Die gesicherte Geschichte des Werler Grafenhauses
begann 997, als OTTO III. dem Stift
Meschede ob petitionem Gerbergae comitissae
einen Besitz in Stockhausen in pago Locdorf ac in comitatu Herimanni comitis
übertrug. Drei Jahre später erwirkte eine
matrona Gerberga für das
von ihr gegründete Nonnenkloster in Oedingen in pago Lacdorpgo
in comitatu Herimanni eius filius von OTTO
III. eine Bestätigungsurkunde, die dem Kloster freie Wahl
der Äbtissin und ihrem Sohn Hermann und seinen Nachkommen die
Stellung des Klostervogtes zusicherte.
Ungefähr in die gleiche Zeit fällt die Auseinandersetzung
Hermanns von Werl mit Erzbischof Heribert von Köln. Anlaß
der Feindseligkeit war die durch den Erzbischof erfolgte Festnahme Gerbergas,
der Mutter des Grafen. Die tieferen Gründe dieses Vorgehens treten
nicht zutage.
Fragen wir zunächst: wer war die urkundlich bezeugte
Gerberga?
Bollnow stellte als Ergebnis seiner Arbeit an Hand des sächsischen
Annalisten fest, dass Gerberga, die
Mutter Hermanns von Werl, allenfalls mit Gerberga
von Burgund, der Tochter König
Konrads von Burgund und der Mathilde,
einer Enkelin HEINRICHS I., identisch
sein könnte, was nach seiner überkritischen Methode keinesfalls
für ihn zwingend ist. Von einer Vermutung zur Behauptung und deren
Begründung ging Fr. von Klocke über. Er unterschied eine Gerberga
"aus dem Sauerland" von Gerberga von Burgund.
Die Stifterin des Klosters Oedingen sei identisch mit Gerberga
aus dem Sauerland, einer Frau von großer Tatkraft und
reichem väterlichen Erbgut, mit dem sie wesentlich zum Ausbau des
Machtbereiches der Werler Grafen beigetragen habe. Wer ihr Gatte
war, ist ungewiß. Fr. von Klocke schaltete sowohl den 978 erwähnten
als auch den 985 bezeugten Grafen Hermann als Stammvater der
Werler Grafen aus. Als gesichert ließ er nur gelten, dass der
von Thietmar genannte und in der Stiftungsurkunde aufgeführte Hermann
ihr Sohn war. Die Unterscheidung der beiden Gerbergen
ging wesentlich von der Titulierung comitissa und der Tatsache ihrer
Festnahme durch den Erzbischof von Köln aus. Gerberga
von Burgund sei hingegen wesentlich jünger gewesen. Sie
habe nach dem Tode ihres ersten Gatten, des Herzogs Hermann von Schwaben,
in zweiter Ehe den seit 997 bezeugten Grafen Hermann, den Sohn der
Gerberga aus dem Sauerland und den ersten wirklich in Werl erweisbaren
Angehörigen dieses Grafenhauses, geheiratet. Gerberga
habe aus erster Ehe schon die beiden Töchter Mathilde
und Gisela, wie Hermann von
einer unbekannten Gattin die Söhne Heinrich, Konrad und Adalbert gehabt.
Aus beider um 1004 geschlossenen Ehe seien dann die Kinder Rudolf,
Bernhard und Mathilde hervorgegangen. Hömberg dagegen
trat nachdrücklich für eine Personengleichheit der beiden Gerbergen
ein. Endgültige Sicherheit ist meines Erachtens aus Mangel an Zeugnissen
nicht zu gewinnen. Gerberga war vermutlich
in 1. Ehe mit einem ungenannten Grafen von Werl verheiratet, den Bollnow
vorsichtigerweise nicht namhaft macht. In zweiter Ehe heiratete sie Herzog
Hermann von Schwaben, dem sie die Kinder Gisela
- die spätere Kaiserin - Beatrix, Bertold und Hermann
(Herzog von Schwaben, + 1012) gebar. Bollnow hielt eine 3. Ehe nach
dem Tode
Herzog Hermanns (+ 1003) erneut mit einem
Grafen von Werl für nicht ausgeschlossen. Die Schwierigkeit beruht
darin, dass der sächsische Annalist als Geschwister der Gisela
von Schwaben erwähnt: soror eius Mathildis fratresque
eius Rodulfus et Bernardus nati erant in Westfalia de loco,
qui dicitur Werla. Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage ergeben
sich dadurch, dass Rudolf in der Vita Meinwerci kein einziges Mal
in den Zeugnislisten auftauchte. Andererseits wird man aus chronoligischen
Erwägungen den Bernhard des Annalisten mit Bernhard,
dem Sohn des Grafen Hermann von Werl, identifizieren müssen,
so dass dem Annalisten in der Generationsfolge ein Gedächtnisfehler
unterlaufen wäre. Bollnow löste das Problem auf die Weise, dass
er Hermann von Werl einen Sohn Gerbergas
aus
1. Ehe und damit einen Halbbruder der Kaiserin
Gisela sein ließ. Die übrigen Geschwister der Gisela,
die der Annalist aufführte - also Mathilde, Rudolf und
Bernhard - sollen Kinder des Grafen Hermann (von Werl)
und damit Giselas Bruderkinder sein.
