STAMMTAFEL im Anhang Band IX des Lexikons des Mittelalters
Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1086
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RUDOLFINGER
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Fränkisches Adelsgeschlecht, Königshaus im Königreich Burgund, nach dem Leitnamen benannt.
[1] ANFÄNGE
Die RUDOLFINGER bildeten die westfränkisch-burgundische Linie der WELFEN. Zu ihren Vorfahren gehörte der austrasische Große Ruthard. An seine Position in Alemannien knüpfte Welf an, der Vater Judiths, der zweiten Gemahlin LUDWIGS DES FROMMEN. Die Verbindung mit dem Königshaus begünstigte den Aufstieg ihrer beiden Brüder Konrad und Rudolf. Konrads Söhne, Hugo "Abbas" und Konrad der Jüngere gingen um 858/59 von Ludwig dem Deutschen zu KARL DEM KAHLEN über, wodurch sich allmählich in W-Franken/Burgund und in S-Deutschland zwei eigenständige Zweige der WELFEN entwickelten. Konrad der Jüngere erhielt die Grafschaft Auxerre, 859 beziehungsweise 864 auch den transjuranischen Dukat, den Raum östlich des Jura um Genf, Lausanne und Sitten. Sein Sohn Rudolf I. folgte ihm (vor 878) in der Würde des Grafen beziehungsweise Markgrafen und Laienabts von St-Maurice.
[2] AUFSTIEG ZUM KÖNIGTUM; KÖNIGSHERRSCHAFT
Nach dem Tode KARLS III. (13. Januar 888) ließ sich Rudolf in St-Maurice von weltlichen und geistlichen Großen zum König ausrufen; seine Salbung in Toul (März 888) erweist die Erneuerung des Reiches Lothars II. als sein Ziel. Die Stoßrichtung der hoch-burgundischen Politik zielte wechselweise auf Schwaben, Italien, Nieder-Burgund-Provence, den mittleren Rhoneraum und das westlich des Jura gelegene Doubsgebiet. Ihr bestimmendes Element war die Heirats- und Familienpolitik: den Frieden mit Herzog Burchard I. von Schwaben festigte Rudolfs Ehe mit Berta, Burchards Tochter; der Anfall von Nieder-Burgund-Provence war - abgesehen von dem Vertrag mit Hugo von Arles von ca. 933 - erbrechtlich begründet durch die Vermählung Rudolfs mit Wila, einer Tochter König Bosos von Vienne; die seit 929 bestehenden "Verschwägerung" mit OTTO I. erklärt das "Protektorat" über den minderjährigen Konrad (seit 937/38); verstärkt wurden die Bindungen Burgunds an das ostfränkische Reich durch OTTOS DES GROSSEN Vermählung mit Konrads Schwester Adelheid (951); Konrads Ehe mit Mathilde, einer Tochter des westfränkischen Königs Ludwig IV. und der Schwester OTTOS I., Gerberga, zeigt die RUDOLFINGER in einem engen verwandtschaftlichen Netz zwischen West- und Ostfranken; das Fehlen eines legitimen Erben beim Tode Rudolfs III. (1032) machte das Burgundische Reich zum Zankapfel der Nächstberechtigten, das heißt der Nachkommen von Rudolfs Schwestern Gisela (Kaiser HEINRICH II.), Gerberga beziehungsweise deren Tochter Gisela (Graf Liudolf von Braunschweig, Herzog Ernst von Schwaben, HEINRICH III.) und Bertha (Graf Odo von Blois-Champagne). Im engeren Herrschaftsbereich der RUDOLFINGER befanden sich die rudolfingischen Eigenklöster Lüders (Lure), Münstergranfelden, Peterlingen (Payerne), Romainmotier, die alte Königs- und Hausabtei St-Maurice und das Familienkloster St-Andre-le-Bas in Vienne. Von den illegitimen RUDOLFINGERN übernahmen manche wichtige kirchliche Positionen des Kernraumes, so zum Beispiel Rudolfs III. Halbbruder Burchard II., Erzbischof von Lyon (979-1031) und zugleich Propst beziehungsweise Abt von St-Maurice. Als Krönungsort der RUDOLFINGER trat neben St-Maurice nur Lausanne hervor. Bestatten ließen sich die RUDOLFINGER in St-Maurice (Rudolf I., Rudolf II.), in St-Andre-le-Bas in Vienne (Konrad) und in der Kathedrale von Lausanne (Rudolf III.).
[3] BEDEUTUNG
Die RUDOLFINGER waren
das einzige nicht-karolingische Geschlecht,
dem 888 auf Anhieb die Dynastiebildung gelang, doch blieb ihr Königtum
schwach und ohne eigene traditionsbildende Kraft. Immerhin erlangte unter
ihrer Herrschaft das regnum Burgundiae eine staatsrechtliche Konsistenz,
die dem Zwischenreich auch nach der Einbindung in die Trias des "Römischen
Reiches" auf Jahrhunderte Bestand verlieh.
Quellen:
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Th. Schieffer, MGH DD Rudolf, 1977
Literatur:
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J. Fleckenstein, Über die Herkunft der Welfen und
ihre Anfänge in Süddtl. (Stud. und Vorarbeiten zur Gesch. des
großfrk. und frühdt. Adels hg. G. Tellenbach, 1957) - E. Hlawitschka,
Die verwandtschaftl. Verbindungen zw. dem hochburg. und dem niederburg.
Kg.shaus (Fschr. P. Acht, 1976) - Ders., Die Kg.sherrschaft der burg. R.,
Hjb 100, 1980 - M. Borgolte, Die Gf.en Alemanniens in merow. und karol.
Zeit, 1986 - R. Pokorny, Eine bfl. Promissio aus Belley und die Datierung
des Vereinigungs-Vertrages von Hoch- und Niederburgund (933?), DA 43, 1987.