Joseph R. Strayer
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"The Reign of Philipp the Fair"

Kapitel: The King and His Family Seite 18-21

Übersetzung von Peter Weiland
 

Der König und seine Familie

Wahrscheinlich hatte Edward I. gehofft, dass Jeanne Philip im Streit um Aquitanien besänftigen würde. Falls dem so war, wurde er enttäuscht. Es stellt sich die Frage, ob sich Jeannes Unfähigkeit ihren Ehemann zu beeinflussen in einigen Passagen von Joinvilles "Das Leben Ludwigs des Heiligen" widerspiegelt. Joinville sagt ausdrücklich, dass das Buch auf Wunsch der Königin verfasst wurde.
Selbstverständlich war es für sie nur natürlich, ihren eigenen Majordomus [= Verwalter] der Champagne dabei zu unterstützen, seine Erinnerungen aufschreiben zu lassen, aber sie könnte auch gehofft haben, dadurch ihren Mann zu überzeugen, sich mehr an dem Vorbild seines Großvaters zu orientieren.
Joinville macht jedenfalls einige wenig schmeichelhafte Vergleiche zwischen Ludwig dem Heiligen und "dem derzeitigen König".
Obwohl Jeanne diese Kritik unterstützte, hatte diese wenig Auswirkungen. Jedenfalls starb sie bevor das Buch fertiggestellt wurde.
Was seine Kinder betrifft, so konnte Philipp, außer in seiner späten Regierungszeit, nicht von seinen Söhnen beeinflusst werden. Damals wurde der älteste Sohn, Ludwig, der nominelle König von Navarra, in einigen Dokumenten erwähnt, allerdings wohl nur pro forma. Die beiden jüngeren Söhne, Philipp und Charles, tauchen in den Dokumenten nur selten auf. Keiner von ihnen hatte irgendeinen Einfluss auf die königliche Politik oder wirkliche Autorität in den Provinzen, die sie [offiziell] regierten.
Hugues de la Celle verwaltete Poitou und La Marche, obwohl Philip Graf von Poitiers und Charles Graf von La Marche waren.
Ludwig, der die Champagne und Navarra geerbt hatte, besaß etwas mehr Unabhängigkeit, aber er war von Männern umgeben, die alle Bedienstete seines Vaters gewesen waren. So war Pierre de Grez sein Kanzler, ein Sekretär des Königs, der Bischof von Auxerre wurde. Sein "Bailli" [Titel = "Verwahrer"] von Choumont in den Jahren 1308-1309 und Aufseher über die Jahrmärkte der Champagne von 1311 war Jean de Vannoise, der 1310 bis zum Frühjahr 1311 Prévôt [ein offizieller Titel, Bedeutung müsste man in der französischen Sprache suchen] von Paris und 1314 Steuereintreiber Philipps war. Sein Gouverneur von Navarra (1297-1306, 1314-1316) war Alfonse de Rouvrai, ein Ritter des Königs, der 1292 bis 1295 Seneschall [= Verwalter] von Beaucaire und von 1310 bis 1312 Seneschall von Carcassonne.
Es sollte ebenfalls angemerkt werden, dass, obwohl die drei Prinzen verheiratet waren, keiner von Ihnen bei ihrer Hochzeit (1305, 1307 und 1308) zum Ritter geschlagen wurde, so wie es noch bei Philip dem Gerechten üblich war.
Sogar Philipp, der Thronerbe, wurde nicht vor Frühjahr 1313 zum Ritter gemacht.
Natürlich könnte Philip eine politische Rolle gespielt haben, auch ohne Ritter gewesen zu sein. Aber die Tatsache, dass Philipp [der Schöne] die Zeremonie verschieben ließ, lässt vermuten, dass er nicht bestrebt war, sie [die Prinzen] als ganz erwachsene Mitwirkende bei den Angelegenheiten des Königreiches anzuerkennen.
Ein weiteres Anzeichen dafür, daß die Beziehungen zwischen Philip und seinen Söhnen nicht sehr eng war, ist die skandalöse Affaire um die Schwiegertöchter des Königs. Im letzten Regierungsjahr beschuldigte Philip die Ehefrauen von Ludwig und Charles des Ehebruchs und machte der Frau des jungen Philip den Vorwurf, die Fehltritte ihrer Schwägerinnen verheimlicht zu haben. Ohne direkte Beweise war es unmöglich gewesen sicher zu sein, jedoch muß Philip völlig davon überzeugt gewesen sein, bevor er die Angelegenheit zu einem öffentlichen Skandal machte. Es wurde kein Versuch unternommen, die Affaire zu vertuschen. Die Liebhaber der Prinzessinnen wurden unter grausamer Folter auf dem Marktplatz von Pontoise hingerichtet, während die Frauen im Gefängnis eingesperrt wurden. Jeanne, die Frau des jungen Philip, konnte ihre Unschuld beweisen und wurde freigelassen. Die beiden anderen starben jedoch während der Gefangenschaft.
Es ist schwer zu verstehen, warum Philip sich entschied, seinen Söhnen eine solch deutliche Demütigung zuzufügen. Sicherlich war er schockiert, denn er seblst hatte ein keusches Leben geführt und welche Fehler auch immer an seinem Hofe zu finden waren, außereheliche Beziehungen gehörten nicht dazu.
Er war geneigt, von jedem das schlechteste zu glauben, was er deutlich im Umgang mit Boniface VIII. und im Fall der Templer zeigte. Seine Frömmigkeit ihn zu der Überzeugung gebracht haben, daß die königliche Familie ein Vorbild für anständiges Benehmen sein sollte und daß Ehebruch duch ein Mitglied der Familie eine spektakuläre Bestrafung verdiene. Was auch immer seine Gründe waren, sein Verhalten zeugt von einem Mangel an enger Zuneigung zwischen Vater und Söhnen.
