Diesmal richtete sich das Augenmerk gen Norden: nach Sachsen.
Hier war der BILLUNGER-Herzog
Magnus,
einst ein Feind, in seinen späteren Jahren aber ein, wenn auch lauer,
Anhänger der kaiserlichen Politik, der letzte männliche Sproß
seines Stammes. Welf
hatte schon Beziehungen zu ihm durch seine Gemahlin, die flandrische
Judith. Das reiche Erbe mußte durch seine beiden Töchter
an deren künftige Gatten fallen. Aus diesem Grunde wohl vornehmlich
vermählte der alte Bayern-Herzog einige Jahre vor seinem Tode seinen
zweiten Sohn Heinrich
mit
der ältesten Tochter des BILLUNGERS, Wulfhilde [291
Annalista
Saxo 1106 (SS. VI, 744): Wifhildis nupsit
Heinrico duci,
filio Welfi ducis senioris de Bawaria. - Hist. Welf. Weing.
C. 15 (SS. XXI. 462,463). - Vgl. Meyer von Knonau a.a.O. VI 14 und
15 mit Anmerkung 18; Riezler, Geschichte Bayerns I 585 und A. dtsch. Biogr.
Band 11 Seite 401; Prutz, Heinrich der Löwe 10, Otto von Heinemann
Albrecht der Bär 309f und Geschichte von Braunschweig und Hannover
I 175f.; P.F. Stälin, Geschichte Württembergs I 396; Chr. Fr.
Stälin, Wirt. Geschichte II, 257, - Aus der Stelle der Weingartner
Überlieferung: "uxorem jam dudum patre (vgl. Meyer von Knonau
a.a.O. VI 15 N. 18) vivente, de Saxonia accepit..." geht unzweideutig
hervor, daß die Ehe längere Zeit vor des alten Welf Tode
(1101) zustandekam. Ein näherer Zeitpunkt der Eheschließung
läßt sich nicht finden.].
Immerhin bedeutete die Ehe Heinrichs mit Wulfhild
den Begin eines neuen Abschnitts in der WELFEN-Geschichte.
Mit ihr faßten die WELFEN zuerst
in Sachsen Fuß, das später recht eigentlich der Hauptsitz ihrer
Macht werden sollte. Die Heirat Heinrichs mit der BILLUNGERIN
gab dem WELFEN-Geschlechte die Aussicht
auf die Hälfte der ausgedehnten sächsischen Güter der BILLUNGER,
die es nach dem Tode Herzog Magnus im Jahre 1106 denn auch wirklich
erhielt. Das politische Zentrum dieser Erwerbungen war Lüneburg mit
seinem Gebiet. Dazu kamen noch Landstriche an der Weser, von Bodenwerder
abwärts bis zur Mündung, sowie an der Leine. Dieses Erbe bildete
ein ziemlich zusamemnhängendes Territorium.
Nicht allein Zuwachs an Hausbesitz verdankte das bayrische
Herzogshaus der Ehe Heinrichs mit der sächsischen Fürsten-Tochter.
Auch wichtige Beziehungen zu bedeutenden einheimischen oder landesbenachbarten
Geschlechtern wurden durch sie angeknüpft. Heinrichs Schwiegermutter
Sophie,
die Tochter König
Belas von Ungarn, war die Braut des Markgrafen Wilhelm von
Meißen und nach dessen vorzeitigem Tode (1062) in erster Ehe mit
seinem Neffen, dem Markgrafen Udalrich von Krain und Istrien (+ 1070) vermählt
gewesen; beide stammten aus dem Hause WEIMAR-ORLAMÜNDE, das unter
den Großen Thüringens den ersten Platz einnahm.
Zur Zeit der Eheschließung von Sophiens
Tochter Wulfhild mit dem WELFEN
Heinrich war ihr Neffe Koloman
(+ 1114) ungarischer König. Von höchster politischer
Bedeutung war also der welfisch-billungische
Ehebund, der Nord und Süd miteinander verband, der dynastische
Beziehungen schuf zwischen den Häusern BILLUNG, BALLENSTÄDT,
WEIMAR-ORLAMÜNDE u.a., also der ganzen den SALIERN
nie recht gewogenen sächsischen Sippschaft, und den übermächtigen
WELFEN.