Mit Welf oder Welfhard, von der Forschung
in der Nachfolge des karolingerzeitlichen
Grafen
Welf vom Linz- oder Alpgau als Welf II. bezeichnet, tritt das
Geschlecht deutlicher und fortan in lückenloser Folge in die zeitgenössische
Überlieferung ein. Welfs Heirat mit Irmentrud/Imiza "von
Gleiberg" (im Lahntal nördlich von Gießen), einer Tochter
des Grafen Friedrich von Luxemburg, führte zu weitläufigen
Bindungen im hohen Adel des Reichs. Die LUXEMBURGER
wußten um ihre Herkunft von KARL DEM GROSSEN
und durften sich im frühen 11. Jahrhundert mit einer Kaiserverwandtschaft
schmücken.
Solche Herkunft und solche Verwandtschaft zeichneten
ein adliges Haus aus. Nach der kaiserlichen Tante wurde auch die Tochter
aus der Ehe Welfs mit Irmentrud/Imiza als Kuniza (=Kunigunde)
benannt. Die welfische Überlieferung
des 12. Jahrhunderts nannte indes nur die drei Brüder
Irmentruds/Imizas
und den materiellen Zugewinn durch die Heirat. Beides beleuchtet die
bedeutende Stellung Welfs II. Die nicht sicher datierte Eheschließung
kam vielleicht mit Zustimmung des Kaiserpaaars zustande. Irmentruds/Imizas
Onkel wurde unter König HEINRICH II.
bayerischer Herzog (Heinrich V., 1004-1009 und 10171026). Später bekleidete
ihr Bruder das gleiche Amt (Heinrich VII., 1042-1047). Ein zweiter Bruder
stieg zum Herzog von Nieder-Lothringen auf (Friedrich, 1046-1065), ein
dritter amtierte als Bischof von Metz (Adalbero, 1047-1072). Dieses Beziehungsgefüge
gewährleistete noch Jahrzehnte später die Kontinuität der
welfischen
Familie.
Fürs erste bescherte die Eheschließung mit
Irmintrud/Imiza
Welf II. beträchtliche Reichsnähe und den Erwerb zweier wichtiger
Besitzungen, des Königsguts Mering bei Augsburg und des nicht
sicher identifizierten lombardischen Hofs Elisina mit angeblich
11.000, vielleicht auch nur 1.100 Hufen Landbesitz. Mering befand sich
gegenüber dem Lechfeld, dem Aufmarschgebiet der Reichsheere für
die mittealterlichen Italienzüge, und lag an einer alten Römerstraße
in Richtung Mittenwald, Reschen und Brenner. Der Besitzwechsel zu den WELFEN,
in der späteren Erinnerung ausdrücklich festgehalten, könnte
mit den Verfügungen der Kaiserin Kunigunde
als Witwe 1025 in Verbindung gebracht werden, die in vielfältiger
Weise in Bayern handelnd hervortrat.
Mit Mering erwarben die WELFEN
einen
wichtigen Stützpunkt im unmittelbaren Umfeld der Bischofsstadt Augsburg.
Hier spitzten sich die Reibereien zu, die aus der verkehrsgeographischen
und strategischen Bedeutung dieser Landschaft für den Alpenübergang
in den Vintschgau zu erklären sind. Eingebettet blieben die Auseinandersetzungen
zwischen Welf II. und den Bischöfen von Augsburg und Freising
in größere reichsgeschichtliche Konflikte zu Beginn der salischen
Königsherrschaft
KONRADS II. (1024-1039).
Der WELFE schloß
sich nämlich 1025 dem Aufstand Herzog Ernsts II. von Schwaben an.
Immerhin könnten nach dem Tod Kaiser HEINRICHS
II. 1024 neben KONRAD II.
auch der Schwaben-Herzog, die sächsischen BRUNONEN und vielleicht
sogar die WELFEN Ansprüche
auf die Krone angemeldet haben. Allerdings lassen sich bei den WELFEN
im 11. und 12. Jahrhundert keine Spuren genealogischen Wissens um die alte
Verwandtschaft mit den burgundischen WELFEN
finden; die Beteiligung am Aufstand gegen KONRAD
wäre also das einzige (schwache) Indiz.
Die Erhebung in S-Deutschland war bedrohlich genug. Die
Gruppe um Herzog Ernst und Graf Welf II. suchte nämlich Kontakt
zu fränkischen und lothringischen Herren. Bis zum Tod Ernsts und Welfs
II. 1030 dauerte der Konflikt, wiederholt unterbrochen durch Begnadigungen,
die den zeittypischen Mustern von Konflikt und Konfliktbeilegung entsprachen.