Es kann sein, daß sich Philip mit seiner Tochter Isabella enger verbunden fühlte. Eine Geschichte, welcher Langlois Glauben schenkte, berichtet, daß es Isabella war, die ihren Vater als erste von den Fehltritten ihrer Schwägerinnen berichtet hatte. Sicher blieb Philip in engem Kontakt mit ihr, nachdem sie Edward III. von England geheiratet hatte und als Edward 1313 Paris besuchte, gewährte Philip seinem Schwiegersohn viele Gefälligkeiten, üblicherweise mit der Anmerkung, daß Isabella darum für ihren Mann gebeten hatte.
Aber sogar hier verbanden sich väterliche Zuneigung mit Staatsräson zur gleichen Handlung. Etwa 1303, wenn nicht schon früher, hatte Philip entschieden, daß er gute Beziehungen zu England brauchte, um freie Hand zu haben, sich mit dem Papsttum, Flandern und den westdeutschen Prinzen zu befassen. Gefälligkeiten für Isabella waren somit genauso für politische, wie auch familiäre Verbindungen notwendig.
Wenn man die königliche Familie als eines der Machtzentren betrachtet, so ist die Bürpkratie die einzige andere Gruppe, die Politik gemacht haben könnte. Hier muß man aber unterscheiden zwischen den Bürokraten in den Provinzen und den Männern, die in den zentralen Behörden der Regierung in Paris arbeiteten. Örtliche Offizielle, wie z.B. "Baillis" und "Seneschals", Steuereinnehmer und die Richter in den Provinzen, fällten jedes Jahr tausende Entscheidungen und die Summe dieser Entscheidungen könnte über einen längeren Zeitraum betrachtet zu einer deutlichen [eigenständigen] Politik geführt haben.
Die Arbeit der örtlichen Beamten wurde jedoch überprüft und oft vom Rat (Parlament, Kammer der "Comtes" [?], das Kanzleigericht und der Rat selbst als beratendes Gremium) auf die eine oder andere Art genau entgegengesetzt  entschieden.
Man könnte behaupten, der Rat habe Politik gemacht, jedoch sprechen mehrere Fakten gegen diese Theorie. Die Zusammensetzung des Rates unterstand alleine der Machtbefugnis des Königs. Es gab keine Garantie dafür, daß ein Mann, der "Berater des Königs" genannt wurde, zu jedem oder überhaupt einem der Zusammenkünfte eingeladen wurde, bei denen der König sich beraten ließ.
Es gab keine permanente Arbeit der Kommissionen (wie z.B. das Parlament) oder für irgend einen Arbeitsbereich (wie z.B. Außenpolitik oder Finanzen). Man sollte sich nicht von der Reputation eines Flote, eines Nogaret oder eines Marigny blenden lassen. Man sollte zunächst berücksichtigen, daß alle diese Männer vom König ausgesucht wurden und ihm nicht durch die Arbeit einer unpersönlichen Bürpkratie aufgedrängt wurden.
Die meisten Provinzrichter haben Paris nie gesehen und von den wenigen, die in Paris waren, wurde nur Nogaret Hüter der [königlichen] Siegel. Viele Kammerherren profitierten finanziell von ihrem engen Umgang mit Philip von allen Kammerherren war Mirigny der einzige, der ein wichtiger Berater des Königs wurde.
Der König bestimmte die Männer und sie hatten nur soviel Authorität, wie der König bereit war, ihnen zu gewähren. Ihre Authorität war beschrängt. Es wäre falsch, zu denken, daß auch nur einer von Philips Beratern wie eine Art Premierminister arbeiten konnte. Nogaret wurde nach Paris berufen, noch bevor Flote starb und als Marigny den Höhepunkt seiner seiner Bedeutung erreicht hatte, war Nogaret immer noch der Hüter der [königlichen] Siegel.
Es gab auch immer andere Berater, die unabhängige Aufträge hatten, bestimmte Probleme zu behandeln, wie das Verhandeln mit fremden Ländern oder das Verbessern der Finanzen. Tatsache ist, daß die Verantwortlichkeiten auf so viele Personen verteilt waren, daß es unmöglich gewesen wäre, eine konsequente Politik zu betrieben, ohne daß ein Mann die Arbeit des Rates beaufsichtigte und koordinierte. Der Mann, der dies als einziger getan haben konnte, war der König selbst.
Ein deutlicher Beweis dafür, daß Philip die Arbeit der Regierung koordinierte, ist eine neue Verfahrensbestimmung, die die Sekretäre des Rates während seiner Regierungszeit eingeführt haben. Bedenkt man die Anzahl der Männer, die nach königlichen Ämtern und Stellungen verlangten und die Anzahl der Berater, die Zugang zum König hatten, so ist es nicht verwunderlich, daß es z.B. Briefe gab, die in betrügerischer Absicht erlangt wurden und widersprüchliche Versprechen des Königs und Mitgliedern des Rates enthielten und auch sich widersprechende königliche Urkunden. Solch ein Durcheinander war verwirrend und auch peinlich. Um das Auftauchen dieser unauthorisierten oder sich widersprechenden Briefe zu vermeiden, wurde allmählich die Regel eingeführt, daß am Ende jeden Dokuments, das im Namen des Königs verfaßt wurde, die Namen des Notars, der es aufgeschrieben hat, sowie des Beamten, in dessen Auftrag es gechrieben wurde, stehen mußte. Die frühesten Beispiele dieser Praxis stammen aus den 90er Jahren des 13. Jahrhunderts. Ab etwa 1314 wurden die meisten Dokumente auf diese Weise beglaubigt.