Immerhin ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass
der Name Heinrich, der in einer älteren
Form als Hericco, Hericus im Kreis der HUOSI belegt
ist, durch diese Verbindung auf die WELFEN
übergegangen ist. Dazu würde die Nachricht der Historia Welforum
passen, dass Heinrich mit dem goldenen Wagen,
der erste WELFE dieses Namens, die
Mönche von Ammergau, der Gründung seines Vaters Eticho,
nach dessen Tode nach Altomünster überführt habe, was vielleicht
darauf hinweist, dass eben Eticho mit einer HUOSI vermählt
gewesen ist; dass er also durch Heirat die welfischen
"Ansprüche" auf Altomünster begründet und Heinrich
sie durchgesetzt hatte.
Der WELFE Heinrich
mit dem goldenen Wagen nimmt in
der frühen welfischen Überlieferung
unverkennbar eine besondere Stelle ein. Mit Recht; denn er hat mit einer
Vergangenheit gebrochen, die sein Geschlecht zur Selbstgenügsamkeit
gezwungen hatte, und ihm eine neue Bahn in die Zukunft eröffnet. Entscheidend
dafür ist ein Ereignis gewesen, das alle Quellen zur frühen welfischen
Geschichte kennen und das die Genealogia auf die kurze Formel
bringt: Heinricus imparoti hominium
facit. Die Historia überliefert die gleiche Nachricht in stark
erweiterter Form. Sie fügt vor allem hinzu, dass
Heinrich,
mit dem Kaiser befreundet und sein Begleiter bei seinen Zügen durch
das Reich, die Lehnshuldigung maxime ipsius imperatoris instinctu geleistet
und dafür von ihm ein mächtiges Lehen von 4.000 Hufen empfangen
habe; beides, wie sie hervorhebt, gegen den Willen seines Vaters Eticho.
Tatsächlich hat die Verbindung des WELFEN
Heinrich
gerade mit KONRAD I. auch unter anderen
Gesichtspunkten die meiste Wahrscheinlichkeit für sich: KONRAD
hatte
immerhin versucht, in Schwaben noch direkte Herrschaft auszuüben und
sich deshalb gegen die Bildung einer eigenen Herzogsgewalt gestemmt. Er
war dabei auf schwäbische Anhänger angewiesen. Und
Heinrich
konnte sich um so eher auf seine Seite schlagen, als er im König
einem Verwandten begegnete, der vielleicht nicht zufällig 911/12 das
Kloster St. Gallen für das Unrecht ihres gemeinsamen Vorfahren Ruthard
entschädigt hat. Vor allem aber: Da die Historia Welforum berichtet,
dass Heinrich sich persönlich
in der Umgebung des Herrschers aufgehalten habe, und tatsächlich ein
bisher nicht identifizierter comes Heinrich
in den Jahren 912 und 913 in den Urkunden KONRADS
I. unter lauter schwäbischen Intervenienten hervortritt,
in Schwaben aber in dieser Zeit außer Heinrich
mit dem goldenen Wagen kein anderer
Großer dieses Namens begegnet, wird es erlaubt sein, ihn mit dem
WELFEN
Heinrich
mit dem goldenen Wagen gleichzusetzen. So wäre KONRAD
I. der Herrscher, dem Heinrich die
Lehnshuldigung geleistet hat, um von ihm ein beneficium zu erlangen.
Dagegen hat König noch auf eine ganz spezielle Angabe
des Annalisten und der Schwäbischen Weltchronik aufmerksam gemacht,
die nicht frei erfunden sein kann und vor allem genau lokalisierbar ist:
sie nennen im Zusammenhang mit dem Umritt Heinrichs,
durch den er die Größe des Lehens festgelegt haben soll, den
"Mährenberg"; er soll außerhalb der umzogenen Grenze geblieben
sein. Dieser Angabe entspricht so vorzüglich der von König identifizierte,
unweit der Südgrenze der späteren welfischen
Grafschaft Schussengau gelegene Mährenberg, dass damit wohl als gesichert
gelten darf, dass es sich bei dem Lehen tatsächlich um den Schussengau
gehandelt hat. Dieses neu gewonnene Gebiet, auf das der Name des alten
Fiskus Schussengau überging, war seinem Umfang nach nicht mit dem
Fiskalbezirk identisch, sondern um beträchtliche Teile des Argen-,
Linz- und Eritgaues vergrößert worden. Es umschloß damit
einen Raum, in dem einst Ruthard, Konrad der Ältere
und
Welfo als Grafen gewaltet hatten und in dem bereits alter WELFEN-Besitz
lag: gewiß ein Grund, weshalb die Belehnung gerade mit diesem Gebiet
erfolgte. Es vereinigte jetzt den alten, seither vereinzelten WELFEN-Besitz
in einem einzigen großen Komplex und bot daher dem Geschlecht in
seinem überkommenen schwäbischen Wirkungsbereich eine neue Grundlage,
auf der es seine verlorene, aber nicht vergessene Bedeutung als ehemals
führendes Geschlecht zurückerlangen konnte, zumal diese Grundlage
nach Osten hin erweiterungsfähig war.
Heinrich hat die Entwicklung anerkannt und für
sein Geschlecht die Möglichkeit zu einem Neuanfang zurückgewonnen.
Die Verbindung mit dem Königtum war dazu nur der erste Schritt. Er
brachte die Vergrößerung und Abrundung alter Besitzungen durch
das beneficium im Schussengau ein. Der nächste Schritt führte
zum konsequenten Ausbau dieses Komplexes, beginnend in Altdorf, dem Hauptort
des Gaues. Hier hat Heinrich mit dem goldenen
Wagen um 935 das erste große Eigenkloster der WELFEN
gegründet,
das bestimmt war, die Grablege des Geschlechtes zu bergen. Es lag unmittelbar
am Fuße des Berges, auf dem wahrscheinlich die alte WELFEN-Burg
stand, die wie das Kloster den Namen des Ortes Altdorf annahm. Als unter
den Adelsgeschlechtern die Sitte aufkam, sich nach ihrem Hauptsitz zu benennen,
war es Altdorf, das dem Geschlecht zunächst den Namen gab. Auch als
die benachbarte Ravensburg, die Welf II. errichtet, sich allmählich
zum Hauptsitz des Geschlechtes entwickelte, kam Altdorf nicht in Vergessenheit.
Mit der Wendung, die Heinrich mit dem
goldenen Wagen herbeigeführt hat, indem er seinem Geschlecht
im Schussengau eine neue Heimat schuf, war die Verwurzelung im schwäbischen
Boden verbunden.