Als Kaiser HEINRICH V. 1125
starb, war der schwäbische Herzog Friedrich
von Staufen durch seine Mutter
Agnes
ein Enkel HEINRICHS IV. und
Neffe
HEINRICHS V., als ältester
Sohn der Kaisertochter aus deren erster Ehe der nächstberechtigte
männliche Erbe. Seiner Obhut vertraute der sterbende Kaiser deshalb
seine Hinterlassenschaft und seine Gemahlin
Mathilde
an
- nicht als dem Universalerben oder gar dem bereits feststehenden Nachfolger
im Königtum, "sondern eher als dem Sachwalter einer Erbengemeinschaft,
der er selbst angehörte". Doch Friedrich
von Schwaben hoffte nicht nur,
aus der Königswahl als Nachfolger der SALIER
hervorzugehen, sondern trat bei der Wahl mit dem Anspruch auf, dass nur
ihm die Königsherrschaft zustehe. Bekanntlich hat er sich durch dieses
Auftreten die Sympathien der Reichsfürsten, deren Zustimmung er bedurfte,
endgültig verscherzt - nicht er, sondern LOTHAR
VON SUPPLINBURG wurde zum König erhoben. Aber die STAUFER
haben dies stets als Mißachtung ihres Anspruchs, als Verletzung ihres
Rechtes angesehen; und so wird schon unter FRIEDRICH
BARBAROSSA die 1138 erfolgte, 1152 bekräftigte Nachfolge
der
STAUFER als "Rückkehr" des
Königtums an die legitimen Erben, an das Geschlecht der "WAIBLINGER"
verstanden.
Damit fiel die Entscheidung wieder an die größere
Wahlversammlung zurück, der aber das Wahlmännergremium eine Empfehlung
durch die Benennung von drei Kandidaten gab. Man sollte sich entscheiden
zwischen
Herzog Friedrich von Staufen,
Herzog
Lothar von Sachsen
und dem Markgrafen Leopold von Österreich.
Unschwer ist zu erkennen, was sich bei den Beratungen im engeren Kreis
abgespielt haben muß: Die beiden Hauptkandidaten,
Friedrich
und
Lothar, konnten nicht die Zustimmung
aller Kompromissäre auf sich vereinigen; vielleicht scheute sich auch
dieses kleine Gremium nur davor, die Verantwortung für eine Spaltung
zu übernehmen, die mit der Entscheidung für einen der beiden
Kandidaten eintreten konnte. Deshalb benannte man einen dritten Kandidaten,
der durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen und seine Verbindungen
zu den beiden Hauptbewerbern vielleicht auch deren Zustimmung erlangen
konnte und der für die Parteiungen, die sich in der Befürwortung
der einen oder der anderen Kandidatur artikulierten, als neutraler Mann
gelten durfte.
Die Wahl trat damit in eine kritische Phase. Man mußte
sich nun zwischen drei feststehenden Bewerbern entscheiden und wußte
doch nicht, ob die Entscheidung von den ausgeschiedenen akzeptiert würde.
Deshalb verlangte man von allen drei Fürsten die Erklärung, sich
ohne Widerstand und Vorbehalt der Entscheidung zu fügen, die man in
der Versammlung gemeinsam - es ist nicht von "Mehrheit" die Rede treffen
würde. Leopold und Lothar, die
schon vorher die Nominierung aus Demut (humilitas) zurückgewiesen
hatten, leisteten dieses Versprechen sofort in den Formen, die man erwartete.
Friedrich
von Staufen dagegen, der die Demutsäußerungen der
beiden anderen Nominierten wörtlich genommen hatte und nun zu seiner
Wahl in der Versammlung erschienen war, leistete das geforderte Versprechen
nicht. An ihn, der sich auf einen Erbanspruch berief oder berufen konnte,
richtete der Erzbischof von Mainz als Wahlleiter die auch den anderen gestellte
Frage in zugespitzter Form: ob er zur Ehre der Kirchen und des Reiches
und zur dauernden Befestigung der freien Wahl die gleiche Zusicherung ablegen
werde. Friedrich gab vor, ohne Zustimmung
der Seinen im Lager hierauf nicht antworten zu können, und entzog
sich von da an der Versammlung und den Beratungen über die Königswahl.
Zum Verständnis des Wahlverfahrens und der hinter
ihm stehenden Gemeinschafts- und Wahlauffassungen trägt auch das weitere
Verhalten in der Wahlversammlung bei. Mit der Weigerung Friedrichshatte
sich die Zahl der möglichen Kandidaten nicht einfach von drei auf
zwei reduziert. Sondern der bisherige Wahlvorgang war damit aufgehoben;
der Versuch, durch die Kompromißwahl zu einer einhelligen Entscheidung
zu gelangen, war endgültig gescheitert. Deshalb erbat man von den
bisher Benannten, das heißt von Lothar
und
Leopold, einen ausdrücklichen Verzicht auf alle Ansprüche, die
sie aus dem Vorschlag möglicherweise ableiten konnten. Die Beratung
begann ganz von vorne; was im ersten Gang geschehen war, sollte keine Rolle
mehr spielen. Eine Gruppe der Versammelten machte allerdings hier nicht
mehr mit: sie verlangte, nachdem der Gegenkandidat ausgescheiden war, tumultartig
die Ernennung Lothars, hob den Herzog
auf ihre Schultern und trug ihn trotz seines Protestes unter den laudes
regiae im Saale umher.
Mit der offiziellen Benennung LOTHARS
und dem Verhalten der Gruppe, die ihn favorisierte, war eine neue, äußerst
schwierige Situation geschaffen. Wie der Vergleich mit den vorhergehenden
Königswahlen zeigt und wie auch Berichte über andere Wahlen im
frühen 12. Jahrhundert erkennen lassen, hatte sich in dem Augenblick,
in dem man sich offen für einen Kandidaten aussprach, ein Teil der
Wahlberechtigten definitiv festgelegt. Eine einhellige Entscheidung war
nun nur noch zu erreichen, wenn auch die übrigen sich diesem Vorschlag
anschlossen - sonst kam es unweigerlich zum offenen Dissens, was in diesem
Falle wohl den Bürgerkrieg bedeutet hätte. Insofern kam es darauf
an, ein Auseinanderlaufen der Wahlversammlung zu verhindern und die Fortsetzung
der Beratungen zu erzwingen, was dem Erzbischof von Mainz und den anwesenden
päpstlichen Legaten schließlich auch gelang. Diejenigen, die
die discordia provoziert und die übrigen Fürsten in ihrer Ehre
und ihrem Recht gekränkt hatten, mußten formal Genugtuung für
ihr Verhalten leisten, damit die Einheit, die Gemeinschaft der mit der
Wahl betrauten Fürsten, wiederhergestellt werden konnte. Bekanntlich
ist es gelungen, nicht nur die Versammlung zur allgemeinen Anerkennung
LOTHARS
zu bringen, sondern auch Herzog Friedrich
zum Beitritt zur Wahlentscheidung zu bewegen. Auch nach dieser Wahl scheint
noch einmal über das Verhältnis von Reich und Kirche diskutiert
und der bisherige Ausgleich bekräftigt, vielleicht sogar weiterentwickelt
worden zu sein.