Die älteste der vier Töchter Ottos von Northeim
und Richenzas,
Ethilinde, erhielt
den Namen ihrer Urgroßmutter väterlicherseits, der Gemahlin
Graf Siegfrieds I. Ihre Geburt läßt sich ebensowenig
wie der ihrer Schwestern und Brüder zeitlich genau bestimmen, da wir
deren Altersfolge im einzelnen nicht kennen. Haben wir somit mit der Möglichkeit
zu rechnen, dass
Ethilinde und ihre
Schwestern vor beziehungsweise zwischen ihren Brüdern geboren sein
könnte, so läßt sich ihre Geburt wiederum nur in die Jahre
1050-1060 ansetzen.
Es hat den Anschein, dass Ethilinde
nach der Herzogserhebung ihres Vaters im Jahre 1061 aus politischen Rücksichten
noch im unmündigen Kindesalter dem Grafen Welf IV. in die Ehe
gegeben worden ist. Welf war der Sohn Azzos II. von Este und der
WELFIN
Kuniza
(Kunigunde) und wird etwa zwischen 1030 und 1040 geboren sein. Da
er im bayrisch-schwäbischen Raum über bedeutende Herrschaftsgrundlagen
verfügte, wird sich
Otto von Northeim von der Ehe seiner ältesten
Tochter eine wesentliche Steigerung seiner Macht und seines Einflusses
in Bayern versprochen haben, und es hat durchaus den Anschein, dass sich
der Herzog in dieser Erwartung nicht getäuscht sah. Die Ereignisse
des Jahres 1070 führten jedoch zum Abbruch aller Beziehungen zwischen
Welf
und
Otto. Die Aussicht auf den Gewinn der bayrischen Herzogswürde
bestimmte den WELFEN, seinem beim König
in Ungnade gefallenen Schwiegervater jegliche Unterstützung zu versagen
und seine Ehe mit Ethilinde zu lösen,
das politische Motiv des Ehebruchs liegt daher klar zu Tage. Welf
und
Ethilinde
hatten
keine Kinder, eine Tatsache, die bei dem jugendlichen Alter der NORTHEIMERIN
durchaus
begreiflich erscheint. Die bekannten Nachkommen
Welfs IV.
sind aus
dessen zweite Ehe mit Judith
von Flandern hervorgegangen. Welf
starb am 9. November 1101
auf einer Kreuzfahrt ins Heilige Land.
Ethilinde heiratete
in zweiter Ehe einen westfälischen Grafen mit Namen Hermann,
den die Chronisten des 12. und 13. Jahrhunderts nach der Burg Kalvelage
in der Grafschaft Vechta benennen. Ob er diese Burg bereits besessen hat,
läßt sich mangels zeitgenössischer Quellen nicht mit Sicherheit
sagen. Erst sein und Ethilindes einziger
Sohn Hermann erscheint seit dem Jahre 1115, mit Gewißheit
seit dem Jahre 1126, als Graf von Kalvelage. Die Ehe Ethihildes
und
Hermanns
kann fühestens kurz nach 1070 geschlossen sein; genauere Anhaltspunkte
fehlen. Auch über die Vorfahren Hermanns lassen sich keine
sicheren Angaben machen. Hömberg möchte sowohl die Grafen von
Kalvelage als auch die von Kappenberg von einem im Jahre 1017 auftretenden
Grafen Hermann ableiten, den er für den Großvater des Gemahls
der Ethilinde hält. Lassen sich
auch keinerlei konkrete Einwände gegen Hömbergs Aufstellungen
erheben, so können diese doch nur als Hypotheken gelten. Auch die
Herkunft der Grafen von Kalvelage aus dem westfälischen Münsterland
läßt sich nicht einwandfrei nachweisen. Die Nachkommen Hermanns
II. nennen sich nach der Burg Ravensberg. Man hat daher seit
langem in der Forschung die These vertreten, dass bereits Ethilinde
ihrem Gemahl Hermann im Bistum Osnabrück Komitatsrechte aus
väterlichen, das heißt northeimischen Erbe in die Ehe
gebracht habe. Beweise für eine Annahme fehlen aber gänzlich.
Es ist schon darauf verwiesen worden, dass die gräflichen Gerechtsame
Ottos
von Northeim nach seinem Tode bei der männlichen Linie des Geschlechts
verblieben sind. Außerdem fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme,
dass die NORTHEIMER in Mittelwestfalen jemals Grafenrechte ausgeübt
haben. Dagegen sind möglicherweise durch die Mitgift der Ethilinde
auch im Bistum Osnabrück Allodialgüter northeimischer
Herkunft an Hermann I. übergegangen, aber die westfälischen
Besitzungen der NORTHEIMER
lagen, was in diesem Zusammenhang betont
werden muß, fast ausnahmslos in den Gebieten südlich der Lippe.
Sichere Angaben über Umfang und Lage der an Hermann gelangten
northeimischen
Erbgüter
in Westfalen lassen sich daher nicht machen.
Ein im Jahre 1082 gestorbener Graf Hermann läßt
sich mit einiger Sicherheit auf den Gemahl der Ethilinde
beziehen;
über ihren Tod haben sich keinerlei Nachrichten erhalten. Der Sohn
beider, Graf Hermann II. von Kalvelage, wäre demnach zwischen
1071 und 1082 geboren. Seine Gemahlin (Judith?) soll nach Prinz
und Hömberg eine Tochter Graf Ottos von Zütphen gewesen sein
und als Miterbin ihres Vaters die Machtstellung der Grafen von Kalvelage-Ravensberg
in Nordwestfalen begründet haben. Da sich der Name und Herkunft von
Hermanns Gemahlin jedoch nicht mit Sicherheit nachweisen lassen,
muß auch die vermutete Übernahme zütphenscher Gerechtsame
im Raum um Kalvelage durch den Sohn der Ethilinde
problematisch
bleiben. Hermann begegnet zum letzten Male urkundlich im Jahre 1134.
Über seinen Tod haben sich keine glaubwürdigen Nachrichten erhalten.