Wie so oft führten Krisen zur Verschriftlichung. Mit einem Mal können
wir welfische Einfluß- und Expansionszonen
erkennen, sogleich auch die Gefährdung im Streit mit dem Kaiser. Zum
Jahr 1026 berichtet Wipo, der Biograph Kaiser
KONRADS II., "von der Verschwörung einiger Deutscher":
"Während der Kaiser noch in Italien weilte, waren bei den Deutschen
erfolglos große Mißgunst, viele Ratschläge und zahlreiche
Zusammenrottungen gegen den Kaiser deutlich geworden. Mit den Geringeren
will ich beginnen und zu den Größeren voranschreiten: Ein gewisser
Graf
Welf in Schwaben, reich an Gütern und waffenstark, und
Bischof
Bruno von Augsburg hatten sich gegenseitig bekämpft und
viel Übles durch Plünern und Brandschatzen im Reich angerichtet.
Endlich drang der Graf in Augsburg ein, plünderte das Schatzhaus des
Bischofs und verwüstete die ganze Stadt. Auf Druck des Kaisers erstattete
er dem Bischof später alles zurück und entschuldigte ihn." Seinem
Augsburger Amtskollegen Bruno war Bischof
Egilbert von Freising 1026 vergeblich zur Hilfe geeilt. Den Sieg über
die Bischöfe wie die Zerstörungstaten rühmte die welfische
Überlieferung des 12. Jahrhunderts. Sie verschweigt indes Welfs
Unterwerfung vor dem König (deditio) auf einem Hoftag in Ulm,
seine zeitweilige Verbannung (exilium), die erzwungene Wiedergutmachung
im Juli 1027 und den katastrophalen Verlust der Grafschaftsrechte in S-Tirol.
Bei der Rückkehr von der römischen Kaiserkrönung hatte KONRAD
II. schon im Mai/Juni 1027 in drei Urkunden die Herrschaft über
die S-Tiroler Grafschaften völlig neu geregelt. In Brixen und in Kaltenbrunn
auf dem Ritten wies er Bischof Ulrich von Trient die Grafschaft Trient,
Vintschgau und Bozen zu. Wenige Tage später, am 7. Juni 1027 in Stegen
im Pustertal erhielt Bischof Hartwig von Brixen die früheren Grafschaft
des Grafen Welf im Eisack- und Inntal nördlich der Säbener
Klause.
Wann Welf II. in den Besitz der Grafschaft an
der bedeutsamen Brennerroute gekommen war, läßt sich nicht ermitteln.
Vermutungen, daß dies erst wenige Jahre oder Jahrzehnte zuvor, vielleicht
unter HEINRICH II., geschehen sei,
hängen mit nicht zu beweisenden Modellvorstellungen vom Ausgriff der
WELFEN in den Alpenraum zur Jahrtausendwende
zusammen. Die Aberkennung der Grafschaft südlich des Brenners, kombiniert
mit der Nachricht vom Jagdunfall von Welfs Bruder Heinrich
bei Lana, läßt dagegen welfisches Handeln
und Herrschen südlich des Alpenkamms um die Jahrtausendwende gut erkennen.
Die frühe Überlieferung bietet also gesicherte Nachrichten von
Amt und Besitz in Schwaben, Bayern, im Vintschgau und im Eisack- und Inntal.
Sie zeigt damit die Beherrschung der wichtigen Paßrouten (Reschen,
Brenner) über die Alpen als Charaktersitikum welfischer Adelsherrschaft.
Mit der Übertragung der welfischen
Grafschaft an den Bischof griff der Kaiser hart in diesen Komplex ein.
KONRAD
ging 1027 über die Mehrung von bischöflichen Herrschaftsrechten
hinaus, die andernorts meist nur den Bischof zwischen König und Graf
treten ließen. Die endgültige Absetzung schaltete Welf II.
als
Amtsinhaber der S-Tiroler Grafschaft völlig aus und machte den Brixener
Bischof zum alleinigen Herrschaftsträger.
Wir können nicht abschätzen, wie solche Erfahrungen
aus Revolte, Amtsverlust, Unterwerfung und Exil das welfische
Selbstbewußtsein geprägt haben. Bezeichnenderweise meldet die
spätere Hausüberlieferung ja nur die militärischen Erfolge
aus der großen Krisenzeit von 1026/27. So bleibt es müßig
zu spekulieren, was man eineinhalb Jahrhunderte später am WELFEN-Hof
noch von der Absetzung Welfs II. 1027 wußte, von seiner Revolte,
seiner Unterwerfung, seinem Exil oder seinem Ende.
Welf II. starb 1030 und wurde in der väterlichen
Grablege Altdorf beigesetzt.