Krönungsfeierlichkeiten Wenzels II. in Prag (2.6.1297) trafen Wenzel, der Mainzer Erzbischof, die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, die vertriebenen WETTINER und Herzog Albrecht von Habsburg Absprachen zur Absetzung ADOLFS VON NASSAU. Der neugewählte König sprach Wenzel die Lausitzen, das Egerland, Meißen und das Pleißenland zu. Nach dem Aussterben der ARPADEN eroberte er 1301 Ungarn und ließ seinen Sohn zum König von Ungarn krönen, womit er sowohl gegen den Papst, der Ungarn als päpstliches Lehen ansah, und das Haus ANJOU damit belehnte, als auch gegen ALBRECHT I., der Ungarn als Reichslehen ansah, geriet. Die immer bedrohlicher anwachsende Macht Wenzels versuchte ALBRECHT 1304 vergeblich zu brechen. Wenzel stellte die königliche Gewalt in Böhmen voll wieder her, verbündete sich mit Brandenburg und trat Meißen ab.
 
 
 
 

  21.1.1285
  1. oo Jutta von Habsburg, Tochter des Königs RUDOLF I.
          13.3.1271-21.6.1297
          Rheinfelden  Prag

  26.5.1300
  2. oo 1. Elisabeth-Richsa von Polen, Tochter des Königs Przemyslaw II.
               um 1286-18.10.1335
               Lemberg Brünn

       16.10.1306
        2. oo Rudolf III. Graf von Habsburg
                1281-4.7.1307
 
 
 
 

Kinder:
1. Ehe

  Przemysl Ottokar
  6.5.1288-19.11.1288

  Wenzel III.
  6.10.1289-4.8.1306

  Agnes
  6.10.1289-   1293

  Anna
  15.10.1290-3.9.1313

13.2.1306
   oo Heinrich VI. Herzog von Kärnten
       1265/73-2.4.1335

  Elisabeth
  20.1.1292-28.9.1330
  Prag      Prag

31.8.1310
  oo Johann Graf von Luxemburg
       10.8.1296-26.8.1346

  Judith
  4.3.1293-3.8.1294

  Johann I.
  26.2.1294-1.3.1294

  Johann II.
  21.3.1295-6.12.1296

  Margarete
  9.2.1296-7./8.4.1322

 1308/10
  oo 1. Boleslaw III. Herzog von Schlesien-Liegnitz
          23.3.1291-21.4.1352

  Agnes
         - um 1296

 1296
  oo Ruprecht VI. Graf von Nassau
       um 1280-2.11.1304

2. Ehe

  Agnes
  15.6.1305-1336/4.1.1337

 1319
  oo Heinrich I. Herzog von Schlesien-Schweidnitz-Jauer
       1292/96-6.3./15.5.1346
 

Illegitim

  Johann Wolek Bischof von Olmütz (1334-1351)
        -   1351
 
 
 
 

Literatur:
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Franzl, Johann: Rudolf I. Der erste Habsburger auf dem deutschen Thron, Verlag Styria 1986, Seite 129,131,176,179,200, 231,160,270,274,278 - Hoensch, Jörg K.: Premysl Otakar II. von Böhmen. Der goldene König. Verlag Styria Graz Wien Köln 1989 - Jäschke Kurt-Ulrich: Europa und das römisch-deutsche Reich um 1300. Verlag W. Kohlhammmer Stuttgart Berlin Köln 1999 Seite 40,49, 53,57,81,85,86,91,95,125 - Kuthan, Jiri: Premysl Ottokar II. König, Bauherr und Mäzen. Höfische Kunst im 13. Jahrhundert, Böhlau Verlag Weimar 1996 - Palacky Franz: Geschichte von Böhmen 1842 - Rhode Gotthold: Kleine Geschichte Polens. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1965 Seite 60,61,89,93 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 - Westmitteleuropa - Ostmitteleuropa. Vergleiche und Beziehungen. Festschrift für Ferdinand Seibt zum 65. Geburtstag, hg. von Winfried Eberhard, Hans Lemberg, Heinz-Dieter Heimann und Robert Luft, R. Oldenbourg Verlag München 1992, Seite 297-299,302, 304-305 -