Graf Heinrich, der
Verwandte des
Königs HEINRICH,
begegnet uns also 912 in Frankfurt und in Schwaben (Kaiserpfalz Bodman
am Bodensee), 913 im Elsaß (Straßburg), vor 915 zusammen mit
einem bayerischen Bischof (Passau), aber wohl in Schwaben (Reichenau),
918 in Ostfranken (Würzburg) und an der ostfränkisch-bayerischen
Grenze (Forchheim), 920 und 927 zweimal in Hessen (Seelheim und Salz),
931 in Ostfranken oder Hessen (je nach der Lokalisierung von Salz) und
schließlich 934 in Thüringen (Nordhausen). Bemerkenswert sind
die gemeinsam mit ihm genannten Fürsprecher: unter ihnen finden wir
neben Bayern auffallend viele Schwaben. Im übrigen erscheint Graf
Heinrich dauernd an hervorgehobener Stelle in der Umgebung des
Königs, und das nicht erst bei seinem Verwandten König
HEINRICH, sondern schon unter KONRAD
I. Dieser Namens- und Blutverwandte des Königs
HEINRICH ist also ein hervorragender Mann aus der Spitzengruppe
des Reichsadels, der deutlich im ganzen Reich zu Hause ist, überall
hin Beziehungen hat, von überall her als Vermittler begehrt wird.
Und wirklich: auf der schwäbisch-bayerischen Stammesgrenze,
rittlings zwischen Schussen und Ammer, gibt es ja den längst bekannten
Grafen
Heinrich "mit dem goldenen Wagen", den Gründer
des schwäbischen Klosters Altdorf und Gatten der reichen bayerischen
Erbin Atha von Hohenwarth, den Stammhalter
des
WELFEN-Hauses. Den ungemeinen Reichtum
dieses Heinrich kennen wir aus der
WELFEN-Chronik, ebendort werden auch
seine Beziehungen zum kaiserlichen Hof erwähnt [Da es a.a.O. ausdrücklich
heißt ad imperatorem se contulit und der Verfasser der Chronik
deutlich zwischen rex und imperator zu scheiden versteht,
muß Heinrich schon zu Lebzeiten Kaiser
ARNULFS mit dem Hofe Fühlung gehabt haben. Aus anderen
Überlegungen kann nachgewiesen werden, dass Heinrichs
Gattin
Atha
"von Hohenwarth" eine Verwandte ARNULFS,
vielleicht sogar eine natürliche Tochter des Kaisers war. Dann wäre
Heinrich
(da zwischen den KONRADINERN und den
letzten deutschen KAROLINGERN eine
urkundlich bezeugte, aber im einzelnen noch nicht erforschte Verwandtschaft
bestand) zugleich mit König KONRAD I. (wenn
auch entfernt und angeheiratet) verwandt gewesen, was gut zu HeinrichsStellung
am Hofe KONRADS passen würde.
Dann müßte man Heinrich "mit
dem goldenen Wagen" fast 40 Jahre guter Beziehungen zu drei
Herrschern annehmen: zu ARNULF (bezeugt
durch die Historia Welforum) und zu KONRAD
und HEINRICH (bezeugt durch Königsurkunden).
Nur für die Regierungszeit Ludwigs des Kindes
(900-911) fehlen Zeugnisse über Heinrich
im
Zusammenhang mit dem Königshof.]. Er muß nach den Altersverhältnissen
im WELFEN-Hause etwa um 870/75
geboren sein. Durch seine Heirat mit der Bayerin Atha
war
er seit spätestens den 90-er Jahren des ausgehenden Jahrhunderts dauernd
ebenso an den schwäbischen und den bayerischen Verhältnissen
interessiert. Er muß der Graf Heinrich sein,
der von 903 bis 934 eine so bedeutende Rolle in der Reichsgeschichte gespielt
hat.
Für diesem WELFEN Heinrich
ist
also Blutsverwandtschaft mit König HEINRICH
urkundlich bezeugt. Die Verwandtschaft über Welf I. ist nicht
eben eng zu nennen: der Ur-Ur-Großvater des WELFEN
Heinrich
ist zugleich der Ur-Ur-Ur-Großvater des Königs
HEINRICH, das heißt genealogisch: Welf I. ist der
Ahn Nr. 16 der WELFEN und Ahn Nr. 62
des Königs. Wenn ihre Mütter Schwestern waren, dann waren beide
Heinriche Enkel des BABENBERGERS Heinrich und propinqui,
rechte Vettern.
Heinrich ging in
den frühen 90-er Jahren an den Hof ARNULFS,
also nach Bayern. Eben in diesen Jahren hat er dort eine sehr reiche
bayerische Erbin geheiratet, Atha,
über deren Herkunft die WELFEN-Geschichte
schweigt. Auf jene Zeit führt die Welfenchronik aber auch die reiche
bayerische Begüterung der WELFEN
zurück, was immerhin viel Wahrscheinlichkeit für sich hat. Und
eben damals kommt es zum dauernden, zum unwiderruflichen Bruch zwischen
Heinrich
und
seinem Vater. Sollte die dem ganzen Geschlecht angetane Schmach da nicht
auf anderem Gebiet zu suchen sein? Wenn ARNULF
den
jungen WELFEN dadurch an sich band,
dass er ihm eine seiner Töchter zur Frau gab, dann dürfen wir
in den reichen bayerischen Lehen eher eine Form der Ausstattung anläßlich
der Heirat mit Atha sehen. Setzen wir
Atha "von Hohenwarth" mit einer
Tochter ARNULFS oder speziell mit Ellenratha,
der Witwe Engilschalks, gleich, dann verstehen wir viel eher den heillosen
Schmerz des Vaters Ato
über die Familienschande, den Ingrimm
über den nicht mehr auszulöschenden Fleck auf der Familienehre,
die Schmach, die nur durch dauernde und völlige Trennung von dem Sohne
zu verwunden war.
Andererseits verstehen wir die Begüterung der späteren
WELFEN
in Bayern, auch ihre Beziehungen zum bayerischen Südosten, viel besser,
wenn wir sie durch Heinrich und Atha
als Miterben an dem reichen Gut der bald nachher erloschenen bayerischen
KAROLINGERN
ansehen
können. Der Verbleib der karolingischen
Eigengüter in Bayern nach dem völligen Erlöschen dieser
Linie mit dem Tode
Ludwigs des Kindes
ist ja noch immer ein ungelöstes Problem. Sicher ist wohl, dass die
LIUTPOLDINGER nicht nur de facto sich große Teile dieses Besitzes
angeeignet haben, sondern dazu auch de jure (und zwar wohl durch ein auf
Frauenverwandtschaft gegründetes Erbrecht) ausgewiesen waren. Aber
es sind doch lange nicht alle karolingischen
Güter an sie gefallen, und den welfischen
Besitz in Bayern aus dieser karolingischen
Wurzel ableiten zu wollen, hat darum viel Wahrscheinlichkeit.
Denn wenn die nächste
WELFEN-Generation
(Graf Rudolf von Altdorf, Bischof Konrad von Konstanz und
Eticho - denen wohl noch der 914 genannte Kaplan König
KONRADS I., Wolvinus, und vielleicht Bischof Ato von Vercelli
beizuzählen ist) Enkel Kaiser ARNULFS
waren, werden auch die bayerischen Heiratsverbindungen der nächsten
welfischen
Generationen viel leichter erklärlich.