Die Lösung hat viel für sich, zumal wenn man die 2. Ehe Hermanns
in Erwägung zieht, die Bollnow nicht erwähnte. Wir können
nur mutmaßen, dass vielleicht Rudolf und Mathilde Kinder
aus dieser 2. Ehe waren, was allerdings der Aussage Thietmars widerspricht,
der die Ehe wegen der nahen Verwandtschaft für kinderlos hielt: nullam
in procreanda prole spem deinceps adipiscitur. Diese Aussage stand
möglicherweise unter dem Eindruck der göttlichen Strafe für
die Exkommunikation. Vielleicht wurden die Kinder auch erst nach Thietmars
Tod (+ 1018) geboren. Die 2. Ehe würde erklären, warum Rudolf,
der an zwei Stellen als comes natus de Westfalia, ex loco, qui
dicitur Werla bezeugt ist, in der Vita Meinwerci nicht unter den vier
Söhnen Hermanns aufgezählt wurde. Zum Zeitpunkt des Testates
(1024) war er demnach noch unmündig und kam als Zeuge nicht in Betracht,
da er frühestens 1007 geboren wurde. Hömberg fand eine andere
Lösung, auf die in einem anderen Zusammenhang bereits hingewiesen
wurde.
Ebenso strittig ist die Beantwortung der Frage nach Gerbergas
Gatten. Bollnow wich ihr aus. Er begnügte sich mit der allgemeinen
Feststellung, dass er ein Graf von Werl war. Hömberg machte Graf
Bernhard als Gatten der Gerberga
namhaft.
In Frage käme ein Graf Hermann, der zur gleichen
Zeit auftrat. Nach Auslage einer Urkunde sprach er im Ort Böllinghausen
(bei Erwitte) im Gau Engern Recht, der in den Besitz des Klosters Meschede
überging. Dieses Gebiet liegt in der Nähe von Werl, dem Stammsitz
der Familie. Es schließt sich organisch an die Grafschaft des Grafen
Hermann im Locdorpgau an. Zeitliche Bedenken erheben sich ebenfalls
nicht. Vor allem spricht eine Erwähnung bei Thietmar dafür, ihn
als Mitglied des Werler Grafenhauses zu betrachten. Die Textstelle
besagt, dass 984 der Streit zwischen Heinrich
von Bayern
und seinem Sohn - dem späteren König -
Herimanni comitis consilio geschlichtet wurde. Was konnte
einen westfälischen Grafen veranlassen, sich in Sachen des bayerischen
Herzogshauses zu verwenden. Die Antwort lautet: hier sprachen verwandtschaftliche
Verpflichtungen mit.
Gerbergas
Halbschwester
und somit Hermanns vermutliche Schwägerin war Gisela,
die Gattin des Bayern-Herzogs
Heinrich des Zänkers, der sich 984 mit seinem Sohn auseinandersetzte.
Von hier aus gesehen erhellt sich die schon erwähnte Bezeichnung der
Annalen consobrini imperatoris
für die Söhne Hermanns
von Werl. Hömberg hielt den 978 erwähnten Grafen Hermann
für
Gerbergas
Schwiegervater,
und zwar auf Grund der Tatsache, dass ihr Sohn wiederum den Namen Hermann
trug. Da nur eine einzige Erwähnung vorliegt, können aus seinen
Amtsdaten auch nicht annähernd gesicherte Angaben über das Alter
des genannten Grafen gemacht werden. Alle anderen Kombinationen - wie Gatte
oder Schwager - haben darum genau so viel Wahrscheinlichkeit für sich.
Vielleicht war er mit dem Grafen Hermann identisch, der nach dem
Fuldaer Totenbuch am 13. Juli 995 starb, zu welchem Tage auch das Merseburger
Totenbuch das Ableben eines Grafen Hermann verzeichnete.